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Full text of "Johann Josef Fux, Hofcompositor und Hofkapellmeister der Kaiser Leopold I., Josef I. und Karl VI. von 1698 bis 1740"

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JOHANN  JOSEF  FUX 


HOFCOMPOSITOR    UND    HOFKAPELOffilSTER 


DEK  KA   SEK 


LEOPOLD  L,  JOSEF  L  UND  KARL  VL 


[  VON  1698  BIS  1740. 


NACH  URKUNDLICH KN  FORSCHUNGEN 


VON 

De.  LUDWIG  RITTER  VON  KÖOHEL. 


MIT  EINEM  BILDNISSE  UND  ZWEI  PACSIMILE. 


MIT  UM'KRSTÜTZUNO  T>EK  KAISKRLICHEN   AKADEMIK  I*KR  WISSK^gCHA^TKN  IN  WIEN. 


WIEN. 

VLKRED  HOLDER  (BECK'SCHE  ÜNIVERSI'IÄTS-UUCHHANDLUNO 

1872. 


Verlag  von  Alfred  Holder  (Beck'sche    Universitäts 
Buchhandlung)  Wien^  Rothenthurmstrasse  15. 


Von  demselben  Verfasser  erschienen  bereits  früher: 

I>i*ei  und  aolitzig- 

neu  aufgefundene 

Original  -  Briefe 

Ludwig  yan  Beethoyen's 


an  den 


Erzherzog  Rudolph, 

Cardinal '  Erzhitchof  von  Olmüiz,  kaia:  H. 


Preis  1 11. 10  kr. 


Die 


Kaiserliche  Hof -Musikkapelle 


in  Wien. 


Von  1543—1867, 


Nach  urkundlichen  Forschungen, 


Frei»  2  11. 


Diiuck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Johann  Josef   Fax. 


4 


JOHANN  JOSEF  FUX. 


Nioh  d«m  Olgemllde  tm  Archive  der  Oesellsohr^ft  der  Musikfreunde  In  Wien. 


Zeichniiog  tod  Lndwlt  M&vkt. 


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4      • 


A  Vorwort. 

ten  Opern  und  Oratorien,  wie  der  Ejrchenmasik  aus  jener  Periode 
gekommen,  welche  1826  bis  1829  ans  dem  Archive  der  Hofka- 
pelle  auf  Veranlassung  des  Hofbibliothekpräfecten  Grafen  Moriz 
Dietrichstein  übertragen  worden  *.  Dadurch  wurde  zugleich  der 
Grund  zu  dem  thematischen  Verzeichnisse  von  mehr  als  400  Wer- 
ken  unseres  Fux*  gelegt,  wozu  aber  ausserdem  die  Archive  des 
Wiener  Musik  Vereins,  der  Stifte  Schotten  in  Wien,  Gott- 
weig  in  Unterösterreich  und  Eremsmttnster  in  Oberöster- 
reich, dann  der  Kirche  St.  Peter  in  Wien  sowie  des  Domes 
in  Salzburg,  ferner  der  kön.  Bibliotheken  in  Dresden  und 
Berlin  bedeutende  Beiträge  lieferten. 

Aus  J.  Mattheson's  Musica  critica  wurden  die  Briefe  des  Fux 
ttber  Solmisation  und  die  Entgegnungen  Mattheson's,  da  jenes 
Werk  seltener  geworden  ist,  gleicherweise  die  Widmungen  der 
Missa  canonica  und  des  Concentus  musico-instrumentalis  von  Fux 
in  der  Beilage  IQ  abgedruckt. 

Nicht  unberücksichtigt  blieben  begreiflich  die  ürtheile  von 
Zeitgenossen  über  Fux,  die  in  Mattheson's  Ehrenpforte,  in  Quantz' 
Lebensbeschreibung  u.  a.  niedergelegt  sind.  In  den  Briefen  des 
Apostolo  Zeno  und  Metastasio  wird  wohl  ihrer  eigenen  Text- 
bücher zu  den  Opern,  aber  nur  im  Vorübergehen  der  Musik  dazu 
und  ihrer  Compositoren  erwähnt:  der  Name  Fux  erscheint  nie 
darin,  wiewohl  dieselben  Briefe  zur  Characterisierung  Kaiser 
Karl  VI.  manches  Brauchbare  darbiethen. 

Zu  einem  näheren  anschaulichen  Bilde  des  Hof-  und  Stadt- 
lebens in  Wien  aus  jener  Zeit  mit  besonderen  Daten,  worin  des 
Hofkapellmeisters  Fux  ausdrücklich  erwähnt  wird,  diente  das 
„Wiener  Diarium",  die  früheste  politische  Wiener  Zeitung, 
welche  von  der  Ghelenischen  Buchdruckerei  im  Jahre  1 703  be- 


1  J.  F.  Mosel,  Gesch.  der  k.  k.  Hofbibl.  in  Wien.  p.  260  und  271. 
^  Beil.  X  dieses  Werkes. 


Vorwart.  XI 

gründet  und  von  den  Erben  des  Begründers  anderthalb  Jahrhun- 
derte fortgesetzt  wurde  *.  Die  Feste  bei  Hofe  sowie  die  kirch- 
liehen  Vorgänge  wobei  der  Hof  erschien,  die  geistlichen  Oratorien, 
die  theatralischen  Auffllhrung^en,  die  Jagden  und  sonstigen  Be- 
lustigungen sind  mit  ziemlicher  Genauigkeit  darin  verzeichnet. 

Unter  den  im  ganzen  spärlichen  gedruckten  Quellen  der 
Periode  Kaiser  Leopold  I.  ist  Job.  Joachim  Müller's  Staats- 
Cabinet  mit  seinen  Bemerkungen  gelegentlich  eines  Aufenthaltes 
in  Wien  im  Jahre  1660  zu  erwähnen;  bedeutenderes,  besonders 
mit  Rücksicht  auf  Musik  enthält  Bin k 's  Geschichte  des  Kaisers 
Leopold  I.  (1714) ;  für  eine  öpätere  Periode  des  Wiener  Stadt-  und 
Hoflebens  geben  die  Lettres  et  mämoires  du  Baron  Pöll- 
nitz  manche  bezeichnende  Daten,  da  derselbe  1719  und  1729 
längere  Zeit  in  den  höheren  und  mittleren  Kreisen  der  Wiener 
Gesellschaft  als  ein  feiner  leidenschaftsloser  Beobachter  sich  be- 
wegte. 

Daran  schliessen  sich  Joh.  Georg  Keyssler's  Beisen 
durch  Deutschland,  Böhmen,  Ungarn*,  welcher  im  Jahre  1730 
durch  vier  Monate  in  Wien  sich  aufhielt,  und  vieles  fleissig 
notierte. 

Was  noch  sonst  von  untergeordneteren  gedruckten  und  un- 
gedruckten Behelfen  für  diese  Zeitperiode  aufzutreiben  war, 
wurde  begreiflich  nirgends  vernachlässigt,  wenn  auch  die  Aus- 
beute oft  nur  äusserst  kärglich  ausfiel. 

^  Ein  completes  Exemplar  davon,  das  jetzt  sehr  selten  vorkommt,  ist 
in  der  Bibliothek  der  Gemeinde  Wiens. 

2  Sie  erschienen,  zwei  grosse  Quartbände,  in  drei  Ausgaben :  I.  Ausg. 
1740-41;  IL  Ausg.  1751;  III.  Ausg.  1776.  —  Den  Aufenthalt  in  Wien 
schildert  Keyssler  im  zweiten  Bande  pag.  1213—1266.  —  Die  Notiz  über 
die  Musik  daselbst  (p.  1233)  ist  dürftig,  und  kein  Name  der  damaligen  Kory- 
phäen dieser  Kunst  wird  dabei  erwähnt. 


XII  Vorwort. 

Meines  wärmsten  unvergänglichen  Dankes  mögen  hier  alle 
versichert  sein,  welche  zn  dem  Zustandekommen  dieses  Werkes 
hilfreiche  Hand  bothen:  sämmtliche  Vorstände  an  den  erwähnten 
Archiven  und  Bibliotheken  in  Wien,  Göttweig,  KremsmUnster, 
Salzburg,  Dresden  und  Berlin,  ganz  besonders  aber  die  Custoden 
und  Archivare  an  der  k.  k.  Hofbibliothek  und  dem  k.  k.  Oberst- 
hofmeister-Amte in  Wien,  dann  JosefLaimeggeramk.  k.  Lan- 
desgerichte daselbst  sowie  KarlLudwig  Sey  dl  er  Domorga- 
nist in  Gratz,  welche  niemals  ermüdeten,  meinen  oft  wiederholten 
Anfragen  die  bereitwilligste  Folge  zu  geben.  Wäre  es  doch  ge- 
radezu unmöglich  gewesen ,  ohne  ihren  freundlichen  Beistand  zu 
irgend  einem  nennenswerthen  Resultate  zu  gelangen. 


Inhalt. 


Seite 

Vorwort V 

I.  Johann  Josef  Fax:  Heimatland  <->  Geburtsort  —  Stammbaum  — 
Lehrjahre  —  Vermählung  —  Organist  bei  den  Schotten  (1660 

bis  1697) 1 

II.  Wien  und  seine  musicalischen  Zustände  unter  Kaiser  Leopold  I. 

,,   .  {1660-.170Ö) 12 

il^IIL  Fox  wird  kais.  Hofcompositor  (1698).—  Seine  Instmmental-Com- 

-    Positionen 47 

IV.  Fux  unter  Kaiser  Josef  I.  (1705—1711)  —  Die  Compositoren 
0.  Aug.  Badia  —  Marc  Antonio  und  Giovanni  Bononcini  — 

Francesco  Tosi 62 

V.  Fox,  Kapellmeister  am  Dome  zu  St.  Stephan  in  Wien  (1705—1715) 

—  Reformierung  der  Hofkapelle  —  Fux  wird  Vice -Hofkapell- 
meister des  Kaisers  und  Kapellmeister  der  Kaiserin-Witwe  Wil- 
helmine Amalia  (1713—1718)  —  Die  Compositoren  Marc  An- 
tonio Ziani  und  Antonio  Lotti 71 

VI.  Kaiser  Karl  VI  und  sein  Hof  (1712—1740)  —  Fux  wird  kaiser- 
licher Hofkapellmeister  (1715)  —  Seine  musicalische  Thätigkeit 
(1714—1716)  —  Darstellung  seiner  Oper  Angelica  (1716)  —  An- 
tonio Caldara,  Vice-Hofkapellmeister  (1716—1736)  —  Die  Hof- 
compositoren  Francesco  Conti  (1713—1732)  —  Giuseppe  Porsile 
(1720—1736) 80 

Vn.  Chronik  (1717—1718)  —  Fehde  mit  J.  Mattheson  wegen  der  Sol- 
misation  und  Kirchentöne  (1717—1718)  —  Die  Opemdichter 
Apostolo  Zeno  (1718—1731)  und  Pietro  Pariati  (1713—1733)    .     97 

VIIL  Fux'  Kirchenmusik 117 

IX.  Chronik  (1719—1721)  —  Abfertigung  für  die  eventuelle  Witwe 

—  Seine  Oper  Costanza  e  Fortezza  in  Prag  (1723)  —  Caldara's 
OperEuristeo  (1724) .    144 

X.  Der  Gradus  ad  Pamassum  (1725) 153 

XI.  Conflict  mit  Principe  Pio  —  Die  Cäcilien-Congregation  —  Chro- 
nik (1725—1728)  —  Faustina  in  Wien 165 

XII.  Die  Oratorien  von  Fux  (1714—1728)  —  Chronik  (1729,  1730) 

—  Die  Oper  Elisa  —  Die  Operndichter  P.  Metastasio  (1730— 
1740)  und  Claudio  Pasquini  (1733— ;742) 174 


XrV  Inhalt. 

Seite 

XIII.  Die  Opern  von  Fux  (1702—1731)  —  Chronik  (1731—1733)  — 
Gnadengabe  für  den  Neffen  Matthäus 191 

XIV.  Die  kaiserliche  Hofkapelle  unter  ihrem  Kapellmeister  Fux  (1715 
—1740) 215 

XV.  Schüler  des  Fux  —  Porträte  —  Wohnungen  —  Krankheit  und 
Tod  —  Seine  Verhältnisse  zu  zeitgenössischen  Componisten  — 
Anhang  —  [Register]     ... 259 

Beilagen. 

Beilage  I.  Urkunden:  Familien-  und  Vermügensverhältnisso  des 

J.  J.  Fux  (n.  1—24) 285 

Beilage  II.  Urkunden :  Anstellungen  —  Beförderungen  —  Beschwer- 
den des  J.  J.  Fux  —  Reorganisierung  der  Ilofkapelle  (n.  1—34)  .    297 

Beilage  III.  J.  Mattheson:  Solmisationsstreit  mit  Fux  —  Beschuldi- 
gung des  Francesco  Conti  (n.  1— 11) 326 

Beilage  IV.  Zum  Gradus  ad  Parnassum  —  Dedicationen  (n.  1—6)  .    349 

Beilage  V.  Stände  der  kaiserlichen  Hofmusikkapclle  von  1680  bis 

1740  (n.  1—390).  [Mit  Register.] a57 

Beilage  VI.  Urkunden:  Fux,  Gutachten  üb  r  Hofmusiker  von  1715 

bis  1740  (n.  1—260).  (Mit  Register.] 376 

Beilage  VII.  Compositionen  Kaiser  Ferdinand  III.,  Kaiser  Leopold  I. 

und  J.  J.  Fux  (n.  1—3) 457 

Beilage  VIII.  Verzeichniss  der  Opern,  Serenaden,  Feste  teatrali  und 
Oratorien,  welche  am  kaiserlichen  Hofe  in  Wien  von  1631  bis  1740 
gegeben  wurden  (n.  1—791).  [Mit  Register.] 483 

Beilage  IX.  Kirchentexte  (n.  1—20) 573 

Beilage  X.  Thematisches  Verzeichniss  der  Compositionen  von  J.  J. 
Fux  (n.  1—405).  [Mit  Register.]  (Nach  Seite  584  beginnt  eine 
neue  Paginierung.) 1 


Johann  Josef  Fnx. 


1660  -  1741. 


I.  . 

Johann  Josef  Fax:  Heimatland  ^  Geburtsort  —  Stammbanm  —  Lehr- 
jahre —  Terrnfthliing  —  Organist  bei  den  Schotten  (1660  — 1097). 

Von  dem  weithin  gesehenen  Sehöckelberge  im  Gratzerkreise 
Steiermarks  senkt  sich  gegen  Süden  durch  mehrere  Meilen  ein 
amnuthiges  Hügelland  ab,  westlich  von  der  Mur,  Ostlich  von  der 
Raab  begleitet.  Wälder,  Fluren  und  Wiesen  lösen  sich  ab,  es 
gedeiht  dort  der  Mays,  das  Obst  und  der  Wein  in  den  nach  Süden 
offenen  Lagen.  Auf  einem  dieser  Hügel,  etwa  drei  Meilen  östlich 
von  Gratz,  liegt  Hirtenfeld,  nach  alter  Landesart  Gegend  (an- 
derwärts auch  Weiler)  genannt,  das  ist  ein  Complex  von  Häusern 
und  Feldern,  welche  einen  Bestandtheil  einer  Ortsgemeinde  aus- 
machen. In  Hirtenfeld  steht  noch  das  Haus  Nr.  50,  wo  Johann 
Josef  Fnx  geboren  ward.  Unter  Obstbäumen  und  Wirthschafts- 
gebäuden  versteckt,  war  es  zu  jener  Zeit  aus  Holz  gezimmert,  mit 
einem  einzigen  Wohnzimmer  versehen,  während  es  in  neuerer 
Zeit  in  ein  stattliches  gemauertes  Erdgeschoss  umgewandelt 
wTirde  und  bis  1868  den  Bauer  Josef  Hartner,  Vorstand  der 
Gemeinde  Langegg*  beherbergte,  von  welcher  die  Gegend 
Hirtenfeld  ein  Theil  ist. 

Unbestritten  ist  jetzt  Hirtenfeld  der  früher  ganz  unbekannte 
Geburtsort  unseres  J.  J.  Fux.  In,  der  Widmung  seines  Gradus  ad 
Parnassum  (1725)  hatte  er  seinem  Namen  „Styrus^  —  aus  Steier- 
mark —  aber  ohne  Angabe  seines  Geburtsortes  beigesetzt.  Ganz 
bestimmt  spricht  sich  aber  die  Trauungsmatrikel  des  Domes  von 
St.  Stephan  in  Wien  aus*,  wo  er  „zu  Httrtenfeldt  in  Steuermarkh" 
gebürtig  angegeben  wird.  Ausserdem  vermacht  J.  J.  Fux  in 
seinem  Testamente^  im  Falle  einer  Substitution  ein  Legat  dem- 
jenigen Bruder  des  eingesetzten  Legatars,  welcher  „alsdann  im 
rechtsamben  Besitz  des  Fuxischen  Hauses  zu  Hürtenfeld  in  Steyer 

1 1 4.  Dec.  1868.    2  Beil.  LI.    3  Beil.  1. 10. 

Köekei,  J.  J.  Fax.  1 


2  Geburt  —  Aeltern. 

Markh  in  St.  Mareiner  Pfar  gelegen ,  sein  wttrde^.  Auch  der  noch 
(1870)  lebende  neunzigjährige  Greis  Johann  Fux  (Stammb.  24), 
ein  wohlhabender  Bauer  in  Obergoggitsch,  erinnert  sich  wohl^ 
dass  er  vor  60  Jahren  aus  dem  erwähnten  Hause  seines  Vaters 
Jacob  Fux  (Stammb.  14)  weggezogen  sei. 

Nicht  so  klar  konnte  das  Geburtsjahr  unseres  J.  J.  Fux  aus- 
gemittelt  werden.  Denn  in  der  Wiener  Todtenmatrikel  vom 
14.  Februar  1741  wird  Fux  81  Jahre  alt^  angeführt,  er  müsste 
demnach  um  1660  geboren  worden  sein,  da  erstens  zu  jener 
Zeit  „81  Jahre  alt^  bedeuten  konnte,  er  habe  das  81ste  Jahr 
angetreten  —  oder  auch  er  habe  dasselbe  vollendet ;  femer  aber 
aus  dem  Grunde,  dass  die  Altersangaben  dazumal,  wie  ich  mich 
mehrfach  zu  überzeugen  Gelegenheit  hatte,  wenig  verlässlich  sind. 
Also  um  1660  war  Johann  Josef  Fux  geboren.  Leider  konnten 
auch  die  Pfarrbttcher  in  St.  Marein  bei  Pickelbach  keinen  Auf- 
schluss  geben,  da  sie  im  Jahre  1662  ohne  Ausnalune  bei  einer 
Feuersbrunst  verbrannt  wurden,  und  die  neuen  mit^  dem  Jahre 
1663  anfangen,  lieber  Feststellung  des  Geburtstages  und  Jahres 
ist  also  für  jetzt  nichts  zu  erwarten.  —  Erfreulicher  war  es,  dass 
durch  die  neuen  Matrikelbücher  in  Verbindung  mit  dem  öfter  er- 
wähnten Testamente  möglich  geworden  war,  die  Abstammung  und 
Verwandtschaft  des  J.  J.  Fux  durchaus  sicher  aufzustellen.  Dies 
gelang,  ungeachtet  der  Name  Fux  mehreren  unter  einander  nicht 
verwandten  Familien  in  jener  Gegend  zukommt,  in  folgender 
Weise.  Im  Testamente  nennt  Joh.  Jos.  Fux  die  Eva  Maria, 
den  Sebastian  und  Matthäus  Kinder  seines  (17.31)  bereits 
verstorbenen  Bruders  Peter  Fux.  Nun  wiesen  die  Pfarrbücher 
nicht  nur  einen  im  Jahre  1724  verstorbenen  Peter  Fux,  Bauer 
von  Hirtenfeld  und  dessen  eben  erwähnte  3  Kinder  (nebst  an- 
deren 9  Sprösslingen)  nach,  sondern  in  der  Trauungs-Matrikel 
vom  6.  Februar  1 695  wird  auch  derselbe  Peter  Fux  „ A  n  d  r  e  a  e 
Fux  et  Ursulae  coi^jugis  filius''  in  Hirtenfeld  genannt.  Daniit 
waren  auch  die  Aeltern  unseres  Johann  Josef  Fux  aufgeklärt, 
während  noch  überdies  in  dem  TodtenprotokoU  vom  16.  Februar 
1691  „Ursula  Fux  von  Hirtenfeld,  bei  50  Jahre  alt,  und  am 

1  Beil.  I.  6—9. 


Familie  Fiix 


1.  Am 

geb.  ns 
3.  M 

Terra. 

gest.  16 
bci5( 


2.  Johann  Josef, 

3.  K 

geb.  um  1660,  gest. 

geb.  J 

■ 

13.  Febr.  1741  (kin- 

i 

derlos);    Term.  mit 

gest.? 

ClaraJaliana  Schniz- 

1751), 

zenbaum     5.     Jjini 

1696,  gest.  8.  Juni 

1781. 

1 

5.  Maria, 

6.  Sebastian, 

7.  Georg, 

8.  Elisabeth, 

9.  Johann,         10.  Katharina, 

Reb.  18.NoTemb. 

geb.  29.  Decomb. 

gob.  und  gest. 

geb.   29.  Augast 

geb.  und  gest.          geb.   31.  August 

1696, 

1697, 

1700. 

1701, 

1704.                              1705, 

gest.      6.     April 

gest.  10.  Mai  1759; 

gest.  3.  Mai  1775, 

gest.     22. 

Not. 

1T73. 

verm.      aj      mit 

vorm.    Puch- 

1785,  verm. 

I-co- 

Barbara    Pamer, 

müller. 

pold. 

öj   mit  Theresia 

Pncher. 

■A 


17.  Maria, 

geb.    29.   April 

1739, 

gest.?   verm. 

Nöst. 


18.  Sebastian, 

geb.     9.     JKnner 

1741, 

gest.    4.   Juli 

17Ä8. 


19.  Peter, 

geb.  23.  Jänner 

1744, 
gest.    24.  Sept. 

1753. 


20.  Andreas, 

geb.  12.  Octob. 

1748, 
gest.  nach  1774. 


21.  Gottfried, 

geb.  8.  Novemb. 

1751, 
gest.    8.    Sept. 

1753. 


22.  Johann, 

geb.  16.  October 

1753, 
gest.    29.    März 

1756. 


23.1 

geb.  I 


gest. 


Zu   Seite 


nn  Hirtenfeld. 


:1«10,  gest. 
.1  iTl* ; 
«  UrsaU, 
Ftbr.  1691, 
lfthr«alt. 


tharina, 

^  <V'ober 
ES 

,14.  Ang. 
6«i  Tü  J. 

de 


4.  Peter, 

geb.  7.  jQni]672, 
gest.  20.  Februar 
1724;  Term.  mit 
Katharina  Steln- 
khlelbl  (6.  Febr. 
1J95). 


li.  Magdalena, 

«et.    32.   Aagast 

1707, 
:t$t.  nach   1774, 
Tena.  Wolf. 


12.  Josef, 

geb.  1711, 
gest.  1775. 


13.  Mar.  Anna, 

geb.     19.     April 

1713, 

geat.  naeh  1774, 

verm.  Orelml. 


14.  Jakob, 

geb.  21.  Juli  1715, 
gest.  7.  December 
1797 ;  Term.  aj  mit 
Maria,  verw.  Nöst, 
gest.  29.  Juni  1775, 
kinderlos ;  1>J  mit 
Mar.Orlesl28.Aag. 
1775,  gest.  1836, 
^erm.  als  Witwe 
1 799  mit  J.  Hartner. 

I 


24.  Johann, 

geb.  85.  Decemb. 

1776, 

lebte    Dec.   1870 

(kinderlos). 


25.  Maria, 

geb.   8.  Jänner 

1778, 

gest.  1859,  Term. 

Silberstein. 


26.€on8tantia,  27.  Theresia, 

geb'  18.  Decemb.  geb.  10.  April 
1779,  1781, 

gest.  24.  August  gest.  vor  1788. 
1795. 


15.  Barbara, 

geb.  1717, 
gest.  1718. 


16.  Matthäus, 

geb.  16.  Septemb. 

1719, 

gest.   nach   1749, 

Tor  1771. 


28.  Stephan, 

geb.  24.  Decemb. 

178-i, 
gest    23.   Jänner 

1783. 


29.  Theresia, 

geb.    10.    Juni 

1T8S, 
gest.  Tor  1SC6. 


Stammbaum.  3 

S.  März  1708  Andre  ^x  von  Hirtenfeld  ^seines Alters  bei  etlieh 
90  Jahr  alt^  begraben  vorkommt. 

Der  Stammbaum  der  Familie  Fux  mit  seinen  29  Familien- 
gliedem  bemht  nnn  vollständig  auf  den  Pfarrbttchem  von  St. 
Marein  nnd  fand  noch  später  im  Jahre  1773  in  dem  Testamente 
der  Eva  Maria  Fux  (Stammb.  5)  und  der  Quittung  der  von  der- 
selben bedachten  Verwandten  seine  volle  Bestätigung  ^ 

Nach  diesem  Stammbaume  hatte  Johann  Josef  Fux  zwei 
Geschwister,  Katharina  (Stammb.  3)  und  Peter  (Stammb. 4)^ 
welcher  letzte  12  Nachkommen  (Stammb.  5 — 16)  hatte ,  von 
denen  Sebastian  (Stammb.  6)  und  Jacob  (Stammb.  14)  das 
Geschlecht  noch  um  eine  Generation  fortsetzten.  Von  dieser  Gene- 
ration sind  die  7  Kinder  Sebastians  (Stammb.  17 — 23)  längst 
gestorben ;  von  den  6  Kindern  Jacobs  (Stammb.  24 — 29)  lebt  nur 
noch  der  erwähnte  Greis  Johann  Fux  (Stammb.  24)  in  Obergog- 
gitschy  mit  welchem,  da  er  kinderlos  ist,  die  ganze  Familie  des 
Johann  Josef  Fux  erloschen  sein  wird. — Auffallend  ist  schon  beim 
ersten  Anblicke  die  lange  mittlere  Lebensdauer  in  der  Famil\e 
Fux,  da  sie  von  1610  bis  1866  also  in  256  Jahren  nur  4  Gene- 
rationen entwickelte,  wodurch  64  Jahre  auf  eine  derselben  kom- 
men :  es  wiederholt  sich  auch  die  Lebensdauer  von  80,  90  und 
mehr  Jahren  bei  einzelnen  Individuen  mehrmals. 

Der  Biograph  ist  genöthigt  zu  einem  ihm  peinlichen  Ge- 
ständnisse zu  schreiten,  und  doch  darf  er  damit  nicht  zurückhal- 
ten. Ungeachtet  vielfacher  und  angestrengter  Bemühungen  ist  es 
durchaus  nicht  gelungen,  Aufklärungen  zu  erhalten  über  die 
ganze  Periode  des  Lebens  unseres  Fux  von  seiner  Geburt  bis  zum 
36.  Jahre  seines  Lebens  (1696),  wo  der  Bauemjunge  aus  Steier- 
mark plötzlich  auftaucht  in  Wien  als  ein  fertiger  Mann,  ausgerü- 
stet mit  tttchtigen  musicalischen  und  anderen  Kenntnissen,  als 
Organist  des  Stiftes  zu  den  Schotten,  der  die  Tochter  eines  Be- 
gierunssecretäi^  heuratet  und  seinen  Buf  als  Musiker  bereits  so 
begründet  hatte,  dass  2  Jahre  später  Kaiser  Leopold  I.  ihn  pro- 
prio motu  zum  Hofcompositor  ernannte.  Ueber  alle  so  wichtigen 
Fragen  in  der  Lebensgeschichte  eines  bedeutenden  Künstlers : 
wann  brach  sein  Talent  zuerst  hervor?  wie  bildete  er  es  aus? 

1  Beil.  L  14—18. 

1* 


4  Bildungsjahre. 

wer  verschaflte  ihm  die  Mittel  dazu?  wer  waren  seine  Lehrer? 
wie  waren  seine  ersten  Versuche  in  seiner  Kunst  gea^et?  — 
und  dann  noch  spedell  bei  Fux :  wann  und  wie  kam  er  nach 
Wien  und  machte  sich  da  bekannt?  —  über  alle  diese  Fragen 
nur  verlegen  und  mit  beredtem  Schweigen  die  Achsel  zucken 
zu  müssen  ohne  den  Gleichmuth  zu  verlieren,  dazu  gehört  einige 
Selbstverläugnung,  besonders,  wenn  es  gelungen  ist,  andere 
ganz  verhüllte  Parthien  aufzuhellen.  Möge  es  dem  wohlwollen- 
den Leser  gefallen,  wenigstens  mit  seinem  Blicke  zu  folgen,  wie 
der  Biograph  über  jene  dunkle  Klufk  auf  der  schwanken  Brücke 
von  Vermuthungen  sich  hinüber  zu  helfen  bemüht  war,  und  hie 
und  da  auf  Thatsächliches  gestützt  wenigstens  bis  zu  einiger 
vermittelnder  Wahrscheinlichkeit  zu  gelangen,  die  freilich  kei- 
nen Anspruch  auf  Gewissheit  machen  kann,  aber  doch  das  Trost- 
lose einer  so  bedeutenden  Lücke  zu  vermindern  geeignet  sein 
dürfte. 

Die  Vorfahren  und  Seitenverwandten  unseres  Johann  Jo- 
sef Fux  gehörten  der  Geburt  nach  sämmtlich  dem  Bauernstande 
an  und  blieben  auch  darin  mit  Ausnahme  des  Kapellmeisters 
und  seiner  zwei  Bruderskinder  Eva  Maria  und  Matthäus,  die 
er  nach  Wien  kommen  und  denen  er  eine  bessere  Erziehung 
angedeihen  Hess.  Der  Vater  des  Kapellmeisters,  Andreas  Fux, 
hatte  erst  in  späteren  Jahren  geheuratet  und  mochte  bei  der 
Geburt  seines  Sohnes  Johann  Josef  (1660)  50  Jahre  alt  gewe- 
sen sein,  während  die  Mutter  Ursula  kaum  das  208te  Jahr  er- 
reicht haben  konnte  K  Welche  Bildung  die  Kinder  in  Hirtenfeld  er- 
halten haben  konnten,  das  mehr  als  eine  Wegstunde  von  der  näch- 
sten Pfarrschule  in  St.  Marein  entfernt  war,  lässt  sich  aus  den 
Leistungen  der  übrigen  Verwandten  entnehmen,  welche  noch  100 
Jahre  später  (1773)  wie  bereits  erwähnt,  ihren  Namen  unter  eine 
Quittung  zu  fertigen  nicht  vermochten*.  Wenn  die  Dinge  ihren 
gewöhnlichen  Verlauf  nahmen,  so  musste  der  ältere  Bauerssohn 
Johann  Josef  wieder  Bauer  werden  und  seiner  Zeit  die  kleine 
Wirthschaft  in  Hirtenfeld  übernehmen.  Das  geschah  aber  nicht, 
da  sein  jüngerer  Bruder  Peter  succedierte ;  es  musste  daher 
ein  bestimmender  ausserordentlicher  Umstand  eingetreten  sein, 

1  Vergl.  Stammbaum.    »  Beil.  1. 17. 


Bildun^sjahre.  5 

der  die  gewöhntiehe  Nachfolge  gestört  haben  mochte.  Diese  stö- 
rende Ursache  dürfte  am  uatttrlichsten  in  dem  frühzeitig  hervortre- 
tenden bedeutenden  Talente  des  ältesten  Sohnes  Johann  Josef  zur 
Mnsik  zu  suchen  sein,  welcher  zu  der  Beschäftigung  des  Acker- 
mannes sich  nicht  verstehen  wollte  und  alles  von  sich  wies, 
was  nicht  auf  Befriedigung  der  Forderungen  seines  Kunstdran- 
ges hinzielte.  Mit  dieser  Annahme  steht  wenigstens  das  im  Ein- 
klänge was  Fux  in  seinem  Oradus  ad  parnassum  (pag.  43)  auf 
die  Frage  des  Lehrers ,  ob  sein  Schüler  auch  wahren  Beruf  zur 
Mnsik  in  sich  ftthle^  diesen  antworten  lässt.  Er  sagt :  ,,Zur  Zeit, 
als  ich  noch  nicht  im  vollen  Gebrauche  meiner  Vernunft  war, 
wurde  ich  durch  die  Heftigkeit  ich  weiss  nicht  welchen  Triebes 
hingerissen,  es  richtete  sich  all  mein  Sinnen  und  Trachten  auf 
die  Musik,  und  auch  jetzt  bin  ich  von  einer  beinahe  wunderbaren 
Begierde  sie  zu  erlernen  durchglüht  und  wie  willenlos  dahin  ge- 
drängt ;  Tag  und  Nacht  scheinen  meine  Ohren  von  süssen  Klän- 
gen umtönt  zu  werden,  so  dass  ich  an  der  Wahrheit  meines  Be- 
rufes durchaus  keinen  Grund  zu  zweifeln  habe'^.  Und  wenn  spä- 
ter der  Meister  versichert,  „es  freue  ihn  ungemein,  einen  Schüler 
nach  seinem  Sinne  gefunden  zu  haben^  —  kann  man  da  nicht 
mit  Grund  annehmen,  dass  Fux  in  den  lebenswannen  Aeusserun- 
gen  des  Schülers  —  die  wirklichen  Empfindungen  seiner 
eigenen  Jugend  zum  Ausdruck  gebracht  habe?  Vielfache  Er- 
fahrungen bezeugen  es,  dass  der  unwiderstehlich  treibenden 
Jngendkraft  eines  grossen  Talentes  auch  die  entgegenstehenden 
widrigen  Verhältnisse  weichen  müssen;  das  Talent  bricht  sich 
Bahn  und  arbeitet  sich  empor.  Dass  Fux  seinen  unbezwingbaren 
Lemtrieb  weder  für  Musik  noch  andere  Fächer  des  Wissens  in 
Hirtenfeld  oder  St.  Marein  befriedigen  konnte,  ist  einleuchtend, 
es  ist  aber  auch  keine  Schule  weder  in  der  ganzen  Obersteier- 
mark in  einem  Kloster  wie  zum  Beispiel  Renn,  oder  auch  in 
Gratz  bekannt,  wo  ein  Musiktalent  sieh  hätte  bilden  können.  Dia- 
bad ^  hatte  zwar  die  öfter  nachgeschriebene  Fabel  in  Umlauf 
gesetzt,  Johann  Josef  Fux  sei  in  Böhmen  gebildet  wor- 
den und  habe  die  besten  Kapelle^n  in  Deutschland,  Italien 
und  Frankreich  besucht'',  allein  das  ist  eine  durch  gar  nichts 

1  Histor.  Künstlerlexicon  für  Böhmen.  I.  p.  486. 


6  Bildung  in  Wien. 

begründete  Unterstellung,  die  jede  Kraft  durch  die  Betrachtang- 
verliert,  dass  zu  jener  Zeit  gar  kein  bedeutender  Musiklehrer  in 
Prag  lebte,  und  ausserdem  gibt  Dlabaö  eine  Probe  seiner  Glaub- 
würdigkeit durch  die  an  einem  anderen  Orte  ^  keck  hingestellte 
Behauptung,  ,,die  Mnsik^  (der  1723  in  Prag  aufgefllhrten  Oper 
Costanza  e  Fortezza)  „sei  von  dem  berühmten  Kapellmeister  I>^x, 
der  eben  ein  B  5  h  m  e  (! !)  war  und  zuvor  mehr  als  20  Jahre  (! !) 
in  Prag  lebte" ;  während  in  Wirklichkeit  der  Steiermärker  Fux 
27  Jahre  (und  gewiss  viel  länger)  vor  1723  von  Wien  sich  nicht 
entfernte.  —  Unter  den  Verhältnissen  jener  Zeit  war  für  Fux 
keine  Stadt,  wo  er  alles  finden  konnte,  was  er  zur  Befriedigung 
seines  Bildungstriebes  benöthigte,  als  die  Residenzstadt  Wien. 
Dort  war  ein  Kaiser  (Leopold  L),  der  die  Musik  leidenschaftlich 
liebte  und  fürstlich  beförderte,  ein  Orchester,  welches  das  Stau- 
nen Europa's  erregte,  und  Kapellmeister,  welche  zugleich  als  Leh- 
rer des  verdientesten  Rufes  genossen !  Ungeachtet  es  den  For- 
schungen nicht  gelingen  wollte,  einen  weltlichen  oder  geistlichen 
Gönner  nennen  zu  können,  welcher  auf  das  Talent  des  jungen 
Menschen  auftnerksam  geworden  denselben  nach  Wien  gebracht 
haben  konnte,  so  bedarf  es  eines  solchen  Dens  ex  machina  nicht ; 
es  genügt,  dass  der  Ruf  der  Musik  von  Wien,  der  weit  über  die 
Grenzen  des  Reiches  sich  verbreitet  hatte,  auch  in  die  viel  nähe- 
ren Gebirge  Obersteiermarks  gedrungen  war,  und  die  Verbindung 
•eines  kleinen  Schulmeisters  mit  irgend  einer,  wenn  auch  obscu- 
ren  Persönlichkeit  in  Wien  konnte  hinreichen,  dass  der  Musen- 
Jüngling  den  Wanderstab  ergriflf —  und,  wie  viele  andere  vor 
ihm  und  nach  ihm  —  ohne  besondere  Unterstützung  getrost  dem 
Eldorado  seiner  Wünsche  zusteuerte. 

Eine  Bestätigung  der  Annahme,  dass  Fux  nirgend  anders 
als  in  Wien  seine  Kunstbildung  erhalten  habe,  finde  ich  in  einer 
Stelle  der  Dedication  des  Gradus  ad  Parnassum.  Darin  sagt  Fux 
dem  Kaiser  Karl  VI. :  „Hoc  opusculum  [Gradus  ad  parnassum] 
. . .  Tuum  est  origine,  quia  Inclytorum  Antecessorum  Tuorum  sub 
Auspiciis  Musica  mea  initium  sumpsit  et  incrementum  traxit^. 
Sollte  der  Sinn  dieser  Worte  nicht  dahin  gehen :  „Dieses  Werk 

1  Abh.  der  kön.  böhm.  Ges.  der  Wissenschaften.  4.  Prag  1798.  Bd.  a 
p.  132. 


Lehrer.  7 

ist  das  Deinige,  dem  Ursprünge  nacb^  weil  dnrch  die  UnterstUz- 
znng  Deiner  erlanchten  Vorfahren  (Kaiser  Leopold  I.  und  Kaiser 
Josef  I.)  meine  Rnnstkenntniss  in  der  Musik  ihren  Anfang  ge- 
nommen, nnd  ihr  Emporkommen  erhalten  hat^,  —  und  ohne  diese 
allgemein  gehaltene  Fassung  etwas  anderes  bedeuten,  als:  ich 
habe  meinen  ersten  Kunstunterricht  auf  Kosten  des  Kaisers  Leo- 
pold erhalten?  Dies  konnte  entweder  in  irtther  Jugend  als 
Cantoreisinger  oder  in  reiferem  Alter  als  Hofscholar  —  vielleicht 
sogar  beides  —  stattgehabt  haben.  Der  Bedarf  an  musieaUschen 
Kräften  war  in  den  Jahren  1670 — 1680  nicht  gering;  man 
brauchte,  um  die  Zahl  von  12 — 16  Kapellsängerknaben  voll  zu 
haben  wegen  des  frtthen  Mutierens  der  Knabenstimme  einen  be- 
deutenden jährlichen  Ersatz  und  gute  jugendliche  Stimmen  waren 
gewiss  wie  noch  heute  immer' willkommen.  Damit  war  auch  nach 
dem  Mutieren  die  Fortsetzung  der  wissenschaftlichen  Studien,  und 
bei  hervorragenden  allgemeinen  musieaUschen  Anlagen,  die  Auf- 
nahme zum  Hofscholar  gewiss  nicht  mit  grossen  Schwierigkeiten 
verbunden.  Aus  der  1698  erfolgten  Berufung  zum  Hofcompositor 
durch  Kaiser  Leopold  L  muss  geschlossen  werden,  dass  Fux  ge- 
rade durch  die  Entwicklung  seines  Talentes  in  der  Composition 
excelliert  habe,  und  durch  die  früher  gewährte  Unterstützung  dem 
Kaiser  bekannt  geworden  sei.  Wenn  gefragt  wird,  bei  welchem 
Meister  der  junge  Fux  seinen  Unterricht  in  der  Composition 
erhalten  haben  dürfte,  mag  zuvörderst  die  Strenge  des  Stiles  in 
seinen  Compositionen  und  die  Forderungen  die  er  in  seinem  Qra- 
dns  an  den  Componisten  stellt,  auf  einen  deutschen  Meister  hin- 
deuten. In  dem  eben  erwähnten  Zeiträume  der  wahrscheinlichen 
Lehrjahre  unseres  Fux  hatten  von  den  bei  Hofe  angestellten  Ka- 
pellmeistern und  Vicekapellmeistem  Antonio  Draghi  (1674 
bis  1700),  Antonio  Bertali  (f  1669)  und  Marcus  Ebner, 
Organist  (1667 — 1680)  keine  Hofscholaren;  es  bleiben  daher  nur 
Feiice  Sances  (1664 — 1678)  und  Job.  Heinrich  Schmel- 
zer (1660 — 1679),  welche  Scholaren  in  der  Composition  bilde- 
ten. Job.  Heinrich  Schmelzer  stand  bei  den  Kaisem  Ferdi- 
nand in.  und  Leopold  I.  in  hohen  Ehren  \  sowohl  wegen  seines 

1  In  seinem  bedeutenden  Nachlasse  (im  Wr.  Landesgerichtsarchive) 
werden  21  Gnadenpfennige  und  Ketten  von  verschiedenen  Kaisem  und 
fürstlichen  Personen  demselben  ertheilt,  aufgeführt. 


8  Lehrer. 

Violinspieles,  als  auch  wegen  seiner  Compositionen,  obschon  die 
grösste  Zahl  seiner  noch  vorhandenen  Werke  Balletmusik  enthal- 
ten. Sein  Ruf  war  aber  so  verbreitet,  dass  man  ihm  aus.allen  Ge- 
genden Schüler  zuschickte,  worunter  Abb6  Stadler  (in  einer  hdschr. 
Geschichte  der  Musik)  besonders  Christian  Heinrich  Aschenbren- 
ner anführt.  Dass  Fux  mit  der  Familie  Schmelzer  noch  später  in 
Verbindung  stand,  davon  gibt  die  Trauungsmatrikel  von  1696^ 
einen  sicheren  Anhaltspunkt,  indem  unter  den  Zeugen  bei  der  Ver- 
mählung des  Johann  Josef  Fux  „Andreas  Anton  Schmel- 
zer, Rom.  Kays.  Kammermusicus"  der  Sohn  des  1680  verstor- 
benen Kapellmeisters  Johann  Heinrich  Schmelzer  in  erster  Reihe 
figuriert.  Da  man  die  Trauungszeugen  zu  jeder  Zeit  aus  dem 
Kreise  der  nächsten  Freunde  zu  wählen  pflegte ,  so  scheint  die 
Annahme  nicht  unbegründet ,  dass  das  Freundschaftsverhältniss 
des  Sohnes  aus  einer  Zeit  stammen  könne,  wo  Fux  im  Hause 
des  Vaters  Musikunterricht  genoss. 

Denkbar  wäre  auch,  dass  Fux  von  dem  berühmten  Organi- 
sten Kaspar  Kerl  wenn  nicht  Unterricht  doch  mannigfache 
Anregung  erhalten  habe.  Kerl  hatte  vom  1.  Jänner  1675  von 
Kaiser  Leopold  I.  eine  Pension  von  600  fl.  bezogen,  welche  in 
den  Rechnungen  unter  der  Rubrik  „Hoipoeten^  erscheint.  Am 
16.  März  1677  wurde  er  „als  alter  Diener  des  Erzhauses  Oester- 
reich^  zum  Hoforganisten  mit  50  Thalern  Monatgehalt  ernannt  % 
und  von  dieser  Zeit  mit  erhöhtem  Jahresbezug  von  900  fl.  in 
Rechnung  gestellt,  als  Hoforganist  aber  erst  im  Jahre  1680  auf- 
geführt. Die  Anwesenheit  Kerl's  in  Wien  fällt  daher  noch  in  die 
Lehrjahre  des  jungen  Fux  und  obschon  bestimmte  Andeutungen 
fehlen ,  könnte  inunerhin  zwischen  dem  lernbegierigen  Fux  und 
dem  gereiften  tüchtigen  Meister  Kerl  ein  Verhältniss  sich  ent- 
sponnen haben. 

Wie  Fux  seine  Lehrjahre  in  der  Musik  verwerthet  hat,  da- 
von geben  seine  Werke  genügendes  Zeugniss.  Er  war  nicht  nur 
mit  den  Forderungen  seiner  Zeit,  sondern  auch  in  frühere  Zei- 
,  ten  zurückgreifend,  sowohl  mit  der  Theorie  als  den  Werken  der 
besten  Meister  wohl  vertraut.  Auch  in  andern  Fächern  wusste 
er  sein  Wissen  zu  bereichern,  beispielsweise  sich  die  Kenntniss 

^  Beil.  I.  1,  2.    ^  Acten  des  Oberst -Hofmeisterarates. 


Verm&hlang.  9 

deB LateiniBchen  und  Italienischen  anzueignen;  und  wenn  auch 
seine  Ausdrucksweise  in  deutscher  Sprache  von  einer  gewissen 
Schwerfälligkeit  sieh  nicht  losmachen  kann,  so  sind  seine  Gedan- 
ken doch  immer  klar  ausgedrückt  und  verrathen  eine  allgemeine 
Bildung,  ja  selbst  Kenntniss  von  lateinischen  Glassikem,  wie 
seine  gelegentlichen  Gitate  darthun. 

Wann  seine  Lehrjahre  aufgehört  und  seine  selbständige 
musicalisch-practische  Thätigkeit  ihren  Anfang  genommen,  dar- 
über fehlt  selbst  für  Vermuthnngen  ein  thatsächlicher  Anhalts- 
punkt. Wenn  schon  urkundlich  erwiesen  ist,  dass  ei*  1696  Orga- 
nist bei  den  Schotten  war,  so  spricht  doch  ein  hoher  Grad  von 
Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  Fux  nicht  erst  im  36.  Lebensjahre 
seine  practische  Thätigkeit  begonnen  habe,  und  vielmehr  einige 
Jahre  früher  entweder  in  seiner  Anstellung  bei  den  Schotten  oder 
irgend  anderswo  seine  musicalische  Laufbahn  eröffnet  habe. 
Selbst  seine  Berufung  nach  Hof  im  Jahre  1 698  weist  darauf  hin, 
dass  mehrere  Jahre  verflossen  sein  mussten,  ehe  er  seine  Tüch- 
tigkeit zu  einer  solchen  Stelle,  und  den  Ruf  davon  in  den  höch- 
sten Sphären  begründen  konnte. 

Mit  dem  Jahre  1696  stehen  wir  endlich  auf  dem  festen  Bo- 
den thatsächlicher  Verhältnisse,  und  dürfen  bis  an  das  Lebens- 
ende unseres  Künstlers  ihn  nicht  mehr  verlassen. 

In  dem  oftgenannten  Jahre  1696  war  Johann  Josef  Fux 
36  Jahre  alt,  „wohlbestellter  Organist  im  Gotteshaus  der  Pfarre 
zu  den  Schotten  ^^,  hatte  einen  Gehalt  von  400  fl.  ^,  wohnte  im 
Schottenhofe  und  hatte  dort  wahrscheinlich  auch  freie  Wohnung, 
sowie  auch  nicht  daran  zu  zweifeln  ist,  dass  er  durch  Unterricht 
oder  gleichzeitige  andere  Musikfunctionen  sein  Einkommen  zu 
erhöhen  wnsste.  Es  war  begreiflich,  dass  er  daran  dachte  sich 
einen  Hausstand  zu  gründen.  Die  Trauungsmatrikel  ^  verrathen 
uns,  dass  er  m'  der  „Edlen,  Ehr-  und  Tugendreichen  Jungfrau 
Juliana  Clara  Schnitzenbaum^  den  gleichgestimmten  Ge- 
genstand seiner  Wünsche  fand  und  mit  ihr  am  4.  Juni  1696  in  der 
Pfarre  bei  den  Schotten  getraut  wurde.  Die  ßraut  war  eine  gebo- 
rene Wienerin,  21Jahre  alt,  die  Tochter  des  niederösterreichischen 
Regierungssecretarius  Johann  Josef  Schnitzenbaum^,  der 

1  Beil.  I.  1.  2.    2  Beil.  IL  3.    «  Beil.  I.  1,  2.    *  Beil.  I.  20—24. 


10  Die  Familien  Fux  und  Schnitzenbaum. 

aber  schon  am  5.  October  1683  geBtorben  war,  und  seine  Witwe 
Maria  Ursula  und  ausser  der  erwähnten  Jnliana  Clara 
noch  zwei  Töchter  Maria  Anna  (t21.  Februar  1736),  Maria 
Theresia  (f  19.  Mai  1749)  und  einen  Hohn  Paul  Anton 
Schnitzenbaum  (f  26.  März  1740)  zurttckliess.  Die  Wahr- 
scheinlichkeit ob  die  Familie  Schnitzenbaum  zum  Adel  gehörte 
wurde  iir  der  Beilage  I.  20.  erwogen.  Jedenfalls  gehörte  sie  einem 
angesehenen  Geschlechte  an,  da  der  Grossvater,  Sohn  und  Enkel 
die  Stellen  von  kaiserlichen  Regierungsbeamten  bekleideten,  und 
die  2  Töchter  Kanmierdienerinen  bei  Hofe  waren. 

Die  Ehe  des  Johann  Josef  Fux  mit  Clara  Julfana 
Schnitzenbaum  blieb  kinderlos,  was  wohl  der  Grund  sein 
mochte,  dass  Fux  zwei  Kinder  seines  Bruders  Peter  Fux,  näm- 
lich Eva  Maria  im  Jahre  1700  und  Matthäus  um  1723  ^  zu 
sich  ins  Haus  nahm,  sie  adoptierte,  fUr  ihre  Erziehung  sorgte  und 
schliesslich  zu  Erben  einsetztet  Ungeachtet  der  Kinderlosig- 
keit scheinen  die  Ehegenossen  Fux  bis  zu  dem  am  8.  Juni  1731  er- 
folgten Tode  der  Frau '  im  besten  Vernehmen  gelebt  zu  haben. 
Denn,  wie  später  näher  besprochen  werden  wird,  hatte  Fux  für 
den  Fall  als  sie  Witwe  wttrde,  eine  bedeutende  Summe  vom  Kaiser 
erwirkt  und  in  dem  (besuche  darum  erwähnt,  dass  seine  Frau 
ihm  jederzeit  „mit  sonderbahrer  Liebe  und  Treue  alle  HttlfFe  erzei- 
get hat^ ;  dann  erklärt  er  in'  seinem  Testamente,  dass  er  an  der 
Seite  seiner  „allerliebsten  Eheconsortin^  bestattet  sein  wolle.  Eben 
dafttr  sprechen  die  durchaus  wohlwollenden  Beziehungen  der 
Familien  Fux  und  Schnitzenbaum  auch  nach  dem  Tode  der 
Frau  Clara  Juliana  Fux ;  da  im  erwähnten  Testamente  Fux  „sei- 
nen liebsten^  Herrn  Schwager  den  Hofkammer-Concipisten  Paul 
Anton  Schnitzenbaum,  dessen  Integrität  und  Wohlgewo- 
genheit gegen  seine  (des  Ywl)  Familie  von  vielen  Jahren  ihn^ 
sattsam  bekannt  ist,  zum  Vormunde  des  Neffen  Matthäus  Fux  be- 
stimmte ;  dann  geben  die  3  Geschwister  Schnitzenbaum  nach  dem 
Tode  ihrer  Schwester  Clara  Juliana  „ohne  einiges  Bedenken  ihre 
Einwilligung,  -dass  der  ganze  Nachlass  ihrem  Schwager  Johann 
Josef  Fux  eingeantwortet  werde"  *.  Auf  das  innige  Verhältniss 
zwischen  den  beiden  Familien  deutet  auch  der  Umstand,  dass, 

1  Beil.  I.  5.    «  Ebenda.    »  Beil.  I.  3,  4.    *  Beil.  I.  3. 


Die  Familien  Fax  und  Schnitz enbaum. 


11 


selbst  nach  dem  Tode  des  Kapellmeisters  die  eine  der  Schwestern 
Theresia  Schnitzenbaum  in  ihrem  Testamente  (f  1749) 
die  Nichte  des  Kapellmeisters,  Eva  Maria  Fuxznr  Universal- 
erbin einsetzte  nnd  derenBruder  Matthäus  Theophilus  Fux 
ein  ansehnliches  Legat  zuwendete  K 


i  Beil.  I.  22. 


n. 

Wien  und  seine  musiealisehen  Zustände  unter  Kaiser  Leopold  I« 

(16eO-1705.) 

Es  wird  an  der  Zeit  sein^  den  Ort  und  die  Verhältnisse  näher 
ins  Auge  zu  fassen,  unter  und  mit  denen  durch  mehr  als  40  Jahre 
zu  wirken  Fux  bestimmt  war.  Die  Kaiserstadt  an  der  Donau  war  in 
dem  letzten  Viertel  des  17.  bis  zur  Mitte  des  folgenden  Jahrhunderts 
noch  weit  entfernt  von  der  soliden  und  imponierenden  Pracht  und 
Ausdehnung  Wiens  mit  seinen  600.000  Bewohnern  in  unseren  Tagen, 
allein  unter  den  übrigen  Grosstädten  jener  Zeit  in  Deutschland, 
alles  in  allem  genommen,  behauptete  Wien  auch  damals  einen  her- 
vorragenden Rang.  lN[icht  gering  waren  allerdings  die  Bedrängnisse, 
welche  diese  Grenzstadt  der  Gesittung  vor  und  während  jener 
Periode  zu  befahren  hatte,  aber  immer  hob  sie  sich  wieder  aus 
innerer  Kraft,  und  dankte  das  wohl  auch  der  heiteren  Character- 
anläge  seiner  Bewohner  und  ihrem  Sinne  für  Kunst,  die  das  Ueber- 
staudene  leicht  vei-wanden  und  rasch  an  den  Wiederaufbau  der 
zertrtlnmierten  Wohnstätten  die  Hand  anlegten. 

1529  und  noch  mehr  1683  wurde  Wien  schwer  bedrängt 
durch  muselmänische  Horden:  die  Festungswerke  und  innere 
Stadt  hatten  viel  gelitten,  die  meisten  der  Vorstädte  waren  dem 
Erdboden  gleich  gemacht  worden,  allein  wie  die  Erfahrung  lehrt, 
dass  nach  pestartigen  Krankheiten  die  entstandenen  Lücken  in 
der  Bevölkerung  sich  verwunderlich  rasch  erfüllen,  so  weckte  auch 
hier  die  Zerstörung  so  vieler  Bauwerke  die  Lust  zu  neuen  und 
bedeutenderen  Bauten. 

Obwohl  bald  nach  der  letzten  türkischen  Belagerung  die 
Baulust  in  Wien  sich  regte ,  so  kam  sie  doch  erst  zu  Anfang  des 
darauf  folgenden  Jahrhunderts  zu  voller  Entwicklung  und  erfolg- 
reichen Pflege,  so  dass  man  sagen  kamt,  die  Ausbildung  des 
Palastbaues  sei  das  Element  der  Zeit  Kaiser  KarFs  VL  ge- 
wesen. Drei  Architecten  waren  es,  Johann  Bernhard  Fischervon 


Die  Stadt  Wien.  1 3 

Erlach  (geb.  1650  in  Prag),  Dominik  Martinelli  (geb.  1650  in 
Innsbruck)  nud  Lncas  von  Hildebrandt  (geb.  1666  zu  Genua), 
welche  die  Stadt  mit  ihren  Prachtbauten  schmückten,  die  noch 
heutigen  Tages  eine  Zierde  der  Residenz  sind.  Aus  diesem  Klee- 
blatte des  Talentes  war  es  vor  den  übrigen  Fischer  von  Erlach, 
der  die  meisten  und  bedeutendsten  Aufträge  erhielt  und  zu  allsei- 
tiger Befriedigung  ausführte.  Von  ihm  wurden  gebaut  das  kais. 
LustBchloss  Schönbmnn  (1696),  die  prachtvolle  kais.  Winter- 
reitschule (1716),  die  Hofbibliothek  und  Reichskanzlei  (1720), 
die  Paläste  des  Grafen  Trautson,  des  Prinzen  Eugen,  der 
Fürsten  Schwarzenberg,  Rtarhemberg,  Auersperg 
Q.  m.  a.  Den  Baumeistern  hatte  sich  auch  ein  trefflicher  Bildhauer 
zur  Seite  gestellt,  Georg  Raphael  Donner  (geb.  1695  zu  Ess- 
lingen im  Mardifelde)  und  nebst  anderen  gediegenen  Werken 
sich  durch  seine  schönen  Brunnenfiguren  am  Neuen  Markte  (1739) 
ein  Denkmal  dauernden  Ruhmes  gesetzt. 

Die  Bevölkerung  Wiens,  welche  vor  der  zweiten  Tttrken- 
belagerung  auf  80.000  Bewohner  geschätzt  wurde,  hatte  bis  1 740 
sich  auf  1 60.000  gehoben ;  und  mit  den  mehr  geregelten  und  ge- 
schützten Verhältnissen  hatte  auch  der  Wohlstand  zugenommen. 
Ausserdem  hatte  die  bleibende  Residenz  des  ersten  Monarchen 
der  Christenheit  mit  seinem  zahlreichen  Hofstaate  den  altöster- 
reichischen ,  böhmischen  und  ungarischen  Adel  veranlasst,  in  der 
Nähe  des  kaiserlichen  Hoflagers  sich  würdige  Wohnsitze  zu 
gründen  und  zugleich  mit  den  Gesandten  der  meisten  Höfe  und 
den  reisenden  Fremden  aus  den  höchsten  Ständen  den  Glanz  des 
Hofes  zu  erhöhen.  Die  Zahl  der  Kammerherm,  wobei  nur  der 
höhere  Adel  mit  den  gehörigen  Ahnenproben  zugelassen  wurde, 
beHef  sich  im  Jahre  1705  auf  423  \  darunter  befanden  sich  ausser 
den  früher  erwähnten  die  Namen  Lobkowitz,  Waldstein, 
Piceolomini,  Montecncculi;  Taxis,  Lamberg,«  Stern- 
berg, Sinzen^orf,  Khevenhüller,  Palffy,  Kinsky 
n.  V.  a. 

Die  Künste  des  Friedens  zu  pflegen  war  wohl  nicht  leicht  ein 
Fürst  begabter  als  Kaiser  Leopold  I.  (reg.  von  1658 — 1705). 
Die  venetianischen  Botschafter ,  denen  zur  strengsten  Pflicht  ge- 

1  Rink.  p.  216. 


1 4  Kaiser  L  e  o  p  o  1  d  I.  befördert  Wissenschaft. 

macht  war,  der  Republik  wahrheitsgetreue  Berichte  zu  erstatten, 
schildern  ihn  als  den  edelsten,  wohlwollendsten  Monarchen ,  die 
jemals  einen  Thron  geziert  haben.  Gerechtigkeit,  Herzensgute 
und  Frömmigkeit  waren  die  einzigen  Triebfedern  seines  Handelns. 
Leidenschaftlicher  Ausbrüche  war  er  ganz  unfähig,  am  meisten 
musste  man  seinen  Gleichmuth  bewundem,  mit  welchem  er  die 
Schläge  des  Schicksals  ertrug,  die  ihn  oft  in  empfindlichster  Weise 
trafen.  Keinem  seiner  Vorgänger  stand  er  an  ausgezeichneten 
Greistesgaben  nach.  Alle  die  mit  ihm  zu  thun  hatten,  lobten  die 
Schärfe  seiner  Auffassung,  die  Klarheit  seines  Urtheils.  Mit  einer 
seltenen  Gewandtheit  des  Ausdruckes  in  fremden  Sprachen  war  er 
in  den  meisten  Zweigen  der  Wissenschaften  auf  der  Höhe  seiner 
Zeit  K  Im  Jahre  1 662  berief  er  Peter  L  am  b  e  c  k  von  Hamburg  zu 
seinem  Bibliothekpräfecten  und  Historiographen,  folgte  der  Ord- 
nung und  Vermehrung  seiner  Bibliothek  mit  ängstlicher  Sorgfalt, 
war  deshalb  mit  seinem  Lambecius  in  ununterbrochenem  Ver- 
kehr und  brachte  in  den  Bäumen  der  Bibliothek,  begleitet 
von  einigen  Männern  von  Bildung  und  gelehrten  Kenntnissen 
viele  Stunden  zu  *. 

Schon  im  Jahre  1669  war  der  Kaiser  auf  den  zweiundzwan- 
zigjährigen  Leibnitz  aufinerksam  geworden,  dessen  Werk  de 
Arte  combinatoria  dem  Kaiser  wohl  bekannt  war.  Er  befahl  deshalb 
einem  seiner  Gelehrten,  mit  L&ibnitz  in  Correspondenz  zu  bleiben. 
1689 — 1690  wollte  er  ihn  als  Historiographen  in  Wien  behalten, 
worauf  aber  Leibnitz,  gebunden  durch  andere  Verhältnisse,  nicht 
eingehen  konnte^. 

Ueberraschend  bei  der  Milde  und  Versöhnlichkeit  des  Charac- 
ters  Kaiser  Leopold  I.  ist  seine  Begünstigung  des  genialen,  feurigen 
Sitteneiferers,  des  Pater  Abraham  a  Sancta  Clara.  Dieser, 
vor  seinem  Eintritte  in  das  Augustiner  BarfUsserkloster  mit  seinem 
Tauf-  und  Familiennamen  Johann  Ulrich  Megerle  geheissen, 
war  am  2.  Juli  1644  zu  Kreenheinstetten  in  Schwaben  geboren, 
wurde  1669  von  seinen  geistlichen  Oberen  als  Prediger  nach  Wien 
berufen,  1677  von  Kaiser  Leopold  L  zum  Hofprediger  ernannt, 

m 

1  Alfr.  Arneth,  Prinz  Eugen.  I.  189.  >  Th.  Karajan,  Kaiser 
Leopold  I.  and  Pet.  Lambeck.  Vortr.  vom  30.  Mai  1868  in  der  Acad.  der 
Wiss.       ^  Otto  Klopp,  Leibnitz,  im  Archiv  f.  östr.  Gresch.  XL.  p.  164.  f. 


Wien's  gesellige  Verhältnisse.  15 

erhielt  1692  die  höchste  Würde  seines  Klosters  als  Definitorprovin- 
ciae  und  blieb  von  da  an  bis  zu  seinem  Tode,  welcher  am  1.  Dec. 
1709  erfolgte,  nnonterbrochen  in  Wien,  wo  er  durch  seine  kausti- 
schen Predigten  und  Schriften  mit  scharfem  Geiste  und  uner- 
schrockenem Muthe  allen  Ständen  einen  schonungslosen  Spiegel 
ihrer  durch  den  Einfiuss  der  Zeit  Ludwig's  XIV.  verlotterten  Lebens- 
weise entgegenhielt.  Kaiser  Leopold,  welcher  den  trefflichen  Kern 
unter  der  Hülle  einer  oft  scurrilen  Form  wohl  zu  wttrdigen  wusste, 
hemmte  niemals  den  rücksichtslosen  Strom  seiner  Beden  und 
Schriften,  und  ehrte  sich ,  indem  er  den  Mann  mit  seiner  Prophe- 
tenstrenge frei  gewähren  liess  \ 

Zu  anderen  Zwecken  liess  der  Kaiser  femer  den  berühmten 
JesuitenP.  At  hanasius  Ki  rch  er'  von  Rom  nach  Wien  kommen, 
wo  er  auf  kaiserliche  Unkosten  „sein  fähiges  Ingenium  in  Erfindung 
rarer  Maschinen  übte,  wie  denn  in  seinen  Operibus  viele  Curiosi- 
täten,  so  er  ftir  den  Kaiser  verfertigt,  gefunden  werden".  Besonders 
wurde  er  vom  Kaiser  in  Musik  consultiert  „um  von  "Kirchero 
die  darin  befindliche  heimliche  fundamenta  nach  der  Mathesi  zu 
erlernen  ^^. 

Ungeachtet  während  der  beinahe  fünfzigjährigen  Regierung 
Kaiser  Leopold's  innere  Unruhen  in  Ungarn  und  Böhmen,  so  wie 
die  Kriege  mit  den  Türken  und  Franzosen  niemals  völlig  aufhörten 
und  die  feindlichen  Einfälle  oft  Wien  bedrohten  und  im  Jahre  1683 
sogar  hart  bedrängten ,  so  fand  man  doch  in  den  minder  trüben 
Zwischenzeiträumen  Lust  und  Gelegenheit,  sich  des  Lebens  in 
mannigfacher  Weise  zu  freuen.  Nähere  Veranlassung  dazu  bothen 
der  wechselnde  Aufenthalt  des  Hofes  auf  dem  Lande  und  in 

1  Höchst  BchätzeuBwerth  sind  die  rntthevollen  Forschungen,  die  Th. 
G.  V.  Karajan  in  seinem  „Abraham  a  Sancta  Clara''  (Wien  1867} 
niedergelegt  hat,  den  sicheren  Gnindlagen  zu  jeder  künftigen  ausführ- 
licheren Würdigung  der  Bedeutung  dieses  merkwürdigen,  vielverkannten 
Mannes. 

3  P.  Äthan.  Kircher,  geb.  zu  Bachlau  im  Fuldaischen  1602,  lebte 
in  Wttrzburg,  Avignon  und  Born,  wo  er  den  80.  Oct.  1680  starb.  Sein  be- 
rühmtes Werk  „Musurgia  seu  ars  magna  consoni  et  dissoni'^  Hess  er  1650 
in  Bom  drucken:  es  enthält  vorzüglich  eine  mathematische  Begründung 
der  Musik.  —  Auch  einige  musicalische  Oompositionen  Hess  er  unter  frem- 
dem Namen  drucken.  (Walther.) 

0  Rink,  Leopold  der  Grosse,  p.  120. 


16  Die  Musik  in  Wien  vor  L  e  o  p  o  1  d  I. 

» 

der  Stadt,  der  Cameval,  die  häufigen  Gebnrts-  und  Namensfeste  in 
der  kaiserlichen  Familie  und  die  wiederholten  Vermählungen, 
welche  meistens  in  Wien  vollzogen  vnirden.  Ausser  der  Jagdlust 
in  allen  Abstufungen,  Scheibenschiessen,  Gastmahlen,  Maskeraden 
nud  Bällen,  glänzenden  Schlittenparthien  und  den  interessanten 
Wirthschaften  waren  aber  die  meisten  dieser  Feste  mit  Musik 
in  Verbindung  gebracht,  welche  sogar  mit  Leidenschaft  betrieben 
wurde  und  schon  als  Erbe  von  mehreren  Ahnen  her  in  Kaiser 
Leopold  ihren  Hauptbef[5rderer  fand. 

Von  Kaiser  Ferdinand  II.  (reg.  1619 — 1637)  sagte  ein 
gleichzeitiger,  nicht  genannter  Schriftsteller,  der  Verfasser  des 
Status  particularis  Regiminis  S.  C.  Maj.  Ferdinandi  II.  1637: 
Seine  kaiserliche  Majestät  liebt  ausnehmend  die  Jagd  und  die 
Musik.  —  Er  wendet  auch  grosse  Sorgfalt  darauf,  sich  auser- 
lesene Musiker  zu  verschaffen,  und  verwendet  auf  die  Leute  von 
beiden  Beschäftigungen,*  nämlich  auf  Musiker  und  Jäger,  gewöhn- 
lich viel  Geld  und  macht  ihnen  auch  sehr  viele  Geschenke^.  Seine 
Hofkapelle  hatte  unter  dem  Kapellmeister  Johann  Valentini 
zu  jener  Zeit  bereits  einen  Stand  von  80  Musikern  erreicht  K  Kai- 
ser Leopold's  Vater,  Kaiser  Ferdinand  III.,  hatte  noch  während  des 
dreissigjährigen  Krieges  (1637)  die  zu  Anfang  desselben  zerstreu- 
ten Glieder  der  Hofkapelle  wieder  gesammelt,  ihre  Zahl  und  Ge- 
halte vermehrt  und  unter  den  Kapelhneistem  Anton  Bertali, 
Peter  Verdina  und  Feiice  Sances  nicht  blos  einen  ansehn- 
ilchen  Sängerchor,  sondern  auch  eine  stattliche  Zahl  von  Instrumen- 
tisten  versammelt,  welche  letztere  schon  deshalb  besondere  Bttck- 
sicht  verdienen ,  da  bis  dahin  die  Instrumentalmusik  der  Vocal- 
musik  weit  nachgestanden  war;  die  Namen  der  Organisten  Joh. 
Alb.  Platzer,  Wolfg.  Ebner,  besonders  aber  Joh.  Jac.  Fro- 
her g  er  gelangten  nicht  blos  zu  jener  Zeit  zu  grosser  Berühmt- 
heit. Kaiser  Ferdinand  IE.  war  selbst  ein  nicht  unglücklicher 
Componist  *,  ergriff  die  zu  Anfang  des  17.  Jahrhundertes  in  Ita- 
lien erfundene  Oper  mit  grösster  Wärme,  und  Hess  auf  dem 
Reichstage  zu  Regensburg   1653  die  Oper  l' Inganno  (Tatnare, 

1  K  ö  c  h  e  1 ,  HofmaBik-KapeUe  in  Wien.  p.  130. 

2  Die  Compositionep  desselben  in  der  k.  k.  Hof  bibliothek  sind  Beil.  VII. 
n.  1  zusammengestellt. 


Förderung  der  Musik  durch  Kaiser  Leopold  I.  17 

Text  von  B.  Ferrari,  Musik  von  Antofi.  Bertali  mit  grossem 
Glanz  zur  Darstellung  bringen  ^ 

Der  mächtige  Aufschwung,  den  die  Musik  seit  dem  Beginne 
der  Regierung  Leopold  I.  nahm,  ergibt  sich  schon  durch  die  ein- 
fache Vergleichung  der  Kümmern  von  Opern,  Theaterfesten  und 
kirchlichen  Oratorien,  welche  bei  Hofe  aufgeftlhrt  wurden  und 
von  1630  bis  1657  nach  dem  Verzeichnisse'  kaum  die  Zahl  von 
16  erreichten,  während  dieselben  von  1658  bis  1705  die  Zahl 
von  400  überstiegen.  Kaiser  Leopold  hatte  schon  vor  seiner 
Thronbesteigung  einen  regelmässigen  Unterricht  in  der  Musik  ge- 
nossen und  noch  bewahrt  die  k.  k.  Hofbibliothek  seine  frühesten 
Versuche  in  der  Composition  vom  Jahre  1655  bis  1657,  einfache 
kirchliche  Mottette  und  Hymnen,  vom  Jahre  1660  wagte  er  sich 
schon  an  das  erste  Oratorium  //  sacrifieio  ^Ahramo^  denen  12 
ähnliche  folgten,  aus  welchen  //  Transiio  dt  Giuseppe  (von  1681) 
nebst  mehreren  anderen  noch  unter  Kaiser  Karl  VI.  von  der 
Hofkapelle  jährlich  wiederholt  ward ;  femer  bethätigten  9  dra- 
matische Compositionen,  wenn  auch  von  geringerem  Umfange, 
und  eine  grosse  Zahl  von  eingelegten  Arien  in  fremde  Opern, 
seinen  Drang,  seine  musicalische  Anlage  in  verschiedener  Weise 
zum  Ausdruck  zu  bringen^.  Noch  bedeutender  aber  als  seine 
eigene  Productionskraft  war  der  Schutz  und  die  Förderung  der 
Musik  durch  Heranziehen  bedeutender  Componisten  und  einer 
auserlesenen  Kapelle. 

Bei  dem  Werthe  gleichzeitiger  Urtheile  und  der  geringen 
Zahl  derjenigen,  welche  zur  Zeit  Kaiser  Leopold  I.  über  die  mu- 
sicalischen Zustände  berichteten,  darf  kein  Beitrag  da^u  über- 
gangen werden.  Zuerst  ist  hier  zu  erwähnen  ein  dickleibiges 
Buch  von  1725  Seiten,  das  aber  für  unsere  Zwecke  nur  wenige 
Blätter  enthält.  Der  Verfasser  hat  auf  dem  Werke  selbst  seinen 
Namen  nicht  genannt,  er  ist  aber  genau  bekannt,  sein  Name  ist 
Euchar.  Gottlieb  Rink,  gestorben  1746,  erst  Hauptmann  in 
kaiserlichen  Diensten,  seit  1 709  Professor  in  Altdorf.  Der  Titel 
des  Werkes  lautet:  Leopol d's  des  Grosseti,  Rom.  Kaysers  wun- 
dertoürdiges  Leben  und  Thaten  aus  geheimen  Nachrichten  eröff- 

1  Beil.  VIII.  10.  2  Beil.  VUI.  >  Die  musicalischen  Compositionen 
Kaiser  Leopold  I.  sind  Beil.  VII.  2  verzeichnet. 

Köehtl,  J.  J.  Fux.  2 


18  Die  Oper  m  Wien. 

neinndm  vier  Tkeäe  geikeUet.  8.  Coln.  1707  (Erste  AtiflageJ. 
1713  (Zweite  Auflage)  K  Dort  heisdt  es: 

;,Wo  etwas  in  der  Welt  gewesen,  so  dem  Kaiser  Vergnttgnng 

gemacht,  so  war  es  nnfehlbar  eine  gnte  Hnsik. Wie  er  des 

Jahrs  viermal  seine  Wohnung  sn  wechseln  pflegte,  nämlich  ans 
der  Burg  (in  Wien)  nach  Laxenbnrg,  von  da  in  die  Favorita 
(Jetzt  Theresiaiinm  in  Wien),  dann  nach  Ebersdorf  (bei  Schwe- 
ehat),  so  war  in  einem  jedweden  kaiserlichen  Zünmer  allzeit  ein 
kostbares  Spinett  befindlich,  darauf  der  Kaiser  seine  Mnssestun- 
den  zubrachte.  Seine  Kapelle  kann  wohl  die  vollkommenste  in 
der  Welt  genannt  werden,  da  der  Kaiser  allemal  selbst  das  Exa- 
men angestellt,  und  wenn  darin  einer  sollte  angenommen  werden, 
blos  nach  Meriten,  nicht  nach  Neigungen  geurtheilt  ward.  Der 
Kaiser  selbst  war  nicht  nur  ein  Kenner  der  Musik  und  Künstler 
auf  mehreren  Instrumenten,  sondern  er  war  auch  in  der  Composi- 
tion  wohlbewandert.  Es  ist  selten  in  Wien  eine  Oper  gespielt  wor- 
den, wozu  der  Kaiser  nicht  einzelne  Nummern  componiert  hätte. — 
In  der  Oper  wendete  er  nicht  leicht  das  Auge  von  der  Partitur  in 
seinen  Händen  und  wenn  eine  Passage  kam,  die  ihm  gefiel, 
drückte  er  die  Augen  zu,  um  mit  mehr  Attention  zuzuhören.  Sein 
Gehör  war  auch  so  scharf,  dass  er  unter  50  d^enigen  merken 
konnte,  der  einen  Strich  falsch  gethan.  —  Weil  die  Musiker  wuss- 
ten,  wie  hoch  der  Kaiser  sie  hielt,  übernahmen  sie  sieh  öfter,  wie 
man  auch  etliche  Exempel  hat,  dass,  wenn  sie  nicht  allzurichtig 
sind  bezahlt  worden  *,  sie  in  öfifentlieher  HofkapeUe  sich  weiger- 
ten zu  musicieren,  bis  sie  nicht  ihren  rückständigen  Sold  bekä- 
men. Auch  dieses  war  der  Kaiser  bereit  nachzusehen^,  (p.  120  ff.) 

„Ueber  die  Massen  liebte  der  Kaiser  singende  Comödien 
oder  Opern.  An  keinem  Orte  in  der  Welt  sind  jemals  prächtigere 
Opern  gegetre»^  worden,  als  in  Wien.  Bei  den  kaiserl.  Vermählun- 
gen und  anderen  Solemnitäten  sind  absonderlich  die  berühmte 
opera  //  Porno  d^oro  (1666),  //  fuoco  Vestale  (1674)  und 
La  Monarckia  laiina  (1667)  in  solcher  Pracht  vorgestellet 
worden,  dass  man  versichert,  es  habe  allein  P^mo  ^faro  über 

1  Ans  dieser  sind  die  Citate  entnommen. 

*  Unregelmässigkeiten  bei  den  Auszahlungen  der  Gehalte  kamen  zo 
jener  Zeit  auch  am  Dresdner  Hofe  und  wohl  anch  anderwärts  vor.  if.  /^r* 
sietum,  Gesch.  d.  Mus.  in  Dresden.  IL  32. 


Die  Oper  unter  Leopol  dl.  19 

100.000  Rthlr.  gekostet.  Dieses  ist  sonst  bei  kais.  Opern  nicht  ge- 
mein, angesehen  eine  opera,  welche  gar  öfters  10  bis  20.000  Gül- 
den consnmieret,  nur  ein  einziges  Mal  zu  sehen  war,  welches  ein 
so  kostbarer  Aufwand,  dass  kein  anderer  Potentat  in  der  Welt  sol- 
ches gleichthnt,  znmal  da  fast  bei  allen  Gkburts-  und  Namens- 
tagen der  Herrschaften  neue  Erfindungen  aufgeftthrt  worden.  Die 
Maschinen  (von  Burnacini)  sind  mit  erstaunenswerther  Kunst 
vorgestellt,  in  den  Balleten  wurden  ganze  Gefechte  geliefert^. 

Ueber  die  durch  mehr  als  ein  Jahrhundert  in  frischem  An- 
denken gebliebene  und  immer  wieder  erwähnte  Oper  II  Porno 
4Foro  äussert  sich  Franz  Sbarra,  kais.  Bath,  der  Verfasser 
des  Textes  der  Oper,  welche  zur  Yermählungsfeier  Kaiser  Leo- 
pold L  mit  Margaretha  von  Spanien  (12.  Dec.  1666)  in  Wien  mit 
oft  gerühmter  Pracht  gegeben  wurde,  indem  er  am  Schlüsse  des 
pompös  mit  24  Kupfertafeln  ausgestatteten  Textbuches  (Fol.  1668 
Wien,  bei  Cosmerov)  zu  dem  Leser  spricht:  „Diesesmal  hätte 
ich  vielmehr  gewünscht  dich  als  Zuschauer,  denn  als  Leser  des  Wer- 
kes, das  ich  dir  vorlege  ....  ich  bedaure,  es  nicht  zu  vermögen 
dir  zu  schildern  die  Erlesenheit  der  Musik,  die  Pracht  des  Schau- 
platzes, die  Noblesse  der  Scenerie,  den  Reichthum  der  Gosttime, 
die  Zahl  der  Comparsen,  die  Mannigfaltigkeit  der  Maschinen,  die 
Eigenthttmlichkeit  der  Tumierkämpfe ,  die  Abwechslung  der 
Tänze,  den  Trotz  der  Gefechte,  die  militärische  Erfahrung  bei  der 
Belagerung  und  Vertheidignng  der  festen  Werke,  nebst  anderen 
Wundem  der  Kunst ....  leicht  gelange  ich  zu  der  Ansicht,  dass 
diese  theatralische  Festfeier  in  Pracht  und  Grossartigkeit  alles 
bisher  Gesehene  ttbertroffen  habe^.  Es  wird  dann  hervorgehoben 
die  Leitung  des  Ganzen  durch  Graf  Franz  Waldstein,  die 
unerreichbare  Musik  des  Cav.  Cesti,  die  Maschinen  und  Co- 
stttme  des  Architecten  Ludwig  Burnacini,  der  auch  das 
Theater  erbaute  (im  innem  Burgraum  tHr  500  Personen)  und 
noch  andere. 

Noch  in  demselben  Jahre  1667  wurden  aus  gleicher  Veran- 
lassung zwei  andere  Pracht-Prpdnctionen  in  Wien  gegeben,  von 
denen  gleichzeitige  (1667)  Textbücher  in  Folio  mit  einer  grossen 
Zahl  von  Kupferstichen  zum  Zeugnisse  der  Pracht  der  Ausstat- 
tung in  der  k.  k.  Hofbibliothek  vorhanden  sind  ^  Diese  beiden 

1  Beil  VIII.  51,  58. 

2* 


20  Wien'B  musicalische  Zustände. 

Darstellungen  waren  La  contesa  delF  Aria  e  deir  Acqua ,  ein  Ca- 
rousselfest  mit  Musik,  Erfindung  von  F.  Sbarra,  Musik  von 
Bertali  und  J.  H.  Schmelzer,  —  femer:  La  monarchia  la- 
tina  trionfante^  ein  Musikfest,  Text  von  Nie.  Minato,  Musik  von 
Ant.  Draghi  und  Balletmusik  von  J.  H.  Schmelzer.  —  Gele- 
gentlich sei  auch  des  mit  Kupfern  ausgeschmttckten  Textbuches 
von  A.  Bertali's  Oper  LHnganno  (Tamore  erwähnt,  welche  1653 
Kaiser  Ferdinand  UI.  auf  dem  Reichstage  zu  Regensburg  auffäh- 
ren Hess  ^ 

Johann  Joachim  Mülle r's  entdecktes  Siaats-Cabinet^ 
enthält  im  zweiten  Theile  (pag.  83 — 314)  das  „Reisae-Diarium 
bei  Knyserlicher  Belehnung  des  Chur-  und  färstl,  Hauases  Sach- 
sen^ ein  ausfllhrliches  Reisetagebuch  des  sächsisch- weimarischen 
Cancellisten  (Müller?  Vater  des  Johann  Joachim  Müller),  welcher 
der  Gesandtschaft  beigegeben  war,  und  besonders  wegen  seiner  Auf- 
zeichnungen während  des  Aufenthaltes  in  Wien  vom  26.  März  bis 
16.  Juni  1660  manches  characteristische  auch  über  Musik,  in 
simpler  Auffassung  zwar,  enthält.  Es  heisst  dort: 

„Vom  Nonnenkloster  S.  Jacob,  darinnen  in  die  40  bis  50 
Nonnen,  meistens  fürstlichen,  gräflichen  und  herrlichen  Standes 

—  sie  musicierten  sowohl  vocaliter  als  instrument-aliter  auf  Dulcia- 
nen^,  Violen  da  gamba,  Teorben,  Lauten  und  Violen  —  Georg 
Rakoczy's  Schwester  singet  einen  sehr  lieblichen  Discant,  ein  gräf- 
liches Fräulein  von  Richili  (?)  spielet  auf  der  Teorbe,  eine  Freiin  von 
Hildebrand  auf  der  Viole  und  werden  in  der  Wochen  zu  gewissen 
Tagen  von  den  kaiserlichen  Musicanten  unterrichtet,  (p.  132  f.) 

—  Bei  der  Einkleidung  einer  Nonne,  wobei  die  Majestäten  zuge- 
gen waren,  wurde  von  den  kaiserlichen  und  erzherzoglichen  Mu- 
sicanten sowohl  choraliter,  als  figuraliter,  und  unter  andern  eine 
Sonate,  so  der  jetzige  Kaiser  selbst  componiert  haben  soll,  musi- 
eieret  (p.  153).  —  Die  Kaiserliche  Tafel.  Die  Musicanten 

1  Beil.  VIII.  10. 

sjoh.  Joachim  Müller  (n),  entdeckteB  Staats-Cabinet,  darinnen 
sowohl  das  Jus  publicum,  feudale  und  ecclesiasticum  nebst  dem  Ceremonial- 
und  Curial-Wesen,  als  auch  Kirchen-  und  politische  Historie,  sammt  der 
Genealogie  und  Literatur  durch  eztraordinaire  Nachrichten  und  mit  bey- 
gefügten  Diplomatibus  illustriret  wird.  8.  Jena  17U— 1717.  VIII  Thle. 

3  Fagottfthnliche  Blasinstrumente. 


Wien*8  muBicalische  Zustände.  21 

deren  vor  jetzo  in  die  10  aufgewartet,  mnsicierten  erstlich  mit 
2  Violen,  2  Violen  da  gamba,  einer  Teorbe  und  Clave-Cymbel, 
dann  ein  Stück  vocaliter  in  italienischer  Sprache  von  einem  Alti- 
sten  und  zwei  Capaunen ,  worin  die  Teorbe  und  eine  Viol  de 
gambe  gespielet  wurde."  (p.  176.) 

,, In  der  Burg  die  darin  liegende  Kaiserliche  Capelle, 
allwo  unten  im  Chor  die  Musicanten,  auf  die  40  stark,  gegen  ein- 
ander Über  Sassen' und  stunden,  hatten  kurz  vorher,  wie  hernach 
der  berühmte  und  fast  vornehmste  Violist  in  ganz  Europa 
Johann  Heinrich  Schmeltzer  berichtete,  eine  Sonate  mit 
20  Violen  musicieret."  (p.  178.)  —  Am  6.  Juni  wurde  bei  St.  Ste- 
phan das  Friedeusfest  wegen  des  „zwischen  Ihrokais.  Majestät, 
Schweden  und  Polen  getroffenen  Friedens  celebriert.  Die  Musik 
so  in  6  Chor  getheilt,  bestand  in  Dulcianen,  Teorben,  Lauten, 
Flöten,  Heerpauken,  gemeinen  Trommeln  und  Querpfeifen,  wie 
auch  zwei  Chor  mit  Stimmen."  (p.  242.) 

„Mittwoch  den  30.  Mai  (9.  Juni)  haben  Ihro  Kais.  Majestät 
Dero  Geburtstag,  an  welchem  sie  das  zwanzigste  Jahr  zu- 
rttckgeleget,  celebrirt,  deswegen  Nachmittage  auf  Anordnung 
Ihro  Erzfllrstlichen  Durchlaucht  Herren  Leopold  Wilhelms  in  der 
Favorita  eine  italienische  Singcomödie  von  der  verspotteten  Zau- 
berkunst, nebenst  einem  Ballet,  welches  der  Erzherzog  Carl 
Joseph  selbst  sanmit  zwölf  Grafen  seiner  Grösse  und  Alters  un- 
gefähr, bracht,  gehalten  und  vorgestellet  worden,  welches  beides 
wohl  zu  sehen  war."  (p.  244.) 

Endlieh  soll  auch  nicht  unerwähnt  bleiben  Dr.  E  d.  B  r  o  w  n  e , 
ganz  sonderbare  Reisen  durch  Niederlande  Teutschland  etc.  4.  Nürn- 
berg 1684.  Ueber  Wien's  Zustäiide  (p.  220  bis  270)  heisst  es  über 
die  dortige  Musik  p.  237 : 

„Femer  verstehn  Ihro  Majestät  sich  wohl  auf  die  Music,  sind 
ein  guter  Componist,  und  schöpfen  gross  Belieben  darinnen,  sowol 
in  Dero  Kay  serlichen  Burg,  als  in  der  Kirche:  daher  es  auch 
kommt,  dass  sich  so  viel  Musicanten  in  Wien  befinden,  wie  dann 
schwerlich  irgendwo  mehr  anzutreffen  sind  als  aUhier,  und  ging 
schier  nicht  ein  Abend  vorbey ,  dass  Ynr  nicht  eine  Nachtmusic 
vor  unsem  Fenstern  auf  der  Strassen  hatten.  Und  weil  Ihro  Kays. 
Majestät  hieran  ein  solches  Belieben  tragen,  so  wenden  die  Geist- 
lichen Personen  um  so  viel  desto  mehreren  Fleiss  an,  um  etwas 


22  Theilnahme  des  Hofes  an  der  Oper. 

eonderbahres  in  ihrer  Kirchenmnsic  hören  zu  lassen.  Wie  denn 
Ihro  Majestät  ofitmals  die  Kirchen  besuchen,  und  nicht  nur  allein 
einige  allein,  sondern  verschiedene  viele:  Und  fahren  dieselbe 
sonderlich  gerne  in  die  vornehmsten  Clösterkirchen.  Und  werden 
offtmals  Dero  eigne  Stttck  und  Compositionen  in  Dero  Kays.  Ca- 
pelle  gespielt.  Auch  haben  Dieselben  ein  vortreffliche  Music  bei 
Hofe  sowol  an  Sängern,  als  auf  Instrumenten.  Und  wird  bene- 
benst  dero  eigene  Hof-Capelle  Überaus  wohl  bedienet  und  müssen 
daselbst  allezeit  acht  oder  zehn  kays.  Edelknaben  so  gräfi.  Stan- 
des, vor  dem  Altare  mit  weissen  in  den  Händen  habenden  Wachs- 
kerzen aufwarten.  Auch  wird  die  Music  daselbst  nicht  nur  ttber 
die  Massen  wol  bestellt,  sondern  es  werden  auch  nach  der  Art 
derital.  Fürsten  verschiedene  Capaunen  zum  Singen  unterhalten.^ 

Unter  den  Kirchen,  welche  Kaiser  Leopold  I.  öflter  zu  be- 
suchen pflegte,  war  es  vor  allem  die  Domkirche  von  St.  Stephan, 
dann  die  Kirche  von  den  Schotten,  von  St.  Peter,  von  den  Augu- 
stinern, von  den  Spaniern  vonMontserrat,  bei  den  Jesuiten,  sämmt- 
lich  in  Wien,  dann  aber  auch  die  Kirchen  von  Hemals,  Kloster- 
neuburg, heil.  Kreuz  u.  a.  Ueberall  waren  Musikchöre,  aus  denen 
jene  von  St.  Stephan,  dann  anch  jene  von  den  Schotten  und 
Augustinern  die  übrigen  überragt  haben  mochten. 

Ob  auch  einzelne  Grosse  des  Reiches  eigene  Kapellen  zu  jener 
Zeit  hielten,  ist  aus  den  bisherigen  Publicationen  nicht  zu  entneh- 
men, aber  nicht  unwahrscheinlich,  denn  schon  in  den  nächstfol- 
genden Perioden  unter  Kaiser  Karl  VI.  und  Maria  Theresia  sind 
die  Privatkapellen  der  böhmischen  Cavaliere  etwas  ganz  gewöhn- 
liches. Unbestritten  ist  aber  schon  zu  Kaiser  Leopold's  Zeit  die 
Betheiligung  der  Damen  und  Herren  des  Hofes  an  den  Balleten, 
Dramen  und  Opern  des  Hofes,  wobei  der  Kaiser  selbst,  mehrere 
Erzherzoge  und  Erzherzoginen  aufzutreten  nicht  unter  ihrer  Würde 
hielten.  In  der  Periode  vom  Antritte  der  Regierung  bis  zu  Ende 
des  Jahrhundertes  setzte  sich  der  K  a  i  s  e  r  selbst  im  Rh  Gelidoro 
(1659)  an  die  Spitze  eines  prachtvollen  Zuges  von  Cavalieren; 
1666  tanzten  die  Erzherzoginen  Leonore  und  Marianne 
in  Elicey  die  Erzherzogin  Marianne  zu  wiederholten  Malen 
von  1670  bis  1677  in  Costa  Penelope,  in  Sulpicia,  in  Nascüa 
di  Minerva,  in  Turia  Lucrezia,  in  Chelonida,  Rodogone  u.  a., 


Die  italienische  MnBik  in  Wien.  23 

« 

Cayftlier.e  spielten  1684  im  Finto  ÄBirologo  \  Hofdamen  1685 
die  Didofie  coBtante  \  desselben  Jahres  tanzten  7  Grafen  im  Pal" 
ladio  in  Roma^j  nnd  ebenso  sangen  und  spielten  Hofdamen 
das  »Singspiel  Die  Sclamnen  auf  Samia ,  mit  Musik  von  Kaiser 
Leopold  *. 

So  hatte  der  Vorgang  des  Hofes  einen  lobenswerthen  Wett- 
eifer nach  verschiedenen  Richtungen  entzündet,  welcher  gewiss 
durch  die  lebhafte  Theilnahme  bei  mnsicalischen  Productionen 
auch  auf  die  Künstler  von  Profession  zurückwirken  musste, 
denn  ohne  Empfänglichkeit  der  Zuhörer  erlahmt  jede  Kunst ,  und 
un  entgegengesetzten  Falle  vermag  sie  den  Künstler  zu  höheren 
Leistungen  zu  b^eistem. 

Während  der  ganzen  Regierungsperiode  Kaiser  Leopold  L 
und  auch  geraume  Zeit  vorher  und  nachher  war  es  die  Musik  der 
Italiener,  welche,  sowie  in  Wien,  auch  in  München,  in  Dresden, 
Hamburg  und  England  unbeschränkt  alles  beherschte.  Die  N  i  e- 
derländer,  welche  durch  sie  von  der  Herschaft  verdrängt 
wurden,  hatten  in  ihren  Koryphäen  Jos  quin  des  Pros,  Hein- 
rich Isaak,  Ludwig  Sennffl  im  XV.  Jahrhunderte,  und  in 
Orlando  di  Lasso  im  XVI.,  die  Technik  des  Gontrapunktes 
auf  eine  nicht  geahnte  Höhe  getrieben  und  selbst  in  Italien  ver- 
dientes Aufsehen  und  nicht  geringen  Einfluss  errungen.  Auch  in 
Wien  waren  tüchtige  Meister  aus  dieser  Schule  thätig ,  die  Hof- 
kapellmeister A  r  n  o  1  d  u^  de  Prugkh  (1536 — 1545),  Petrus 
Maessanus(1543— 1560),  Johann  Castileti  (1563— 1564), 
Jakob  Vaet  (1564—1567),  Philippus  de  Monte  (1564— 
1603),  Alard  Gaucquier  (1567—1576),  Jacob  Regnart 
(1580  —  1582  und  1598  —  1599),  Lambertus  de  Sayve 
(1600 — 1614),  u.  a.^,  welche  zugleich  eine  bedeutende  Zahl  von 
Säugern  aus  ihren  Laudsleuten  geworben  hatten,  konnten  zu  den 
besten  zählen.  Mit  Kaiser  Ferdinand  U.  (1619 — 1637)  dran- 
gen plötzlich  die  1 1  a  1  i  e  n  e  r  mit  ihren  KapeUmeistem  Giovanni 
Prioli  (1619—1629),  Giov.  Valentini  (1629—1649)  und 
PietroVerdina  (1634  und  1635)  ein  und  behaupteten  das  Feld 
länger  als  ein  Jahrhundert.  Drei  Momente  schienen  die  Veranlass 

1  Beil.  Vm.  213.  «  Eb.  221.  3  Eb.  224.  *  Eb.  228.  &  Koch e^ 
Hofkapelle.  42—56. 


24  Opemtexte. 

sung  gewesen  zu  sein ,  welche  den  Italienern  zu  dieser  allgemei- 
nen Verdrängung  ihrer  Kivalen  verhalfen:  die  Erfindung  der 
Oper  in  Italien  zu  Anfang  des  XVII.  Jahrhundertes,  ihre  von 
der  Natur  Yor  allen  Nationen  begünstigten  Gesangskünstler 
und  die  für  Gesang  wie  geschaffene  und  den  andern  an  Bildung 
y orangeeilte  Sprache.  Waren  auch  die  italienischen  Dichter 
jener  Zeit,  welche  für  die  Oper  speciell  für  Wien  zahlreiche  Li- 
bretti anfertigten,  wie  Anrelio  Amalteo  (1660 — 1669),  Fran- 
cesco Sbarra  (1662—1667),  Donato  Cupeda  (1663? 
1689—1704),  ApoUonio  ApoUoni  (1664—1690)  und  der  be- 
sonders fruchtbare C 0 n t e  NicoloMinato  (1667 — 1700)  keine 
Dichter  ersten  Ranges  und  ihre  Geistesproducte  nicht  über  das 
Niveau  der  Zeit  sich  erhebend,  gering  an  Gedankengehalt  und 
mit  mehr  Schwulst  als  Schwung  des  Ausdrucks,  so  stehen  doch 
daneben  die  gleichzeitigen  deutschen  Uebersetzungen,  welche  in 
Wien  mit  den  Originalien  immer  zugleich  erschienen,  so  unbeholfen 
und  unsangbar  neben  jenen,  dass  sie  ein  trauriges  Zeugniss  davon 
geben,  wie  tief  gesunken,  ja  verwildert  die  deutsche  Sprache 
nach  dem  dreissigjährigen  Kriege  besonders  in  Oesterreich  war, 
so  dass  der  Ausschlag  der  Wagschalen  der  beiden  Sprachen  nicht 
zweifelhaft  sein  konnte. 

Zur  Vergleichung  mögen  ein  Paar  Scenen  des  italienischen 
Textes  und  daneben  der  deutschen  Uebersetzung  dienen,  von  den 
in  der  kais.  kön.  Hofbibliothek  noch  vorhandenen  Pracht-Libroni 
mbchte  man  lieber  sagen  als  Libretti  des  berühmten  Musikfestes 

La  Monarchia  latina  irionfante,  Festa  musicale.  Poesia  di 
Nie.  Minato.  fol.  Vienna  Chr.  Cosmerov  1678^ 

Die  Stg-prangende  Römische  Monarchey,  Auf  der  grossen 
Schaubühne  Gesungener  vorgestellt.  Fol.  Wienn  1678  Christ. 
Cosmerov. 

Scena  I.  Erster  Eintritt. 

Bellona.  Bellona.  « 

Campagne  fef*fiii  '    Der  Felder  Trächtigkeit 

Flamme  distruggano  Zehre  den  Flammen-Brandy 

A  terra  vadano  Schönheit,     vnd    Pracht    dess 

Land 
Pompe  e  Beltä ;  Werd  nicht  errett, 

Fuggano  Gut  vnd  Leuth 


Operntexte. 


25 


Cadano 

Papoli 

Tempij 

Mura  e  Cittä. 

E  saggio  chi  vä 

Con  falce  guerriera 

La,  dou'  aUri  hnpera 

Mietendo  Memorie. 

Scena  11. 
La  Pace. 

Tempo  /&, 

Che  ne  le  Reggie 

Albergai  con  V^irtü, 

Tra  le  Greggie 

Cruda  hiuidia, 

Con  Insidia 

Mi  caccio : 

Hör,  ch'  1  poueri 

Miei  ricoueri 

Tolti  niL  ha 

Del  Regnar  VAviditä^ 

Chefard? 

Sommo  Giove 

Dimmi  doue 

Dane  andrö  ? 


Werd  zur  Beuth 
In  den  Rauch 
Gehen  auch 
Kirchen  vnd  Statt, 
Sehr  toeisslich  im  Beth\ 
Der  anff  seinen  Waffen 
Dort  ruhig  kan  schlaffen 
Wo  andre  regieren. 

Anderter  Eintritt. 
Der  Friden. 

Denck  der  Zeit, 

Dasa  mir  in  Höfen  war  . 

Samt  der  Tugend  platz  bereit. 

Vnd  nun  trib  mich  gar 

Auff  die  Hierten-  Weyd 

Der  Gewalt  deas  Neid 

Listiglich, 

Aber  nun,  dass  mir 

Die  in  At^muth  hier 

Ghabte  Ort 

Die  Regier-Sucht  nähme  fort 

Was  thue  ich? 

Höchster  Herr, 

Wohin  kehre 

Ich  nur  mich  ? 


Leider  sah  es  aach  mit  den  Originalprodueten  in  deutscher 
Sprache  nicht  besser  aus,  von  denen  Kaiser  Leopold  mehrere  — 
gewiss  nicht  ohne  Selbstverläugnung  —  in  Musik  gesetzt  hatte. 
Eines  davon  führte  nach  der  Partitur  die  Aufschrift :  „Arien  zu 
der  Comödie:  Die  vermeinte  Bruder  und  Schwester^  *  und  war  zu 
Kaiser  Leopold's  Namensfest  1680  bestimmt.  Am  Schlüsse  singen 
die  drei  Göttinen: 

Diana.  Juno.  Venus. 

Heunt  glänz  das  Sonnengold 
Den  grossen  Leopold, 

Diana. 

Lebe  wohl  o  grosser  Kayser 
Leb  vergnügt  bis  an  das  enty 


1  Beil.  VIU.  167. 


26  Operntezte. 

Heriche  über  aUe  keuser 
Alles  Glück  sich  zu  dir  wendi. 

Diana.  Juno.  Venus. 

Jupiter  lass  dich  geniessen 

Was  würi  mieasen 

Alle  deine  feint  vertriessen  u.  s,  w. 

Ferner  lautet  eine  der  ^Arien  zu  der  Comödi  intitulirt:^  y^Der 
t hörechte  Schäfer^.  Im  Fasching  1683  von  Kaiser  Leopold  in 
Musik  gesetzt : 

Schäfferin. 

Dafne,  wo  bist  du  zu  finden? 

was  verbirgt  dich? 

was  thuet  dich  verheilen  ? 

Dafhe. 

Die  Lorber  Oeste  mich 
deinen  Augen  stellen, 

Schäfferin. 

> 

0  Ufiglickseelige 

ist  es  wohl  zu  ergrinden? 

Ein  vnerhörte  Gschicht, 

Das  du  zum  Stocke  wirst 

Verlierst  der  Augen  Liecht.  u,  s,  w. 

Daphne  war  nämlich,  von  Apollo  verfolgt,  eben  daran  in 
einen  Lorberbaum  verwandelt  zu  werden. 

Mit  welchem  Ernste  und  Nachdruck  in  Italien  die  Kunst 
des  Singens  betrieben  wurde,  davon  geben  die  zahlreichen 
berühmten  Schulen  und  die  daraus  hervorgegangenen  weltbe- 
rühmten Sänger  ein  unwiderlegliches  Zeugniss.  Es  ist  auch  in 
keinem  Lande  die  Singekunst  zu  so  hoher  Blflthe  gelangt  als  in 
Italien^  und  nirgend  hat  eine  eigentliche,  in  nnunterbrochenan 
Fortgange  sich  entwickelnde  Gesangschule  existiert,  als  allein  bei 
den  Italienern.  In  allem  was  die  Grundlage  des  Gesanges  die 
richtige  Stimm-  und  Tonbildung  betrifft,  sind  sie  inmier  die 
Meister  aller  übrigen  Nationen  gewesen ;  denn  die  Gesetze ,  nach 


Gesangkunst  der  Italiener.  27 

Welchen  sie  die  Tonbildong  lehrten,  8in,d  bleibend  and  keiner 
Mode  unterworfen  y  da  sie  aufl  der  Natnr  des  Gegenstandes  her- 
vorgegangen sind. 

Der  Gesang  hielt  gleichen  Schritt  mit  der  Vocalcomposition 
and  schon  in  den  dassischen  Zeiten  des  Kirchengesanges  waren 
die  grossen  Eapellsänger  aach  tttchtige  Componisten^  so  6  i  a  1  i  o 
Caceini,  Virgilio  Mazzocchi^  Carissimi,  Stradella; 
Scarlattiy  Pistocchi  a.  a.  in  späterer  Zeit 

Mit  welcher  Sorgfalt  and  Rücksicht  auf  allseitige  musicalische 
Darchbildang  die  Gesangschttler  zur  Zeit  Papst  Urban  VIII.  unter 
Virgilio  Mazzochi  um  1636  unterrichtet  wurden,  erfahren  wir 
durch  dessen  Schüler  Giov.  Andrea  Bontempi,  der  1647  bis 
1651  Componist  und  Sänger  am  Hofe  zu  Dresden  war^  Diesem 
zufolge  waren  die  Schüler  verpflichtet,  täglich  eine  Stunde  schwere 
Passagen  zu  üben,  um  dne  Gewandtheit  in  der  Technik  zu  er- 
langen ;  eine  zweite  Stunde  verwendeten  sie  auf  Uebung  des  . 
Trillers ,  eine  dritte  auf  richtige  und  reine  Intonation  —  alles  in 
Gegenwart  des  Meisters  und  vor  dem  Spiegel  stehend  um  die 
Mundstellung  beobachten  zu  können  und  jede  Verzerrung  beim 
Singen  zu  vermeiden.  Zwei  fernere  Stunden  widmeten  sie  dem 
Stadium  des  Ausdruckes  und  Geschmackes  so  wie  der  Litteratur. 
Dies  waren  die  Beschäftigungen  des  Vormittages.  Nachmittags 
verwendeten  sie  eine  halbe  Stunde  auf  die  Theorie  des  Schalles, 
eine  andere  auf  den  einfachen  Contrapunkt,  eine  Stunde  auf  die 
Composition ,  die  übrige  Zeit  des  Tages  auf  Clavierspiel,  Verfer- 
tigung eines  Psalmes  oder  ähnlicher  Arbeiten.  Zu  Zeiten  sangen 
sie  auch  in  den  Kirchen  Roms,  oder  hörten  den  Werken  der 
Meister  zu ;  giengen  häufig  zum  Monte  Mario,  um  gegen  das  Echo 
zu  singen  und  aus  den  Antworten  ihre  Fehler  kennen  zu  lernen. 
Solcherlei  Studien  konnten  freilich  Resultate  liefern ,  die  uns  un- 
glanblich  scheinen  wollen.  Von  dem  gefeierten  Sänger  Baldas- 
sare  Ferri  aus  Perugia  (1610 — 1680),  um  dessen  Besitz  die 
HöfeEuropa's  sich  stritten  und  welcher  von  1655  bis  1680  Sopranist 
der  Kaiser  Ferdinand  III.  und  Leopold  I.  in  Wien  war,  wird  er- 
zählt, dass  er  eine  Trillerkette  von  zwei  vollen  Octaven  chromatisch 
auf-  und  abwärts  mit  absoluter  Reinheit  eines  jeden  Tones  in 

1  Fürstenau,  I.  29. 


28  Gesangschulen  in  Italien. 

einem  Athem  hatte  durchlaufen  können  ^  Daneben  war  er  aber 
nicht  minder  aasgezeichnet  in  Mannigfaltigkeit  characterrollen 
Ausdrucks. 

Von  Born  gieng  der  edlere,  stäts  mit  gründlicher  künstlerischen 
Durchbildung  gepaarte  Kammergesang  aus,  welcher  nachher 
vorzugsweise  in  der  Bologneser  Schule  des  Pistocchi  und 
Bernacchi  zur  höchsten  Entfaltung  gelangte ,  und  als  dessen 
ersten  Begründer  man  Carissimi  ansehen  darf.  Hingegen 
nahm  der  nach  leidenschaftlichem  Ausdruck  und  glänzender  Bra- 
vour  strebende  dramatische  Gesang  seinen  Ursprung  zu  Florenz 
unter  GiulioCaccini,  der  aber  von  Abkunft  ein  Römer  war. 
Nach  dem  Zeugnisse  von  De  la  Valle  verdankt  man  grössten- 
theils  dem  Caccini  die  angenehme  Art  zu  singen,  welche  damals 
über  ganz  Italien  sich  zu  verbreiten  begann.  Weiter  entwickelte 
sich  der  Bühnengesang  besonders  in  der  Schule  des  Scarlatti 
und  der  Neapolitaner:  vollendete  musicalische  Bildung  gesellte 
sich  bei  den  Künstlern  allerersten  Ranges  zu  Anfang  des  XVIII. 
Jahrhunderts  mit  Stärke  des  Ausdrucks  und  grosser' Herschaft 
über  die  Technik:  die  ßesangskunst  eri'eichte  in  ihnen  ihren 
Gipfel.  Zu  diesen  Künstlern  gehörten  nebst  vielen  andern  S  e  n  e- 
sino,  auch  Giov.  Carestini,  der  von  1723  bis  1725  der  kais. 
Hofkapelle  in  Wien  angehörte.  WerthvoUe  Schriften  über  die 
Singkunst  besitzen  wir  von  dem  grossen  Sopranisten  und  Sing- 
meister Pietro  Francesco  Tosi  aus  Bologna  (geb.  1650),  der 
von  1705  bis  1711  Hofcompositor  Kaiser  Josef  L*  war;  ein  an- 
deres Werk  ^  hat  der  vSänger  Giambattista  Mancini,  Sing- 
meister am  kais.  Hofe  in  Wien  herausgegeben,  und  darin  Nachrich- 
ten der  berühmtesten  Sänger  und  Gesangschulen  seiner  Zeit  mit- 
getheilt. 

Die  angesehensten  Gesangschulen  waren  zu  Bologna  die 
des  Francesco  Antonio  Pistocchi  (um  1700),  dessen  Me- 
thode noch  bis  heute  die  Grundlage  für  allen  guten  Gesang  ist, 
femer  die  seines  Schülers  AntonioBernacchi,  der  wieder  den 
ebenerwähnten  Giambattista  Mancini  zum  Schüler  hatte. 

ij.  J.  Rousseau,  Dict.  de  mus.  Article  Voix. 

2  Opinioni  de  cantori  antichi  e  moderni.  Bolog^na  1723. 

3  Pensieri  e  Riflessioni  pratiche  sopra  il  Canto  figurato.  Vienna  1774. 


Gesangschuleii  in  Italien.  29 

Weiter  gehörten  zu  den  ersten  Oesangschulen  zu  Neapel  die  des 
Scarlatti  nndseinerSchüIer,  Porpora^Leo  undFeo;  zu  Born 
lehrten  A  m  a  t  o  r  i  und  F  e  d  i ;  ausserdem  waren  berühmte  Schulen 
zu  Mailandy  Modena,  Genua  und  Florenz.  Aus  den  zahllosen 
Namen  hochgefeierter  »Sänger ,  die  in  ganz  Europa  gesucht  und 
reichlich  belohnt  wurden,  sollen  hier  nur  einige  angeitlhrt  werden, 
welche  eine  längere  oder  kürzere  Zeit  Mitglieder  der  kaiserlichen 
Hoikapelle  in  Wien  waren.  Es  blühten  dort  von  1637  bis  1656 
dieBassistenBenedettoRiccioni,  Baldassare  Pistorini; 
die  Tenoristen  Steffano  Bonni,  Ant.  Massucci,  Ludwig 
Bartolaia;  die  Altisten  Jac.  Fil.  Ferrari,  Bald.  Paggioli, 
Aless.Contilli;  die  Sopranisten  Torquato  Giordani,  Gius. 
Bianecchia,  Domenico  delPane,  Domenico  Proglio, 
Domen.  Sarti  und  der  bereits  genannte  Baldassare  Ferri. 
Von  1657  bis  1680  werden  mit  Auszeichnung  erwähnt  die  Bas- 
sisten Francesco  Cianci^  Ang.  Maria  Lesma;  die  Tenori- 
sten Nie.  Mazzella,  Jos.  Mar.  Donati,  Pietro  Santi 
Garghetti;  die  Altisten  Paolo  Castelli,  Ant.  Pancotti; 
die  Sopranisten  L 0 r.  C 0 c c h i ,  Giul.  Ges.  Donati,  Pompeo 
8  a  b  a  t  i  n  i  ^  Der  Sänger  in  den  folgenden  Perioden  wird  später 
gedacht  werden. 

Wir  sind  nun  an  dem  dritten  Momente  der  Verbreitung  ita- 
lienischer Musik  in  Europa  und  Gestenreich  insbesondere  angelangt, 
nämlich  dem  der  Erfindung  d  e  r  0  p  e  r.  Fragt  man,  durch  welche 
Veranlassung,  auf  welchem  Wege,  durch  welche  Mittelstufen  man 
zu  dieser  epochemachenden  Erfindung  gelangte,  äo  gibt  uns  die  Ge- 
schichte der  Entdeckungen  zwei  analoge  Fälle  an  die  Hand,  wo 
man  ein  bestimmtes  Ziel  yerfolgte,  dieses  schliesslich  zwar  nicht 
wirklich  erreichte,  aber  zugleich  etwas  ganz  anderes  und  interes- 
santes entdeckte.  Als  Columbus  nach  Westen  ausfuhr,  meinte  er 
einen  neuen  Weg  nach  Ostindien  zu  finden  —  und  entdeckte  an 
dessen  Statt  America  (Westindien)  —  ähnlich  als  die  Alchymisten 
sich  abmühten ,  Gold  zu  machen  und  den  Stein  der  Weisen  zu 
finden,  fanden  sie  zwar  beides  nicht,  aber  sie  lernten  dabei  eine 
Menge  Stoffe  kennen,  die  zur  neuen  Chemie  den  Weg  bahnten. 
Eben  so  gieng  es  bei  Erfindung  der  Oper.  Als  im  XV,  und  XVI. 

1  Köche  1,  die  kaiB.  Hof-Musikkapelle,  p.  58  ff. 


30  Erfindung  der  Oper. 

Jahrhundert  in  Italien  die  Kttnste  und  Wissenschaften  nach  langem 
Schlafe  wieder  erwachten  und  das  Studium  der  elassischen 
Sprachen  mit  unersättlicher  Begier  getrieben  wurde,  wollte  man 
auch  die  KUnste  wieder  jener  Höhe  znftahren  y  auf  welcher  sie  bei 
den  Griechen  und  Körnern  in  ihrer  grösstenBIttthe  gestanden  hatten. 
Man  zog  die  reiche  Anschaunng  an  den  Mustern  der  Rede ,  der 
Dichtung  und  Plastik  zu  Rathe  und  war  durch  Nachbildung  zu 
manchem  erfreulichen  Resultate  gelangt.  Noch  aber  fehlte  es  in 
einer  Kunst  —  der  Musik  —  an  Vorbildern  und  didactischen 
Werken,  um  sich  eine  Vorstellung  von  der  Art  und  Weise  zu 
machen,  durch  welche  Mittel  besonders  die  Griechen  die  wunder- 
ähnlichen Erfolge  bei  der  Verbindung  des  Dramas  mit  der  Musik 
erzielt  hatten.  Was  vom  Alterthume  ttber  Musik  erhalten  war, 
konnte  eher  dazu  dienen  die  Geister  zu  verwirren,  als  sie  zu  er- 
hellen ;  das  hielt  aber  nicht  davon  ab,  dass  man  muthig  das  Ziel 
verfolgte,  eine  dramatische  Musik  zu  erfinden,  welche  geeig- 
net wäre,  auf  das  Gemttth  der  Zuhörer  einen  ähnlichen  Eindruck 
zu  machen ,  als  man  so  oft  von  den  Griechen  gehört  hatte.  Eine 
Anzahl  solcher  vom  hellenischen  Geiste  berauschter  Männer  hatte 
sich  im  letzten  Viertel  des  XVI.  Jahrhunderts  in  Florenz  zosammen- 
gesellt ,  wo  die  kunstfördemden  Medicäer  jede  Kunstbestrebung 
eifrig  unterstützten.  Man  versammelte  sich  in  dem  Hause  des 
Giovanni Bardi  ausdergräflichenFamilieder  Vernio,  derein 
vielseitig  gebildeter  Mann  selbst  als  Dichter  und  Componist  sich 
bethätigt  hatte.  Man  erkannte  bald ,  dass  man  den  Weg  zu  dem 
vorgesteckten  Ziele  sich  selbst  bahnen  mttsse,  und  vereinigte  sich 
darüber,  dass,  um  allgemeine  und  lebhafte  Wirkungen  bei  den 
Zuhörern  zu  erreichen,  leichte  Verständlichkeit  des  vorgetragenen 
Gedichtes  und  ein  genaues  Anschmiegen  der  Musik  an  das  Wort 
die  erste  Bedingung  sei ,  von  der  man 'sich  Erfolge  versprechen 
könne.  Da  nun  die  bisherige  polyphone  Behandlung  der  Musik, 
die  zuletzt  von  den  Niederländern  bis  zur  Künstelei  getrieben 
wurde,  den  Text  zerreisse  and  unverständlich  mache ,  so  war  der 
erste  Beschluss,  diese  Art  der  Behandlung  vor  allem  von  der  dra- 
matischen Musik  ganz  entfernt  zu  halten.  Auch  darüber  einigte 
man  sich,  dass  es  nicht  angemessen  sei,  die  Empfindung  des  ein- 
zelnen durch  einen  ganzen  Chor  aussprechen  zu  lassen,  es 
wurden  daher  mehrstimmige  Gesänge  nnr  für  geeignete  Fälle  zu- 


Erfindung  der  Oper  —  P  e  r  i.  31 

gelassen  y  daftlr  aber  Einzelgesänge  (Monodien)  anfangs  mit  ein* 
facher  Begleitung  eines  einzigen  Instrumentes,  der  Lyra  oder 
Laute,  zugelassen.  Schon  diese  ersten  Versuche  hatten  ungeachtet 
ihrer  Unvollkommenheit  Beifall  gefunden  und  zu  weiteren  Fort- 
sehritten ermuntert.  Da  diese  Monodien  dem  ariosen  Stile  ange- 
h5rten,  allerdings  noch  ohne  A  r  i  e  n  im  spätem  Sinne  zu  sein,  so 
erkannte  man  doch  bald,  dass  es  Gemttthsznstände  im  Drama 
gebe,  welche  sich  nicht  so  erheben,  um  damit  einen  wirklich 
gesungenen  ariosen  Vortrag  zu  rechtfertigen;  es  musste  eine 
Zwischenstufe  des  Vortrages  gefunden  werden,  welcher  zwar  nicht 
im  rhythmisierten,  ariosen  Stile  gehalten  war,  aber  auch  nicht 
in  den  einfachen  Redeton  zurücksank.  Dieses  zu  erfinden  war 
nun  JacopoPeri,  einem  Florentiner  gelungen,  der  zugleich  ein 
tüehtiger  Sjlnger  und  Meister  auf  dem  Glavier  war;  er  hiess 
der  Stile  rappresentativo ,  recitativo  oder  parlante,  womit  man 
meinte  den  dramatischen  Stil  der  Alten  nun  endlich  wieder  auf- 
gefunden zu  haben.  Peri^  gibt  selbst  Rechenschaft  von  den 
Gedanken  und  Wünschen,  welche  sein  Streben  nach  Herstellung 
dieses  dramatischen  Musikstiles  im  Geiste  der  Alten  geleitet  haben. 
Er  sei  der  Meinung  gewesen,  sagt  er,  die  Griechen  und  Römer 
hätten  ftlr  die  dramatische  Poesie  einer  musicalischen  Ausdrucks- 
weise sich  bedient,  welche  zwar  über  die  gewöhnliche  Sprache 
binausgreife,  aber  doch  nicht  bis  zum  eigentlichen  Gesänge  sich 
erhebe,  sondern  vielmehr  zwischen  beiden  in  der  Mitte  stünde  — 
sowohl  hinsichtlich  des  Tonfalles  als  auch  der  Bewegung ;  bezüg- 
lich der  letzten  musste  eine  solche  Ausdrucksweise  zwischen  der 
gedehnten,  getragenen  Bewegung  des  Gesanges  und  der  rasch  da- 
hinströmenden  Bede  die  Mitte  halten.  Ferner  habe  er  beobachtet, 
wie  manches  in  der  Declamation  einen  solchen  Nachdruck  erhalte, 
dass  es  der  Hervorhebung  durch  eine  dazu  angeschlagene  Har- 
monie zugänglich  sei,  während  wieder  im  freien  Verlaufe  des 
Sprechens  vieles  vorkomme,  das  als  tonlos  sich  unterordne, 
daher  nicht  für  jeden  Ton  des  Gesangs  einen  Accord  fordere.  „So 
merkte  ich^,  fährt  er  fort,  „auf  denWechsel  in  Hebung  und  Senkung 
der  Stimme,  wie  er  bei  den  mannigfachen  Gemüthserregungen 
der  Trauer,  Freude  u.  dgl.  erscheint,  und  liess  an  solchen  Stellen 

1  Vorrede  za  seiner  Oper  Euridice,  Venedig,  gedruckt  bei  Marescotd. 


32  Die  ersten  Opern  in  Italien. 

je  nach  Massgabe  der  Stärke  der  Erregtheit  die  Unterstimme  sich 
fortbewegen  oder  zu  con-  und  dissonierenden  Intervallen  des  Ge- 
sanges rnhen ,  bis  die  Stimme  des  Recitierenden  durch  mehrere 
Töne  hindurch  wieder  an  eine  solche  Stelle  gelangte,  welche  in 
der  gewöhnlichen  Kede  betont  wird  und  einen  neuen  Accord 
begehrt^.  Wie  Peri  nun  zwar  nicht  behaupten  möchte,  dass  der 
dramatische  Gesang  der  Alten  genau  eben  so  beschaffen  gewesen 
sei,  so  glaubte  er  doch  dass  ein  solcher  Gesang  so  beschaffen 
sein  müsse,  sobald  er  der  Rede  genau  sich  anzuschliessen  trachte. 

Damit  waren ,  wenn  auch  nicht  die  antike  Darstellung  des 
Dramas ,  wohl  aber  die  wesentlichen  Hauptformen  der  nacbheri- 
gen  Oper,  der  Einzelgesang  und  mehrstimmige  Gesänge 
mit  Begleitung,  die  Arie  und  das  Recitativ  zugleich  ein  Drama 
mit  ununterbrochener  Musik  zu  Stande  gebracht  und  das  erste 
Dramma  per  musica,  welches  Peri  nach  seinen  Ansichten  com- 
poniert  hatte,  war  ein  Gedicht  von  Ottavio  Rinuccini,  und 
wurde  1594  oder  1595  im  Corsischen  Hause  in  Rom  aufgeflihrt. 
Es  hatte  den  Titel  Dafne  und  behandelte  die  Mythe  ihrer  Meta- 
morphose in  den  Oelbaum.  Der  Beifall  war  allgemein,  und  man 
war  völlig  überzeugt,  damit  das  längst  Gesuchte  und  sehnlichst 
Erwünschte  gefunden  zu  haben. 

Mit  noch  viel  grösserem  Beifalle  wurde  das  ^eite  Dramma 
per  musica,  das  Schäferspiel  ^Euridice^  ^  Text  von  Rinuccini, 
Musik  von  Peri*  aufgenommen,  welches  im  Jahre  1600  zur. 
Feier  der  Vermählung  Heinrich  IV.  von  Frankreich  mit  Maria  von 
Medici  am  herzoglichen  Hofe  zu  Florenz  vor  einer  glänzenden 
Versammlung  ausgezeichneter  Künstler  und  angesehener  Herren 
vom  Adel  aufgeführt  wurde. 

Ungeachtet  ihrer  primitiven  Beschaffenheit  übte  doch  die 
neue  Oper,  als  ein  Kunstwerk,  in  welchem  man  die  dichtende,  tö- 
nende und  mimische  Kunst  zu  einem  Ganzen  verbunden  gemessen 
konnte,  allgemeine  Anziehungskraft  aus.  Während  durch  die  dra- 
matische Musik  das  Gefühl  erregt  wurde,  reizten  und  beschäf- 
tigten die  Sinne  der  Aufwand  und  die  Pracht  der  Aufzüge,  Ge- 
wänder und  Decorationen,  wozu  schliesslich  noch  der  Tanz  trat. 
Es  war  daher  begreiflich,  dass  bei  einer  leichterregbaren  Nation 

^  Eine  Probe  daraus  Beil.  VII.  4. 


Entwicklang  der  Oper.  33 

die  Begierde  nach  dieser  nenen  Herrlichkeit  alsbald  zum  unglaub- 
lichen sich  steigerte.  Indess  erwuchsen  damit  auch  Gegner  und 
zwar  waren  es  die  besseren  Componisten,  welche  mit  ganz  ande- 
ren Kunstgrundsätzen  aufgewachsen  waren  und  auf  die  Beschäf- 
tigung mit  dem  leichtfertigen  Musikdrama^  wie  auf  ein  dilettanti- 
sches Spiel,  beinahe  mit  Verachtung  herabsahen.  Allein  die  Zeit- 
strdmung  war  stärker  als  der  Widerstand  und  bald  (1621)  sollte 
der  Oper  die  höhere  künstlerische  Weihe  zu  Theil  werden,  indem 
ein  Tonsetzer  von  grossem  Genie  und  anerkannter  Vortrefflichkeit 
als  Contrapunktist  sich  ihr  zuwandte.  Dies  war  Claudio  Mon- 
te verde,  geboren  zu  Cremona  1568,  Kapellmeister  zu  Mantua, 
endlich  von  1613  bis  1643,  in  welchem  Jahre  sein  Tod  erfolgte, 
Kapellmeister  an  der  Marcuskirche  in  Venedig.  Das  Streben  die- 
ses bedeutendsten  Tonmeisters  seines  Zeitalters  gieng  nun  dahin, 
leidenschaftlich  stark  erregten  Zuständen  den  angemessensten 
musicalischen  Ausdruck  zu  verleihen  und  auf  diesem  Gebiethe  liess 
er  auch  alle  seine  Vorgänger  und  Mitlebenden  weit  zurück  K  Zu 
diesem  Ende  wagte  er  Intervallenverbindungen,  welche  ihm  von 
seinen  Zeitgenossen  heftige  Anfechtungen  zuzogen,  desunge- 
achtet  aber  in  die  Praxis  der  folgenden  Zeit  ttbei^engen  und  flir 
die  Behandlung  der  Harmonie  Epoche  machten.  Ausserdem  führte 
er  der  Oper  eine  reichlichere  Instrumentierung  zu  und  behandelte 
sie  nicht  mehr  als  blos  accordfüllende,  sondern  als  selbständige 
darstellende  Kraft. 

Nachdem  Monteverde  die  Sprache  der  Leidenschaften  ge- 
funden hatte,  fanden  sich  bald  tüchtige  Männer,  die  sie  weiter  ent- 
wickelten und  in  grösseren  Fluss  brachten.  Der  nächste  war  Fran- 
cesco Colleto  genannt  Cavalli,  geboren  zu  Venedig  um  1600, 
1617  unter  Claudio  Monteverde  Sänger  der  Kapelle  von  S.  Marco, 
1638  Organist  .an  der  zweiten  Orgel,  1668  zweiter  Amtsnachfol- 
ger des  Monteverde.  Seine  erste  Oper  erschien  1639,  dieser  folg- 
ten bis  1669  38  andere.  Vor  allem  war  es  sein  Giaaone,  1649  für 
Venedig  componiert,  der  mit  dem  grössten  Erfolge  die  Bunde  über 
alle  Theater  Italiens  machte  und  1660  in  Wien  gegeben  wurde. 
Joh.  Ad.  Scheibe  sagt  in  seinem  werthvoUen  „Critischen  Mu- 
sicus"  (1745)  von  Cavalli:  er  sei  nach  damaligen  Zeiten  unver- 

1  Eine  Probe  aus  seiner  Ariadne  ist  Beil.  VII.  5  abgedruckt. 

KocAel,  J.  J.  Fax.  3 


34  Fortbildung  der  Oper. 

gleichlich  gewesen.  „Sein  Recitativ  ttbertriflFt  alles,  was  ich  in 
dieser  Schreibart  von  allen  italienischen  Meistern  jemals  gesehen 
habe.  Er  istnen,  ktthn,  ausdrückend  und  folgt  dem  Character 
aufs  genaueste.^' 

Nächst  Francesco  Cavalli  hatte  auf  die  Entwicklung  des 
dramatischen  Musikstiles  nach  dem  Urtheile  seiner  Zeitgenossen 
den  grössten  Einfluss  Giacomo  Carissimi,  denYi  von  seinen 
dahin  gehörigen  Werken  sind  nur  Bruchstttcke  bekannt.  Er  war 
um  1604  in  der  Nähe  von  Rom  geboren,  war  Kapellmeister  in  der 
ApoUinariuskirche  in  Rom  und  bltthte  hauptsächlich  von  1635  bis 
1680.  Seine  Thätigkeit  im  dramatischen  Fache  concentrierte  sich 
in  der  Cantate  und  im  Oratorium  (worauf  wir  gleich  nachher  zu- 
rttckkommen),  allein  die  Rückwirkung  seines  Stiles  auf  die  eigent- 
liche Oper  wurde  allgemein  anerkannt  und  von  seinen  ausgezeich- 
netsten Schülern  weiter  entwickelt.  Unter  diesen  waren  ^  dfe 
nachmaligen  berühmten  Namen  Alessandro  Scarlatti,  Bo- 
noncini,  Bassani,  eben  so  auch  Marco  Antonio  Cesti. 
Dieser  letzte  war  1625  geboren,  später  Hofkapellmeister  Kaiser 
Leopold  L,  und  starb  zu  Venedig  um  1670.  Er  trat  1649  mit 
seiner  ersten  Oper  Oronten  auf,  dieser  folgten  noch  sechs  andere, 
worunter  besonders  La  Dori  in  allen  bedeutenden  Städten  Italiens 
den  grössten  Beifall  fand  und  auch  1664  in  Wien*  gegeben 
wurde.  Sein  vorzügliches  Verdienst  bestand  darin,  dass  er  von 
den  Formen  und  Erfahrungen  im  Dramatischen,  welche  Carissimi 
und  er  selbst  innerhalb  der  Cantate  gewonnen  hatten,  in  der  Oper 
Grebrauch  gemacht  und  diese  dadurch  auf  eine  höhere  Stufe  ge- 
hoben hatte. 

Die  Oper  dieser  Periode  zeigte  im  Ganzen  bereits  ein  aus- 
drucksvolles, der  Rede  zwanglos  folgendes  Recitativ:  der  ariose 
Oesang  erscheint  seit  Carissimi  und  Cavalli  weit  entwickelter, 
kleine  Instrumentenritomelle  umschliessen  und  unterbrechen  die 
ariosen  Gesänge,  nur  der  Chor  ist  von  keinem  dramatischen  In- 
teresse. 

Die  Periode  des  Glanzes  der  italienischen  Oper  beginnt  aber 
mit  Alessandro  Scarlatti,  von  dessen  Lebensverhältnissen 
nur  wenig  bekannt  ist.  Er  war  ein  geborner  Neapolitaner,  oder 

1  Mattheaon,  Ehrenpforte,  p.  35.    2  Beil.  VIII.  40. 


Das  Oratorium.  35 

wahrscheinlicher  ein  Sicilianer,  der  etwa  von  1650  bis  1725 
biflhte.  Seine  mnsicalische  Thätigkeit  begann  um  1680,  als  er 
sich  von  seinem  Lehrer  Carissimi  trennte;  er  ward  bald  darauf  als 
kSniglicher  Kapellmeister  nach  Neapel  berufen,  wo  er  bis  an  sein 
Ende  verblieb  und  eine  ebenso  segensreiche  als  fast  unglaublich 
ausgebreitete  und  vielseitige  Kunstthätigkeit  entwickelte.  Als 
Componist  versorgte  er  Eirche^  Kammer  und  Theater  mit  seinen 
Schöpfungen;  neben  einer  grossen  Menge  von  Mottetten,  Psal- 
men schrieb  er  an  200  Messen,  7  Oratorien,  über  100  Opern  und 
am  halbes  Tausend  Cantaten.  An  Schülern  hatte  er  Zulauf  au« 
allen  Landen  Europa's;  als  Sänger  und  Singmeister  ist  er  der  Be- 
grttnder  des  modernen  dramatischen  Gesanges ;  die  von  ihm  ge- 
leitete Kapelle  erregte  sogar  Gorelli's  Erstaunen. 

In  der  Musikgeschichte  wird  Scarlatti  der  Vermittler  des 
grossen  Stiles  Palestrina'«  mit  dem  schönen  Stil  genannt.  In 
seinen  Kirchensachen  gehört  er  als  Vertreter  des  gelehrten  Con- 
trapunktes  und  strengen  Stils,  gleich  Lotti,  Fux,  Berardi, 
d^n  älteren  Bononcini  der  alten  Schule  an,  andererseits  be- 
zeichnen seine  dramatischen  Werke  mit  Bttcksicht  auf  Gesang- 
reichthnm,  Schönheit  der  Melodie,  FtLlle  und  sinnliche  Unmittel- 
barkeit, die  Richtung  der  von  ihm  begrtlndeten  neapolitanischen 
Schule.  Mit  Scarlatti  beginnt  die  moderne  italienische  Oper ;  an 
ihn  kntlpft  sich  ihre  ganze  weitere  Entwicklung  zu  Neapel,  Vene- 
dig, Bologna,  Wien  und  ihre  Hauptvertreter  Giov.  Bononcini, 
Ant  Caldara,  Franc.  Conti,  alle  drei  in  Wien  thätig,  ver- 
folgten die  von  ihm  geöffiieten  Bahnen,  und  auch  G.  Händel 
studierte  ihn  mit  dem  grössten  Eifer.  Seine  stäts  originelle,  frische 
Melodik  war  mit  lebhaft  treffendem  Ausdruck  gepaart ,  der  auch 
im  Komischen  mitunter  ganz  unnachahmlich  war;  seine  höhere 
Durchgeistigung  und  knappere,  sichere  Gestaltung  der  dramati- 
schen Melodie  war  es  besonders,  wodurch  er  auf  Zeitgenossen  und 
•Nachkommen  so  anregend  wirkte. 

Als  ein  Seitenzweig,  und  mit  ihr  nahe  verwandt,  entwickelte 
sich  neben  der  dramatischen  Musik  das  Oratorium.  Aus  un- 
scheinbaren Anfängen  in  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  hatte  in 
Rom  der  Priester  Filippo  Neri  (1551)  unter  Mitwirkung  von 
Giovanni  Animuccia,  Kapellmeister  am  Dome  zu  St.  Peter 
und  nach  dessen  Tode  mit  Palestrina  zur  Erbauung  der  Zu 

3* 


36  Die  italienische  Oper  in  Wien. 

hörer  in  der  Fasten  eine  Art  yierstimmiger  hynmenmässiger  Ge- 
sänge eingeführt,  wobei  hie  und  da  auch  einzefaie  Stimmen  den 
Chor  ablösten.  Diese,  Laudi  spirüuali  genannt,  hatten  mit  dem 
nachherigen  Oratorium  nur  eine  äussere  Aehnlichkeit  durch  den 
volksmässig  biblischen  Inhalt  und  durch  die  Ausschliessung  sicht- 
barer Darstellung  der  Handlung,  ungeachtet  nach  und  nach  das 
Oratorium  zu  einem  dramatischen  Kunstwerke  sich  entwickelte. 
Zu  ihrem  Aufschwung  ftthrte  aber  die  Kammer-Cantate 
(Cantata  da  camera),  wie  sie  von  Carissimi  zu  einer  Art  drama- 
tischer Scenen  mit  Recitativen ,  ariosen  und  Ensemblesätzen  aus- 
gebildet wurde.  Es  ist  klar,  da  jeder  auf  Sinnenreiz  der  Augen 
gerichtete  Btthnenapparat  entfernt  gehalten  wurde,  dass  die  Cän- 
tate,  um  dramatische  Wirkungen  zu  erzielen ,  durch  Reinheit  des 
Stils,  Schönheit  der  Form,  und  künstlerische  Behandlung  der 
Stimmen  dasjenige  durch  Musik  allein*  ersetzen  musste,  was  ihr 
durch  den  Mangel  an  scenischer  Einwirkung  entgieng.  Der  Höhen- 
punkt, welchen  das  Oratorium  durch  Job.  Seb.  Bach  und  Chr. 
Händel  erreichen  sollte,  fällt  in  eine  spätere  Periode ,  die  uns 
hier  noch  nicht  berührt. 

Wenn  auch  die  neuentstandene  Oper  von  ihren  Hauptpflege- 
stätten zu  Bologna  und  Venedig  in  kürzester  Frist  über  ganz 
Oberitalien  und  hierauf  auch  später  in  Unteritalien  mit  unwider- 
X  stehlicher  Kraft  sich  nicht  verbreitet  hätte  und  eine  wahre  Sehn- 
sucht nach  diesem  Hochgenüsse  nicht  erwacht  wäre,  so  genügte 
allein  der  hohe  Standpunkt,  welchen  die  Musik  im  XVI.  und  XVH. 
Jahrhundert  schon  vor  Palestrina  in  Italien  eingenommen  hatte, 
um  den  Norden  von  Europa  nach  diesen  süssen  Früchten  Auso- 
niens  lüstern  zu  machen,  und  die  Regenten  waren  eifrigst  bemüht, 
nicht  nur  die  Componisten  dieser  lieblichen  Musik  sondern  auch 
die  Künstler  an  sich  zu  ziehen,  welche  allein  geeignet  waren,  die 
Compositionen  ihrer  Stammesverwandten  würdig  zu  Gehör  zu 
bringen.  In  Oesterreich  hatten  schon  1619  unter  Kaiser  Ferdi- 
nand H.  die  bereits  erwähnten  italienischen  Kapellmeister  ihren 
Einzug  gehalten  und  eine  Anzahl  Sänger  und  Instrumentisten 
waren  ilmen  gefolgt ;  allein  die  alles  verheerende  Wuth  der  Reli- 
gionskriege in  Deutschland  (1618 — 1648)  Hessen  es  erst  unter 
Kaiser  Ferdinand  IH.  (1637—1657)  nach  mehrfachen  Ver- 
suchen mit  Cantaten  und  kleineren  Theaterfesten  dahin  kommen. 


Opemtezte.  3  7 

dass  die  erste  grosse  Oper  (1653)  gegeben  werden  konnte,  worauf 
dann,  nachdem  das  Eis  gebrochen  war,  unter  EaiserLeopoldl. 
(1658 — 1705)  die  hereindrohende  musicalische  Fluth  aus  Italien 
alles  andere  verdrängend  sich  ausbreiten  konnte.  Bis  zum  Schlüsse 
des  XVn.  Jahrhunderts  waren  bereits  (Beil.  Vm)  379  Opern,  feste 
teatraK  und  Oratorien  in  Wien  zur  Aufführung  gekommen;  und  darin 
war  es  wohl  nur  von  Venedig  ttbertroffen  worden.  Von  den  deut- 
schen Residenzstädten  rivalisierten  München  ^  und  Dresden  *  in  ihren 
musicalischen  Leistungen  mit  Wien,  das  aber  ausser  nachhalti- 
geren finanziellen  Mitteln  auch  die  sorgsame  methodische  Pflege 
d^.  Musik  durch  kunstverständige  Begenten  und  ein  empfäng- 
liches Publicum  vor  den  beiden  andern  Städten  voraus  hatte. 

Ehe  wir  an  eine  nähere  Betrachtung  der  musicalischen  Lei- 
stungen in  der  Oper  und  dem  Oratorium  dieser  Periode  in  Wien 
gehen,  müssen  wir  den  dabei  zu  Grunde  gelegten  Textbüchern 
(Poesie  genannt)  und  ihrer  Einrichtung  einige  Aufmerksamkeit 
schenken. 

Aus  der  damaligen  Grundansicht,  dass  die  neuerfundene  Oper 
sich  so  nahe  als  möglich  der  antiken  Tragödie  mit  ihren  Chören 
anzuschliessen  habe,  gieng  die  natürliche  Folge  hervor^  dass 
man  meinte,  die  Stoffe  der  Oper  könnten  nur  aus  der  antiken 
Götter-  und  Heroenmjthe;  oder  aus  der  alten  griechischen  oder 
römischen  Geschichte  genommen  werden  und  höchstens  durch 
allerlei  Zauberspuck  an  alte  Sagen  wie  der  Circo,  Ariadne  u.  dgl. 
erinnern.  Dass  die  modernen  Anschauungen  zu  d^  alten  HüUen 
wenig  passten,  und  sämmtliche  dargestellten  Personen,  ihre 
Helden  und  Götter  ebenso  wie  die  herbeigezogenen  Persoiiifica- 
tionen  der  Furcht,  des  Hasses,  des  Neides  u.  dgl.  leere  bedeutungs- 
lose Schemen  waren,  für  die  sich  der  Zuschauer  nicht  entfernt 
interessieren  konnte,  wurde  ohne  Bedenken  hingenonnnen,  da  man 
für  diesen  unentdeckten  Mangel  auf  so  vielfache  Weise  durch  ein- 
schmeichelnde Gesänge,  durch  prachtvolle  Auf  zUge,  überraschende 
Maschinerien  und  Decorationen  mit  Seetreffen,  Schlachten  mit 
Kämpfern  zu  Fuss  und  zu  Pferd,  und  durch  das  unwidersteh- 
liche Ballet  in  stäter  Aufregung  erhalten  wurde,  so  dass  man 

1  F.  M.  Rudhart,  Gesch  der  Oper  in  München.  1865. 
s  FürBtenau,  Gesch.  der  Mus.  in  DreBden. 


38  Operntexte. 

darttber  weiter  nachzugrübeln  wenig  aufgelegt  war.  Durch  die 
Dichter  jener  Periode  wnrde  auch  auf  ganz  geschickte  Art  in  ihren 
Opemtexten  daftlr  gesorgt,  dass  die  Sänger  in  zweckmässiger 
Folge  Gelegenheit  hatten,  ihre  Kunstfertigkeit  zu  zeigen,  dass  die 
zu  lange  Dauer  von  rein  musicalischen  Prodnctionen  durch  Tänze, 
militärische  Evolutionen  u.  dgl.  unterbrochen  und  das  schaulustige 
Publicum  durch  reichliche  Abwechslung  in  Athem  und  bei  guter 
Laune  erhalten  wurde.  Da  die  ausstoßt  kostspielige  Oper  zu  jener 
Zeit  allein  vom  Hofe  bestritten  und  die  Theilnahme  an  diesem 
Genüsse  eine  Gtostattung  des  Hofes  war ,  so  fanden  Dichter  und 
Componisten  es  durchaus  angemessen,  dass  die  Oper  nur  eine 
persönliche  Unterhaltung  und  Verherrlichung  der  Person  des  Mon- 
archen oder  deijenigen  höchsten  Personen  sei,  welche  der  Monarch 
damit  zu  feiern  wünschte.  Die  ganze  Anlage  der  Oper  war  daher 
so  beschaffen,  dass,  ungeachtet  das  Sujet  oft  weit  davon  ablag, 
doch  niemals  häufige  Anspielungen  auf  die  gefeierte  Person  fehlen 
durften  und  am  Schlüsse  in  der  sogenannten  ^Licenza^y  einer 
förmlichen ,  gesungenen  Ansprache  an  dieselbe  gipfeln  mussten. 
In  der  Wahl  der  Mittel,  solche  Beziehungen  zu  finden,  waren  die 
Dichter  eben  nicht  ängstlich,  und  in  der  Oper  U  Porno  tforo 
lässt  der  Verfasser,  Fr.  Sbarra,  nach  der  Zntheilung  des  un- 
heilvollen Apfels  die  damit  beglückte  Göttin  bei  Jupiter  sich  be- 
klagen, dass  sie  deshalb  von  den  beiden  andern  Göttinei>  ange- 
feindet werde,  worauf  der  Vater  der  Götter  den  Ausspruch  thut» 
um  diesem  Zwiespalt  ein  Ende  zu  machen,  werde  er  den  Apfel 
an  sich  nehmen  und  ihn  so  lange  bewahren,  bis  sich  eine  irdische 
Fürstentochter  finden  werde,  die  erhaben  wie  Juno,  weise  wie 
Minerva,  schön  wie  Venus,  die  Eigenschaften  dieser  drei  Göttinen 
in  sich  vereinigt.  Die  Göttinen  sind,  wie  der  Dichter  versichert, 
mit  diesem  Ausspruche  zuftieden,  und  da  sich  in  der  Person  der 
neuvermählten  Kaiserin,  Margaretha  von  Spanien  (welcher 
dieses  Fest  galt)  diese  Eigenschaften  vereinigt  fanden,  so  nahmen 
die  drei  Göttinen  keinen  Anstand,  dieser  Candidatin  in  der  Licenza 
den  Apfel  zuzuerkennen.  An  kühnen  Allegorien  ist  in  der  Mon- 
archia  latina  trionfante  bedeutendes  geleistet,  wo  drei  Regierungs- 
formen sichtlich  verkörpert  erscheinen.  Oft  scheint  bei  diesen 
theatralischen  Vorstellungen  der  Tanz  oder  die  prunkhaften  Auf- 
züge die  Hauptsache  gewesen  zu  sein,  welchen  der  Text  und 


Dichter  der  Operntexte.  39 

die  Musik  nur  zur  Umrahmimg  dienten^  so  in  der  Contesa  deW 
aria  e  deWacqua  (1667),  welche  aufldrttcklich  als  Festa  a  cavallo 
bezeichnet  wird,  auch  die  Partituren  mit  Text  und  Gesang,  welche 
häufig  Introduzione  ad  un  ballo  heissen. 

Ungeachtet  der  nicht  wenigen  Gebrechen  der  Opemtext- 
bttcher,  zu  welchen  ausser  den  ebenerwähnten  auch  noch  die 
pbrasenreichen,  der  Natur  und  der  Situation  wenig  angemessenen 
Dialoge  kommen,  würde  man  den  Textverfassem  Unrecht  thun, 
ihnen  alles  Verdienst  abzusprechen.  Vieles  Mangelhafte  gehörte 
dem  Tone  der  Zeit  und  der  Etiquette  der  Höfe  an ;  man  fand 
nämlich  zu  jener  Zeit  auch  an  andern  Höfen  ganz  natürlich,  was 
ans  jetzt  ganz  wider  die  Natur  zu  sein  scheint :  es  fiel  nien^^den 
ein,  einen  griechischen  Heros  mit  Allongeperücke  lächerlich  zu 
finden ,  und  der  Schriftsteller,  wenn  er  nicht  weit  über  seine  Zeit 
sich  erhebt,  schreibt,  wie  er  hofft,  dass  es  denen  gefällt,  von 
denen  er  abhängt.  Nicht  ohne  Verdienst  ist  die  durch  den  massen- 
haften Begehr  abgedrungeue  Auffindung  so  vieler  antiker  Stoffe, 
ihre  Modificationen  für  Zeit  und  Verhältnisse,  das  Geschick,  dem 
Componisten,  wo  er  es  braucht,  die  abwechselnden  Gesangestexte 
zn  biethen,  und  in  den  Betrachtungen  des  Chors  oder  Einzelner 
etwas  Passendes  zu  sagen.  Wenn  die  Farben  in  den  einzelnen 
Situationen  stark  aufgetragen  wurden,  so  lag  wieder  die  Schuld 
nicht  an  dem  Dichter  allein;  die  Zeit  vertrug,  ja  forderte  grelle 
Farben.  Da  indessen  die  italienische  Sprache  den  meisten  Zu- 
hörern eine  fremde  war,  und  die  Poeten  sie  zu  jener  Zeit  so  weit 
in  ihrer  Gewalt  hatten,  als  mehrere  Jahrhunderte  an  ihrer  Bildung 
gearbeitet  hatten ,  so  nahm  man  das  wohlklingende  und  von  den 
Sängern  schön  vorgetragene,  ohne  auf  den  Inhalt  genauer  einzu- 
geben, willig  hin. 

Da  es  von  nicht  geringer  Schwierigkeit  sein  dürfte,  jeden 
der  Verfasser,  welche  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVH.  Jahrhunderts 
Operntexte  für  Wien  schrieben,  im  einzelnen  zu  characterisieren, 
und  dies  wenn  es  gelänge  schwerlich  allgemeines  Interesse  er- 
regen könnte,  so  soll  hier  nur  von  denjenigen,  welche  in  den  Hof- 
zahlamts-Rechenbüchem  als  „Poeten^  erscheinen,  Erwähnung 
geschehen  und  zugleich  die  wenigen  Daten  über  ihr  Leben 
eingeschaltet  werden,  welche  in  den  bekannten  Werken  des 
F.  S.  Quadrio,    G.  Tiraboschi  u.  n.  über  italienische  Litterat  nr 


40  Dichter  der  Opemtexte. 

spärlich  genug  zu  finden  waren.  —  Zu  den  frühesten  Textverfassem 
gehört  Aurelio  Amalteo  di  Uderzo  ^  geboren  zu  Pordenone *, 
(Friaul).  Nach  den  Rechnungen  bezog  er  als  Hofpoet  von  1661 
bis  zu  seinem  Tode  im  Juli  1690  eine  Pension  von  300  Gulden. 
Er  verfasste  fllr  Wien  von  1659  bis  1669  7  Texte  fttr  Opern  und 
Oratorien  ^.  Unter  seinen  grösseren  Werken  ist  der  pompöse  R^ 
Gelidoro  (1659),  //  Ciro  crescente  (1661),  Ä  Perseo  (1669) 
hervortretend. 

Mit  ihm  beinahe  gleichzeitig  war  Francesco  Sbarra  aus 
Lucca(Quadrioin.  p.  469.502).  1665—1668  erscheint  er  als  Hof- 
poet mit  1000  fl.  Gehalt,  seit  1667  auch  mit  dem  Titel  kaiserlicher 
Rath.  Fttr  Wien  schrieb  er  von  1662  bis  1667  6  Texte  für  Opern 
und  Oratorien,  darunter  den  Pomo  (Tora  (1666),  La  Cantesa 
deir  Aria  e  delV  Acqua  ein  Garoussel  (1667),  La  Schiava  fartunata 
(1667),  wobei  er  auch  dadurcli  begünstigt  ward,  dass  mehrere 
seiner  Texte  von  dem  berühmten  A.  Gesti  in  Musik  gesetzt 
wurden. 

Der  Conte  Niccolö  Minato  aus  Bergamo  (Quadrio  Stör. 
V.  468)  war  von  1669  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  1698  durch 
30  Jahre  Hofpoet  mit  1200  fl.  Gehalt  und  nützte  seine  Dienstzeit 
redlich  aus,  indem  er  fttr  Wien  von  1667  bis  an  sein  Ende 
165  Texte  fttr  Opern  und  Oratorien  schrieb,  was  fttr  jedes  Jahr 
5 — 6  Nummern  gibt. 

Während  dessen  späteren  Lebensjahren  rttckte  Donato 
Gupeda  ein,  der  zwar  fttr  Wien  von  1689  bis  1704  26  Texte 
lieferte,  aber  erst  von  1696  bis  an  seinen  Tod  im  Jahre  1704  als 
Hofpoet  aufgeführt  wird. 

Sein  Nachfolger  als  Hofpoet  (von  1703—1713)  war  Pier 
Antonio  Bernardpni,  geboren  zu  Vignola  (Modena)  30.  Juni 
1672,  gestorben  in  Bologna  19.  Jänner  1714  (Marzuchelli  Scritt. 
n.  p.  977  —  Quadrio  H.  336  —  Lombardi  Storia  m.  387).  Fttr 
Wien  schrieb  er  1701 — 1710  28  Nummern,  von  denen  einige  auch 
J.  J.  Fux  in  Musik  setzte,  wie  La  Clemenza  di  Augusto  (1702) 
—  JuloMcanio  (llOS)  —  Pulcheria  (1708). 

1  Allacci.  3  Marzuchelli,  Scritt.  dltalia.  L  565.  ^  Die  Zahl  der 
Opemtexte  bezieht  sich  immer  auf  das  Verzeichniss  (Beil.  VIII) ,  wobei  es 
immerhin  geschehen  kann,  dass  unter  dem  dort  angegebenen  Autore  in- 
certo  irgend  ein  bekannter  Autor  steckt. 


Dichter  der  Opemtezte.  4 1 

Der  letzte  Hofpoet  dieser  Periode  vor  Apostolo  Zeno  war 
Silvio  Stampiglia,  ein  Römer  (Qnadrio  in.  2.  p.  484),  von 
1707  bi8  1713  Hofpoet^  später  in  Pension  bis  etwa  1725.  Fttr  Wien 
war  er  1697 — 1714  thätig;  unter  seinen  18  Operntexten  war 
anch  die  bertthmte  Camäla,  regina  dei  Vohcif  welche  mit  Ant. 
BoDoncini's  Musik  in  Italien,  Deutschland  und  England  grossen 
Erfolg  hatte. 

Unter  diesen  genannten  „Poeten^  tritt  Pier  Antonio  Ber- 
nardoni  durch  gewandten  Ausdruck  und  durch  die  glückliche 
Anlage  mehrerer  Stttcke  hervor,  wodurch  sie,  wie  La  Clemenza 
di  AugustOy  besonders  aber  Pulcheria,  auf  rein  menschliche 
Verhältnisse  gegründet,  die  Lösung  der  Verwicklung  ohne  Da- 
zwiscbenkunft  eines  Gottes*  in  der  Maschine  auf  natürliche  und 
zugleich  überraschende  Weise  herbeiführen. 

Ausser  diesen  ständigen  Opemtextverfassem  kommen 
noch  Torttbergehend  nach  dem  Verzeichnisse  (Beil.  VIII)  als 
solche  vor : 

Prospero  Bonarelli  (1631.  1668)  —  Giov.  Faustini 
(1642)  —  Giac.  Bodoaro  (1646)  —  Giac.  Andr.  Gioognini 
(1650.  1657)  —  Ben.  Ferrari  (1653)  —  Giov.  B.  Maccioni 
(1653)  — DiamanteGabrielli(1656)  — F.  GioT.Marcello 
(1659)  —  Ant.  Draghi  (1660—1668, 16  Nummern)  —  Conte 
Caldano  (1660)  —  Camillo  Serano  (1661)  —  Gav.  Xime- 
nes  (1663—1669)  —  Apollonio  Apolloni  (1664)  —Don 
Remigio  (1665)  —  Domen.  Federici  (1666)  —  Giov. 
Andr.  Moneglia  (1667)  —  Giov.  Bernini  (1670)  — 
P.  Guadagni  (1672)  —  Ag.  Moreto  (1673)  —  Matt.  Noris 
(1674)  —  P-  Susini  (1675)  —  P.  Luigi  Ficiani  (1678)  — 
Ben.  Pamfili  (1678.  1687)  —  Hanns  Albr.  Ruprecht 
(1679.  1682)  —  A.  Eumaschi  (1680)  —  Paolo  Gastelli 
(1683)  —  G.  B.  Luti  (1685.  1687)  —  Loretto  Mattei 
(1686)  —  Ott.  Malvezzi  (1689)  —  Adr.  Morselli  (1689) 
L.  Orlandini  (1690)  —  Gius-  Apolloni  (1690)  —  Michel- 
angelo Angelico  (1694)  —  Andr.  Zabarela  (1696)  — 
Ferri(1697)  — Giul.  Gies.  Gorradi  (1698)  —  F.  Lemene 
(1699.  1706)— Rinaldo  Ciallis  (1700.  1709)  — Fr.  Passe- 
rini  (1701)  —  Fr.  Dom.  Filipeschi  (1701.  1709.  1711)  — 
Riccardo  Rodrano  (1701)— Gav.  Addimari  (1702)— Ant. 


42  Operncomponisten  in  Wien. 

MedoUgo  (1704)  —  Ab.  Ant.  del  Negro  (1704.  1712)  — 
G.  B.  Neri  (1705.  1706)  —  Dom.  Mazza  (1706)  —  Alindo 
Scirtoniano  (1706.  1711)  —  Bocco  M.  Boss!  (1706)  — 
Lib.  Nicom.  Ciini  (1707)  —  Carlo  M.  Uslenghi  (1708)  — 
Fr.  Mar.  Daria(1708)  — Vinc.  Grimani  (1709)  —  Nunzio 
Stampiglia  (1709—1711)  —  Giov.  B.  Ancioni  (1710)  und 
sehr  viele  nnbekaimte  Verfasser. 

Wichtige  Personen  sind  in  der  Oper  neben  den  Poeten  zuerst 
der  Architect,  welcher  die  Scenerien,  Verwandlungen  und 
Costttme  anzugeben  hatte  und  in  Wien  durch  den  berühmten  Lud. 
Burnacini  Ton  1662  bis  1706  würdig  vertreten  war.  Ihm  ziem- 
lich ebenbürtig  war  durch  eine  Beihe  von  Jahren  der  Hofballet- 
meister  G.  Domenico  Ventura.    • 

Wenn  wir  uns  nun  zu  den  Compo  nisten  wenden,  welche  als 
Kapellmeister  und  Vice-Kapellmeister  am  kais.  Hofe  von  der  Mitte 
des  XVII.  bis  zu  Ende  desselben  Jahrhunderts  berufen  waren, 
ausser  der  Kirchenmusik  die  Compositionen  zu  den  Opern, 
kleineren  Theaterfesten  und  Oratorien  zu  liefern,  so  erscheinen 
darunter  auch  einige,  welche  in  dem  Ueberblicke  des  geschicht- 
lichen Ganges ,  den  die  dramatische  Musik  bis  dahin  genommen 
hat,  bereits  genannt  wurden,  und  deren  Thätigkeit  am  kais.  Hofe 
hier  etwas  näher  in  Betracht  gezogen  werden  soll.  Ihre  Zahl  ist 
kleiner,  als  man  in  einem  so  langen  Zeitabschnitte  von  anderthalb 
Jahrhunderten  erwarten  sollte,  da  mehrere  durch  ihre  längere 
Lebensdauer  und  ihre  unglaubliche  Fruchtbarkeit  die  grössere 
Zahl  ersetzten  und  auch  der  Kaiser  Leopold  selbst  einen 
namhaften  Beitrag  zu  den  Compositionen  von  Opern  und  Oratorien 
während  seiner  47jährigen  Begierung  produciert  hatte. 

Zu  den  frühesten  bekannten  dramatischen  Componisten  in 
Wien  ist  in  erster  Beihe  zu  nennen : 

Antonio  Bertali,  geboren  1606  zu  Verona,  gestorben  in 
Wien  1.  April  1669.  Er  erscheint  in  den  Bechenbüchem  von  1637 
an  als  Hofmusicus  in  Wien,  wurde  1649  an  Valentini's  Stelle  Hof- 
kapelhneister  und  starb  64  Jahre  alt  in  seiner  Anstellung,  nachdem 
er  von  Kaiser  Ferdinand  III.  bereits  1641  mit  einer  goldenen 
Medaille,  1651  mit  einer  Gnadengabe  von  3000  fl.  und  von  Kaiser 
Leopold!,  mit  einer  ähnlichen  von  1500  fl.  ausgezeichnet  worden 


Componisten  in  Wien.  43 

war^.  1631  und  1646  wurden  Cantaten  von  ihm  gegeben,  seine 
Thätigkeit  in  dramatischer  Musik  begann  jedoch  mit  der  erwähn- 
ten ersten  grossen  Oper  U  Inganno  iamare  (1653),  welcher  Teti 
1656,  n  Rl  Gelidoro  1659,  Gli  Amari  di  Apqllo  1660,  II  Cito 
crescente  1661,  ÜAlcinde  1665,  Cibele  e  Atti  1666,  La  Coväesa 
dettaria  1667  folgten.  Von  Oratorien  liegen  noch  zwei  von  1663, 
und  La  Strage  degli  innoeetUi  von  1665  vor*. 

Ein  Zeitgenosse  Antonio  Bertali's  war  6ioT.  Feiice  San- 
ee9,  der  von  Kaiser  Ferdinand  m.  am  1.  Oetober  1649  an 
Bertali's  Seite  zun  Vice-Kapellmeister  und  nach  dessen  Tode 
von  Kaiser  Leopold  I.  1669  znm  Hofkapellmeister  ernannt 
wurde.  Sances  war  1600  in  Bom  geboren,  erscheint  bereits  1637 
als  Tenorist  in  den  Hofrechnongen  nnd  starb  in  Wien  24.  Not. 
1679.  Ungeachtet  Fox  anftthrt,  er  glaube  nicht,  dass  jemand 
mehr  geschrieben  habe  als  Sances,  so  scheint  seine  Thätigkeit 
mehr  der  Kirche < zugewendet  gewesen  zn  sein,  wovon  eine  gros- 
f^ere  Zahl  von  Psalmen,  Mottetten  und  Litaneien  in  Venedig  ge- 
drackt  erschienen.  (Gerber.  Neues  Lex.)  An  Cantaten  enthält 
das  Verzeichniss  nur  4  Nummern  seiner  Composition  von  den 
Jahren  1648,  1654,  1655  und  1658;  1  Serenade  von  1662, 
1  Oper  Ari9tomene  Messenio  von  1670,  endlich  4  Oratorien  von 
1666,  1670,  1671  und  1672  ^ 

Seine  mitstrebenden  Componisten  in  Wien  an  verdientem 
weitverbreiteten  Buhme  übertreffend  war  Antonio  Cesti, 
welchen  Kaiser  Leopold  am  1.  Jänner  1666  zum  Vice-Kapell- 
meister an  seinen  Hof  berief,  wo  er  bis  1669  blieb,  dann  aber 
naeh  Venedig  zurückkehrte  und  wahrscheinlich  in  demselben 
Jahre  dort  starb.  A.  Cesti  war  zu  Arezzo  um  1620  geboren, 
ward  reformierter  Franciscanermönch,  1646  Kapelhneister  in 
Florenz  und  kam  1660  als  Tenorist  in  die  Kapelle  Papst  Alexan- 
der Vn.  Er  war  ein  Schüler  des  Carissimi  und  hatte  sich  zugleich 
mit  Cavalli  um  die  Ausbildung  der  Cantata  di  camera  sehr  verdient 
gemacht,  dann  gieng  er  von  dieser  mit  schöpferischem  Geiste 
znr  Oper  über.  Von  meinen  Opern ,  aus  denen  La  Dort  auf  ihrem 
Rnhmeszuge  durch  halb  Europa  1664  in  Wien  in  Scene  kam,  sind 
folgende  hier  componiert  und  unter  seiner  Leitung  gegeben  worden : 

1  Köchel,  Hofkap.  p.  35.    «  Beil  VIII.  10—57.    »  Beil.  VIII. 


44  Componisten  in  Wien. 

11  Principe  generoso  (1666),  die  oft  erwähnte  Prachtoper  II  Porno 
(Toro  (1666.  1667),  Nettuno  e  Fiora  festeggianti  (1666\  beide 
zur  Verherrlichong  der  neuvermählten  Kaiserin  Margaretha 
(Prinzessin  von  Spanien),  La  Semiramide  (1667),  Le  Disgrazie 
iTamare  (1667),  La  Sehiava  fortunata  (1667)*.* 

Von  keinem  an  Leichtigkeit  nnd  Zahl  dramatischer  Compo- 
sitionen  ttberbothen  war  Antonio  Draghi.  Er  war  zti  Ferrara 
um  1642  geboren  und  in  Wien  18.  Jänner  1700  gestorben.  Von 
1674  bis  Ende  1681  war  er  Kapellmeister  der  Kaiserin  Eleonore 
und  zugleich  Intendant  der  Theatermusiken  des  Kaisers,  1.  Jänner 
1682  wurde  er  Hofkapellmeister  desselben.  Das  Yerzeichniss  *, 
auf  welches  wir  hier  verweisen,  gibt  von  1661  bis  an  sein  Ende 
jedes  Jahr  und  von  1669  mehrfältige  Beweise  seiner  Unerschöpf- 
lichkeit: 190  Compositionen,  davon  161  Opern  und  Theaterfeste 
nebst  29  Oratorien  hatte  der  Mann  in  38  Jahren,  also  durch- 
schnittlich 5  jährlich  zu  Stande  gebracht.  Eine  solche  Thätigkeit 
verdiente  es  wohl,  dass  sie  Kaiser  Leopold  I.  im  Jahre  1690  mit 
einer  Qnadengabe  von  6000  fl.  anerkannte '.  Besonders  hervorzu- 
heben sind  seine  Anfänge  der  Opera  buffa,  die  Cam^als- 
opem:  Le  Ri$a  di  Demoerito  (1670),  Gli  Atomi  di  Epicuro 
(1672),  GV  hicaniesimi  disdolH  (1673),  La  LatUema  di  Diogene 
(1674),  /  Pazzi  Abderüi  (1675),  La  Pazienzia  di  Socrate  cou 
due  moglie  (1680),  Le  Scioccaggini  degli  Psüli  (1686),  von 
denen  mehrere  in  späteren  Jahren  Wiederholungen  erlebten.  Zu- 
gleich erscheint  er  in  der  Beihe  der  Textdichter  dieser  Epoche. 

Wenn  es  Johann  Heinrich  Schmelzer  gelungen  ist, 
der  erste  Deutsche  die  Phalanx  der  italienischen  Hofkapellmeister 
zu  durchbrechen,  so  musste  er  dies  mehr  seiner  Virtuosität  im  Vio- 
linspiel und  der  Gewandtheit  in  der  Direction  des  Orchesters  zu 
verdanken  gehabt  haben,  als  seinen  hervorragenden  Leistungen 
in  der  Composition.  Er  war  ein  Oesterreicher*,  um  1630  geboren, 
gestorben  in  Wien  im  Juni  1680.  Vom  1.  October  1649  erscheint 
er  als  Instrumentist  der  Hofinusik,  begleitete  1658  als  Director 
der  Instrumentalmusik  den  Kaiser  Leopi^ld  I.  zur  Kaiser- 
krönung nach  Frankfurt  a.  M.,  und  wurde  von  demselben  Kaiser 

1  Beil.  Vm.  40—61.  «  Beil.  VIII.  24—371.  »  Kö  chel ,  Hof-Musikk. 
p.  35.    *  Walther's  Lex. 


ComponiBten  in  Wien.  45 

1.  Jäimer  1671  zum  Vioe-Hofkapellmeister^  1.  October  1679  nach 
Sances'  Tode  zum  Hofkapellmeister  ernannt ,  starb  aber  schon 
im  daranfFolgenden  Jahre.  Ausser  dem  gedruckten  Sacro-profanus 
coneerUus  muncus  (13  Sonaten)  und  12  Sonaten  fUr  Violine  allein, 
componierte  er  die  Tänze  für  die  Opern  in  den  Jahren  1666  bis 
1678,  2  Seneraden:  Le  Veglie  ossequiose  (1679),  und  Die  7  Alter 
iHmben  zusammen  (1680);  endlich  2  Oratorien:  Die  Stärke  der 
Liebe  beim  heiligen  Grabe  (1677)  und  Le  Memorie  dolorose  al 
nepolcro  (1678)  ^ 

Unter  den  Hofmusikem,  welche  für  die  Bühne  und  das  Ora- 
torium componierten,  war  auch  Ferdinand  Tobias  Richter, 
geboren  1649,  gestorben  in  Wien  3.  November  1711,  62  Jahre 
alt  (Wr.  Ztg.),  Mnsiklehrer  in  der  Familie  Kaiser  L  e  o  p  o  1  d  L, 
wurde  1.  Juli  1683  Hoforganist.  Von  seinen  hiehergehörigen  Com- 
positionen  sind  nur  2  Serenaden  Uhtro  osaequioso  (1694)  und 
Le  Pramesse  degli  Dei  (1697),  ferner  2  Oratorien  Altera  Betlehem 
(1684)  und  La  Morte  di  S.  Ermenegildo  (1694)  aus  den  Partituren 
der  Hof  bibliothek  bekannt. 

Neben  den  kaiserlichen  Kapellmeistern  und  Hofcompositoren 
componierten  für  die  kais.  Hofkapelle  Opern,  Oratorien,  feste 
teatrali,  Cantaten:  Franc.  Garalli:  Egisto  (1642),  //  Giasone 
(1650);  die  Partituren  von  beiden  befinden  sich  in  der  k.  k. 
Hofbibliothek,  über  die  wirkliche  Aufführung  ist  jedoch  nichts 
bemerkt.  —  Gius.  Zamponi:  ülisse  errante  (1650)  —  G.  Batt. 
Maccioni  (1653)  —  G.  Giacomo  Arrigoni:  Gli  amori  di 
Alessandro  (1657)  —  Pietro  Andr.  Ziani,  Kapellmeister 
der  Kaiserin  Eleonore:  5  Oratorien,  Cantaten  u.  dgl.  (1660 
—  1669)  —  G.  A.  Boretti  (1661)  —  Gius.  Tricarico 
(1661— 1662)  — Tychian:  2  Oratorien  (1662. 1678)— C.  Cap- 
pellini,  Hoforganist  (1665.  1675) —  Ant.  Maria  Abbatia 
(1666)  —  Benigne  de  Bicilly  (1670)  —  Ant.  Sartorio 
(1672)  — Giov.  BonaTentura  (1672)  —  G.  M.  Pagliardi 
(1674)  —  Alessandro  Melani  (1678)  —  J.  P.  Pederzuoli, 
Kapellmeister  der  Kaiserin  Eleonora  (1679—1686.  1697):  16 
Cantaten  und  Oratorien  —  Gius.  Gabbrini  (1680)  —  Gius. 
Serini  (1680)  —  Ant.  Gianettino  (1681)  —  AI.  Scarlatti: 

1  Beil.  Vm.  137. 151. 153. 171. 


46  Componisten  für  die  Oper  in  Wien. 

Amor  non  vuol  inganni  (1681)  —  Paolo  CaBtelli,  k.  Alt- 
sänger (1683)  —  Carlo  Caproli  (1683)  —  Bern.  Pasquini, 
Organist  (1687)  —  Franc.  Passerini  (1687)  —  G.  B.  Berna- 
bei  (1688 — 1691).  Es  ist  fraglich,  ob  seine  Compositionen  in 
Wien  auch  ausgeftlhrt  wurden  —  Agost.  Steffani  (1692)  — 
Gius.  Pacieri  (1692)  —  J.  Mich.  Zacher  (1693)  —  Andr. 
Zarabele  (1696)  —  Dom.  Freschi  (1697)  —  und  viele 
Ungenannte. 


ni. 

Fox  wird  kaiserlleher  Hofeompositor  (1698).  —  Seine  Instmmeiital- 

Compositioneii« 

Durch  das  ArchiT  des  Obersthofmeister-Amtes  kommen  wir  in 
Kenntniss  der  Art  und  Weise ^  wie  Fux  zu  seiner  Anstellung  als 
kais.  Hofeompositor  gelangte.  In  dem  Referate  vom  16.  April 
1698*  berichtet  der  Obersthofineister :  ^Johannes  Josephus 
Fnx,  Musicus  bringt  gehorsamst  an,  dass  Euer  kaiserliche  Maje- 
stät ihn  wegen  seiner  Compositionen  in  die  Dienste  aufgenommen 
haben,  bittet  daher  unterthänigst  ihn  dem  Hofstaat  mit  einer  sol- 
chen Besoldung,  wie  es  Euer  kais.  Majestät  geffiUig  sein  wird, 
einzuverleiben" .  Darüber  berichtet  der  Hof  kapellmeister  Antonio 
Draghi^  dass  er  auf  dieses  Petitum  kein  anderes  Parere  geben 
könne,  als  dass  Euer  kais.  Majestät  den  Supplicanten  wegen 
Beiner  guten  Qualitäten  bereits  in  Dero  Dienst  mit  40  Thaler 
monatlicher  Besoldung  aufgenommen  hätten".  „Man  wird  Euer 
Majestät  Befehl  diesfalls  erwarten",  schliesst  der  Obersthof- 
meister, „ob,  wieviel,  und  von  welcher  Zeit  man  ihm  seine  Besol- 
dung ausfertigen  soll". 

Darunter  schrieb  Kaiser  Leopold  mit  eigener  (schwerleser- 
licher)  Hand  die  Resolution : 

„Weil  ich  diesen  8upplicanten  als  einen  guten  Virtuoso  aus 
gewissen  Ursachen  zu  meiner  Musik  aufzunehmen  resolviert  habe, 
als  sollen  ihm  zur  Besoldung  monatlich  40  Thaler  oder  60  Gulden 
vom  Anfang  dieses  Jahres  angewiesen  werden."  Diese  Resolution 
des  Kaisers  wurde  gleichlautend  mit  Bescheid  vom  16.  April  1698 
dem  Johann  Joseph  Fux  bekannt  gegeben  und  das  Hofcontrolor- 
amt  angewiesen,  durch  eine  gewöhnliche  Ordonnanz  das  Hofzahl- 
amt  mit  der  Ausbezahlung  des  Gehaltes  zu  beauftragen '. 

1  Beil.  IL  1.    8  Beil.  II.  1. 


48  Fuz,  Hofcompoeitor. 

• 

Nach  dieser  Darstellung  hatte  sich  der  Kaiser  bewogen  ge- 
funden, Fax  wegen  seiner  Compositionen  in  seine  Dienste  zn 
nehmen y  nnd  zwar  proprio  motu,  ohne  vorher  die  Meinung  des 
Hofkapellmeisters  nnd  des  Obersthofmeister-Amtes  zu  vernehmen. 
Das  Gesuch  des  Fux  und  der  Bericht  darüber  hatte  nur  den 
Zweck  y  die  näheren  Bestimmungen  der  Anstellung  ttber  Gehalts- 
anweisung u.  dgl.  in  eine  ämtliche  Form  zu  bringen. 

So  wie  es  keinem  Zweifel  unterliegt ,  dass  der  Kaiser  durch 
sein  eigenes  ürtheil  befUhigt  war,  auch  ohne  weitem  Beirath  eines 
anderen  Kunstverständigen  den  Werth  der  Compositionen  des  Fux 
zuerkennen,  so  gibt  die  Berufung  eines  deutschen  Talentes 
in  der  mächtigen  StrOmung  der  italienischen  Musik  der  Unbe- 
fangenheit des  Urtheiles  des  Kaisers  ein  voUgiltiges  Zeugniss. 
Die  Frage,  auf  welchem  Wege  der  Kaiser  mit  den  Compositionen 
des  Fux  bekannt  wurde,  lässt  sich  durch  beglaubigte  Zeugnisse 
nicht  direct  beantworten ,  allein  man  könnte  beinahe  veranlasst 
sein,  die  Frage  umzudrehen:  wie  wäre  es  möglich  gewesen, 
dafls  ein  Freund  und  Keimer  der  Musik,  wie  Kaiser  Leopold, 
auf  ein  seltenes  Compositionstalent ,  das  eben  in  seiner  eigenen 
Residenz  zu  Wien  emporbltlhte,  nicht  hätte  bekannt  sein  können? 
Denn,  wenn  auch  die  Daten  seiner  Compositionen,  besonders  ftür 
die  Kirche,  vor  dem  Jahre  1700  nicht  völlig  sicher  zu  stellen  sind, 
so  lässt  sich  doch  mit  einer  Wahrscheinlichkeit,  die  der  Gewiss- 
heit sehr  nahe  steht,  annehmen,  dass  Fux  am  Schlüsse  des 
XVII.  Jahrhunderts  in  den  Jahren  seiner  Blttthe  und  Kraft  ehrenvolle 
Leistungen  seines  Talentes  für  sich  hatte.  Wenn  er  selbst  in  der 
Vorrede  zu  seinem  Concenius  musico-instrumentalis^^  der  im 
Jahre  1701  erschien,  sagt,  „er  habe  nicht  mit  dieser  Art 
Composition  eine  Probe  eines  grossen  Kunstwerkes  geben  wollen, 
die  man  anderswo  suchen  müsse^,  so  lässt  sich  mit  Sicherheit 
schliessen,  dass  er  schon  damals  im  Bewusstsein  bereits  „abge- 
legter Proben  bedeutende  Musikwerke^  diese  Zeilen  niederge- 
schrieben habe.  Ist  auch  die  Angabe,  dass  Fux  das  Grosse  Re- 
quiem^ zur  Leichenfeier  der  Erzherzogin  Eleonore,  verwitweten 
Königin  von  Polen  (f  17.  December  1697),  componiert  habe, 
nicht  ganz  zweifellos,  so  wurden  doch  gewiss  seine  Kirchencompo- 

1  Beil.  X.  352.    «  Beil.  X.  51. 


Die  kais.  Hofcompositoren.  49 

sidonen  bei  den  Schotten,  wo  er  Organist  war,  und  wahrscheinlich 
anch  in  andern  Kirchen  znr  Anfitihmng  gebracht.  Kaiser  Leopold, 
welcher. des  Jahres  verschiedene  Kirchen,  darunter  jene  von  den 
Schotten,  zu  besuchen  pflegte,  kam  dadurch  leicht  in  die  Lage, 
Compositionen  von  Fux  zu  hören,  besonders  da  überall  bekannt 
war^  dass  man  dem  Kaiser  keine  grössere  Befriedigung,  als  durch 
gute  und  neue  Musik  zu  verschaffen  vermochte.  Nimmt  man  noch 
dazu,  dass  Fux  auch  unter  den  Hofmusikem  Freunde  hatte,  wie 
den  vorzüglichen  Violinisten  Andreas  Anton  Schmelzer  (1670 
bis  1700),  den  Sohn  des  1680  verstorbenen  Hofkapellmeisters 
Johann  Heinrich  Schmelzer,  ganz  abgesehen  femer  von  dem 
Umstände,  dass  zwei  Schwestern  seiner  Frau  Anstellungen  bei 
Hofe  hatten ;  so  dürften  in  diesen  Verhältnissen  hinlängliche  Ver- 
anlassungen gefunden  werden ,  dass  Fux  dem  Kaiser  genau  be- 
kannt wurde,  wenn  ihm  auch  keine  Partituren  vorgelegt  worden 
waren. 

Das  Amt  der  Hof  -  Compositoren  war  durch  Kaiser 
Leopold  im  Jahre  1696  mit  der  Anstellung  des  Componisten 
Carlo  Aug.  Badia  geschaffen  worden.  Es  kam  zwar  in  früheren 
Zeiten  öfter  vor,  dass  verschiedene  Künstler  zu  Compositionen 
ftlr  den  kaiserlichen  Hof  aufgefordert  und  dafür  entlohnt  wurden  \ 
wie  noch  in  letzter  Zeit  die  Brüder  Bononcini,  sie  gehörten 
aber  darum  noch  nicht  zum  Status  der  Hofmusik,  wurden  in  den 
Hofrechnnügen  nicht  als  Mitglieder  der  Hofkapelle  aufgeführt, 
bezogen  keine  Jahresbesoldungen  und  konnten  keine  Pension  be- 
anspruchen, wie  dieses,  zuerst  mit  der  Anstellung  des  A.  Badia 
der  Fall  war.  Die  Aufgabe  der  Compositoren  war,  wie  man  aus 
ihren  Leistungen  entninunt,  Compositionen  jeder  Art  für  die  Oper, 
das  Oratorium ,  die  Kirche  und  die  Kammer  zu  liefern  mit  der 
natürlichen  Beschränkung  ihrer  Begabung  zu  sämmtlichen  oder 
nnr  zu  einigen  Zweigen  der  Musik.  Badia  hatte  Oratorien  und 
dramatische  Musik,  aber  so  weit  es  bekannt  ist,  keine  Kammer- 
imd  Kirchenmusik  componiert,  derselbe  Tall  war  auch  bei  Gio- 
vanni Bononcini,  als  dieser  nach  und  neben  Fux  im  Jahre 
1 700  zum  Hofcompositor  ernannt  wurde.  Es  scheint  daher,  dass 
der  Kaiser  bei  der  Anstellung  des  F  u  x  die  den  übrigen  fehlenden 

1  Sie  nannten  sich  oft  HofcompoBitoren,  ohne  es  wirklich  zu  sein. 

Koekei,  J.  J.  Fqoc.  4 


50  Fuz,  Hofcompositor. 

Anlagen  für  Kirche  nnd  Kammer  besonders  ins  Auge  gefasst 
hatte.  Diese  Annahme  scheint  anch  darin  eine  weitere  Bestätigung 
zu  finden,  dass  der  Kapellmeister  Ant.  Draghi  (1682 — 1700) 
sehr  wenig,  der  Vice-Kapellmeister  Ant  P  a n  c  o  1 1 i  (1697 — 1 700) 
gar  nichts  mehr  in  dieser  Richtung  leistete. 

Am  18.  Jänner  1700  war  der  bis  an  sein  Ende  unermttdet 
thätige  Ant.  Draghi  gestorben,  und  am  1.  April  desselben  Jahres 
der  schon  hochbetagte  Antonio  Pancotti  an  seine  Stelle  als 
Kapellmeister  getreten,  von  dessen  Leistungen  als  Componist  und 
Kapelhneister  keine  Spur  Übriggeblieben  ist;  dagegen  trat  als 
Yice-Kapelhneister  an  demselben  1.  April  1700  der  energische 
Marc  Antonio  Ziani  ein,  dessen  Thätigkeit  in  der  nächsten 
Periode  hervortreten  wird.  Als  Kanmiercompositor  war  zwar 
ausserdem  der  Priester  Franz  Daniel  Thalmann  im  Jahre 
1696  ernannt  worden;  seine  Befähigung  scheint  aber  nach  dem 
Gutachten  des  Fux^  nicht  über  Compositionen  untergeordneter 
Art  gereicht  zu  haben,  weshalb  er  später  mit  seinem  Gresuche 
um  Wiederanstellung  am  Hofe  abgewiesen  und  mit  der  ihm  ver- 
liehenen Pfarre  befriedigt  zu  sein  angewiesen  ward. 

Wie  sehr  es  aber  Fux  schon  in  den  ersten  drei  Jalu'en  seiner 
neuen  Anstellung  gelungen  war,  den  gehegten  Erwartungen  zu 
entsprechen  geht  aus  den  Acten  des  Obersthofmeister* Amtes  vom 
27.  Jänner  1701  hervor ^  Fux  hatte  ein  Gesuch  überreicht  um 
Erhöhung  seiner  Besoldung  von*  vierzig  Thalem  monatlich  auf 
sechzig,  um  den  andern  Compositoren  gleichgestellt  zu  sein. 
Darüber  berichtete  der  Kapellmeister  Pancotti,  dass  ,,der 
Supplicant  ein  merftiertes  Subjectum  yon  gar  guten  Qualitäten 
und  einer  sonderbaren  Geschicklichkeit  sei,  alles  dasjenige  zu 
verrichten,  was  ihm  aufgetragen  wird^  und  trägt  auf  die  verlangte 
Erhöhung  der  Besoldung  von  Anfang  April  des  vorhergegangenen 
Jahres  an. 

Die  eigenhändige  Besolution  des  Kaisers  lautete : 

„Weil  dieser  Supplicant  ein  gutes  Subjectum  ist,  und  wohl 
dienet,  so  soll  ihm  die  Besoldung  monatlich  bis  60  Thaler  in  allem 
vermehrt  werden". 

Leopoldus. 

iBeil.  VI.  94.    2  Beil.  X.  2. 


Instrumentalmusik.  5 1 

An  dieses  nach  Inhalt  und  Form  bedeutende  Zeichen  der 
kaiserlichen  Huld  reihte  sich  beinahe  gleichzeitig  eine  zweite 
Gunstbezeigung  des  Hofes,  indem  der  römische  König  Josef  er- 
laubte, dass  ihm  Fux  einen  Cyclus  von  7  Partiten  unter  dem  Titel 
Cone&ntus  rmisico-instrumentalU^  widmen  durfte.  8ie  kamen 
als  Opus  primum  im  Jahre  1701  zu  Nttmberg  heraus,  und  biethen 
hier  die  Veranlassung,  die  Instrumental-Compositionen  derselben 
Zeit  überhaupt  und  jene  des  Fux  insbesondere  etwas  näher  in 
Betrachtung  zu  ziehen. 

Nachdem  der  (xesang,  wenn  nicht  ausschliesslich  so  doch 
Torherschend  durch  Jahrhunderte  gepflegt  wurde ,  kam  im  Laufe 
des  XVir.  Jahrhunderts  die  Instrumentalmusik  immer  mehr 
in  Auiiiahme.  Sowohl  die  Behandlung  der  Instrumente,  sofern  sie 
den  Gresang  zu  begleiten  hatten,  dann  aber  auch  die  reine  In- 
strumentalmusik nahm  seit  der  Verbesserung  der  Instrumente 
und  ihrer  kunstgemässeren  Behandlung  einen  bedeutenden  Auf- 
schwung. Man  lernte  die  Characterverschiedenheit  und  Indivi- 
dualität der  Tonwerkzeuge  genauer  kennen ,  ihre  Combinationen 
und  Tonfärbungen  wurden  lebhafter  empfunden,  und  damit  fasste 
auch  die  Instrumentalmusik  festeren  Boden.  Schon  im  17.  Jahr- 
hundert bildete  sich  der  Begriff  dessen,  was  wir  heutzutage  sym- 
phonischen Stil  nennen  und  rechnete  dazu  die  Concerti  grossi, 
die  Sinfonie,  die  Ouvertttren,  die  „starken  Sonaten^,  Suiten  u.  dgl. 
mehr.  Die  Arten  der  Klangwerkzeuge  minderten  sich ,  je  mehr 
ihre  Behandlung  an  innerer  Durchbildung  gewann,  die  Saitenin- 
strumente wurden  vorhersehend,  die  Blasinstrumente  beschränkten 
sich  auf  Flöten,  Fagotte,  Trompeten,  Posaunen,  wozu  Ende  des 
17.  Jahrhunderts  auch  Oboen  und  Homer  kamen,  während  in  der 
Kirche  noch  lange  die  Zinke  und  die  Teorbe  im  Gebrauche  blieben. 
Bis  über  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  war  in  Kammern  und 
Kirchen  die  einfache  Besetzung  der  Instrumente  die  Regel,  wovon 
freilich  die  kaiserliche  Hofkapelle  mit  mehr  als  sechzig  Instru- 
mentisten  eine  glänzende  Ausnahme  machte. 

Zu  der  gesteigerten  Entfaltung  der  Instrumentalmusik  zu 
Ende  des  XVH.  Jahrhunderts  trugen  die  grossen  Meister  auf  den 
Streichinstrumenten  und  dem  Ciavier  mit  ihren  Compositionen 

1  Beil.  X.  352. 

4* 


52  Die  Partita.  —  Suite. 

nicht  wenig  bei  und  in  ihren  Händen  gestaltete  sich  der  Instm- 
mentalstil  zn  festen  Formen. 

Man  reihte  eine  Folge  (S  u  i  t  e)  von  Sätzen  verschiedenarti- 
gen Characters  aneinander,  z.  B.  Largo,  Allegro,  Andante,  Presto, 
gab  ihnen  wohl  ancb  programmatische  Aufschriften,  wie  Perpe- 
tuum mobile^  Contrafattrice  u.  dgl.;  am  meisten  liebte  man 
aber  eine  Folge  von  verschiedenartigen  damals  bekannten  Tanz- 
rhythmen aneinander  zn  reihen  und  sie  mit  dem  allgemeinen  Kamen 
Partita  (franz.  Partie),  später  Suite  zu  bezeichnen.  Diese Tanz- 
mnsiksttlcke  hatten  in  den  Partiten  nicht  mehr  die  Bestimmung,  dar- 
nach zu  tanzen,  sondern  man  nahm  nur  das  Characteristische  der 
Bewegung  davon  auf,  band  sich  aber  nicht  an  die  Zahl  'der  Tacte 
und  erlaubte  sich  manche  Freiheit  in  der  Behandlung  je  nach  dem 
Geschmacke  des  Componisten.  Auch  die  Zahl  der  Sätze  war  sehr 
wechselnd,  indess  ward  nach  und  nach  die  Yierzahl  mit  der  Ord- 
nung :  AUemande,  Gourante,  Satabande,  Gigue  sehr  gewttnlich,  es 
gab  aber  auch  Partiten  von  6,  7  und  mehr  Nummern,  ja  Fux  bringt 
in  einer  Serenade  ^  15  Sätze.  Bei  diesen  mannigfaltigen  Schwan- 
kungen blieb  nur  eine  Einheit  gewahrt :  alle  Sätze  einer  Partita 
mussten  derselben  Tonart  angehören.  Häufig  wurden  femer  die  Par- 
titen durch  eine  Entrata,  ein  Praeludium  oder  eine  Ouvertttre  ein- 
geleitet, und  Fux  nennt  wohl  solche  Partiten,  wenn  die  Einleitung 
von  grösserer  Ausdehnung  war,  ebenfalls  Ouvertüren,  die  aber 
von  den  französischen  zu  Opern  gehörigen  Ouverttlren  wohl  zu 
unterscheiden  sind.  Auch  Symphonien  werden  solche  Ouvertüren 
bisweilen  genannt,  da  man  ziemlich  lange  jedes  Musikstück  für  meh- 
rere Instrumente  Sinfonia  nannte.  Die  von  Fux  in  den  Partiten  und 
manchen  Ouvertüren  behandelten  Tanzrhythmen  waren  folgende  ' : 
AUemande.  In  der  Suite  im  V« Tacte,  von  ernstem  Character  und 
gemessener  Bewegung,  mit  voller  Harmonie  und  reicher  Melodie. 
—  Bourröe.  Von  munterem  Character,  glatt,  gleitend,  geflUlig; 
7^  Tact  mit  geradzahligen  Rhythmen.  Französischer  oder  spani- 
scher Herkunft.  —  Ciaccona  (Chaconne).  Aus  Italien,  '/»Tact 
von  massiger  Bewegung,  characteristisch  durch  ein  markiertes 
kurzes  Bassthema,  das  immer  wiederholt  wird,  während  die  Ober- 


1  Beil.  X.  352.    ^  Sie  Bind  nach  J.  Mattheson  und  Ary  Domer's 
Lexicon  characterisiert. 


Suite.  53 

stimmen  bei  jeder  Wiederholung  Variationen,  die  auch  Couplets 
heissen,  ausführen.  Doch  erlaubt  man  sich  Ton  dieser  Begel  aller- 
lei Abweichungen.  —  Gavotte.  Lebhafter  Character,  jauchzende 
Freude,  ein  httpfendes  Wesen  ist  ihr  eigenthttmlich.  Sie  fordert 
gerade  Tactart  und  rhythmisch  geradzahlige  Theile,  die  im  zweiten 
Tacte  einen  ftthlbaren  Einschnitt  enthalten.  Als  Tanz  war  sie  nur 
auf  dem  Theater  üblich ,  in  der  Suite  erlaubte  man  sich  in  ihrar 
Behandlung  mehr  Freiheiten.  —  Giga  (Gigue).  Mattheson  führt 
4  Varietäten  von  Gigue  an,  die  englischen,  spanischen,  canarischen 
und  welschen.  Die  canarischen  oder  englischen  Giguen  haben 
„zu  ihrem  eigentlichen  Affect  einen  hitzigen,   flüchtigen  Eifer, 
einen  2iOm,  der  aber  bald  vergeht ,  die  welschen  sind  nicht  zum 
Tanzen,  sondern  zum  Geigen  (daher  etwa  der  Name  Gigue  von 
Giga,    Geige),  neigen  sich  zur  äussersten  Flüchtigkeit,    doch 
mehrentheils  auf  angenehme,  nicht  ungestüme  Art^ ,   dergleichen 
sind  die  meisten  in  den  Suiten.  Sie  haben  meistens   ^Vs  ^^^^  % 
Tact.  —  Passecaille  (Passacaglia).  Der  Ciaccona  verwandt, 
von  ernstem  aber  angenehmen  Character  mit  einem  ostinatw  Bass- 
thema und  Variationen  darüber  in  den  Oberstimmen.  Für  gewöhn- 
lich steht  er  im  %  Tact,  selten  im  0  und  mit  etwas  langsamerer 
Bewegung.    —    Passepie d.    Ursprünglich    ein    bretagnischer 
Schiffertanz  von  munterer,  hurtiger  Bewegung.  „Ihr  Affect  neigt 
sich  zum  gefälligen  Leichtsinne^.  Gewöhnlich  steht  er  im  %  oder 
%  Tacte  und  hat  öfter  ein  Trio  bei  sich:  — ■  Bigaudon  (Bigodon), 
angeblich  proven^alischer  Abkunft.  Er  ist  munter,  mit  einer  Nei- 
gung zum  angenehmen,  etwas  tändelnden  Scherze.   Es  wird  im 
Allabreve-Tact  gesetzt,  besteht  aus  3  bis  4  Theilen  und  hat  ge- 
meiniglich keine  schnelleren  als  Achtelnoten.  —  Sarahanda, 
wie  man  glaubt,  spanischen  Ursprungs  und  beim  Tanz  von  Ca- 
stagnetten  begleitet;  Character  langsam  und  ernsthaft,  ^/^  oder 
%  Tact,  beginnt  mit  dem  Niederschlage  und  hftt  2  Theile.  In  der 
Suite  hat  sie  bisweilen  Doubles  bei  sich  —  Siciliano,  von  länd- 
lich einfachem,  zärtlichen  Character,  Nachbildung  einer  Gattung 
von  Melodien,  deren  die  sicilianischen  Landleute  zum  Tanze  sich 
bedienen.  Er  steht  in  einem  massig  bewegten  %  Tacte,  wird  etwas 
langsamer  gespielt  als  das  Pastorale.  Das  erste  Achtel  des  Tactes 
ist  gewöhnlich  durch  einen  Punkt  verlängert.  Ihre  Form  ist  lied- 
artig, ihre  Melodien  lieben  Moll-Tonarten.  —  Ausser  diesen  und 


54  Partite  des  Fux. 

• 

den  gewöhnlichen  Tempo  bedient  sich  Fnx  anch  mehrerer  will* 
kttrlichen  Bezeichnungen  in  seinen  Partiten^  als :  Foliey  Lea  vain- 
qtieura,  Perpetuum  mobüe,  Air  de  volage^  UindgaUte^  U  lAbertinOj 
Les  catäretempa  y  La  joie  des  fidkles  sujetSy  Les  ennemis  confus 
und  dergleichen. 

Fux  hat  seine  Partite  (eine  einzige  [XL  8]  für  Ciavier  aus- 
gmommen)  für  Bogeninstrumente  mit  und  ohne  bezifferten  Bass^ 
gewöhnlich  dreistimmig  (a  tre)  für  zwei  Violinen  und  Bass,  die 
Onvertttren  auch  a  quattro,  a  sei,  a  sette  und  a  otto  componiert ; 
das  will  aber  nicht  sagen,  dass,  wenn  a  tre  oder  a  quattro  be- 
merkt ist,  nur  drei  oder  vier  Instrumente  darin  beschäftigt  seien, 
denn  mit  dem  Violoncell  gehen  Contrabass,  Fagott,  Orgel  im  Ein- 
klänge, auch  wo  dies  nicht  angezeigt  ist;  andere  Instrumente, 
wie  Flöten,  Oboen  konnten  mit  den  Violinen  unisono  spielen.  Der 
Componist  pflegte  damals  häufig  nur  vierstinmiig  zu  schreiben, 
und  in  den  Partituren  anzumerken,  wenn  gewisse  Instrumente 
pausieren  {senza  fagotti  oder  dgl.).  Sache  der  Notisten  war  es,  die 
oft  zahlreich  verwendeten  Instrumente  aus  den  vier  Systemen  der 
Partitur  herauszufinden,  welche  nur  dann  mehrere  Systeme 
enthielt,  wenn  mehrere  Instrumente  concertierend  aufgeführt 
wurden. 

Dass  Fux  wegen  seiner  Instrumental  -  Compositionen  schon 
zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  eines  weitverbreiteten  Rufes  sich 
erfreute ,  beweist  das  Erscheinen  von  VII  Partite ,  welche  unter 
dem  Titel  Concentus  musico-instrumentalis ,  in  VII  Partitas  dici- 
su8^  im  Jahre  1701  in  Nürnberg  gedruckt  herauskamen  und  dem 
römischen  Könige  Josef  I.  gewidmet  waren.  In  der  Vorrede* 
dazu  sagt  Fnx,^  den  Standpunkt  damit  kennzeichnend,  den  er  bei 
dieser  Sammlung  vor  Augen  hatte:  „Hier  hast  du,  lieber  Leser, 
meinen  Concentus  musico-instrun^entalis,  den  man,  wie  ich  erfuhr, 
an  mehreren  Orten  ^u  besitzen  wünschte,  der  aber  nicht  zu  dem 
Ende  herausgegeben  wurde,  um  dir  eine  Probe  eines  grossen 
Kunstwerkes  zu  liefern  (die  man  in  einer  anderen  Art  von  Com- 
position  suchen  muss)  sondern  damit  ich  auch  Zuhörern,  die  keine 
Musik  verstehen  —  und  deren  ist  ja  der  grösste  Theil  —  eine 

1  Vgl  Beil.  X.  352.  Die  Kenntniss  dieses  sehr  seltenen  Druckwerkes 
verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Prof.  Rud.  Wagener  in  Marburg. 

2  Beil.  IV.  5. 


Partite  des  Fux.  55 

Befriedigang  verschaffe^.  Ferner  wurde  Fnx  auch  von  bedeuten* 
den  Componisten,  als  von  Giovanni  Bononcini  (1703)  zu 
seiner  Oper  Proteo  ml  Ueno  (Beilage  VIII.  404)  und  von  Anto- 
nio Lotti  (1716)  zur  Oper  Costantino  (ib.  522)  die  Ouver- 
tttren^  zu  schreiben  aufgefordert.  Gewiss  ist  diesen  Instrumen- 
tal-Compositionen  eine  grössere  Zahl  der  später  zu  erwähnenden 
Sonate  a  tre  vorausgegangen;  wenigstens  erwähnt  der  Musik- 
Litterat  Simon  Molitor  in  seinem  handschriftlichen  Nachlasse^ 
dass  36  solche  Sonate  a  3  in  Amsterdam  um  1 700  gedruckt  er- 
schienen sein  sollen*. 

Dass  FuX;  der  wiederholt  über  die  licentiose  Schreibart  seiner 
Zeitgenossen  im  Gradus  sich  ereifert,  nicht  selbst  die  gleiche 
Bahn  in  Compositionen  für  die  Kammer  beschritten  haben  konnte, 
ist  für  sich  verständlich ;  allein  von  der  vollen  Strenge  des  Kir- 
chenstiles,  besonders  a  cappella,  hielt  er  Ausnahmen  darin  für  er- 
laubt, dass  er  ausser  den  diatonischen  Tonarten  des  genus  mixtum, 
d.  i.  des  diatonischen  in  Verbindung  mit  dem  neuen  chromatisch- 
enharmonischen  genus  sich  bediente,  dabei  aber  eben  diese  Aus- 
nahmen in  die  Grenzen  der  Anforderungen  des  strengen  Satzes 
einschloss.  Es  sollte  ihm,  wie  die  Juristen  sagen,  durch  die  Aus- 
nahme —  die  Regel  in  den  nicht  ausgenommenen  Fällen  befestigt 
werden.  Beherzigenswerth  auch  noch  in  unsem  Tagen  scheint, 
was  Fux  im  Gradus  bei  Gelegenheit  des  Abschnittes  vom  guten 
Geschmacke,  in  dieser  Richtung  bemerkt : 

„Ich  sage,  jene  Composition  darf  den  Vorzug  des  guten  Ge- 
schmackes für  sich  in  Anspruch  nehmen,  welche  auf  Gesetzen 
beruhend,  von  Trivialität  sowie  von  ausschreitender  Ungebühr 
sieh  entfernt  hält,  nach  erhabenem  strebt,  jedoch  auf  natürliche 
Art  sich  bewegt,  zugleich  die  Fähigkeit  in  sich  besitzt,  auch  den 
Kundigen  in  der  Kunst  zu  vergnügen.  Ich  sagte  zuerst,  die  Com- 
position müsse  auf  Gesetzen  beruhen.  Denn  die  zügellose  Com- 
position, wenn  sie  auch  sonst  nichtgewöhnliche  Gedanken  ent- 
hielte, mag  sie  auch  geeignet  sein  die  Ohren  der  Unkundigen  zu 
kitzeln,  wird  doch  nie  dem  feinen  Geschmacke  der  Kunstverstän- 
digen' durchaus  Genüge  thun,  da  diese  ausser  einem  gelungenen 

1  Beil.  X.  332.  333.  ^  Ihnen  war  ungeachtet  persönlicher  Nachfor- 
schnngen  in  Amsterdam  und  Hamburg  nicht  auf  die  Spur  zu  kommen. 


56  Partite  des.  Pux. 

Gedanken  auch  eine  Gesetzmässigkeit  verlangen.  Weiter  wurde 
gesagt  and  gefordert,  dass  der  Componist  keine  gemeinen  und 
alltäglichen  Gedanken  darstelle,  welche  statt  des  Vergnügens  nur 
den  Ekel  der  Trivialität  erregen ;  sondern  mit  der  Richtung  auf 
das  erhabene  der  Neuheit  sich  befleisse.  Dagegen  aber  möge 
er,  von  dem  Streben  nach  Neuheit  irregeleitet,  keine  Gedanken 
darstellen,  welche  die  Natur  und  Ordnung  der  Dinge  überschrei- 
tend, für  Gesang  und  Spiel  über  die  Massen  schwierig  sind,  wo- 
durch weder  die  ausführenden  Musiker,  noch  .die  Zuhörer  zufrie- 
dengestellt sein  können.  Nicht  die  Musiker,  wegen  der  Schwierig- 
keit des  AusfÜhrens ;  nicht  die  Zuhörer,  weil  dergleichen  Compo- 
sitionen ,  indem  sie  das  natürliche  Mass  überschreiten ,  zwar  mit 
dem  Gehör  vernommen  werden,  niemals  aber  in  das  Gemüth  ein- 
dringen. Denn  eine  Sache  leicht  und  natürlich,  und  doch  fUr  die 
Ohren  nicht  gemein  darstellen,  ist  eben  nicht  so  leicht,  daher  das 
Sprichwort:  das  Licichte  ist  das  Schwere.  In  diesem  schweren 
Leichten  beruht  aber  die  Vorzüglichkeit  des  guten  Geschmackes 
und  seine  Würze.  Denn  nicht  derselben  Schwierigkeit  in  Erfin- 
dung von  etwas  neuem  und  ungewöhnlichem  begegnet  derjenige, 
welcher  nur  um  neues  bekümmert  die  Ordnung  der  Natur  and 
der  Dinge  umkehrt.  Aber  wie  wird  er  auf  diesem  Wege  das  Ziel 
des  guten  Geschmackes  erreichen  ?  Ich  werde  nicht  läugnen,  dass 
ein  sehr  grosser  Theil  des  guten  Geschmackes  von  der  Anlage 
und  dem  Talente  eines  jeden  Gomponisten  abhänge,  aber  der- 
gleichen Einflüsse,  die  an  sich  nicht  unschön  sind,  müssen  inner- 
halb der  Schranken  der  Natur,  der  Ordnung  und  Gesetze  be- 
herscht  werden,  dass  sie  nicht  unverdient  den  Namen  des  Guten 
Geschmackes  sich  anmassen^.  (p.  241  f.) 

Dass  Fux  von  den  Gesetzen ,  die  er  hier  seinem  Schüler  ge- 
geben, sich  nicht  entfernen  wollte,  davon  überzeugt  man  sich  bei 
der  Durchsicht  der  Partituren  seiner  Kammermusik,  welche  leider 
fast  als  verschollen  betrachtet  werden  muss,  weshalb  es  kaum 
möglich  ist,  durch  das  Wort  mehr  als  eine  schwache  Andeutung 
seines  Stiles  zu  geben.  Im  allgemeinen  wird  man  durch  die  Leb- 
haftigkeit der  Auffassung  und  die  wechselvolle  Gharacteristik  der 
ernsten  und  heiteren  Sätze  weniger  an  den  strengen  Gomponisten 
der  Kirche  erinnert,  als  durch  die  Gesetzmässigkeit  in  der  Durch- 
führung und  zwar  ganz  besonders  durch  seine  treffliche  Stimm- 


Partite  des  Fux.  •  5  7 

führnng,  wie  sich  das  von  dem  Meister  in  allen  Künsten  des  ein- 
fachen und  doppelten  Contrapunktes  erwarten  lässt.  Man  irrt  sich 
daher  in  der  Voraussetzung,  dass  in  diesen  Compositionen  nur 
polyphone  Schreibart  zu  finden  sein  werde,  wiewohl  es  in  den 
Sonaten  a  tre  daran  nicht  fehlt :  im  Concentus  musico-instrumen- 
talis  ist  die  homophone,  liedartige  Setzart  sogar  die  Regel,  und 
auch  darin  bewährt  sich  Fux  in  Erfindung  neuer  und  melodiöser 
Motive  in  einfacher,  oft  reizender  Mannigfaltigkeit  und  Abwechs- 
lang  in  der  Durchfflhrung,  der  selbst  bisweilen  der  Humor  nicht 
fehlt,  wenn  in  rascher  Folge  Rhythmus  und  Character  wechseln, 
und  heterogene  Motive,  wie  eine  italienische  und  eine  französische 
Arie  in  demselben  Satze  neben  einander  fortschreiten.  Im  Con- 
ceräMs  ist  es  offenbar  mehr  auf  Erheiterung  eines  grösseren 
musikliebenden  Publicums  abgesehen,,  und  darum  von  einer 
schwieriger  aufzufassenden  und  auszuführenden  Composition  Um- 
gang genommen.  —  Ernster  ist  aber  die  Sache  in  den  dreistim- 
migen Partite  (a  tre)  behandelt,  wo  der  Componist  sich  tüchtig 
geschulten  ausübenden  Ej-äften  gegenüber  gedacht,  und  die- 
sen mitunter  keine  leichten  Aufgaben  gestellt  hat.  Hier  beginnen 
breitangelegte  fugierte  Sätze ,  ganze  Nummern  in  canone,  Imita- 
tionen mit  allen  Künsten  der  Augmentation,  Diminution  /  Inver- 
sion mit  einer  Fülle  von  schön  erfundenen  Motiven ,  wie  das  An- 
dante in  der  Partita  320  (Beil.  X),  das  zu  einer  eleganten  kleinen 
zweistimmigen  Fuge  durchgeführt  ist^,  dann  die  Entrata  zum 
Allegro  der  Partita  321  (eh.),  die  bis  ans  Ende  aus  einem  zwei- 
stimmigen Canon  im  Einklänge  besteht*.  Neben  der  Bedeutung 
und  Leichtigkeit  der  Erfindung  macht  sich  auch  Kühnheit  in  der 
Elarmonie  bemerkbar,  wie  in  der  Siciliana  derselben  Partita 
321  (eb.),  in  welcher  auch  die  Giga  mit  einem  Feuer  sich  bewegt, 
dem  man  die  Zeit  der  Composition  nicht  abmerkt^.  Es  würde  zu 
weit  führen,  mehrere  Proben  aus  den  erlesenen  Partiten  319 — 327 
anzuführen,  noch  weniger  sie  zu  analysieren,  aber  aufmerksam 
sollen  die  Freunde  solcher  Musik  werden,  wodurch  sie  vielleicht 
veranlasst  werden,  sich  näher  damit  zu  beschäftigen. 

1  Abgedruckt  Beil.  VIL  3.  a.    2  Abgedruckt  Beil.  VII.  3.  b.    »  Abge- 
druckt Beil.  VII.  3.  c. 


58  Ftix,  Eirchensonaten. 

In  der  Art  der  Behandlang  schliessen  sich  an  diese  Partite 
a  tre^  die  S  o  n  a  t  e  a  tre  an,  von  denen  das  Archiv  der  k.  k.  Hof- 
kapelle einen  Schatz  von  38  Nnnunem  enthält  ^  Ihre  Bestimmnng 
ftar  die  Kirche  ist  unzweifelhaft,  auch  wenn  auf  den  Umschlägen  der 
Stimmen  nicht,  wie  bei  den  übrigen  Eirchenmusicalien,  die  Zeit 
ihrer  Aufftthrung  zu  kirchlichen  Festen  angegeben  wäre.  Wir 
haben  daher  Kirchensonaten  (Sonate  da  chiesa)  vor  uns^ 
welche  von  den  Suiten  hauptsächlich  dadurch  sich  unterscheiden^ 
dass  sie  keine  Tanzrhythmen  enthalten.  Sie  bestehen  immer  aus 
einer  zusammenhängenden  Composition, deren  abwechselnde 
Sätze  von  Andante,  Largo,  Grave  u.  dgl.  mit  lebhaften,  von  Alle- 
gro ,  Presto ,  Vivace  u.  s.  w.  ohne  Unterbrechung  zu  einem  und 
demselben  verbundenen  Ganzen  gehören.  Man  verwendete  solche 
Instrumentalsätze  bei  den  Hochämtern  (Missae  solennes)  der  katho- 
lischen Kirche  als  Gradualien  selbst  noch  zu  Mozart's  Zeit^ 
bis  sie  durch  Vocalcompositionen  verdrängt  wurden.  Fux  schrieb 
diese  Sätze  sämmtlich  dreistimmig  fttr  zwei  Violinen  und  Bass, 
dabei  wurde  dieser  letzte  regelmässig  ausser  der  Orgel  durch 
Violoncell ,  Violon  und  Fagott ,  seltner  auch  durch  eine  Ppsaune 
verstärkt.  In  der  Regel  concertieren  besonders  in  den  raschen 
Sätzen  die  beiden  Violinen  mit  einander,  lösen  sich  in  den  Imi- 
tationen ab ,  während  der  Bass ,  scheinbar  unbekümmert  um  das 

Treiben  der  Oberstimmen,  seinen  eigenen  Weg  ruhig  fortschreitet. 

* 

Doch  geschieht  es  bisweilen,  dass  er  auch  in  die  Bewegung  mit 
fortgerissen  wird ,  und  vollen  Antheil  an  den  Imitationen  nimmt, 
bald  der  ersten  bald  der  zweiten  Violine  Gesellschaft  leistet,  öfter 
auch  nur  einzelne  Theile  des  Hauptmotives  durchkiingen  lässt^ 
während  die  Oberstimmen  verschiedenartig  sich  neckend  und  auf 
dem  Fusse  verfolgend,  wie  jugendlich  ttbermüthige  Wesen,  endlich 
durch  den  ernsten  Mentor  in  ihre  frühere  Bahn  zurückgeführt 
werden.  —  Der  Umfang  dieser  Sonaten  ist  ziemlich  verschieden : 
bisweilen  nicht  über  30  Tacte  lang,  bisweilen  aber  auch,  be- 
sonders in  den  AUegro,  viel  ausgeführter,  und  was  Fux  vom 
„Guten  Geschmacke"  fordert,  seine  Motive  sind  nie  trivial, 
sondern  neu,  dabei  natürlich  und  durchaus  geeignet  „auch  dem 
feinen  Geschmacke  der  Kunstverständigen  genügeleistend".  Diese 

1  Beil.  X.  360— 397. 


Fax,  Kirchensonaten.  59 

letzten  werden  auch  einen  solchen  Reichthom  an  Erfindung  und 
Eleganz  der  mannigfaltigsten  Durchfühmng  finden,  dass  sie 
bei  den  meisten  Sätzen  bedauern  werden,  dass  diese  so  rasch 
ihrem  Schlüsse  zugeführt  werden.  Man  sieht  auch  nicht  blos  aus 
der  bedeutenden  Zahl  dieser  Compositionen ,  sondern  noch  mehr 
aus  der  eigenthttmlichen  Frische  derselben ,  dass  der  Componist 
mit  Lu8t  und  Liebe  an  seine  Arbeit  gieng.  Dies  wird  zum  Theile 
durch  Fux  selbst  bestätigt,  wenn  er  im  Gradus  sagt,  dass  der  drei- 
stimmige  Satz  der  vollkommenste  aus  allen  sei,  daher  es  beinahe 
iiprichwörtlich  geworden  sei,  dass  demjenigen,  welcher  den  drei- 
stimmigen Satz  in  seiner  Gewalt  hat,  der  Weg  zu  mehrstinmugen 
Compositionen  durchaus  offen  stehe  ^,  und  später '  bemerkt  er :  „des 
dreistimmigen  Satzes  habe  ich  mich  nicht  selten  und  nicht  ohne 
Glück  bedient^.  Gewiss  hatte  er  dabei  seine  Partite  und  Sonate  a  tre 
im  Sinne.  Es  lag  auch  fUr  einen  Meister,  wie  Fux  war,^  ein  eigener 
hoher  Reiz  darin,  mit  den  wenigst  möglichen  Mitteln  ein  Werk  zu 
schaffen ,  das  durch  die  Einfachheit  der  Construction  und  durch 
die  Durchsichtigkeit  der  Behandlung  dem  Kundigen  den  reinsten 
Genuss,  und  zugleich  dem  Unkundigen,  der  die  Schwierigkeit 
eines  solchen  Satzes  nicht  ahn#,  durch  die  leichte  Fasslichkeit 
doch  auch  ein  eigenartiges  Vergnügen  gewährt.  Eine  Anerkennung 
eines  feinen  Kunstkenners,  der  noch  dazu  als  ein  Gegner  der 
Person  unseres  Meisters  bei  seinem  Lobe  ganz  unverdächtig  wird, 
hat  J.  Mattheson^  ausgesprochen,  wo  er  bei  Gelegenheit  der 
Erfordernisse  zur  Ausarbeitung  und  Schönheit  eines  Duetto  oder 
Terzetto  sagt:  „Meiner  geringen  Meinung  nach  besteht  eines 
Componisten  rechtes  Meisterstück  in  einem  künstlich  fugierten 
Duetto  mehr,  denn  in  einem  vierstimmigen  Contrapunkte,  oder 
AUabreve.  So  haben  auch  die  Trio  auf  Instrumenten  ihre  Meriten 
and  erfordern  einen  festen  Mann,  wie  darinne  der  kaiserliche  Ober- 
kapellmeister Fax  unvergleichlich  ist^.  —  Auch  in  den  biogra- 
phischen Notizen  über  den  Kapellmeister  Daniel  Gottlieb 
Treu  (geb.  1695)  erwähnt  MattheSon^,  jener  habe  eine  starke 
Serenate  componiert  „auf  die  fleissige  wienerische  Art  des  be- 

1  Gradus.  p.  81.    ^  p.  265.    3  Critica  Miisica.  I.  Ul.    *  Ehrenpforte, 
p.  378. 


60  Fax;  häusliche  Yerhältnisse. 

• 

rühmten  kaiserlichen  Ober-Kapellmeisters  Johann  Josef  Fux ,  wo 
keine  faulen  Stimmen  darin  sind^. 

Die  Partite  nnd  Sonate  für  Glavier '  sind  nur  in  geringer  Zahl 
vorhanden ;  sie  verrathen  wohl  ebenfalls  den  Meister ,  wie  insbe- 
sondere die  fuga  ricercatä  im  Capriccio  (404),  dürften  aber  doch 
die  dreistimmigen  Partite  und  Sonate  nicht  völlig  erreichen. 

lieber  die  anderweitige  musicalische  Thätigkeit  unseres  Mei- 
sters zu  Anfang  des  XVIII.  Jahrhunderts  wissen  wir  nur,  dass  er 
im  Jahr  1702  zwei  dramatische  Compositionen  zur  Aufführung  * 
brachte.  Die  eine  zum  Namenstage  der  römischen  Königin  (10.  Juli) 
war  das  Dramma  per  musica :  Offendereper  amare  ossia  la  Telesilla, 
Text  von  Don ato  Cupeda',  die  zweite  zum  Namenstage  des 
Kaisers  Leopold  (15.  November)  La  Clemenza  diAugusto.  Poe- 
mettodrammatico  von  Pietro  Antonio  Bernardoni^.  Die  Par- 
tituren von  beiden  scheinen  verloren  zu  sein,  während  jene  der  übri- 
gen Opern  und  Oratorien  ohne  Ausnahme  in  der  k.  k.  Hof  bibliothek 
bewahrt  werden.  Im  Jahre  1 703  componierte  er  zu  der  Operette 
Proteo  sul  RenOj  Text  von  Bernardoni,  Musik  von  Giov. 
Bononcini,  die  Ouvertüre,  wie  in  der  Partitur  ausdrücklich 
bemerkt  ist :  „La  sinfonia  h  di  OioT.  Glos.  Fux  *,  woraus  hervorgeht, 
dass  auch  namhafte  Componisten  das  hervorragende  Talent  des 
Fux  für  Instrumentalcompositionen  thatsächlich  anerkannten. 

Von  seinen  häuslichen  Verhältnissen  ist  aus  dieser  Zeit  zu  er- 
wähnen, dass  er  1699,  da  er  wahrscheinlich  die  Hoffiiung  auf 
eigene  Nachkommen  aufgegeben  hatte,  die  kaum  vierjährige 
Tochter  Eva  Maria  seines  damals  noch  lebenden  Bruders, 
PeterFux^  an  Kindesstatt  ins  Haus  nahm,  dieselbe,  die  ihn 
nach  dem  Tode  seiner  Frau  bis  an  sein  Ende  pflegte  und  seine 
Erbin  wurde. 

Ungeachtet  seiner  Anstellung  als  Hofcompositor  behielt  Fux 
dennoch  zugleich  seinen  Dienst  als  Organist  bei  den  Schot- 
ten fort,  und  erst  im  Sompier  1 702  hatte  er  ihn  aufgegeben ,  wie 
wir  aus  folgendem  Vortrag*  des  Obersthoftneister-Amtes  vom 
19.  August  1702*  erfahren,  wo  esheisst:  „Johann  Josef  Fux, 
Compositore  in  musica,  hat  seinem  Vorgeben  nach,  um  Euer  kais. 

• 

1  BeU.  X.  398—405.  «  Beil.  VIII.  397  und  X.  301.  »  Beil.  Vm.  399 
und  X.  302.    «  Beil.  VIII.  404.    »  Stammbaum  n.  4.  5.    «  Beil.  II.  n.  3. 


Fux,  Gehalterhöhungen.  Q\ 

Majestät  besBer  und  ohne  Verhinderung  zu  bedienen,  seinen  Posten 
bei  den  Scotten  allhier  quittiert,  wodurch  ihm  jährlich  bis  400  fl. 
entgiengen,  bittet  daher  allerunterthänigst,  Euer  kais.  Majestät 
wollen  diesen  seinen  Verlust  durch  eine  Besoldungsrerbesserung 
gnädigst  ersetzen.  —  Hierauf  vermeldet  der  Kapellmeister  (Ant. 
Pancotti),  dass  diesem  Virtuosen  Talente  dergestalt  bekannt,  und 
das  Motiv,  so  er  anführet,  so  billig  sei,  dass  er  nicht  zweiflet, 
Ener  kais.  Majestät  werden  sein  allerunterthänigstes  Bitten  er- 
hören und  seine  Besoldung  bis  auf  80  Thaler  monatlich  und  zwar 
Tom  Anfang  dieses  Jahres  vermehren^.  Der  Obersthoimeister  con- 
formiert  sich  diesem  Antrage  und  bemerkt ,  dass  etwelche  andere 
Müsici  auch  soviel  gemessen. 

Hierüber  erfolgte  die  eigenhändige  Kesolution  des  Kaisers : 
.Placet  in  Ansehung  der  verlassenen  400  fi.  und  zwar  vom  Anfang 
des  Jahres". 

Dadurch  hatte  Fux  in  der  kurzen  Frist  von  vier  Jahren  seinen 
ausglichen  Gehalt  auf  das  doppelte  erhöht  erhalten.  Damit 
waren  aber  die  Beweise  der  ZuMedenheit  des  Kaisers  mit  den 
Diensten  des  Fux  noch  nicht  erschöpft.  Nachdem  derselbe  im 
Jahre  1 700  um  ein  seinem  Dienste  als  Hofcompositor  geziemen- 
des Hofquartier  ansuchte ,  wurde  er  zwar  darauf  gewiesen ,  ein 
wirklich  freigewordenes  Quartier  zu  bezeichnen  *.  Als  er  aber  1 702 
ein  solches  im  Hause  des  Barbierers  Paul  Kauz ,  auf  dem  neuen 
Markte*  bezeichnete,  wo  die  Freijahre  nächstens  exspirieren', 
wurde  ihm  dieses  zugewiesen. 

Am  5.  Mai  1705  starb  sein  kaiserlicher  Gönner  Leopold  I., 
welcher  das  Talent  und  den  Eifer  seines  Hofcompositors  Fux  nach 
Verdienst  gewürdigt  und  deshalb  mit  seinen  Gunstbezeigung^ 
gegen  ihn  nicht  gekargt  hatte. 

1  Beil.  U.  17.  2  Beil.  H.  18.  Dies  war  das  Haus  zu  den  sieben  Kör- 
ben genannt,  ein  Eckhaus,  neu  n.  17  (alt  n.  1067).  ^  Auf  den  Hausem  in 
Wien  lastete  die  Servitut  der  Hofquartiere ,  wovon  die  neuerbauten  durch 
einige  Jahre  befreit  waren. 


IV. 

Fax  unter  Kaiser  Josef  !•  (1705—1711)  —  Die  Conipositoren  C.  Aug. 
Badia  —  Marc.  Antonio  nnd  Gioranni  Bononeini  —  Francesco  Tosi. 

Als  unmittelbarer  Nachfolger  im  Reiche  kam  nach  dem  Hin- 
scheiden Kaiser  Leopold  I.  sein  ältester  Sohn  Kaiser  Josef  I. 
(geb.  1678),  welcher  schon  zu  Anfang  des  Jalirhunderts  zum  römi- 
schen Könige  gekrönt  war.  Kaiser  Josef  verband  ein  lebhaftes, 
fenriges  Temperament  mit  glücklichen  Anlagen  des  Geistes  und 
Gemtithes.  In  seiner  Jugend  war  er  von  schweren  Krankheiten 
heimgesucht  worden,  später  ward  er  stark  und  kräftig  und  iu  allen 
Leibesübungen  gewandt.  So  wie  sein  Vater  war  er  mit  leichter 
Auffassung  und  scharfem  Verstände,  insbesondere . mit  einem 
starken  Gedächtnisse  begabt.  Wie  jener  war  er  bewandert  in  der 
Kenntniss  fremder  Sprachen,  deren  er  sich  mit  Gewandtheit  und 
Eleganz  zu  bedienen  wusste.  Als  Meister  in  körperlichen  Uebun- 
gen  war  er  ein  kühner  Keiter,  ein  unermüdeter  Jäger  und  zierlicher 
Tänzer.  Auch  fehlten  ihm  weder  Anlage  noch  Liebe  zur  Musik, 
da  er  Ciavier  und  Flöte  spielte,  dass  er  sich  hören  lassen  konnte 
nnd  sich  in  Compositionen  von  Arien  nicht  ohne  Glück  versuchte, 
wie  denn  in  der  Partitur  der  Oper  Chehnida  von  Marc  Antonio 
Ziani  (comp.  1709)  bei  zwei  Arien  bemerkt  ist:  „Comp(osto)  di 
S(aa)  M(aestJt)  C(esarea)".  Die  Compositionen  sind  leicht ,  nicht 
ungefällig,  in  der  Manier  der  Zeit,  zeigen  aber  immerhin  gute 
Kenntniss  des  Satzes.  Fux  nennt  ihn  auch  in  der  Dedication  des 
Concentus  „in  der  Musik  ungemein  erfahren^  (sublime  peritum). 
Der  Kaiser  liebte  eine  glänzende  Hofhaltung:  die  Wiener 
Diarien  erwähnen  wiederholter  Turniere,  prachtvoller  Schlitten- 
fahrten, wie  1 709,  um  dem  türkischen  Gesandten  die  Pracht  des 
Hofes  von  Wien  zu  zeigen,  wo  50  Schlitten  mit  den  Majestäten, 
Erzherzoginen  und  einer  Reihe  von  Fürsten ,  Grafen  und  Damen 
mit  den  höchst  zahlreichen  Gefolgen  zu  Pferd  und  den  kostbaren 
Schlitten  aufgezählt  werden. 


Der  Hof  Kaiser  Josef  I.  63 

Bei  diesen  Festen  des  Hofo/s  stand  dem  Kaiser  würdig  zur 
Seite  seine  Gemablin  Amalie  von  Hannover,  welche  eben  so 
majestätisch  und  anmuthig  in  ihrer  körperlichen  Erscheinung  als 
durch  die  Lebhaftigkeit  und  vielseitige  Bildung  ihres  Geistes  alles 
fttr  sich  zu  gewinnen  wusste.  Den  Hof  umgab  ausserdem  eine 
Reihe  bedeutender  Personen  aus  den  höchsten  Kreisen,  die  sowohl 
als  Staatsmänner  und  im  Felde  glänzten  wie  durch  den  feineren 
Ton  die  Geselligkeit  belebten.  Prinz  Eugen  an  der  Spitze,  der 
in  dieser  Periode  als  Sieger  von  Oudenarde  (1708)  und  Malplac- 
quet  (1709),  als  Eroberer  von  Lille  (1708)  und  Toumay  (1709) 
neue  Lorbem  des  Ruhmes  gepflückt  hatte,  traten  als  bedeutende 
Männer  hervor:  sein  Freund  Graf  Gundacker  Thomas  Star- 
hemberg,  Präsident  der  kaiserlichen  Hofkammer,  ein  ernster, 
scharfsichtiger  und  unbestechlicher  Mann ,  neben  dem  lebhaften 
feurigen  Fürsten  Karl  Theodor  Salm,  früher  Ajo  des  röm. 
Königs,  dem  alten  ruhmreichen  Vertheidiger  von  Wien,  Ernst 
Rüdiger  Graf  St arhemberg,  einem  heiteren  fröhlichen  Herrn, 
dem  gelehrten  Grafen  Seilern  —  dem  mächtigen  Fürsten  Hanns 
Adam  Liechtenstein^,  dem  Hauptbegrttnder  des  Beichthums 
dieser  erlauchten  Familie,  bekannt  als  ein  freigebiger  Gönner  der 
Wissenschaften  und  Künste.  Von  ausgezeichneten  Damen  hatte 
die  Gräfin  Dorothea  Elisabeth  von  Sinzendorf*,  gebome 
Prinzessin  von  Holstein,  'eine  geistvolle  stolze  Frau,  die  in  zweiter 
Ehe  den  nachmaligen  Feldmarschall  Grafen  Ludwig  Rabutin 
geheuratet  hatte,  lange  Zeit  ihr  Haus  zum  Mittelpunkt  der  erlesen- 
sten Gesellschaft  gemacht:  in  ihren  Kreis  zugelassen  zu  werden, 
galt  ftlr  eine  eiftig  gesuchte  und  vielfach  beneidete  Auszeich- 
nung^. Dass  in  diesen  Kreisen  die  Musik  cultiviert  wurde,  ist 
ausser  allem  Zweifel ,  da  auch  das  Wiener  Diarium  vom  2.  Octo- 
ber  1710  ausdrücklieh  bemerkt,  der  Hof  habe  in  der  Wohnung 
des  Baron  Pilati*  „eine  annehmliche  wälsche  Cantate  angehört^. 

Der  Kaiser  selbst  war  der  entschiedenste  Gönner  und  Be- 
förderer der  Musik  nach  allen  Richtungen.  Bald  nach  dem 

1  Geb.  1656,  gest.  1712.  »  Ihr  erster  Gemahl  Graf  G.  Ludwig  Sin- 
zendorf,  Hofkammerpräsident  Kaiser  Leopold  I.  f  1712.  ^  Arneth, 
Prinz  Engen.  L  348.  ff.    *  Job.  Ant.  Pilati  von  Tassul  war  1710  k.  k. 

« 

Hofkammerratb  und  Kammer-Zablmeister.  (Knescbke,  Deutscbes  Adelslex. 
1867.  p.  148.) 


64  Die  Musik  unter  Kaiser  Josef  I. 

Antritte  seiner  Regierung  fasste  er  den  Plan^  das  durch  den  Brand 
im  Jahre  1 699  zerstörte  alte  Opemhaas '  durch  einen  neuen  Bau 
zu  ersetzen.  Es  wurde  dazu  der  Raum  zwischen  der  Hofbibliothek 
und  der  Reitschule  gewählt^  und  ein  Gebäude  im  grössten  Stile 
ausgeführt  y  das  die  Bewunderung  der  Zeitgenossen  erregte.  Es 
bestand  aus  zwei  Sälen,  von  denen  der  kleinere  während  des 
Gamevals  zu  italienischen  Schauspielen  und  komischen  Opern 
verwendet  wurde.  Im  grossen  befand  sich  das  Hoftheater ;  wel- 
ches der  italienischen  Opera  seria  gewidmet  und  mit  Maschine- 
rien ,  Flugwerken  u.  dgl.  reichlich  versehen  war.  Nach  dem  ür- 
theile  der  „Geschichte  des  Theaterwesens"  (I.  p.  55)  wurden  hier 
Opern  aufgeführt,  „welche  an  musicalischer  Gomposition  und  Aus- 
führung, an  Pracht  der  Gostüme  und  Decorationen ;  an  herrlichen 
Tänzen  alle  bisherigen  Theatralvorstellungen  übertrafen".  An  der 
Kaiserin  Geburtstage  am  21.  April  1708*«  wurde  in  dem  neuen 
Gomödienhaus  das  erstemal  eine  wälsche  Oper:  //  Natale  di 
Giunone  festeggiato  in  Samo,  Text  von  Silvio  Stampiglia, 
Musik  von  Giovanni  Bononcini  gegeben'.  Auch  noch  in  späte- 
ren Jahren  wird  es  im  Wiener  Diarium  das  „schöne^  oder^prächtige^ 
neue  Opernhaus  genannt.  —  Der  Stand  der  Hofkapelle  wurde 
nicht  blos  auf  derselben  Höhe  erhalten  ^  auf  welcher  sie  Kaiser 
Josef  I.  von  seinem  Vater  übernommen  hatte,  sondern  in  der 
Zahl  bis  107  erweitert.  Das  Repertoire  an  Oratorien  und  Opern 
weist  von  1706  bis  1710  jähriich  12  bis  14  Novitäten  auf.  Wäh- 
rend die  Texte  dazu  von  den  Hofpoeten  P.  A.  Bernardoni  und 
Silvio  StampigLia  nebst  einigen  vorübergehend  erscheinen- 
den  Verfassern  herrührten,  componierten  die  Musik  dazu  der  Vice- 
Kapellmeister  Marc  Antonio  Ziani,  Giovanni  und  Anto- 
nio Bononcini,  die  Hofcompositoren  Garlo  Badia  und  Fux, 
ausserdem  Francesco  Gonti,  der  mit  seiner  Clotäda  1706 
glücklich  debütierte,  Attilio  Ariosti,  und  die  Römerin  Ga- 
milla  de  Rossi,  die  sich  in  Oratorien  versuchte.  Fux,  welcher 
seit  seinen  beiden  Theaterfesten  im  Jahre  1 702  für  die  Oper  und 
das  Oratorium  bei  der  grösseren  Anzahl  Gomponisten  nicht  ge- 

1  Am  16.  Juli  1699  brannte  das  von  Kaiser  Leopold  begonnene  Opern- 
haus ab,  an  dem  zwei  Jahre  gebaut  worden  war.  £s  stand  an  der  Rückseite 
der  nachherigen  Hofbibliothek.    ^  Wiener  Diarium.    ^  Beil.  YIII.  449. 


J.  J.  Fux  —  Carlo  Ag.  ßadia.  65 

drängt  war,  trat  erst  im  Jahre  1708  mit  den  Serenaden  Jm/o  Asca- 
nio  Rh  dAlba^  zum  Namensfeste  des  Kaisers  nnd  mit  der  be- 
sonders gelungenen  Pulcheria  *  zum  Namenstage  der  regierenden 
Kaiserin  wieder  auf.  Im  Jahre  1709  componierte  er  für  die  glei- 
chen Feste  abermals  zwei  Serenaden :  //  Mese  di  Marzo"  conse- 
crato  a  Marte^,  Text  von  Silvio  Stampiglia,  und  Gli  Osse- 
qui  della  notte^ y  Text  von  Donato  Cupeda,  deren  günstige 
Erfolge  das  Wiener  Diarium  rühmend  erwähnt.  Die  Serenade  La 
Decima  faiica  (TErcole  owero  La  Sconfitta  di  Gerione  in  Spagna  * 
im  Jahre  1710  ward  am  Geburtstage  und  zum  Preise  des  sieg- 
reichen Königs  Karl  IQ.  von  Spanien  eomponiert.  Es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  dass  Fux  während  derselben  Zeit  viel  thätiger  in 
Compositionen  für  die  Kirche  war,  leider  fehlen  dafür  bestimmte 
Angaben.  Nur  erwähnt  das  Wiener  Diarium  vom  23.  April  1 708 
bei  den  Vermählungsfeierlichkeiten  Kaiser  Karl  HI.  von  Spa- 
nien mit  der  Prinzessin  Elisabeth  Christina  von  Wolffen- 
bttttel  eines  „Lobgesanges,  welchen  der  kaiserliche  Musices  com-  * 
positor  Herr  Fux  in  eine  fürtreffliche  Musik  gestellet''.  Dies 
dürfte  das  Tedeum  (Beil.  X.  271)  gewesen  sein,  das  nach  seiner 
Anlage  nur  für  hohe  Feste  bestinmit  und  im  Jahre  1 704  bereits 
eomponiert  war. 

Wie  sehr  der  Kaiser  mit  den  Leistungen  des  Fux  zufrieden- 
gestellt war,  geht  aus  einer  Hofresolution  hervor,  nach  welcher 
der  Kaiser  am  22.  März  1711*,  also  wenige  Wochen  vor  seinem 
Ende  (f  17.  April  1711),  dem  Compositore  ui  musica  Johann 
Joseph  Fux  dessen  Besoldung  von  jährlichen  1440  fl.  bis  auf 
2000  fl.  vermehrte. 

Gleichzeitig  mit  Fux  wirkten  zum  Theile  als  wirklich  ange- 
stellte Hofcompositoren  Carlo  Agostino  Badia,  die  beiden 
Brüder. Marc  Antonio  und  Giovanni  Bononcini  nebst 
Pier  Francesco  Tosi,  deren  musicalische  Thätigkeit  hier 
übersichtlich  erwähnt  werden  soll. 

Carlo  Agostino  Badia,  geboren  um  1672,  gestorben  in 
Wien  23.  September  1738,  66  Jahre  alt  (Wr.  Diar.),  ward  am 

1  Beil.  Vm.  448  und  X.  304.  2  Beil.  VlIL  450  undx!  303.  »  Beil. 
VIII.  459  und  X.  306.  *  Beil.  VIII.  462  und  X.  305.  &  Beil.  VÜI.  477  und 
X.  307.    6  Beil.  n.  4. 

KöcMf  J.  J.  Fax.  5 


66  Die  Brüder  Bon o nein i. 

1.  Juli  1696  der  erste  der  mit  ihm  entstandeneu  Hofeompositoren 
und  starb  als  solcher  ^  Er  hatte  unter  dem  Titel  Tributi  armonici 
12  Gantaten  fttr  eine  Stinune  und  Clavierbegleitung  herausgege- 
ben,  und  sie  dem  Kaiser  Leopold  I.  dediciert*.  Aehnlicher  Can- 
taten  flir  1 — 3  Stinamen  befinden  sich  33  in  der  k.  k.  Hofbiblio- 
thek in  Wien.  Seine  Compositionen,  welche  am  Hofe  gegeben 
wurden,  reichen  mit  Unterbrechungen  von  1694 — 1730,  und  um- 
fassten  4  grosse  Opern,  18  Serenaden  und  15  Oratorien ^j  Kir- 
chencompositionen  sind  von  ihm  nicht  bekannt.  Seine  Manier  war 
schon  zur  Zeit  als  er  schrieb  veraltet,  indess  ist  ihm  Gewandtheit 
und  gute  musicalische  Kenntniss  nicht  abzusprechen,  seine  Flug- 
kraft der  Erfindung  reichte  aber  nie  über  Mittelhöhe,  auch  in  den 
Formen  war  er  bald  erschöpft.  Da  zu  jener  Zeit  das  Verlangen 
nach  neuen  Compositionen  so  bedeutend  war,  so  konnte  auch  ein 
massiges  Talent,  wenn  es  eine  gewfsse  Fertigkeit  im  Componieren 
hatte,  seine  Verwendung  finden. 

Gegen  das  Ende  des  XVH.  Jahrhundertes  trat  ein  BrUderpaar 
auf,  das  sich  gleich  bei  seinem  Erscheinen  als  Componisten  eines 
schnell  sich  verbreitenden  Rufes  erfreute.  Diese  Brlider  waren 
Marc  Antonio  und  Giovanni  Battista  Bononcini,  beide 
in  Modena  geboren  und  Söhne  des  als  Musiktheoretiker  durch 
seine  Musica  pratica  nicht  minder  berühmten  Giovanni  Maria 
Bononcini,  der  zuletzt  Goncertmeister  des  Herzogs  von  Modena 
war.  Drei  Bononcini,  die  sämmtlich  Componisten  waren,  von 
denen  zwei  Giovanni  Messen,  und  der  dritte  bald  Marc  Antonio, 
bald  einfach  Antonio  sich  nannte,  dies  zusammengenommen 
hatte  die  Folge,  dass  ihre  Personen  und  persönlichen  Verhältnisse, 
so  wie  ihre  Compositionen  so  häufig  verwechselt  wurden ,  dass 
Gerber  und  F6tis  noch  in  ihren  zweiten  Auflagen  wahres  und 
falsches  durcheinander  mengen.  F^tis  (H.  ^d.)  nennt  Marc  An- 
tonio den  älteren  Bruder  und  gibt  nach  Forschungen  im 
herzoglichen  Archive  zu  Modena  sein  Geburtsjahr  um  1675  an, 
und  seinen  Tod  am  8.  Juli  1726.  Gerber  (H.  Aufl.)  hält  es  ftlr 
ausgemacht,  dass  er  schon  um  1696  in  Wien  war;  gegen  das 

1  K ö  c h e  1 ,  Hofkapelle.      ^  W  al t h e  r ,  mus.  Lexikon. 

8  Opern:  Beil  VUI.  362.  378.  392.  675.  —  Serenaden:  331.  359. 
366.  368.  370.  372.  374.  377.  379.  385.  388.  395.  398.  402.  439.  452.  487. 
598.  —  Oratorien:  307.  308.  319.  381.  407.  415.  432.  444.  445.  455.  469. 
479.  483.  501.  536. 


Marc  Antonio  Bononcini.  67 

Ende  des  Jahrhunderts  war  er  zugleich  mit  seinem  Bruder  in 
Wien ,  und  componierte  für  die  Hofoper ,  ohne  jedoch  wie  sein 
Bruder  zugleich  den  Titel  eines  Hofcompositors  zu  ftlhren.  Nach 
Kaiser  Josefs  Tode  im  Jahre  1711  wurden  beide  entlassen  und 
giengen  nach  Italien  zurück,  1714  fand  Stölzl  den  MarcAntonio 
in  Rom,  im  Jahre  1721  trat  er  als  Hof  kapellmeister  in  die  Dienste  * 
des  Herzogs  von  Modena  und  starb  5  Jahre  später  in  dieser  An- 
stellung. Sein  erstes  Auftreten  als  Operncomponist  war  epoche- 
machend :  es  war  die  bertthmt  gewordene  Oper  CamUla  Regina 
de  VoUci  (Beil.  VHI.  333),  welche  er  1696  fllr  Wien  componiert 
hatte.  Sie  hatte  einen  so  ausserordentlichen  Erfolg,  dass  sie  im 
Lauf  der  Jahre  auf  allen  Btthnen  Deutschlands ,  Italiens ,  Frank- 
reichs und  Englands  mit  dem  entschiedensten  Beifalle  gegeben 
wurde.  In  England  war  sie  im  Jahre  1 709  zum  ersten  Male  gege- 
ben worden,  und  man  konnte  sich  dort  nicht  satt  daran  hören. 
Es  ist  auch  leicht  begreiflich,  dass  der  frische  kecke  Humor  in 
dieser  Oper,  yerbunden  mit  glücklich  erfundenen  heiteren  und 
ernsten  Melodien  durchschlagen  musste ,  glaubt  man  doch  noch 
heute  aus  der  Partitur  einen  geistesverwandten  Vorläufer  Cima- 
rosa's  herauslesen  zu  können.  Noch  3  andere  Opern,  3  Serenaden 
und  3  Oratorien*  kamen  von  ihm  in  Wien  von  1706 — 1711  zur 
Aufführung.  Eine  Mehrzahl  der  Cantaten,  welche  die  k.  k.  Hof- 
bibliothek besitzt,  dürften  in  gleicher  Zeit  entstanden  sein.  In 
allen  diesen  Werken  hat  man  die  glückliche  Erfindung  und  Durch- 
führung, die  auf  einer  tüchtigen  Schule  ruht,  anzuerkennen.  Ein 
hn  Contrapunkt  gearbeitetes  Werk  hat  P  a  o  1  u  c  c  i  in  seiner  Arte 
pratica  dl  Contrappunto  H.  als  Muster  dieser  Schreibart  aufge- 
nonmien  und  der  vielgepriesene  Lehrer  vieler  Lehrer,  der  Padre 
Martini,  sagt  von  M.  Ant.  Bononcini:  „Er  liess  in  seinen  Compo- 

sitionen  einen  so  hohen,  kunstreichen  und  anmuthigen  Stil  wahr- 

• 

1  Wegen  oftmaliger  Verwechslung  seiner  Werke  mit  jenen  seines 
Bruders  mögen  hier  zuerst  die  Wiener  Composidonen  des  MarcAntonio 
zusammengestellt  werden.  Sie  sind:  1696  Camilla  Regina  de  VoUci  (Beil. 
Vin.  333),  1706  Arminio,  Ser.  (426) ,  1706  La  Fortuna,  il  vator,  la  giMtitia. 
Cant.  (427),  1707  La  Conquista  detie  Spagne  (440),  1707  //  Trionfo  delia  graiia- 
(442),  1708  La  Preaa  di  Tebe.  Ser.  (453) ,  1709  La  DecaUazione  dt  Giov.  Batt, 
Orat.  (471),  1710  Caio  Gracco.  Op.  (473) ,  1710  Tigrane  Re  d^Armenia.  Op. 
(474),  1711  VInterciso.  Orat.  (484). 

5* 


68  Giov.  Battista  Bononcini. 

•  nehmen ,  dass  er  hervorragte  unter  der  grösseren  Zahl  der  Ton- 
setzer zu  Anfang  des  gegenwärtigen  (XVIII.)  Jahrhunderts,  so 
reich  dieses  auch  an  vortrefflichen  Männern  ist". 

Das  Jahr  der  Greburt  des  Giovanni  Battista  Bononcini 
ist  in  ein  völliges  Dunkel  gehttUt  *,  wozu  er  selbst  beitrug,  indem 
er  sich  um  etwa  zehn  Jahre  älter  ausgab  als  er  sein  konnte.  Am 
wahrscheinlichsten  ist  er  um  1676  geboren,  wenn  sein  älterer 
Bruder  (nach  Fitis)  um  1675  geboren  wurde ,  allein  auch  nicht 
viel  später,  da  er  1699  schon  mehreres  von  Bedeutung  componiert 
hatte  und  am  1.  Juli  1700  zum  Hofcompositor  Kaiser  Leo- 
pold I.  ernannt  wurde  und  in  dieser  Anstellung  bis  zum  Tode 
des  darauffolgenden  Kaisers  Josef  I.  im  Jahre  1711  blieb. 

Während  dieser  elf  Jahre  und  später  vereinzelt  noch  im  Jahre 
1737  kamen  von  seiner  Composition  in  Wien  9  Opern,  12  Sere- 
naden und  2  Oratorien  zur  Aufftlhrung*,  und  ausserdem  dazwi- 
schen im  Jahre  1703  die  Oper  Polifemo  in  Berlin.  Nach  seiner 
Entlassung  im  Jahre  1711  zog  er  sich  nach  Italien  zurück,  wo  ef 
von  seinem  Aufenthalte  in  Rom  im  Jahre  1720  nach  London  be- 
rufen wurde,  und  dqrt  durch  seine  Compositionen  während  meh- 
rerer Jahre  ein  bedeutender  Rivale  HändeTs  wurde,  bis  ein 
Scandal  erregender  Handel  (Bononcini  hatte  das  Madrigal  A  n  t. 
Lotti's  In  una  siepe  umbrosa  als  seine  eigene  Composition  der 

1  Gerber  in  der  zweiten  Auflage  stellt  als  sein  Geburtsjahr  1660, 
A.  D  cm  m  e  r  in  seiner  Musikgeschichte  p.  365,  1670  auf,  beide  ohne  weitere 
Nachweise.  Da  Bononcini  1741  (nicht  1748;  ein  Tedeum  fUr  Kaiser  Franz  I. 
componiert  hat,  so  würde  nach  obigen  Annahmen  sein  Lebensalter  weit 
über  die  Zeit  der  gewöhnlichen  Compositionsthätigkeit  gereicht  haben. 

2  Gfov.  Batt  Bononcini  componierte  für  Wien:  1699  La  Fede 
publica.  Op.  (364),  1699  La  Gara  dei  quattro  stagianü  Ser.  (367),  1699  Eucieo 
f^teggiante,  Ser.  (369),  1701  V  Oraeolo  d'ApoUo.  Comp.  (382;,  1701  Gli  afeiti 
piü  grandi  vinti  dal  piü  giusto.  Op.  (387),  1701  La  Converaione  di  Maddalena, 
Or.  (390),  1703  Proteo  sul  Reno.  Ser.  (404),  1704  TomirL  Op,  (408),  1704  // 
Rüomo  di  Ceeare  vincitore  della  Mauritania,  Ser.  (409),  1704  //  Fiore  deiie 
Eroine.  Ser.  (412),  1704  Feraspe,  Ser.  (413),  1705  La  Nuova  Gara  di  Giunone 
e  Paitade.  Ser.  (417),  1706  Endimume,  Op.  (424),  17Ö7  Etearco.  Op.  (433), 
1707  Tumo  Arieino.  Op.  (437),  1708  Mario  fuggitivo.  Op.  (446),  1708  //  Nataie 
di  Gimwne,  Ser.  (449),  1708  //  Sagrificio  di  Homolo.  (451),  1709  L  Abdolonimo* 
Op.  (458),  1710  Muzio  Scevola.  Op.  (475),  1713  LArrivo  della gran  madre  degli 
Dei  (493),  1737  Alessandro  in  Sidone,  Op.  (754),  1737  Ezechia,  Orat.  (763). 


Giov.  Battista  Bononcini.  69 

Academie  überreicht^),  ihn  1731  in  England  nicht  länger  mehr 
möglich 'machte.  Sein  späterer  und  letzter  Aufenthalt  war  wahr- 
scheinlich Italien,  wo  er  zu  einer  unbestinunbaren  Zeit  seine  Tage 
beschloss. 

Die  lebhafte,  zum  Theile  enthusiastische  Aufiiahme  seiner 
Compositionen ,  besonders  in  England,  lässt  für  sich  darauf 
schliessen,  dass  sie  dem  grosseren  Publicum  leicht  auffassbar  und 
dem  Geschmacke  sowie  den  Forderungen  der  Zeit  entsprechend 
waren.  Wir  finden  auch  in  der  That  in  seinen  Werken  den  Mann 
reicher  Begabung,  besonders  glücklich  in  Erfindung  melodiöser 
dramatischer  Gesänge,  worin  er  selbst  einem  Händel  ebenbürtig, 
wenn  nicht  überlegen  war.  Vielleicht  ist  nicht  unbegründet,  dass 
bei  den  einzelnen  Nununem  Bononcini  weniger  besorgt  war,  den 
Character  der  Situation  durch  die  Musik  darzustellen  und  zu  bele- 
ben, als  ein  anmuthiges  leichtfassliches  und  in  vielen  Fällen  für  den 
Gesangskünstler  dankbares  Musikstück  zuschreiben.  Das  Weiche, 
Liebliche  war  seine  Hauptstärke ,  die  Kraft  und  Grösse  konnte 
er  nur  unvollkommeil  erreichen.  Aber  auch  dort,  wo  er  auf  dem 
ihm  zusagenden  Felde  mit  Glück  sich  bewegt,  findet  man  keine 
Henrorbringung,  die  sich  an  Verve  und  Glanz  mit  seines  Bruders 
Oper  Camäla  messen*könnte,  welcher  er,  beiläufig  erwähnt,  seinen 

iChrysander,  Händel,  II.  293  ff.  erzählt  die  Verhandlung  darüber 
weitläufig  und  setzt  noch  a.  a.  0. 301  f.  hinzu*:  „Bononcini  langte  wohl  noch 
öfter  nach  fremden  Trauben.  In  seiner  Pastoraloper  Poiifemo  befindet  sich 
ein  Duett  in  C-moU  LImpiacabü  gelogia,  von  welchem  Matthesonim  voll- 
kommenen Kapellmeister  (pag.  349)  den  Anfang  wegen  der  musterhaften 
zweistimmigen  Composition  mittheilt ,  zu  denselben  italienischen  Worten, 
aber  als  ein  Werk  von  Fux.  So  weit  ich  sehen  kann,  rührt  die  kunstvolle 
Arbeit  von  Fux  her,  un(l  Bononcini  hat  sie  durch  Tilgung  contrapunktischer 
und  Einschiebung  arioser  Gänge  fär  die  Bühne  mundgerecht  zu  machen 
versucht,  also  verschlechtert".  Diese  Behauptung  Chrysander^s  scheint 
auch  mir  begründet,  ungeachtet  ich  in  allen  mir  vorliegenden  Comppsitio- 
nen  des  Fux  weder  einen  solchen  Text  noch  eine  solche  Musik  habe  auf- 
finden können.  Allein  niemand  wird  sich  in  unsem  l'agen  berühmen  kön- 
nen, alle  Compositionen  desFux  eingesehen  zu  haben.  —Nach  Chrysander 
gab  man  inEngland  vonG.  Bononcini  folgende  Compositionen  :i4tftorto  (1721), 
Mutio  Scevoia  IL  Act.  (1721) ,  Giro  (1721) ,  Crispo  (1721),  Grüelda  (1721), 
Funeral  anthem  Hir  den  Herzog  von  Marlborough  (1722),  Erminia  (1722) 
Fonttfce  (1724),  CViZ/Wr/ita  (1724),  AsHanaBse  (1121) ,  ausserdem  ,^Cantate  e 
Duetti"  (1721). 


70 


P.  Franc.  Tosi. 


Ruf  nach  England  und  einen  Theil  seiner  dortigen  Erfolge  zu 
danken  hatte,  da  man  ihn  für  den  Verfasser  der  Camilla  hielt, 
und  er  wie  es  scheint  nichts  that  diesen  Wahn  zu  zerstören. 
Dass  er  bei  den  Begleitungen  der  Gesangstücke  das  Violoncell 
öfter  bedachte ,  wird  man  bei  dem  ausgezeichneten  Virtuosen  auf 
diesem  Instrumente  ganz  begreiflich  finden.  Aus  seinen  Cantaten 
und  Duetten  ergibt  sich  noch  deutlicher  als  aus  vielen  seiner 
Opemnummem,  dass  das  Liedartige  ihm  vor  allem  andern  zusagte, 
da  er  hier  seinen  Reichthum  an  Melodien  besonders  zur  Geltung 
bringen  konnte.  Die  ,,köstliche"  ftlnfstimmige  Canzona:  Foss'io 
quel  rosignuoloy  welche  Chrysander  (Händel  ü.  302)  für  eine 
Composition  des  Marc  Antonio  Bononcini  zu  halten  geneigt  ist, 
befindet  sich  auch  in  der  k,  k.  Hofbibliothek  (Fonds  R.  Kiese- 
wetter) mit  dem  Titel  Amante  in  Vssignuolo.  Scherzo  pastorale  als 
ein  Werk  des  Giovanni  Battista  B.  (Hofbibl.  S  A.  67.  B.  93.) 
Pier  Francesco  Tosi  war  von  Kaiser  Josef  L  im  Jahre 
1705  zum  Hofcompositor  ernannt  und  nach  des  Kaisers  Tode 
(1711)  wieder  entlassen.  Er  war  in  Bologna  um  1647  geboren, 
war  ein  ausgezeichneter  dramatischer  Sänger  und  versuchte  sich 
auch  in  Compositionen  von  Cantaten  nicht  ohne  Glück;  von  ihm 
wurde  1701  das  Oratorium  U  Martirio  di  S.  Cntterina  (389)  in 
Wien  aufgeführt.  Als  er  sich  vom  Theater  zurückgezogen  hatte, 
gab  er  noch  Unterricht  im  Gesänge.  Er  starb  in  hohem  Alter  1727 
in  London.  Verdienten  grossen  Ruf  verschaffte  ihm  seine  Gesang- 
schule Opinioni  de  CatUori  antichi  e  modemi,  Bologna  1723, 
welche  ins  Englische,  Französische  und  Deutsche  übertragen 
wurde,  und  noch  jetzt  den  Sängern  von  Nutzen  sein  kann. 


V. 

Fux^  KApellmeiftter  am  Dome  sn  St.  Stephan  in  Wien  (1705—1715)  — 
Reformiemng  der  Hofkapelle  —  Fox  wird  Tiee-Hofkapellmei8ter  des 
Kaisers  und  Kapellmeister  der  Kaiserin- Witwe  WUhelmine  Amalla 
(1718—1718)  —  Die  Compositoren  Marc  Antonio  Ziani  and  Antonio 

Lottl* 
• 

Ans  den  Musikkapellen  der  Kirchen  der  inneren  Stadt  Wien 
bei  den  Schotten,  bei  St.  Peter,  bei  St.  Augnstin  war  die  Kap  eil  e 
bei  derDomkifche  zn  St.  Stephan  znjener  Zeit  ohne  Zweifel 
die  vorzüglichste.  Obschon  die  Hofkapelle  bei  einzelnen  Festen 
in  der  einen  oder  der  andern  der  erstgenannten  mnsicierte,  so 
waren  es  doch  die  hänfigsten  und  grössten  Feste ,  wo  der  Hof  in 
feierlichen  Processionen  nach  St.  Stephan  zog,  wie  am  Oster-  und 
Pfingstfeste,  bei  grossen  Tedeum  wegen  erfochtener  Siege  bei 
Friedensschlüssen  oder  höchsten  Geburten,  und  wenn  bei  solchen 
Gelegenheiten  die  Hofinusik  dort  mitwirkte,  so  stellte  doch  auch 
die  Kirche  dazu  einen  bedeutenden  Stamm,  und  leistete  zugleich 
selbständig  anerkennungswerthes.  Fremde  reisende  Künstler 
rechneten  es  sich  zur  Ehre,  bei  ihren  Musiken  zur  Mitwirkung 
eingeladen  zu  werden,  und  eine  Anzahl  bedeutender  Namen  hat 
diese  Kapelle  gemeinsam  mit  der  Hofkapelle  bis  auf  die  neueste 
Zeit;  so  ausser  Job.  Jos.  Fux  (seit  1705),  Georg  Reutter 
(1715),  Joh.  Georg  Albrechtsberger  (1792),  noch  in 
unseren  Tagen  (seit  1853)  Gottfried  Preyer. 

Die  Domkirche  von  St.  Stephan  hatte  bis  etwa  über  die  Mitte 
des  XVUI.  Jahrhunderts  zur  Besorgung  der  Kirchenmusik  gewöhn- 
lich zwei' Kapellmeister  besoldet. 

Die  Dienste  bestanden  ausser  den  allgemeinen  im  Dome  und 
in  der  Salvatorkirche  (am  nachmaligen  Magistratsgebäude  in  der 
Salvatorgasse)  auch  noch  in  den  besonderen  bei  dem  ungarischen 
Gnadenbilde  (Maria  Böcz)  im  Dome.  Bisweilen  scheinen  beide 
Dienste  von  dem  ersten  Kapellmeister  (von  J.  J.  Fux  „Essential- 


72  '  Fux,  Domkapellmeister. 

Kapellmeister"  genannt)  versehen  worden  zu  sein.  Die  Entloh- 
nungen erfolgten  nach  den  noch  vorhandenen  Rechnungen  über 
die  Dienste  im  Dome  vom  Kirchmeisteramte*,  über  jene  in  der 
Salvatorkirche  von  der  Commune*.  Der  Gehalt  fllr  den  ersten 
Kapellmeister  im  Dome  betrug  300  fl.  und  24  fl.  Kleidgeld ,  nebst 
einigen  Accidentien,  in  der  Salvatorkirche  für  ,,Salvatordienst" 
74  fl.  8  kr.,  für  Rorate,  Requiem,  Anniversarien  63  fl.,  daher  in 
Allem,  wenn  die  Dienste  nicht  getrennt  waren,  gegen  550  fl.  Wie 
der  Dienst  des  zweiten  Kapellmeisters  bei  dem  Gnadenbilde  ent- 
lohnt wurde,  ist  aus  den  summarischen  Rechnungen  nicht  zu  ent- 
nehmen. 

In  den  Rechnungen  von  1696  bis  27.  August  1712  erscheint 
als  erster  Kapellmeister  J 0 h.  Mich.  Zacher,  der  30.  September 
1712,  63  Jahre  alt  gestorben  war.  Nach  dem  magistratischen  De- 
crete  vom  1.  Juli  1706^  hatte  Zacher  dem  ,,kays.  Hoffinusico  und 
Componisten  J.  J.  Fux"  den  Musikdienst  bei  dem  ungarischen  Gna- 
denbilde vom  October  1705  zu  versehen  tiberlassen.  Mit  demselben 
Decrete  und  dem  späteren  vom  I.August  1707*  wurde  bestimmt, 
dass  Zacher  von  den  7  Singknaben  von  St.  Stephan  anfangs  4 
(später  3)  und  Fux  ebenfalls  3  Knaben  in  Kost,  Verpflegung  und 
Unterricht  erhalten  soll,  wofür  an  Fux  anfangs  600  fl.  Kostgeld, 
60  fl.  Zimmerbeihilf  und  75  fl.  InstructionsgebUhr  bezahlt  wurden. 
Seit  dem  1 .  October  1 705  war  daher  J.  J.  Fux  (zweiter)  Kapell- 
meister beim  Gnadenbilde,  und  erst  nach  Mich.  Zächer's  Tode 
(30.  Sept.  1712)  erscheint  Fux  als  erster  (Essential-)  Kapell- 
meister am  Dome^  Diese  Stelle  bekleidete  er  bis  Ende  1714 
oder  Anfangs  1715;  denn  in  den  Rechnungen  wegen  des  Salva- 
tordienstes  erscheint  er  nur  bis  30.  März  1715  als  Kapellmeister^, 
in  den  Kirchenmeisteramts-Rechnungen  hat  schon  mit  1.  Jänner 
1715  sein  Nachfolger  Georg  Reutter  als  Essential  -  Kapell- 
meister ^  seinen  ersten  Gehalt  bezogen ,  nachdem  er  schon  früher 
als  zweiter  Kapellmeister  beim  Gnadenbilde  wahrscheinlich  be- 
reits 1712  eingetreten  war.  Eben  so  hat  Fux  den  Unterricht  der 
Kapellknaben  mit  dem  Jahre  1714  aufgegeben,  denn  Reutter  er- 
hielt nach  den  Rechnungen  fUr  das  ganze  Jahr  1715^  1200  fl. 
fllr  6  Kapellknab^. 

1  Beil.  II.  32.  2  Eb.  33.  »  Beil.  II.  34.  *  Beil.  IL  34.  s  Beil.  H. 
33.      «Eb.      7Eb.      «BeiLII.  32. 


Fux,  Singfundament.  73 

Specielle  Daten  über  die  Thätigkeit  des  Domkapellmeisters 
Fax  liegen  nicht  vor,  ein  einziges  ActenstUck  ;,vom  Bürgermeister 
und  Bath  der  Statt  Wien"  *  vom  24.  Oetober  1714,  gerichtet  an 
beide  Kapellmeister  am  St.  Stephansdome,  ,,J.  J.  F ux  und  Georg 
Rentter"  ist  in  den  Acten  der  Commune  Wiens  aufbewahrt, 
woniach  einige  nachlässige  Instrumentalisten  sowohl  bei  den  ge- 
wöhnlichen Kirchendiensten  als  bei  dem  ,,Marianischen  Gnaden- 
bilde von  Petsch"  zu  grösserem  Fleisse  ermahnt  werden  sollen ; 
eine  Ermahnung,  wozu  auch  bis  auf  unsere  Zeiten  in  manchen 
Kapellen  die  Veranlassung  gefunden  werden  möchte.  Ausser  dem 
Gesangsunterrichte  der  Cantoreiknaben  im  Dome  dürfte  wahr- 
scheinlich ein  ähnlicher  Unterricht  während  seiuer  Stellung  als 
Organist  bei  den  Schotten  für  Fux  den  Bestiminnngsgrund  zu  dem 
„Singfundamente"  gegeben  haben,  das  noch  im  Autographe 
im  Archive  des  Wiener  Musikvereines  sich  vorfindet.  Diese  Ge- 
sangschule ftlr  Sopran  hat  die  Aufschrift:  ^Fundamentum.  Aufhöre 
Fux^  und  enthält  nach  den  nöthigsten  Vorkenntnissen  für  Musik 
überhaupt,  und  Solmisation  insbesondere,  dann  einer  Anzahl 
Uebungen  in  den  verschiedenen  Intervallen  und  rhythmischen 
Geltungen,  noch  55  kurze  Uebungen  für  zwei  Soprane,  sämmt- 
lich  darauf  berechnet,  feste  Kirchensänger  in  möglichst  kurzer 
Zeit  heranznjbilden.  Dass.  dabei  von  jeder  Virtuosität  des  Gesan- 
ges abgesehen  ist ,  versteht  sich  aus  dem  angegebenen  Zwecke 
dieser  Uebungen.  —  Eine  zweite  Gesangschule  für  eine  Alt- 
stimme befolgt  den  ganz  gleichen  Gang  mit  der  früher  erwähn- 
ten für  Sopran,  nur  sind  die  Uebungen  ftlr  2  Altstimmen  noch  um 
einige  vermehrt.  Es  unterließ  keinem  Zweifel,  dass  diese  Ge- 
sangschulen durch  ihr  practisch  eingerichtetes  Fortschreiten  vom 
Leichteren  zum  Schwereren ,  so  wie  durch  die  Kürze  der  einzel- 
nen Uebungsstücke,  die  den  Lernenden  nicht  ermüden  lassen  und 
ganz  in  gebundener  Schreibart  der  Compositionen  für  die  Kirche 
gehalten  sind ,  den  wirklichen  Eintritt  zum  Kirchengesange  nur 
als  weitere  Anwendung  des  Erlernten  entschieden  anbahnen 
müssen ,  und  von  dem  didactischen  Talente  des  Verfassers  des 
Gradus  ad  pamassum ,  auf  einem  andern  aber  damit  verwandten 
Felde  ein  sprechendes  Zeugniss  geben. 

1  Beil.  IL  34.  Alinea  3. 


74  Reformierung  der  Hofkapelle. 

Während  der  Tod  des  Kaisers  Josef  I.  unerwartet  rasch 
erfolgte,  war  sein  legitimer  Reichsnachfolger  König  Karl  HI. 
in  Spanien  als  Heerführer  im  Kriege  gegen  Frankreich  abwesend. 
Als  Kaiserin-Regentin  wurde  nun  die  Mutter  von  beiden  Brüdern, 
die  Kaiserin-Witwe  Eleonore  (nach  Kaiser  Leopold  I.) 
bestimmt.  Eine  ihrer  ersten  Sorgen  war,  in  die  durch  die  unauf- 
hörlichen Kriege  und  sorglose  Wirthschaft  zerrütteten  Finanzen 
Ordnung  zu  bringen,  und  zu  diesem  Ende  Einschränkungen  zuerst 
durch  Reductionen  des  kaiserlichen  Hofstaates  anzuordnen  ^  Dazu 
gehörte  auch  die  Hof-Musikkapelle,  und  es  wurde  in  dieser  Rich- 
tung befohlen,  „von  den  Musicis  nur  diejenigen  zu  behalten, 
welche  die  besten  sind  und  allein  zum  Kapelldienst  erfordert  wer- 
den; alle  übrigen  aber,  wie  auch  die  Sängerinen,  Compositoren 
und  was  zum  Theater  gehört  zu  licentiieren"  (entlassen).  -Der 
Vice-Kapellmeister  Marc  Antonio  Ziani  erhielt  den  Auftrag*, 
von  dieser  Gesammten^Jassung  sämmtliche  Mitglieder  der  Hof- 
kapelle zu  verständigen,  zugleich  soll  er  aber,  da  der  Kaiser  mit 
einer  guten  Musik  versehen  sein  müsse,  von  den  jetzt  entlassenen 
Musikern  die  besten ,  diensttauglichsten  und  fleissigsten  aufmer- 
ken; jedoch  nur  so  viele  an  Sängern  und  Instrumentisten  als  „zur 
Versehung  des  Kapeil-  oder  Kirchendienstes"  nothdürftig  erfor- 
dert werden;  zugleich  auch  Vorschläge  wegen  „zulänglicher"  Be- 
soldungen zu  machen  ohne  Rücksicht  auf  die  bisher  genossenen, 
theils  grossen,  theils  übertriebenen  Gehalte  und  bei  dieser  Arbeit 
einen  langgedienten  erfahrnen  Mann,  als  etwa  den  Concertdispen- 
sator  Kilian  Reinhard,  sich  zu  adjungieren".  lieber  diesen 
Vorschlag  des  Vice-Kapellmeisters  .wurde  auch  eine  gutachtliche 
Aensserung  des  Hofiriusik-Oberdirectors  FerdinandErnstGraf 
MoUart^  vorgelegt.  Seine  Vorschläge  liefen  im  wesentlichen 
darauf  hinaus,  dass  vor  allem  die  Bezahlung  der  Besoldungen 
richtig  und  pünktlich  erfolge,  und  deshalb  ein  eigener  Fundus 
bestinunt  werde;  die  Musiker  sollen  nicht  wie  bisher  aus  verschie- 
denen Kassen,  sondern  in  Zukunft  nur  aus  einer  und  derselben 
Kasse  —  dem  Hofzahlamte  —  ihre  Besoldungen  erhalten;  nicht 
allein  die  Zahl  der  Musiker  soll  vermindert,  sondern  auch  ihre 
öfter  exorbitanten  Besoldungen  sollen  restringiert  werden ;  Scho- 

1  3.  Sept.  1711.  Beil.  IL  27.      «  Beil.  IL  28.      3  1712.  Beil.  IL  30. 


F  u  X  wird  Vice-Hofkapellmeister.  7  5 

laren  sollen  nur  aufgenommen  werden,  wenn  sie  entschiedenes 
Talent  besitzen ;  der  Termin  der  Entlassung  der  bis  dahin  Ange- 
stellten soll  auf  den  1.  Oetober  festgesetzt,  doch  auf  verdiente 
Musiker,  ihre  Witwen  und  Waisen  Bedacht  genommen  werden. 
Nach  der  beigegebenen  Liste  der  neu  Anzustellenden  und  der  zu 
Pensionierenden  fielen  wohl  eine  ziertiliche  Anzahl  der  frllher  An- 
gestellten bei  der  Reformierung  der  Kapelle  aus,  viele  aber  fielen 
wieder  der  Pensionierung  zu,  und  das  Budget  der  gesammten  Hof- 
kapeUe  betrug  nach  diesem  Vorschlage  *  noch  immer  die  beträcht- 
liche Summe  von  99.227  Gulden.  Es  war  jedenfalls  ein  löbliches 
Bemühen  der  Regierung ,  Ordnung  in  das  Ordnungslose  zu  brin- 
gen, was  aber  die  Herabminderung  des  Ausgabenbudgets  und 
der  Zahl  der  Angestellten  betriflft,  so  stellte  sich  diese  Erwartung, 
wie  schon  oft  früher  und  später,  als  illusorisch  heraus ;  die  grosse 
Oper  übte  ihre  verfllhrerischen  Reize;  kostbare  Sänger  und 
Sängerinen  wurden  engagiert  und  die  Instrumentalmusik  musste 
mit  den  gesteigerten  Anforderungen  Schritt  halten ,  wie  dies  die 
Geschichte  der  Entwicklung  der  Hofkapelle  zeigen  wird. 

An  diesem  Orte  ist  zuerst  der  Veränderungen  zu  erwähnen, 
welche  gelegentlich  der  Reformierung  bei  der  Leitung  der  Hof- 
kapelle Platz  griffen.  Die  Hofcompositoren  Giov.  Batt.  Bonon- 
cini  und  Pietro  Franc.  Tosi,  so  wie  der  Kammercompositor 
Franz  Daniel  Thalmanir  wurden  1711  pensioniert.  An  die 
Stelle  des  1709  verstorbenen  Antonio  Pancotti  trat  mit 
1.  Jänner  1712  Marc  Antonio  Ziani  als  neu  ernannter  Hof- 
kapellmeister, und  dessen  verlassenes  Amt  als  Vice-Hofkapell- 
meister wurde  mit  Entschliessung  vom  26.  Jänner  1713  dem  bis- 
herigen Hofcompositor  JohanuJosefFux  übertragen. 

Nach  den  Normen  der  eben  in  der  Einführung  begriffenen 
•Reformierung  war  der  Gehalt  des  Vice-Kapellmeisters  auf  1600  fl. 
festgesetzt,  undFux,  dem  noch  im  letzten  Regierungsjahre  des 
vorigen  Kaisers  Josef  I.*  eine  Gehaltaufbesserung  von  1440  fl.  auf 
2000  fl.  zuerkannt  worden  war,  musste  neben  der  ehrenvollen 
Rangserhöhung  dadurch  einen  empfindliehen  Rückgang  seines 
Gehaltes  erfahren.  Es  muss  aber  auch  von  Seite  des  Hofes  diese 
Zurücksetzung  eines  Mannes  von  so  anerkanntem  Verdienste  auf- 

»  Beil.  II.  31.      ^  22.  März  1711.  Beil.  II.  4. 


76  F  u  X ,  Hofkapellmeister  der  Kaiserin  W  i  1  b.  A  m  a  11  e. 

gefallen  sein ;  denn  es  werden  nach  mehreren  Richtungen  Bemü- 
hungen erkennUar ,  Fux  in  anderer  Weise  fllr  seinen  pecuniären 
Verlust  am  Gehalte  schadlos  zu  halten.  Zuerst  wurde  in  seinem 
Anstellungsdecrete  vom  13.  Jänner  1713  bestimmt,  dass  ihm 
sein  neuer  Gehalt  vom  1.  October  des  Jahres  1708  —  also  mehr 
als  4  Jahre  nach  rückwärts  —  von  dem  Hofzahlamte  ohne  Abbruch 
des  ersten  Quartals  ausbezahlt  werde.  Dies  konnte  \aelleicht 
zugleich  eine  Entschädigung  fUr  die  durch  mehrere  Jahre  unor- 
dentlich erfolgte  Besoldung  sein;  allein  ein  anderes  Zeichen 
kaiserlicher  Gnade ,  welches  keinen  Zweifel  über  den  Character 
einer  Schadloshaltung  übrig  lässt,  war  seine  gleichzeitige  Ernen- 
nung zum  Kapellmeister  der  Kaiserin-Witwe  Wilhelmine 
Amalie  (nach  Kaiser  Josef  I.) ,  womit  ein  Gehalt  von  1500  fl. 
verbunden  wurdet  während  vor  und  nach  Fux  nur  Musik- 
Directoren,  wahrscheinlich  mit  geringeren  Gehalten  an  dieser 
Kapelle  angestellt  wurden. 

Neben  der  Hofkapelle,  des  regierenden  Kaisers  bestanden 
nämlich  bei  Hofe  auch  zwei  kleinere  Kapellen  der  Kaiserinen 
Witwen.  Jener  der  Kaiserin  Eleonora  Margaretha,  Witwe 
nach  Kaiser  Leopold  I.  seit  5.  Mai  1705,  erwähnt  J.  J.  Fux*  nach 
dem  Tode  der  Kaiserin  (19.  Jänner  1720)  in  einem  Gutachten 
vom  3.  August  1720,  über  ein  Gesuch  des  Matthias  Oettl  „nach- 
gelassenen Kaiserin  Eleonorischen  Kapellmeisters".  — In  der 
Kapelle  der  Kaiserin -Witwe  Amalie  nach  Kaiser  Josef  I.  seit 
17.  April  1711  war  Fux  selbst  durch  sechs  oder  sieben  Jahre  als 
Kapellmeister  angestellt.  In  den  Hofkalendem,  deren  ältester  vom 
Jahre  1714  im  kais.  geh.  Haus-Hof-  und  Staatsarchive  sich  be- 
findet, wird  Fux  bereits  als  Hofkapellmeister  aufgeführt.  Seine 
Anstellung  muss  aber  weiter  zurück  datieren,  wenigstens  in  das 
Jahr  1713,  da  der  erwähnte  Kalender  Anfangs  des  Jahres  1714 
bereits  gedruckt  ausgegeben  sein  musste.  Dazu  kommt  noch,  dass 
Fux  im  Jänner  1713,  bei  der  Reorganisation  der  Hofkapelle  zwar 
zu  der  Stelle  des  Vice-Hofkapellmeisters  vom  Hofcompositor  a\'an- 
cierte,  allein  statt  seines  früheren  Gehaltes  von  2000  fl.  auf  1600.  fl. 
herabgesetzt  würde.  Es  ist  daher  sehr  wahrscheinlich,  dass  Fux, 

^  Vortrag  des  Oberst-Hofmeisteramtes  7.  Febr.  1715.  Beil.  IL  6. 
2  Beil.  VI.  50. 


Marc  Antonio  Ziani.  77 

der  bisher  ein  immer  erhöhtes  Einkommen  vom  Hofe  bezog,  bei 
dieser  letzten  Herabmindernng  durch  die  Anstellung  als  Kapell- 
meister der  Kaiserin  Amalie  entschädigt  wurde  ^  Nach  denselben 

• 

Hofkalendem  erscheint  Fux  noch  im  Jahre  1718  als  Hofkapell- 
meister der  Kaiserin  Amalie,  yom  Jahre  1720  aber  sein  Nach- 
folger der  Hof-Musikdirector  Heinrich  Holzhauser.  Da 
der  Kalender  von  1719  mangelt,  so  muss  Fux  auf  seine  Stelle 
als  Kapellmeister  der  Kaiserin  Amalie  entweder  1718  oder  1719 
resigniert  haben,  was  begreiflich  erscheint,  da  er  1715  Hofka- 
pellnleister  des  Kaisers  wurde  und  bei  der  Zntheilung  seines 
neuen  Gehaltes  von  2500  fl.  und  600  fl.  Adjuta*,  diese  Erhöhung 
wegen  ^er  früher  „doppelt  genossenen  Hofbesoldung^  von  1600 
und  1500  fl.  angetragen  wurde.  Es  scheint  daher  zugleich,  dass 
Fux  als  wirklicher  Hofkapellmeister  des  Kaisers  keine  weiteren 
BezUge  wegen  der  Functionen  als  Kapellmeister  der  Kaiserin 
Amalie  mehr  genoss. 

Zum  Hofmusikstaat  der  Kaiserin  gehörten  durchschnitt- 
lich 28  Angestellte:  1  Kapellmeister,  1  Organist,  1  Sopranist, 
1  Contraaltist,  2  Tenoristen,  2  Bassisten,  4  Violinisten,  1  Violonist, 
1  Violoncellist,  2  Trombonisten,  1  Fagottist,  1  Cornettist,  1  Par- 
tituren-Austheiler,  1  Diener,  8  Ripienisten.  Allerdings  eine  kleinere 
Kapelle,  welche  bei  der  Zurückgezogenheit  der  Kaiserin- Witwe 
wohl  nur  in  der  Kirche  Dienste  zu  leisten  hatte.  Näheres  über  die 
Leistungen  dieser  Kapelle  ist  nicht  bekannt. 

In  den  Jahren  1713  uhd  1714  war  daher  Fux  zu  gleicher  Zeit 
Vice-Hofkapellmeister  des  Kaisers ,  Kapellmeister  der  Kaiserin- 
Witwe  und  Dom-Kapellmeister  von  St.  Stephan  iii  Wien. 

Ausser  den  früher  erwähnten  Hofcompositoren  ist  hier  noch 
die  Thätigkeit  des  eben  ernannten  kais.  Hofkapellmeisters  Marc 
Antonio  Ziani  und  des  ausgezeichneten  Organisten  und  Ka- 
pellmeisters am  Dome  zu  Venedig  Antonio  Lotti  in  Betracht 
zu  ziehen ,  welche  in  dieser  Periode  durch  ihre  Compositionen  für 
Wien  hervorragen. 

Marc  Antonio  Ziani,  geboren  zu  Venedig  um  1653,  ge- 
storben zu  Wien  22.  Jänner  1715,  62  Jahre  alt.  Er  war  ein  Neffe 
des  Priesters  und  berühmten  Organisten  PeterAndreas  Ziani, 

1  Beil.  n.  6.      2  Eb. 


78  Antonio  Lotti. 

der  durch  mehrere  Jahre  Kapellmeister  der  Kaiserin  -  Witwe 
£lisabeth  (nach  Kaiser  Ferdinand  IIL)  war  und  im  Anfange  des 
Jahres  1669  nach  Italien  zurückgieng^  Marc  Antonio  Ziani 
hatte  1698  das  Oratorium  II  Giudizio  di  Salomone  dem  Kaiser 
Leopold  L  zugeeignet,  wurde  nach  Antonio  Drag hi's  Tode  und 
der  Vorrückung  Ant.  Pancotti's  in  die  Kapellmeistersstelle  am 
1.  April  1700  zum  Vice  -  Kapellmeister  und  am  1.  Jänner  1712 
zum  Hofkapellmeister  ernannt.  Seine  musicalische  Thätigkeit  als 
Componist  von  Opern  und  Oratorien  hatte  schon  in  Venedig  um 
1679  begonnen*,  am  Hofe  in  Wien  gelangten*  von  1700  bis  1714 
von  ihm  7  Opern,  5  Serenaden  und  10  Oratorien  zur  Aufführung. 
In  den  Messen  und  zahlreichen  Kirchencompositionen  zeigte  er 
sich  als  tüchtiger  Gontrapunktist ,  was  ihm  auch  in  den  Oratorien 
wohl  zu  Statten  kam,  unter  denen  das  oben  erwähnte  Giudizio  di 
Salomone  durch  Feuer  und  glückliche  Auffassung  der  Charactere 
sich  auszeichnet.  In  minderem  Grade  ist  dies  in  seinen  Opern  und 
Serenaden  hervortretend,  wo  sich  manche  veraltete  Manier  breit 
macht  und  wenig  Interesse  des  Zuhörers  zu.  erregen  vermag. 
Vielleicht  hat  er  seinen  ausgezeichneten  Ruf,  der  ihm  von  Venedig 
vorausgieng,  dem  reicheren  Gehalte  seiner  früheren  Compositi- 
onen  zu  danken,  die  hier  nicht  bekannt  sind. 

Antonio  Lotti,  Organist  und  später  Kapellmeister  am 
Dome  von  S.  Marco  in  Venedig*,  war  aus  der  Schule  des  be- 
rühmten   Giovanni  Legrenzi  als    dessen    hervorragendster 

1  K.  k.  Hofbibl.  Mpt.  7654.  pag.  38.      * 

^Gerber  führt  von  seinen  früheren  CompoBitionen  an  vom  Jahre 
1679  Alessandro  magno  in  Sidone.   —  1680  La  Sinfa  bizarra.  —  Alcibiade. 

—  1683  Damira  placata  und  La  Virtü  mblimata  dal  Grande,  —  1685  Ttdlo 
OMio,  —  1688  Inganno  regnante,  —  1689  //  gran  Tamerlano^  —  1690  Cremite. 

—  1691  Fahirena.  Amante  Eroe.  Marte  deluso  und  La  Virtü  trionfante,  — 
1693  Rosalinda.  —  1694  Amor  figlio  del  merito  und  La  Moglie  nemica.  —  1696 
La  finta  Paztia  <f  Ulisse.  Domizio  und  Costanza  in  Trionfo.  —  1697  Odoardo. 
II  Giudizio  di  Salomone  nnd  Egisto,  —  1699  Amori  tra  gli  odi  und  //  Teodosio. 

—  1700  Duello  damore  e  di  Vendetta. 

3  Die  Opern  Beil.  VIII.  376.  386.  396.  403.  425.  460.  507.  —  Die  Ora- 
torien 380.  400.  414.  430.  443.  456.  470.  480.  485.  499.  —  Die  Serenaden 
411.  422.  423.  463.  506. 

^  £r  war  1667  geboren,  um  1684  Legrenzi^s  Schüler,  von  1693  Orga- 
nist und  von  1736  bis  zu  seinem  1740  erfolgten  Tode  Kapellmeister  am 
Dome  von  S.  Marco  in  Venedig.  (Dommer  Musikgeschichte.) 


Antonio  Lotti.  79 

Zögling  hervorgegangen.  Er  hatte,  wie  die  meisten  Italiener  jener 
Zeit,  für  die.  Kirehe,  Kammer  und  Bühne  gearbeitet,  worin  er  wie 
sein  Vorbild  AlessandroScarlatti,  Wahrheit  der  Empfindung, 
Lebhaftigkeit  des  Ansdrucks  mit  contrapunktischer  Gelehrsamkeit 
verband.  In  Wien  machte  er  sich  durch  seine  berühmt  gewordenen 
Duetti,  Terzetti  e  Madrigali  bekannt,  welche  er  1 705  in  prächtiger 
Ausgabe  dem  Kaiser  Josef  I.  widmete.  Es  sind  dieselben,  aus 
denen  Ginseppe  Bononcini  das  letzte  Madrigale  a  cinque 
In  una  siepe  umbrosa  in  England  fllr  seine  Composition  ausgab. 
—  In  Wien  wurden  von  Lotti  die  Oratorien  //  Vota  cmdele  im  Jahre 
1712  (Beil.  VIH  489)  und  UVmiltä  coronata  1714  (508),  dann 
auch  1716  die  grosse  Oper  Costantino  (522)  gegeben,  wozu  Fux 
die  Ouvertüre,  Caldaradie  komischen  Zwischenacte  schrieb. 
Wenn  das  dramatische  nicht  an  seine  Kirchen-  und  Kammercom- 
positionen reicht,  weil  ihm  die  Kraft  in  Darstellung  stärkerer 
Affeete  versagte ,  so  wird  man  doch  nirgends  die  Mannigfaltigkeit 
in  Erfindung  von  Melodien,  die  Eleganz  der  Form  und  die  durch 
die  contrapunktisehen  Studien  bedingten  harmonischen  Führungen 
vermissen;  so  wie  der  Meister  des  Gesanges  auch  in  ausgedehn- 
teren Coloraturen  nirgends  zu  verkennen  ist. 


VI. 

Kaiser  Karl  Tl.  und  sein  Hof  (1712-1740)  —  Fnx  wird  kaiserlicher 
UoflEapellmeister  (1715)  —  Seine  mnsicalische  Thätigkeit  (1714—1716) 
—  Darstellung  seiner  <^er  Angelica  (1716)  —  Ant*  Oaldara,  Tiee« 
HollRipellmeister  (1716—1786)—  Die  Hofeompositoren  Franeeseo  Conti 
(1718—1782)  —  «inseppe  PorsUe  (1720-171 


Ein  glücklicher  Feldzug  in  Spanien  war  eben  (1710)  been- 
det, als  König  Karl  III.  von  Spanien  durch  den  Tod  seines 
BruderS;  des  Kaisers  J  o  s  e  f  I.  genöthigt  war,  nach  Deutschland 
und  in  seine  Erbstaaten  zurückzukehren.  Nachdem  er  22.  Decem- 
ber  1711  in  Frankfurt  als  römischer  Kaiser  Karl  VI.  *  gekrönt 
worden  war,  hielt  er  am  26.  Jänner  1712  seinen  Einzug  in  Wien, 
das  von  dieser  Zeit  an  seine  bleibende  Residenz  wurde.  Er  nahm 
hinfort  auch  keinen  persönlichen  Antheil  mehr  an  den  kriegeri- 
schen Unternehmungen  und  widmete  seine  fiegententhätigkeit 
nur  den  Künsten  des  Friedens.  Das  Glück  schien  ihn  mit  allen 
Oaben  bedacht  zu  haben ,  welche  es  seinen  Günstlingen  aufbe- 
wahrt. Er  hatte  einnehmende  Gesichtszüge,  eine  edle  Haltung 
und  ein  gewnnendes  Wesen.  Schon  in  früher  Jugend  bewunderte 
man  die  Sanftmuth  seines  Characters,  die  Klarheit  seines  Ver- 
standes ,  mit  welchem  er  seinem  Studium  sich  hingab.  Er  besass 
das  ernste,  abgemessene  Wesen  seines  Vaters,  weshalb  er  auch 
dem  Herzen  desselben  theuer  war \  Äpostolo  Zeno  entwirft 
in  einem  Briefe  vom  20.  December  1722^  an  seine  Freunde  in 
Italien  folgende  Characteristik  von  ihm :  „Ein  Brief  ist  nicht  im 
Stande,  die  Würdigung  meines  Monarchen  zu  fassen.  Sein  grosses 
Herz ,  geschmückt  mit  jeder  Tugend ,  kann  man  nie  in  seinem 
ganzen  Umfange  vollständig  erkennen,  und  könnte  man  es,  so 
vermöchte  man  es  nie  genug  zu  bewundem  und  zu  lieben.  —  Ich 
erwähne  hier  nur,  dass  er  in  litterarischen  Dingen  bis  auf  den 

1  Geboren  1.  Oct  1685.  2  Arneth,  Prinz  Eugen.  I.  23.  3  Let- 
tere.  III.  361. 


Karl  VI.  und  sein  Hof.  81 

Onind  dringt^  and  sein  Gedächtniss  ist  so  tren,  dass  ich  öfter 
darüber  erstaunt  war.  Unter  anderen  erinnere  ich  mich,  dass 
als  wir  eines  Tages  im  Gespräche  auf  die  stoische  Philosophie 
kamen,  er  mir  ihre  Vorzüge  herzählte  und  die  Mängel  der  anderen 
Ethiker  bemerkte ,  indem  er  die  Beweisesstellen  mit  den  eige- 
nen Worten  des  Epictet  und  Seneca  anführte ,  dass  ich  meinte, 
er  müsse  diese  Schriftsteller  absichtlich  eben  erst  studiert  haben, 
während  er  mir  versicherte,  es  seien  bereits  vierzehn  Jahre,  dass 
er  sie  nicht  in  der  Hand  gehabt  habe.  Ausser  seiner  Muttersprache 
spricht  er  vollkommen  latein,  italienisch,  französisch,  castillanisch 
und  catalonisch;  bewahrt  sein  Seich  einen  dauernden  Frieden, 
so  werden  Künste  und  Wissenschaften  einen  kaiserlichen  Be- 
schützer an  ihm  haben. ^  —  Der.  Kaiser  war  auch  persönlich 
einer  der  emsigsten  Arbeiter :  nichts  glich  der  Aufinerksamkeit, 
womit  er  die  ihm  vorgelegten  Berichte  durchgieng  und  sie  oft 
mit  seitenlangen  Bandglossen  yersalf  K 

Wie  sehr  dem  Kaiser  die  Förderung  der  Wissen- 
schaffen  in  Oesterreich  am  Herzen  lag^  hatte  er  auch  durch 
die  Berufung  des  Historiographen  und  Poeten  Apostolo  Zeno 
bewiesen,  femer  durch  seine  Bemühungen,  den  Philosophen 
Leibnitz  fttr  Oesterreich  wegen  Gründung  einer  „Socieföt"  der 
Wissenschaften  in  Wien  zu  gewinnen,  welcher  Plan  zwar  nicht 
zur  Wirklichkeit  wurde,  den  Kaiser  aber  nicht  hinderte,  Leibnitz 
als  Anerkennung  seines  wissenschaftlichen  Verdienstes  zum 
Reichshofrath  mit  einer  Pension  von  2000  Gulden  zu  ernennen 
und  in  den  Freiherrenstand  zu  erheben'.  Seiner  besonderen 
Gunst  erfreuten  sich  femer  die  beiden  gelehrten  Geschichts- 
forscher Bernhard^  und  Hieronymus  Pez^,  Conventualen 
des  Benedictinerstiftes  Melk,  mit  denen  ebenfalls  wegen  einer 

1  Arneth,  Prinz  Engten.  III.  156.  *  <  Unter  den  Förderern  des  Planes 
zur  Societ&t  der  Wissenschaften  g^ehOrte  auch  Prinz  Eugen,  der  1714  in 
ein  näheres  V erb&ltniss  zu  Leibnitz  getreten  war.  (0 1 1  o  K 1  o  p  p.  Archiv  für 
österr.  Gesch.  XL.  p.  154—255.')  Prinz  Eugen  bewahrte  das  Manuscript  der 
li  Monadologie^ j  das  Leibnitz  eigens  für  ihn  aufgesetzt  hatte,  wie  ein  Kleinod 
in  einem  besonderen  Kästchen.  (A  r  n  e  t  h ,  Prinz  Eugen.  III.  60  f.)  ^  Geb. 
22.  Febr.  1683  zu  Ips,  gest.  27.  März  1735.  ^  Geb.  24.  Febr.  1685,  gest. 
14.  Oct.  1762.  Ueber  ihr  Wirken  schreibt  J.  F.  Keibiinger,  Gesch.  des 
Benedictiner  Stiftes  Melk.  I.  966  ff. 

Köeh9l,  J.  J.  Fox.  6 


82  Karl  VI.  und  Bein  Hof. 

Academie  der  Wissenschaften  berathen  wurde.  Die  Vennehrung 
der  kaiserlichen  Bibliothek  unter  seinem  verdienten  Bibliothekar 
Gentilotto*  war  nicht  minder  ein  Gegenstand  seiner  Vorsorge 
und  durch  den  Prachtbau  der  Hofbibliotbek  wurde  nebst  der  An- 
erkennung des  Werthes  wissenschaftlicher  Werke  zugleich  eine 
Zierde  der  Hauptstadt  geschaffen ,  welche  diesem  Kaiser  ausser- 
dem eine  Reihe  von  Monumentalbauten  verdankt. 

Gleich  seinem  Bruder  Josef  I.  hielt  Kaiser  Karl  VI.  einen 
glänzenden  Hofstaat.  Ein  Blick  in  das  bewegte  Treiben  des 
damaligen  Lebens  am  Hofe  ist  ausser  dem  allgemeinen  cultur- 
historischen  Interesse  auch  für  die  musikgeschichtliche  Entwick- 
lung in  Oesterreich  von  Belang. 

Der  jährliche  Wechsel  des  Hofhaltes  in  der  Burg,  in  Laxen- 
burg  und  in  der  Favorita  wurde  regelmässig  eingehalten ,  indem 
man  gegen  Ende  April  nach  Laxenburg,  Ende  Juni  in  die  Favo- 
rita^ Ende  October  in  die  6nrg  übersiedelte.   Damit  zusammen 
Mengen  auch  die  Darstellungen  der  verschiedenen  musicalischen 
Productionen,  je  nachdem  einGeburts-  oder  Namensfest  mit  einem 
oder  dem  anderen  Aufenthaltsorte  zusammenfiel.  —  lieber  einige 
Verhältnisse  bei  Hofe  und  in  den  höheren  Kreisen  der  Gesell- 
schaft schreibt  der  feine  Beobachter  Baron  Ludwig   Pöll- 
nitz^,  der  in  den  Jahren  1719  und  1729  sich  länger  in  Wien 
bewegte:   ^Man  findet  an  diesem  Hofe  mehr  Annehmlichkeiten, 
als  in  Paris  und  London,  was  die  Leichtigkeit  betrifft,  Bekannt- 
schaften zu  machen.  Hat  man  sich  bei  Hofe  vorgestellt,  und  ist 
nur  in  einem  einzigen  Hause  eingeführt ,  so  ist  man  es  auch  bald 
in  allen  andern,  und  hat  den  Vortheil,  dass  man  dort  überall 
deutsch,  französisch,  italienisch  und  spanisch  spricht;  deutsch 
kann  man  leicht  entbehren.  Die  Minister  und  grossen  Herren  am 
Hofe  sind  höflich  und  anständig,   auch  leicht  zugänglich.    Der 
Kaiser  ist  in  der  öffentlichen  Erscheinung  ernst  und  scheint  denen 
streng,  die  ihn  nicht  näher  kennen.  Dessungeachtet  ist  er  leicht 
umgänglich  und  herablassend.   Spricht  man  mit  ihm,  so  hört  er 
aufmerksam  zu  und  antwortet  mit  vieler  Güte."    Das  prächtige 
Theater  in  der  Burg  hebt  auch  er  hervor. 

lApost.  Zeno,  lettere.  III.  p.  20.      2  Mömoires.  Nouv.  6dit.  1734. 
III.  p.  287  flf. 


Karl  VI.  und  sein  Hof.  83 

Zu  den  bedeatendsten  nächisten  Umgebungen  des  Kaisers, 
welche  zugleich  die  Hauptmittelpunkte  der  Geselligkeit  yorstellten, 
gehörten  ausser  den  unter  Kaiser  Josef  I.  erwähnten  Personen 
Graf  Friedrich  Karl  von  Schönborn,  Reichs-Vicekanz- 
1er,  ein  Mann  von  ungemein  bestechenden  Umgangsformen.  Nie- 
mand glich  ihm  in  Wien  an  forstlichem  Aufwände  und  Entfaltung 
glänzendster  Pracht ;  allgemein  pries  man  den  Geschmack  seiner 
Bauten  und  den  Luxus  bei  zahlreichen  Festen  K  —  Prinz  Eugen 
kannte  keine  willkommenere  Erholung  von  seinen  zahlreichen 
Geschäften,  als  die  Gesellschaft  eines  Kreises  von  Fi'eunden, 
unter  denen  die  Gräfin  Batthyany,  des  geistvollen  Hofkanz- 
lers Strattmann  gleichbegabte  Tochter,  den  ersten  Rang  ein-, 
nahm,  in  deren  Cirkel  er  niemals  zu  fehlen  pflegte*. 

Im  Winter  und  zur  Faschingszeit  kamen  ausser  den  Hof- 
bällen regelmässig  komische  italienische  Opern,  Bur- 
lesken des  Adels  und  Maskeraden  an  die  Reihe,  wobei  die 
Faschingswirthschaft  oder  Bauernhochzeit  niemals 
fehlen  durfte ,  in  welcher  der  Kaiser  den  Wirth  zum  schwarzen 
Adler,  die  Kaiserin  die  Wirthin  vorstellte.  Aehnliche  Costüme- 
bälle  fanden  auch  bei  den  Gesandten  der  fremden  Mächte  und 
bei  verschiedenen  hohen  Würdenträgern  statt.  Ebenso  erhielten 
sieh  aus  früheren  Zeiten  die  prachtvollen  Schlittenfahrten,  als 
eine  willkommene  Gelegenheit,  in  Pferden,  Schlitten  und  Gefolgen 
einen  reichen  Prunk  zu  entfalten. 

Mit  besonderer  Vorliebe  trieb  der  Kaiser  die  Jagd,  das 
Scheibenschiessen  und  mehr  noch  als  beides  die  Musik.  Fuchs- 
prellen ,  Dachshetzen ,  Jagden  auf  Wildschweine,  Hirsche  und 
anderes  Rothwild,  Fasanen,  die  Reigerbeizen,  ein  Hauptzweig  der 
eifrig  betriebenen  Falknerei ,  werden  in  regelmässiger  Folge  das 
ganze  Jahr  hindurch  gepflegt ,  auch  Bären  und  Wölfe  bisweilen 
in  den  nächsten  Umgebungen  Wiens  gefällt,  wobei  die  Kaiserin 
den  Kaiser  gewöhnlich  begleitete  ^. 

1  A rn e t h ,  Prinz  Eugen.  II.  358.    «  A r n e  t h ,  Prinz  Eugen.  III.  39.  f. 

3  Den  Freunden  des  Jagdsports  sei  aus  dem  Wiener  Diarium  Jener 
Zeit  mitgetheilt,  dass  1713  ein  Bär  im  Erdbergermoos,  1715  ein  solcher  in 
Hntteldorf  und  1717  einer  bei  Gainfarn  gefällt,  und  1733  sechs  Wölfe  bei 
Laab  erlegt  wurden. 

6* 


84  Karl  VI.  und  sein  Hof. 

Das  Vergnügen  des  Scheibenschiessens,  das  in  der  Bnrg,  in 
der  Favorita,  in  Laxenburg  und  Schönbrunn  durch  das  ganze  Jahr 
sich  oft  wiederholte,  wurde  ebenfalls  von  der  Kaiserin  getheilt 
und  diese  hielt  mit  den  Damen  auch  besondere  Sehiessen  ab, 
welche  ^^Frauenzimmerschiessen"  genannt  wurden,  und  woran 
die  Herren  keinen  Antheil  nahmen. 

Die  Kaiserin  Elisabeth  aus  dem  Hause  Braunschweig- 
Wolffenbüttel  entwickelte  sich  nach  ihrer  Vermählung  (damals 
16  Jahre  alt)  zu  einer  der  sch()nsten  und  edelsten  Frauen  ihrer 
Zeit.  Lady  Mary  Wortley  -  Montague  sagt  von  ihr^* 
„Wenn  sie  lächelt,  so  geschieht  dies  mit  solchem  Liebreiz,  dass 
sie  in  der  That  zur  Anbethung  zwingt.  Um  von  ihrer  Gestalt  zu 
reden,  muss  die  Sprache  der  Dichter  zu  Hilfe  genommen  werden.^ 
So  wie  sie  durch  ihre  äussere  Erscheinung  bezauberte,  so  wusste 
sie  auch  durch  Bildung  des  Geistes  und  seltene  Eigenschaften  des 
Gemttthes  dauernd  zu  fesseln.  In  Wien,  wie  in  Barcelona,  wohin 
sie  ihrem  Gemahle  in  den  Krieg  gefolgt  war,  hatte  sie  alles  in 
Enthusiasmus  versetzt  K 

FöUnitz  sagt  (Mäm.  1.  c.  Lettre  XU.)  von  ihr:  „die  Kaiserin 
ist  wahrhaft  fromm  ohne  Gepränge,  wohlthätig  und  grossmtlthig. 
Die  Erzherzoginen ,  ihre  Töchter  erzieht  sie  äusserst  sorgfältig ; 
die  älteste  Erzherzogin,  Maria  Theresia  wird  mit  Aussicht 
auf  den  Thron  erzogen.  Sie  hat  viele  Aehnlichkeit  im  Aeusseren 
mit  ihrer  Mutter,  möge  sie  ihr  auch  in  ihren  Tugenden  gleichen^^ 
•  Die  ausgesprochene  Neigung  des  Kaisers  fllr  Musik  war 
nicht  nur  im  väterlichen  Hause  K.  Leopold  I.  geweckt  und  genährt 
worden,  sondern  wurde  auch  durch  seine  natürliche  Anlage  zu 
dieser  Kunst  wesentlich  unterstützt.  Er  hatte  gründlichen  Unter- 
richt darin  erhalten,  spielte  selbst  Ciavier,  „wie  ein  Professor  mit 
Meisterschaft^  '  und  versuchte  sich  auch  in  der  Composition,  von 
welcher  eine  Probe,  ein  gutgearbeitetes  Miserere  für  vier  Sing- 
stimmen und  Begleitung '  in  der  kaiserlichen  Hofbibliothek  sich 
befindet,  und  das  gewöhnlich  am  Freitage  nach  dem  Aschermitt- 
woche in  der  Hofkapelle  gegeben  wurde*.  Da  er  euch  mitFertig- 

1  Im  Jahre  1726.  Letters.  p.  29.  ^  Arneth,  Prinz  Engen.  U.  181. 
^Apost.  Zeno,  Lettere.  III.  p.  446.  ^Kil.  Beinhardt,  Ruhr.  gen.  in 
Köchel,  Hofmusikkap.  p.  137. 


E  a  r  1  VI.  und  sein  Hof.  8  5 

keit  Partituren  las,  so  stellte  er  sich  wiederholt  an  die  Spitze  des 
Orchesters  nnd  dirigierte  am  Ciavier  mehrere  Opern,  so  die  Oper 
Euristeo  von  Caldara  und  Elisa  von  Fax. 

Ueberall  bei  Krönungen,  Huldigungen,  Regentenreisen  in 
Prag ,  Presburg ,  Linz ,  Gratz,  Brttnn  u.  s.  w.  musste  nicht  blos 
wegen  kirchlicher  Functionen,  sondern  auch  wegen  theatralischer 
Darstellungen  die  treffliche  Hof-Musikkapelle  zur  Hand  sein,  um 
den  Grlanz '  der  Feste  zu  erhöhen.  In  Wien  war  dies  begreiflich 
in  erhöhtem  Masse  der  Fall,  wo  die  Oeburts-  und  Namensfeste 
der  regierenden  Majestäten,  die  Vermählungen  und  ähnliche  Ver- 
anlassungen niemals  ohne  grosse  Opern  oder  kleinere  Serenaden 
und  Cantaten  vortlbergiengen. 

In  der  Oper  und  Comödie,  schreibt  PöUnitz  (M6m.  V.  44  f.), 
sitzen  die  Majestäten  im  Parterre,  der  Kaiser  nimmt  den  ersten 
Platz  ein,  die  Kaiserin  ihm  zur  Linken,  die  Erzherzoginen  in 
gleicher  Reihe.    Alle  diese  Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie 

m 

haben  Lehnstühle  derselben  Grösse  und  Höhe  mit  einem  Gueri- 
don  rückwärts,  auf  welchem  ein  Kerzenleuchter  steht. 

Es  war  dem  Kaiser  besonders  angenehm,  wenn  seine  eigenen 
Töchter,  die  Erzherzoginen  Maria  Theresia  und  Maria 
Anna  im  Ballete  mitwirkten  und  oft  auch  selbständig  eigens 
flir  sie  compoüierte  Cantaten  *  ihren  Eltern  vortrugen.  Diese  viel- 
fachen Anregungen  waren  auch  bei  dem  übrigen  Hofe  und  den 
ersten  Familien  des  Reiches  nicht  ohne  Einfluss  geblieben ,  denn 
wenn  der  Kaiser  einige  von  ihnen  auf  ihren  Landsitzen  besuchte, 
so  wusste  man  ihn  nicht  besser  zu  ehren  und  zu  vergnügen ,  als 
durch  eine  mit  Musik  verbundene  Darstellung '.  Der  Adel  betrieb 
mit  Eifer  nicht  blos  Vocalmusik,  sondern  auch  die  verschiedensten 
Instrumente ,  so  dass  die  Oper  Eurüteo  ausschliesslich  von  Per- 
sonen des  höchsten  Adels  in  den  Singparten  ebensowohl,  als  der 
ganzen  Orchesterbegleitung  bei  Hofe  gegeben  werden  konnte. 

Ungeachtet  der  bei  der  Reformierung  der  Hofkapelle  im 
Jahre  1711  eingetretenen  Verminderung  des  Personenstandes  der 
Hofkapelle  bis  86  steigerte  sich  der  Bedarf  bei  der  grossen  Ent- 
wicklung der  Oper  so  sehr,  dass  in  beständigem  Zunehmen  begriffen 
im  Jahre  1723  der  Stand  der  Hofmusiker  bis  134  sich  erhob  und 

1  Vergl.  Beil.  VIIL  669.  672.  685.  726.  732.  735.  739.    «  Beil.  VUI.  701. 


86  Karl  VI.,  Hofkapelle. 

bis  zum  Jahre  1 740  niemals  weit  davon  entfernte.  Für  die  Oper 
wurden  die  besten  Sänger  und  Sängerinen  aus  Italien  unter 
glänzenden  Bedingungen  berufen  und  mehrere  davon  auch  bleibend 
an  der  Hofinusikkapelle  angestellt.  Die  Instrumentalmusik  hatte 
schon  Mher  den  Ruf  einer  der  vorzüglichsten  in  Europa  errungen 
und  der  Kaiser  war  bemüht ,  die  alternden  Kräfte  durch  junge, 
gutgeschulte  aufzufrischen:  der  Teorbist  Francesco  Conti, 
die  Organisten  J.  G.  Muffat,  J.  Franz  Neubauer,  die 
Violinisten  Nie.  Matteis,  Angelo  Ratas^zi,  Giov.  Ant. 
Piani,  der  Violoncellist  Giov.  Perroni,  der  Cimbalist  Max 
Hellmann,  die  Oboisten  in  der  Familie  Gl  ätz  1,  die  Posauni- 
sten der  Familie  Christian  konnten  sänimtlich  als  Virtuosen 
ersten  Ranges  gelten,  vieler  anderer  nicht  zu  gedenken,  die  in 
anderen  Kapellen  als  erste  Meister  ihres  Instrumentes  betrachtet 
worden  wären.  Ebenso  war  der  Kaiser  ungeachtet  mehrfacher 
Fehlgriffe  in  den  Personen  immer  wieder  bedacht,  für  die  Aus- 
bildung junger  Talente  durch  das  Institut  der  Hofscholaren 
öfter  mit  grossen  Opfern  Sorge  zu  tragen.  Von  der  Ueberzeugung 
ausgehend,  wie  viel  bei  einer. so  grossartigen  Kunstanstalt,  um 
das  präciseZusanunenwirken  zu  erzielen,  von  der  obersten  Leitung 
durch  einen  oharacterstarken  und  kunsterfahrenen  Mann  abhänge, 
schenkte  der  Kaiser  sein  wohlbegrttndetes  Vertrauen  ohne  zu  wan- 
ken bis  an  das  Ende  seines  Lebens  seinem  hochverdienten  und  be- 
rühmten Hofkapellmeister  Fux,  welcher  ungeachtet  seiner 
weit  vorgerückten  Jahre  und  chronischen  Leiden  den  Ruhm  der  ihm 
anvertrauten  Kapelle  zu  bewahren  verstand.  Ihm  würdig  zur 
Seite  stand  als  Vicekapellmeister  und  Componist  Antonio  Cal- 
dara,  ein  Mann  von  seltener  Begabung  und  Schlagfertigkeit, 
welcher  die  hohe  Gunst  des  Monarchen  mit  Francesco  Conti, 
seinem  ebenbürtigen  Eunstgenossen,  theilen  durfte. 

Der  tüchtige  Hofkapellmeister  Marc  Antonio  Ziani  war 
am  22.  Jänner  1715  gestorben,  es  lag  daher  nahe,  dass  sein 
bisheriger  Vicekapellmeister  J.  J.  Fux,  der  bereits  von  drei 
Kaisem  mit  Auszeichnung  behandelt  worden  war,  sich  um  die 
erledigte  Stelle  in  Competenz  setzte.  Das  Referat  des  Oberst-Hof- 
meisteramtes vom  7.  Februar  1715^  theilt  die  Verhandlung  über 

1  Beil.  n.  6. 


F  u  X  wird  Hofkapellmeister  des  Kaisers.  8  7 

die  Verleihung  in  folgender  Weise  tfiit:  „Ener  kais.  Majestät 
Vicekapellmeister  Johann  Josef  Fax  bittet,  anstatt  des  ver- 
storbenen Marco  Antonio  Zfani  als  Euer  kais.  Majestät 
wirklicher  Kapellmeister  aufgenommen  zn  werden  mit  der  beson- 
deren allerhöchsten  Gnade,  dass,  wie  er  jetzt  von  Ener  kais. 
Majestät  als  Vicekapellmeister  jährlich  1600  fl.  und  nebstbei  als 
Ihrer  Majestät  der  verwittibten  Kaiserin  Amalie  Kapellmeister 
andere  1500  fl.,  also  in  allem  zn  wirklicher  Hofbesoldnng  3100  fl. 
angewiesen  hat,  also  ihm  solche  bei  der  allerh()chst  beliebten 
Aufnahme  als  Ener  kais.  Majestät  Kapellmeister  allermildest 
gewährt  werden  möchten.  Nun  sind  Euer  kais.  Majestät  des 
Snpplicanten  Person,  Capacität  nnd  Merita  also  bekannt,  dass 
man  derentwegen  auch  das  geringste  femer  zu  allegieren  für 
Überflüssig  hält^  daher  es  bei  dessen  allergnädigst  resolvierten 
Aufnahme  blos  aof  die  ihm  dabei  zuzulegende  Hofbesoldung 
ankommt.  In  Betracht,  dass  desselben  gegenwärtig  genossene 
doppelte  Hofbesoldung  3100  fl.,  also  um  600  fl.  mehr  Ji)eträgt  als 
die  alleinige  ordinäre  Kapellmeisterbesoldung  von  2500  fl.  und 
solchergestalt  bei  der  ihm  widerfahrenden  kais.  Gnade  der 
wirklichen  Aufnahme  mit  der  bisherigen  Kapellmeisterbesoldung 
ihm  in  utili  jährlich  600  fl.  entgiengen,  so  räth  der  Obersthof- 
meister, dass  im  Falle  der  Aufnahme  ihm  3100  fl.  bewilligt  wer- 
den könnten,  wovon  aber  wegen  übler  Gonsequenzen  nur  2500  fl. 
als  Besoldung,  600  fl.  als  A^juta  nicht  auf  den  Dienst ,  sondern 
fttr  die  Person  ausgeworfen  werden  sollten. 

Des  Kaisers  eigenhändige  Resolution  lautete : 

„Placet" 

Carl  m./p. 

Demg^näss  erhielt  Fux  die  Ausfertigung  seines  Anstellungb- 
decretes  vom  8.  März  1715*,  nach  welchem  er  von  den  600  fl. 
Adjuta  den  üblichen  Abbruch  des  ersten  Quartals  sich  gefallen 
lassen  sollte,  wovon  ihn  aber  das  spätere  Decret  vom  18.  März 
1 7 15  *  dispensierte. 

lieber  die  feierliche  Vorstellung  des  neuen  HofkapeUmeisters 
bei  seiner  Hofkapelle  enthält  das  Wiener  Diarium  vom  16.  Hor- 
nung    1715'    folgenden    ungewöhnlich    ausführlichen   Artikel* 

1  Beil.  n.  8.      2  Beü.  IL  9.      »  Beil.  n.  7. 


88  Fux,  Hofkapellmeister  des  Kaisers. 

^Nachdem  bekanntermasSen  der  kais.  Kapellmeister,  Herr 
Marco  Antonio  Ziani  dahier  mit  Tod  abgegangen,  als 
haben  Ihre  römisch-kaiserliche  und  katholische  Majestät  Dero 
Vicekapellmeister,  dann  Ihrer  Majestät  der  letztverwittibten 
Kaiserin  Wilheltnina  Amalia  Kapelhneister ,  Herrn  Jobann 
Joseph  Fuchs  (sie)  die  erledigte  Kapellmeisterstelle  in  aller- 
mildester  Ansehung  seiner  langwierig-  und  unermttdet-.  treuge- 
horsamst-geleisteten  Dienste,  wie  nicht  weniger  in  der  Musik-Kunst 
erlangten  fUrtrefflichen  Erfahrenheit  allergnädigst  aufgetragen, 
welchemnach  allerhöchst- gedacht  -  kaiserlich  und  Katholischer 
Majestät  wirklicher  Geheimer  Rath  und  Obristhofineister,  Ihre 
Durchlaucht,  Herr  Anton  Florian,  des  heil,  römischen  Reichs 
Fttrst  von  und  zu  Liechtenstein,  Herzog  zu  Troppau 
und  Jägemdorf,  Ritter  des  goldenen  Vliesses  und  Grand  von 
Spanien  erster  Glasse ,  den  neuen  Herrn  Kapellmeister  nach  zu- 
Tor  abgelegter  Eidespflicht  den  gesammten  Herrn  Hofinusicanten 
g^wöhnlichermaassen  vorgestellet.^ 

Aus  dem  entschiedenen  Tone,  welchen  der  Obersthofmeister 
in  seinem  Referate  anschlägt,  lässt  sich  entnehmen,  dass  er  die 
Beförderung  del^  Mannes  von  so  bekannter  Capacität  und  solchen 
Meriten  zum  Hofkapelhueister  als  eine  unzweifelhafte  Sache  an- 
nahm. Damit  hatte  nun  Fux  die  ehrenvollste  Stellung  erreicht, 
die  zu  jener  Zeit  ein  Künstler  erreichen  konnte.  Noch  ehrenvoller 
ftlr  ihn  erscheint  sie  dadurch,  dass  er  sie  seinem  Verdienste  zu 
verdanken  hatte ,  das  schwierigere,  sich  darin  mit  Ehren  zu  be- 
haupten, erwartete  ihn  erst  noch  —  und  wie  die  Erfahrung  lehrte, 
wusste  er  sich  mit  allen  Ehren  zu  behaupten. 

Von  der  Auffassung  seiner  Stellung  g^ben  das  reichhaltigste 
^eugniss  die  zaldreichen  Gutachten,  welche  er  als  Hofkapell- 
meister von  1715  bis  1740  ttber  die  ihm  untergebenen,  oder  die 
erst  anzustellenden  Musiker  oder  ihre  Angehörigen  an  das  Oberst- 
Hofmeisteramt  zu  erstatten  hatte.  Den  Geist  des  Pflichteifers,  der 
Ehrenhaftigkeit  und  Humanität,  welcher  sich  darin  ausspricht, 
werden  wir  am  Schlüsse  seines  Kapellmeisteramtes  näher  kennen 
zu  lernen  Gelegenheit  haben. 

Wenn  wir  wieder  zur  Chronik  seiner  musicalischen  Thätig- 
keit  zurückkehren,  so  haben  wir  aus  dem  Jahre  1714  die  Sere- 


F  u  x^  Oper  Angelica.  8  9 

nade  Dafne  in  Lauro,  Text  von  P.  Pariati  ^  und  das  ausgezeich- 
nete Oratoriam  La  Fede  sacrüega  nella  morte  del  precursor 
S.  Giovanni  Battista  ^  Text  desselben  Verfassers  naehzntragen.  In 
das  Jahr  seiner  Ernennung  zum  Hofkapellmeister  (1715)  fielen 
nach  den  Texten  P.  Pariati's  die  Serenade  Orfeo  ed  Euridice^ 
nebst  dem  energischen  Oratorium  La  Donna  forte  nella  madre  de' 
sette  Maccabei^. 

Im  Jahre  1716  sind  die  beiden  Oratorien  //  Trionfo  della 
fede^  und  //  Fonie  della  saluie  aperto  dalla  grazia  del  Calvario^j 
ausserdem  die  Ouverttlre  zu  A.  Lotti's  Oper  CosianHno', 
endlich  seine  eigene  grosse  O^er  Angelica  vincitrice  d'Alcina^ 

■ 

Text  von  P.  Parjati  zu  verzeichnen,  welche  letzte  in  der  Favo- 
rita  mit  vielem  Prachtaufwande  gegeben  wurde. 

Die  grösseren  musicalischen  Feste/  welche  in  die  Zeit  des 
Aufenthaltes  des  Hofes  in  der  Favorita  fielen,  wurden  gewöhnlich 
im  Freien  in  dem  weitläufigen  Parke  dieses  Schlosses  abgehalten, 
wozu  meistens  auch  ein  ansehnlicher  Teich  benutzt  wurde,  der 
zur  Entwicklung  von  überraschenden  Decorationen,  Maschinerien, 
Seegefechten  und  Femsichten  die  passendste  Gelegenheit  both. 
Es  ist  interessant,  die  gleichzeitige  Schilderung  des  Eindruckes 
eines  solchen  Festes  von  einer  gebildeten  englischen  Dame 
darüber  zu  vernehmen.  Die  Veranlassung  zu  dieser  Festoper  der 
eben  erwähnten  Angelica  vincitrice  d"  Akina,  die  am  21.  Septem- 
ber 1716  zur  AufflOhrung  kam,  war  die  glückliche  Entbindung 
der  regierenden  Kaiserin  von  einem  langersehnten  Thronerben 
(Erzherzog  Leopold)  am  13.  April  desselben  Jahres.  Die  Stim- 
mung in  Wien  war  über  dieses  Ereigniss  allgemein  eine  gehobene, 
noch  erhöht  durch  die  Nachricht  eines  Sieges  des  Prinzen  Eugen 
über  die  Türken  bei  Peterwardein  (5.  August).  Der  Textverfasser 
P.  Pariati,  so  wie  der  Componist,  der  neueruannte  Hofkapell- 
meister Job.  Jos.  Fux  thaten  ihr  Möglichstes,  sie  scheinen  aber 
beide  durch  die  Kunst  des  Decorateurs  und  Tanzmeisters  über- 
bothen  worden  zu  sein.  Das  Textbuch,  welches  mit  sechs  Kupfer- 
stichen in  Grossfolio  illustriert  ist,  zählt  als  Haupt-Decorationen 
auf:    Im  ersten  Acte:   eine  prachtvolle  Zauberburg  der  Alcina, 

1  Beil.  Vni.  504.  «  Beil.  VUI.  509.  »  Beil.  VIII.  513.  *  Beil.  VUI. 
Ö16.  »  Beil.  Vm.  524.  e  Beil.  Vin.  526.  ^  Beil.  VIU.  522.  «  Beil.  VIU. 
520. 


90  Die  Oper  Angelica. 

sie  wird  ganz  beleuchtet  und  man  sieht,  dass  sie  über  einem 
reichen  Bergwerke  von  Gold  und  Edelsteinen  errichtet  ist.  Im 
zweiten  Acte :  Zwei  unbewohnte  Inseln,  grauenvoll  und  besetzt 
von  verschiedenen  scheusslichen  Ungeheuern.  Sie  sind  durch 
einen  Canal  getrennt  und  in  der  Feme  sieht  man  einen  grossen 
Meerbusen,  der  von  vielen  Schiffen  erfüllt  ist,  in  der  Mitte  einen 
Felsen  in  Gestalt  einer  Klippe,  aus  welcher  viele  Flammen  heraus- 
brechen. Im  dritten  Acte:  Ansicht  der  seligen  Eilande,  alle  mit 
grünen  Rasen  und  Blumen  geschmückt  und  Transparenten  von 
schwebenden  Gärten,  und  von  häufigen  Lorbem  durchschnitten. 
....  Femer  wird  erwähnt  ein  Tanz  der  Furien,  ein  Kampf  der 
Krieger  des  Ruggiero  mit  den  Wilden,  ein  Tanz  der  Ritter  und 
der  Helden  u.  dgl. 

Der  Aufführung  dieser  Zauberoper  wohnte  die  geistreiche 
Lady  Mary  Wortley-Montague  bei  und  berichtet  darüber 
am  14.  September  1716  aus  Wien  an  Alexander  Pope*:  „Der 
englischen  Kirchenzucht  bin  ich  in  der  That  so  abtrünnig  gewor- 
den, dass  ich  letzten  Sonntag  die  Oper,  welche  im  Garten  der 
Favorita  aufgeführt  wurde,  besuchte,  und  mich  so  sehr  daran 
ergötzte,  dass  mir  noch  keine  Reue  angekommen  ist,  sie  gesehen 
zu  haben.  Nichts  von  dieser  Art  kann  jemals  prächtiger  gewesen 
sein  und  ich  kann  es  wohl  glauben  was  man  sagte,  nämlich, 
dass  die  Decorationen  und  Kleider  dem  Kaiser  30.000  £.  ge- 
kostet haben.  Die  Bühne,  die  über  einen  breiten  Canal  erbaut 
war,  wurde  beim  Anfange  des  zweiten  Actes  in  zwei  Theile  ge- 
theilt,  so  dass  man  das  Wasser  erblickte,  auf  welchem  unmittel- 
bar an  verschiedenen  Seiten  zwei  Flotten  von  vergoldeten  kleinen 
Schiffen  erschienen ,  die  ein  Seetreffen  vorstellten.  Es  ist  nicht 
leicht,  sich  in  Gedanken  einen  Begriff  von  der  Schönheit  dieses 
Auftrittes  zu  machen,  der  sich  meinem  Gedächtnisse  besonders 
eingeprägt  hat,  obwohl  das  Uebrige  in  seiner  Art  ebenfalls  voU- 
'  kommen  schön  war.  Die  Geschichte  der  Oper  ist  die  Zauberei 
der  Alcina,  welche  treffliche  Gelegenheit  Weihet  zum  Gebrauche 
mannigfaltiger  Maschinen  und  Verwandlungen,  die  mit  über- 
raschender Schnelligkeit  beschafft  wurden.  Das  Theater  ist  so 
gross,  dass  es  dem  Auge  schwer  wird  darüber  hinaus  zu  schauen 

t  Letters  of  the  R.  H.  Lady  M-y  W-y  M-e.  Berlin  1790.  p.  24.  f. 


Antonio  Caldara.  91 

nnd  die  Costüme  sind  Ton  der  änssersten  Pracht.  Kein  Hans  wäre 
gross  genng;  diese  weitläufigen  Anstalten  za  fassen,  nur  sind  die 
Damen,  die  in  freier  Luft  sifzen  mttssen ,  grossen  Unbequemlich- 
keiten ausgesetzt,  denn  es  ist  blos  ein  einziger  Baldachin  für  die 
kaiserliche  Fandlie  da,  und  als  bei  der  ersten  AufiFIlhrung  ein 
R^enschauer  einfiel,  so  ward  die  Oper  unterbrochen  und  die 
Gesellschaft  drängte  sich  in  solcher  Verwirrung  davon,  dass  ich 
beinahe  todtgedrttckt  worden  wäre.^ 

Bald  nach,  der  Ernennung  des  Fux  zum  HofkapeUmeister 
folgte  die  Berufung  Antonio  Caldara 's  zum  Vicekapell- 
meister,  welche  beide  mit  Francesco  Conti  und  später  mit 
Giovanni  Porsile  zusammenwirkend  die  Glanzperiode  der 
kais.  Hof-Musikkapelle  begründeten,  und  in  ihren  Leistungen 
hier  betrachtet  werden  soUen. 

Antonio  Caldara,  geboren  zu  Venedig  um  1670,  gestor- 
ben in  Wien  28,  December  1736*,  66  Jahre  alt  (Wr.  Diar.)  kam 
von  Venedig  nach  Bologna  und  Mantua  und  hatte  durch  seine 
Compositionen  besonders  für  die  Btthne,  von  denen  auch  mehrere 
bereits  am  Hofe  in  Wien  gegeben  wurden',  einen  so  bedeutenden 
Kamen  sich  erworben,  dass  er  im  J.  1715  vou^K.  Karl  VI.  als 
Vice-Hofkapellmeister  nach  Wiön  berufen  wurde.  Caldara  folgte 
diesem  Rufe  und  war  vom  1.  Jänner  1716  bis  zu  seinem  Ableben 
in  dieser  Anstellung  neben  Fux,  der  ihn  als  Hofkapelhneister 
noch  fünf  Jahre  überlebte.  Während  seiner  zwanzigjährigen 
Dienstleistung  in  Wien  entwickelte  er  eine  seltene  Thätigkeit, 
von  welcher  die  Partituren  von  37  grossen  Opern,  26  Serenaden 
und  29  Oratorien^,  ganz  abgesehen  von  seinen  nicht  minder  zahl- 

^  Nicht  wie  Gerber  nnd  nach  ihm  Fötis,  Dommer  u.  v.  a.  Bchrel- 
ben,  ist  Caldara's  Todesjahr  1763,  sondern  1736. 

2  Vor  Caldara's  Ankunft  wurde  in  Wien  von  seinen  Compositionen 
gegepen :  BeU.'  VIÜ.  464.  466.  490.  491.  497.  507.  510.  —  Fötis  gibt  als 
frühere  Compositionen  überhaupt  an:  Argene  (Venedig  1689),  Tir$i  (II  Act. 
Venedig  1696),  Le  Promesse  serbate  (Venedig  1697),  Farnace  (ebd.  1703),  // 
Selvaggio  i^roe  (1709),  Parteuope  (1706),  Sofonüba  (1708),  U  Ininäeo  gewsrosöy 
(Bologna  1799),  CostamS  in  amore  (Macerata  1711),  Aienaide  (Rom  1711), 
Tito  e  Berenice  (Rom  1714),  //  Ricco  EpuUme  (Vened.),  //  Oiubiio  di  Salta 
(1717  Salzburg). 

3  Die  Opern  Beil.  VUI.  466.  507.  530.  533.  542.  550.  553.  572.  575. 
581.  586.  604.  605.  607.  614.  617.  624.  629.  637.  638.  641.  646.  649.  656.  659. 


92  Antonio  Caldara. 

reichen  Gompositionen^  fbr  die  Kirche  nnd  die  Kammer  hinläng- 
liches ZeugniBs  geben.  In  allen  Richtungen  schlagfertig^  kamen 
grossere  Aufträge  und  ihre  Ldsnngen  je  vier  und  mehr  jedes  Jahr 
nach  den  oben  angefahrten  ziffermässig  nachzuweisenden  Ru- 
briken. Nimmt  man  dazu  noch  seine  geßlUigen,  fliessenden  Melo- 
dien, besonders  im  Dramatischen,  worin  er  seinem  Vorbilde 
Alessandro  Scarlatti  mit  Glttck  nachstrebte,  wenn  er  es 
auch  nicht  erreichte,  femer  seine  reiche  Formengewandtheit  und 
Beweglichkeit  in  ganz  entgegengesetzten  Aufgaben,  so  darf  es 
nicht  befremdend  sein,  dass  nach  den  bedeutenden  Gunstbezei- 
gungen zu  schliessen ,  seine  Compositionen  den  Kaiser  vorzugs- 
weise angesprochen  und  auch  zu  rascher  Verbreitung  ausserhalb 
Oesterreichs  beigetragen  haben.  Ausser  der  Opera  seria  bewegte 
sich  Caldara  auch  in  der  Opera  buffa  mit  Geschick:  sein  Don 
Chisciote  in  carte  della  Duchessa  (Beil.  VIII.  637)  behandelt  den 
von  Pariati  und  Apostolo  Zeno  passend  angelegten  Text 
mit  vieler  Kenntniss  der  musicalischen  Wirkung,  die  ihm  auch 
nicht  gefehlt  haben  wird.  Drollig  genug  sind  die  Einfälle,  wenn 
z.  B.  Don  Chisciote  nach  gewaltigen  SprUngen  im  Gesänge 
mehrere  Tacte  %.uf  dem  Vocal  E  trillert  und  Säncio  Panza  das- 
selbe nach  ihm  versuchen  muss  ü.  a.  m.  Dass  dieser  Wurf  gelun- 
gen  war,  geht  aus  den  wiederholten  späteren  Faschings-Opern 
Caldara's  hervor,  wie  /  Distngannati  (n.  656)  von  1 729,  La  Pazi- 
enza  di  Socrate  con  due  moglie  (n.  677)  von  1731,  Sancio  Panza, 
govematore  delVüola  Barataria  (Bf.  706)  von  1733,  freilich  zu 
einer  Zeit,  wo  der  glänzende  Inhaber  dieser  Domäne,  Francesco 

676.  682.  693.  697.  706.  708.  712.  721.  724  743.  746.  749.  —  Serenaden: 
464.  521.  543.  560.  562.  563.  583.  595.  597.  609.  631.  647.  661.  662.  668.  669. 
672.  683.  685.  710.  726.  732.  733.  737.  739.  —  Oratorien:  490.  491.  497. 
510.  537.  538.  546.  555.  565.  590.  591.  601.  612.  622.  623.  63?.  634.  636.  645. 
653.  665.  676.  688.  689.  704.  705.  718.  730.  741.  —  Von  diesen  92  Nununem 
des  Verzeichnisses  hat  Fötis  nnr  52  angeführt,  und  unter  diesen  52  Compo- 
sitionen schreibt  er  folgende  fftlschUch  Caldara  zu,  während  sie  anderen 
Componisten  angehören:  A$tarte  von  F.  Conti  (1718),  Sieara  von  6.  Por- 
cile  (1719),  TMa  von  Porsile  (1719),  NaamUn  von  F.  Conti  (1721)» 
Grüelda  von  F.  Conti  (1725).  Ausserdem  kommen  darin  öfter  unrichtige 
Jahreszahlen  und  andere  Irrthümer  vor;  so  sagtF6tis:  „15®  Caio  Mario, 
Vienne  1717;  16<^  Coriolano  1717^,  während  beide  Nummern  zusammen  ein 
und  dasselbe  Stück:  Caio  Marzio  Coriolano  (Vienne  1717)  ausmachen  u.  dgl* 


Antonio  Caldara..  93 

Conti  wegen  Kränklichkeit  yerBtnmmt  war,  und  1732  nach  kur- 
zem Anfflackem  ztun  ewigen  Stillschweigen  eingieng.  Zugleich 
sei  hier  bemerkt,  daas  Caldara  nach  der  damals  nicht  ungewöhn- 
lichen Sitte  an  der  Composition  derselben  Oper  mit  anderen  Mit- 
arbeitern theilnahm,  wie  in  Atenaide  (Beil.  Vm.  507)  mit  Ziani, 
Negri  und  F.  Conti,  in  Pgiche  (563)  mit  Fux,  in  La  Fofza 
delFamicizia  (646)  und  in  La  Pazienza  di  Socraie  (677)  mit 
Reutter:  bei  solchen  Mischarbeiten  konnte  allerdings  die  Ein- 
heit des  Ganzen  schwerlich  gewinnen. 

Die  Oratorien  hat  er  durchaus  wie  Opern  behandelt  und 
jene  sind  von  diesen  nur  durch  den  Gtegenstand  verschieden.  — 
Gewöhnlich  wird  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  er  erst  durch 
die  Strenge  des  Fux  zu  rigoroserer  musicalischer  Behandlung  be- 
stimmt worden  sei.  Das  dürfte  aber  auf  einem  Irrthume  beruhen. 
Caldara,  als  ein  ausgezeichneter  Schüler  Legrenzi's  war 
von  Haus  aus  ein  wohlgeschulter  Contrapnnktist  und  productiver 
Eirchencomponist.  F.  von  MoseP  zählt  von  ihm  114  Kirchen- 
compositionen  auf,  darunter  mehr  als  20  Messen,  viele  Vespern, 
Mottette,  Offertorien,  Gradualien  u.  dgl. '  In  der  k.  k.  Hofbiblio- 
thek befindet  sich  eine  sehr  kunstreiche  Missa  canonica,  wahr- 
scheinlich durch  die  gleichnamige  des  Fux  veranlasst,  femer  eine 
achtstimmige  und  mehrere  vierstimmige  Messen  da  cappella,  ein 
sechzehnstimmiges  Crucifiams  wird  als  ein  werthvolles  Werk  ge- 
rühmt, auch  hat  Paolucci  in  seiner  Arte  pratica  di  contrap- 
punto  I.  ein  ganzes  Kirchenstttck  Caldara's  als  Muster  einer 
gründlichen  Arbeit  aufgenommen.  —  Von  Kammermusik  ver- 
zeichnet F.  V.  Mosel  121  Nummern  Cantaten,  Madrigale  zu  4 
und  5  Stimmen,  die  letzten  mit  besonderer  Liebe  und  einige  mit 
ausgezeichneter  Kunst  gesetzt  Alles  zusammengenonmien  geht 
hervor :  Caldara  war  ein  reichbegabter,  vielseitig  gebildeter  und 
gewandter  Componist,  ein  schönes  Talent,  das  den  bedeutenden 
Bnf  verdiente ,  der  ihm  früher  uncl  später  aUenthalben  zu  Theil 
wurde.  Unter  den  Zeitgenossen  sagt  der  dänische  Kapellmeister 


1  Hdschr.-VerzeichniBs  in  der  k.  k.  Hofbibliothek. 

2  Nach  einem  HdBchr.-Verzeichnisa  des  Regenschori  P.  Willibald 
Bo bisch  vom  Jahre  1838  bewahrt  das  reiche  Musikarchiy  des  Stiftes 
Göttweig  100  Nummern  für  die  Kirche  von  Caldara. 


94  Francesco  Conti. 

Johann  Adolf  Scheibe^  1740  über  das  Gomponistenpaar 
Fux  und  Caldara:  „Fnx  der  unvergleicbliche  Oberkapell- 
meister am  kaiserlichen  Hofe  zu  Wien  nebst  dem  Vicekapell- 
meister  daselbst^  Caldara,  haben  durch  ihren  unermüdeten 
Fleiss,  durch  ihre  sinnreichen  und  vortrefflichen  Werke  gar  deut- 
lich bewiesen,  dass  sie  nicht  nur  selbst  wahre  Kenner  des  guten 
Geschmacks,  sondern  auch  fähig  gewesen  sind  ihn  auf  die  Nach- 
welt fortzupflanzen.  Beide  Männer  hatten  nicht  nur  die  vernünf- 
tigsten Begriffe  von  der  Musik,  sondern  sie  zeigten  auch,  und 
zwar  vornehmlich  Fux  in  allen  seinen  Kirchensachen,  Caldara 
aber  in  seinen  theatralischen  Stücken  die  schönste  Melodie  und 
Harmonie  und  eine  auserlesene  Wahl  und  Ordnung  des  Vortrags 
und  der  Gedanken.  Wer  weiss  auch  nicht,  dass  Fux,  ob  er 
schon  der  tiefsinnigste  Contrapunktist  war,  dennoch  die  Geschick- 
lichkeit besass,  leicht  lieblich  und  natürlich  zu  setzen,  wie  solches 
seine  theatralischen  Arbeiten  beweisen?  So  wie  Caldara,  ob  er 
schon  mehr  für  das  Theater  zu  sein  schien,  dennoch  in  seinen 
Kirchenarbeiten  und  Contrapunkten  nicht  weniger  vortrefflich 
gewesen." 

Francesco  Bartolomeo  Conti  aus  Florenz,  geboren 
20.  Jänner  1682«  (Taufreg.),  gest.  in  Wien  20.  Juli  1732,  51  J. 
alt  (Wr.  Diar.).  Er  war  im  Jahre  1701  als  Teorbist  in  die  kais. 
Hofmusikkapelle  berufen  worden,  trat  1705  aus,  um  von  1708 
bis  an  sein  Ende  in  kaiserlichen  Diensten  zu  bleiben.  Er  wurde 
1.  Jänner  1713  Hofcompositor,  und  entwickelte  von  da  ab  eine 
bedeutende  mnsicalische  Thätigkeit  in  der  Composition  von  16 
grossen  Opern,  13  Serenaden,  9  Oratorien*  und  einer  Anzahl 
Cantaten,  von  denen  in  der  Wiener  Hofbibliothek  23,  in  anderen 
Bibliotheken  30  und  mehr  Partituren  vorhanden  sind.  Seine  erste 

1  Krit.  Musicus.  Neue  Aufl.  1745.  (Erste  Aufl.  1740.) 

2  Nach  der  Florentinischen  Jahreszahlung  am  20.  Jänner  1681 ,  da  sie 
dort  zu  jener  Zeit  den  Jahresanfang  auf  den  25.  März  setzten ,  daher  der 
Jänner  schon  dem  nachfolgenden  Jahre'  gewöhnlicher  Zählung  angehöi*te. 

3  Opern:  Beil.  VKI.  421.  502.  507.  511.  512.  519.  527.  539.  549.  570. 
573.  580.  592.  603.  613.  691.  —  Serenaden:  482.  492.  494.  503.  540.  554. 
561.  587.  596.  606.  608.  628.  630.  —  Oratorien:  429.  478.  545.  557.  568. 
577.  602.  611.  703.  —  Mit  Ausnahme  der  Oper  421  und  der  Serenaden  482 
und  540  befinden  sich  die  Partituren  sammtlicher  Compositionen  in  der  k.  k. 
Hofbibi.  in  Wien. 


Francesco  Conti.  95 

Oper  ClotUda  (Beil.  VIII.  421),  welche  ursprtüiglich  fttr  Wien 
componiert  und  zuerst  daselbst  1706  mit  vielem  Beifalle  gegeben 
wurde,  kam  1709  in  England  zur  Darstellung  und  bahnte  ihm 
auch  dort  den  Weg  zum  Ruhme  als  Componist  an ,  nachdem  er 
schon  lange  vorher  als  der  erste  aller  Teorbisten  gepriesen  wor- 
den war.  Sein  hervorragendes  Talent  zur  komischen  Oper 
wurde  sogleich  erkannt  und  hinreichend  ausgebeutet,  da  ihm  in 
dieser  Richtung  seine  sänmitlichen  grossen  Opern  zur  Aufgabe 
gestellt  wurden. 

Das  bedeutendste  Aufsehen  auch  auf  fremden  Btlhnen  erregte 
sein  Don  Chisciotfe  in  Sierra  Morena  (549)  mit  voller  Berechti- 
gung ;  die  niedrige  Komik  des  Sancho  und  der  Maritome,  so  wie 
der  hohle  Pathos  des  irrenden  Ritters  von  der  traurigen  Gestalt 
fanden  in  Conti's  Musik  einen  drastischen  Ausdruck,  wiewohl 
schwerlich  ein  anderer  Sterblicher  auf  Mattheson's  abge- 
schmackten Einfall,  dass  Conti  „in  Abbildungen»  der  Gebärden 
durch  musicalische  Noten  ungemein  erfahren"  war^,  jemals  ge- 
rathen  wäre.  Es  wäre  aber  ein  Irrthnm  anzunehmen,  dass  sein 
Talent  nur  auf  das  Komische  beschränkt  gewesen  sei.  Schon  in 
den  komischen  Opern  sind  Stimmungen  und  Charactere  des 
Ernstes  und  der  Würde  vollkommen  angemessen  musicalisch  anf- 
gefasst ;  nicht  minder  sind  zartere  Empfindungen  in  den  Cantaten, 
andächtige  in  den  Oratorien  zum  Ausdrucke  gebracht,  welche 
zugleich  den  Beweis  seiner  tüchtigen  Schulung  liefern.  Wenn 
Conti  den  Strömungen  Aless.  Scarlatti's  folgte,  so  bewegte 
er  sich  nur  in  derselben  Weise,  als  die  meisten  seiner  Zeitgenos- 
sen, ohne  jedoch  den  Namen  eines  selbstständigen  Künstlers 
aufzugeben.  Auch  darin  theilte  er  das  Los  eines  hervortretenden 
Talentes,  dass  ihn  die  Scheelsucht  herabzudrücken  versuchte  und 
wie  dies  Mattheson  in  seinem  „vollkommenen  Kapellmeister" 
(p.  40)  unternahm,  durch  lügenhafte  Anschuldigung  seinen  sitt- 
lichen Character  zu  verunglimpfen.  Die  Darstellung  des  hierauf 
bezüglichen  Sachverhaltes  giebt  die  Beilage  III.  7 — 11. 

Gleichzeitig  mit  dem  Vater,  und  mit  diesem  öfter  verwech- 
selt, componierte  ftlr  den  Hof  sein  Sohn  Ignazio  Conti  (geb. 
1699,  gest.  in  Wien  28.  März  1759,  60  J.  alt)  von  1727  bis  1739 

1  Yollkommener  Kapellmeister,  p.  40. 


96  Giuseppe  Porsile. 

7  Serenaden  and  6  Oratorien,  welche  aber  nicht  entfernt  an  die 
Begabnng  seines  Vaters  reichen.  Er  wird  nns  noch  als  ältester 
Hofscholar  begeg^ien;  denn  ungeachtet  er  in  manchen  Text- 
büchern als  Compositore  eingednickt  wurde,  war  er  doch  nie 
Hofcompositor  und  anch  Fnx  hatte  ihn  vergeblich  dazu  1739  vor- 
geschlagen,  Sem  strafwürdiges  Vergehen  gegen  einen  Geistlichen^ 
das  jedoch  ohne  weitere  Folgen  blieb,  hatte  Anlass  zur  Beschul- 
digung seines  Vaters  gegeben,  mit  dem  er  zuftllig  oder  absicht- 
lich verwechselt  wurde.  Leichten  Sinnes  blieb  er  aber  sein  ganzes 
Leben  lang ,  denn  nachdem  er  als  Erbe  aus  dem  Nachlass  seinea 
Vaters  im  Jahre  1732  14.000  fl.  erhalten  hatte,  bestand  sein 
eigener  Nachlass  im  Jahre  1 759  actenmässig  aus  einem  Rock^ 
einem  Degen  und  einem  spanischen  Rohr,  welche  aus  Noth  um 
3  fl.  18  kr.  verkauft  wurden. 

Giuseppe  Porsile  geboren  zu  Neapel,  gestorben  zu 
Wien  29/  Mai  1 750 ,  78  Jahre  alt  (Wr.  Diar.) ,  war  in  Barcelona 
bis  1711  Kapellmeister  König  Karl  III.  von  Spanien,  dann  Ge- 
sanglehrer der  Kaiserin  Amalia,  wurde  im  Jahre  1720  nach 
Genuesi's  Tode  Hofconipositor  und  starb  nach  dreissigjähriger 
Anstellung.  Von  seinen  Compositionen  aus  der  Zeit  von  1717  big 
1737  kamen  in  Wien  3  Opern,  18  Serenaden  und  11  Oratorien* 
zur  Aufführung.  Fux  nennt  ihn  einen  Virtuose  von  gutem  Gusto ; 
Hasse  war  von  der  Natürlichkeit  und  Kraft  seiner  Compositionen 
gelegentlich  seines  Oratorium  Giuseppe  reconosciuto  (Beil.  Vm. 
717)  ganz  entzückt.  Dieses  Urtheil  dürfte  nur  von  einigen  Ora- 
torien und  kleineren  dramatischen  Werken  gelten ,  in  grösseren 
Opern,  worin  er  sich  auch  seltener  versuchte,  reichte  seine 
Kraft  nicht  aus.  Seine  Gesangsbegleitungen  und  Ouvertüren  sind 
ziemlich  dürftig,  und*  seine  Erfindungen  von  Melodien  bewegen 
sich  in  altherkömmlichen  ausgefahrenen  Geleisen. 

1  Opern:  Beil.  VIII.  571.  625.  753.  —  Serenaden:  529.  532.544. 
574.  587.  594.  615.  627.  632.  639.  643.  660.  667.  692.  694.  696.  736.  758.  — 
Or  atorien:  558.  566.  578.  588.  600.  610.  620.  674.  687.  717.  761. 


vn. 

Chronik  (1717—1718)  —  Fehde  mit  J«  Matthesonwegen  der  SoimiSAtioii 

nnd  Kfrehenttfne  (1717—1718)  —  Die  Opemdlehter   Aj^ostolo  Zeno 

(1718—1781)  und  Pietr«  ParUti  (1718—1788)* 

Das  Jahr  1717  kündete  sich  mit  zwei  grossen  fllr  Oesterreich 
folgenreichen  Ereignissen  an :  am  23.  April  ward  die  Erzherzogin 
Maria  Theresia,  die  nachmalige  Kaiserin  Maria  Theresia 
geboren  7  nnd  am  18.  Augnst  erstürmte  Piinz  Eugen  nach  einem 
grossen  Siege  Belgrad,  üeböt  die  Niederlage  der  Türken  jubelte 
ganz  Europa,  den  Segen,  welcher  aus  der  Geburt  der  Erzherzogin 
MariaTheresiaentspriessen  sollte,  konnte  erst  eine  spätere  Zeit 
enthüllen.  —  Gegen  diese  Weltereignisse  war  der  Streit,  den 
J.  Mattheson  über  die  Solmisation  mitFuxerhub,  allerdings 
kleinlich  und  widerlich  zugleich,  dennoch  können  wir  ihn  nicht 
mit  Stillschweigen  übergehen,  da  in  allen  Werken  über  Musik- 
geschichte seiner  erwähnt  wird.  Ehe  wir  aber  an  diese  unabweis- 
liche  Aufgabe  gehen,  haben  wir  für  dieses  Jahr  die  Festa  teatrale 
Diana  placatUj  Text  von  Pariati  *  und  das  Oratorium  II  Diafaci- 
mento  dt  Sisära^ y  so  wie  fttr  das  Jahr  1718  das  Oratorium  Cristo 
nein  orto^y  sämmtlich  Compositionen  von  Fux  zu  verzeichnen. 


Wir  kommen  an  eine  minder  erquickliche  Episode  in  dem 
Leben  unseres  Fux,  den  Streit  über  S  o  1  m  i  s  a  t  i  o  n  nnd  Kirchen- 
tonarten,in  welchen  der  alte  ruhige  Hofkapellmeister  von  dem 
jüngeren  beweglichen  Mattheson  in  Hamburg  durch  dessen 
j.  Neueröffnetes  .0rche8fre^  (Hamburg  1717)*  verwickelt  wurde« 

1  Beil.  Vni.  534.      »  Beil.  VIIL  535.      3  ßeU.  VUI.  547. 

^  Der  vollständige  Titel  davon  laatete : 

^Das  Neu -Eröffnete  Orchestre,  Oder  Universelle  und  gründliche 
Anleitung/ Wie  ein  Galant -Hemme  einen  vollkommenen  Begriff  von  der 
Hoheit  und  Würde  der  edlen  Music  erlangen,  seinen  Gout  darnach  formiren, 

KifeM,  J.  J.  Put  .  7 


98  Joh.  Mattheson. 

Es  wurden  Briefe  darüber  gewechselt ,  welche  aber  die  Zahl 
vier  nicht  überschritten^  von  denen  zwei  von  Fnx,  und  ebensoviele 
von  Mattheson  geschrieben  wurden  und  in  des  letzten  ^Critica 
musica^  abgedruckt  sind.  Da  dieser  rührige  und  jedenfalls  nicht 
unbedeutende  Mann  im  Verlaufe  dieses  Werkes  und  besonders 
an  der  gegenwärtigen  Stelle  hervortritt,  so  müssen  wir  auf  ihn 
und  seine  Eigenthümlichkeiten  etwas  näher  eingehen. 

Johann  Mattheson  ist  in  Hamburg  (1681)  geboren  und 
(1764)  gestorben.  Er  war  bis  1705,  wo  ihn  das  Grehör  ^u  ver- 
lassen begann ,  Tenorist  und  Componist  au  dem  Theater ,  gab  zu- 
gleich Unterricht  im  Singen,  Clavierspiei  und  in  der  Composition, 
später  war  er  eine  Zeitlang  grossbritanniseher  Gesandtschaftsse- 
cretär  und  zuletzt  Canonicus  an  der  Domkirche  in  Hamburg.  Sein 
scharfer  Verstand  und  seine  bedeutenden  sonstigen  Anlagen  beson- 
ders zur  Musik  verbunden  mit  einem  ans  fieberhafte  grenzenden 
Thätigkeitstriebe  setzten  ihn  in  den  Stand,  sich  eine  ausgebreitete 
Belesenheit  und  vielseitige  Kenntnisse  anzueignen,  die  freilich  oft 
nach  Art  der  Polyhistoren  seines  Schlages  mehr  ins  Breite  sieh 
entfalteten,  als  in  die  Tiefe  niederstiegen.  Seine  rasche,  gewandte, 
aber  auch  bei  seinem  leidenschaftlichen  Temperamente  gewöhnlich 
in  Gift  und  Galle  getränkte  Feder,  welche  die  heterogensten 
Publicationen  in  kürzester  Zeit  zu  Tage  förderte,  machten  ihn 
zum  geftirchteten  und  durch  mehr  als  dreissig  Jahre  lang  zum 
alleinigen  Dictator  der  musicalischen  Gelehrtenrepublik.  Selbst 
Männer,  wie  Händel,  Telemann,  Keyser  vermieden  es  mit 
diesem  gefahrlichen  Streithahne  anzubinden,  der  jeden  hin- 
geworfenen Handschuh  begierig  aufgriff  und  no  ch  öfter  den  Kampf 
geradezu  hervorrief.  Denkt  man  sieh  dazu  die  ihm  eigene  mass- 
lose Eitelkeit ,  den  Eigendünkel ,  der  keinen  Widerspruch  seiner 
eigenen  Unfehlbarkeit  duldete,  und  wie  Domm  er*  sagt,  dem 
Gegner  seine  Feder  als  Zaunpfahl  zu  kosten  gab,  so  kann  man 
sich  im  allgemeinen  eine  Vorstellung  von  der  Vortrags  weise  s  einer 

die  Terminos  technicos  verstehen,  und  geschicklich  von  dieser  vortreflfli- 
chen  Wissenschaft  raisonniren  möge.  Durch  J.  Mattheson,  Secr.  Mit  bey- 
gefU  gten  Anmerkungen  Herrn  Capeil-Meister  Keisers  12.  Hamburg  auf  Un- 
kosten des  Autoris,  und  zu  finden  in  Benjamin  Schillers  Wittwe  Buchlad^n 
im  Thurm,  1713«. 

1  Handbuch  der  Musikgeschichte.  1868.  p.  420. 


Joh.  Hattheson.  99 

Streitschriften  bilden.  Nur  wer  ihm  Weihrauch  streute,  ward  von 
ihm  wieder  beränchert,  doch  wehe  dem  Unglücklichen,  der  an  die 
höchst  empfindlichen  Leichdomen  seines  litterarischen  Hochmuthes 
zu  streifen  so  vermessen  war,  der  wurde  mit  allen  Geschossen 
des  Hohnes ,  der  Persiiflage  überschüttet ,  wobei  es  dem  kleinen 
Diplomaten  geleg;entlich  gar  nicht  darauf  ankam,  durch  bare 
Lügen  auch  den  sittlichen  Buf  seines  ehrenwerthesten  Gegners 
anzutasten,  wenn  es  nur  zum  Ziele  der  Vernichtung  desselben 
führen  konnte.  Bei  allen  diesen  groben  Auswüchsen  seines  Cha- 
racters  hatte  Mattheson  doch  auch  Bücher  von  länger  dauerndem 
Werthe  geschrieben,  während  seine  Compositionen  längst  im  ver- 
dienten Staube  der  Vergessenheit  modern.  Zu  den  ersten  zählen : 
Das  Neuerö/fhete  Orchestre  (1713);  das  Beschützte  Orchestre 
(1717);  die  Critica  musicn  (1722—1725);  die  Grosse  General- 
hassschule (1731);  die  Kleine  Generalbassschule  (1735)';  vor 
allem  aber  der  Vollkommene  Kapellmeister  (1 739) ,  der  manche 
feine  Bemerkung  enthält;  endlich  die  j^Grtmdlage  einer  Ehren- 
pforte^ ^  (1740),  eine  Beihe  zum  Theile  werthvoller  Tonkünstler- 
Biographien  enthaltend. 

Mit  einem  solchen  prickelnden,  in  allen  Finten  geriebenen 
Klopffechter  sollte  Fux,  der  Mann  der  Einfachheit  und  des  Friedens 
aneinander  gerathen.  Armer  Fux,  deine  Parthie  war  vor  dem 
Anfange  eine  aufgegebene :  zum  Glücke  hatte  dieser  Handel  ausser 
einigen  Stunden  des  Aergers  keine  weiteren  Folgen  und  Fux  gieng 
als  Ehrenmann  auf  die  Nachwelt  über,  während  die  ehrenrührigen 
Geschosse  seines  Antagonisten  zuletzt  den  Schützen  selbst  trafen. 

Eine  ausführliche  Erörterung  beider  Punkte  des  Streites 
zwischen  Fux  und  Mattheson  darf  hier  nicht  erwartet  werden.  Sie 
würde  ftir  den  Kenner  ganz  überflüssig,  für  denjenigen,  welchem 
diese  Dinge  ganz  fremd  sind,  ermüdend  sein,  während  solche, 
die  sich  darüber  genau  unterrichten  wollen,  in  C.  F.  B^cker's 
musicalischer  Litteratur  die  Werke  angegeben  finden ,  wo  sie  die 
gewünschte  Belehrung  erwarten  können.  Ueber  beide  Punkte  — 
die  Solmisation  und  die  Kirchentonarten  (modi)  soll  nur 

1  Vorzüglich  seiner  Ehrenpforte,  indem  darin  aus  seinem  eigenen 
Leben  auch  das  Unbedeutendste  dem  Leser  nicht  nachgesehen  wird. 

7* 


100  SolmiBation. 

so  viel  erwähnt  werden,  als  nöthig  ist ,  den  Stand  der  Frage  auf- 
zufassen. 

Die  Solmisation  d.  i.  die  Benennung  der  einzelnen  Töne, 
welehe  innerhalb  einer  Oetave  liegen,  war  nicht  zu  allen  Zeiten 
unsere  gegenwärtige,  wo  wir  zur  Bezeichnung  derselben  uns  be- 
kanntlich der  Buchstaben  des  Alphabets  bedienen,  und  zwar 


« 


-9- 


a= 


C      D     E      F     G     A  H(B)  C, 

oder  die  Silben     ut    re    mi    fa    sot  la     «    ut, 

welche  in  jeder  Oetave  dieselben  bleiben,  C  bleibt  C,  D  bleibt  D 
u.  8.  w.,  und  nur  durch  die  Vorzeichnung  von  Kreuz,  Be  oder 
Auflösungszeichen  die  Veränderungen  von  Cisj  Dis  •  .  .  oder 
CeSy  Des  ...  u.  s.  w.  durch  die  angehängten  Silben  von  is  und 
€8  (mit  Ausnahme  des  Hesy  das  B  heisst)  erfahren. 

So  leieht  dem  Gedächtnisse  die  Bezeichnungen  der  Töne  ein- 
zuprägen ward  den  Lernenden  in  früherer  Zeit  nicht  gegönnt. 
Guido  von  Arezzo  (im  XI.  Jahrhundert)  (auch  Aretinus  ge- 
nannt), dem  man  die  Erfindung  der  Solmisation  zuschreibt,  oder 
wie  einige  behaupten,  seine  Schule  stellte  für  die  Benennung 
aller  einzelnen  Töne  nur  sechs  Silben  auf: 


« 


^^^ 


<9    .  g 


vt      re     mi    fa     sol    la 

<\ir  den  siebenten  Ton  H  war  nicht  gesorgt.  Diesem  Mangel  wurde 
auf  eine  ziemlich  verwickelte  Weise  abgeholfen.  Da  die  Intervalle 
der  Töne  der  Oetave  C  —  c 

CDEFGAHC 

fünf  ganze  Töne;  C  —  D,  D  —  E,  F  —  G,  G  —  A,  A  —  H 
und  zwei  Halbtöüe :  E  —  F    und    H—  C 


mi      fa  mi      fa 

enthalten ,  da  ferner  die  Wichtigkeit  dieser  Halbtöne  (mi  —  fa) 


SolmiBation.  101 

in  der  Octav  als  die  bedeutendste  angesehen  wurde ,  so  behielt 
man  Überall    . 

für  die  niederen  Halbtöne  E  und    H 

das  mi  mi 

fttr  die  höheren  F  und     C 

das  fa  fa 

bei,  wenn  sie  nebeneinander  eintraten,  und  die  ttbrigen'Töne 
mussten  sich  darnach  verändern.  Diese  Veränderung  (mu- 
tatio)  trat  in  sehr  vielen  Fällen  ein,  und  schon  in  der  vollen  Scala 
der  Octav  C  —  c  selbst,  welche  aufsteigend  Wessen: 

« OL. 


_     a     ^     ^  ^ 

h  ^  "  ^  "  "  I 


ut    re .    mi   fa    sol    re     mi    fa    sol     la 
[CDEFGAHcde] 

geht  schon  hervor,  dass  C  zuerst  ut^    in  der  Octav  /a, 

.    D      „      rey      ^     „       „     sol, 

hiessen;  kam  nun  statt  des  H,  der  Halbton  Hb  {B)  vor,    so 
hiessen  dieselben  Tön^ : 


Ib  ^  »  ^  ^' 


«  k  " 


ut     re     mi    fa     re    mi    fa    sol    re    >ni    fa 

Die  Halbtöne  E  —  F,  A  —  B  und  e  —  f  verschoben  die 
denselben  vorausgegangenen  Töne  aufs  neue,  indem  der  dem  mi 
vorausgehende  Ton  —  re  heissen  musste.  Wir  haben  daher  nur 
einen  einzigen  Ton  ins  Auge  fassend 

fttr  C  nach  der  vorhergehenden  Scala  die  Bezeichnung  ui  —  fa 
„  n       p   letzten        »     .     «       r  «  «»/. 

Noch  mehrere  Veränderungen  traten  beim  Herabsingen  der 
Scala,  und  bei  versetzten  Tonarten  (modi  transpositi)  ein,  so 
dass  der  Schüler  für  jeden  Ton  ausser  dem  alphabetischen  Buch- 
staben ,  den  er  auch,  wissen  musste,  noch  zwei  oder  drei  Silben 
sich  zu  merken  hatte,  denn  es  hiessen  die  7  Töne  der  Octav 


102  Somisation. 

A  —  /a  —  mi  —  re, 

B  (H)  —  fa—  mi, 

C  —  8ol  —  fa   —  ut, 

J)  —  la  —  8ol  —  rey 

£j  —  la  —  mi, 

F  —fa  —  u(, 

G  —  sol  —  re  —  ut; 

das  ist  allerdings  nicht  so  zu  verstehen,  als  hätte  der  Musiker  beim 
Singen  für  ein  Tonzeichen,  z.  B.  A,  alle  3  Sylben  la  —  mi  —  re 
zugleich  zu  gebrauchen  gehabt,  sondern  nur  eine  daraus;  er 
musste  aber  genau  wissen,  welche.  Das  sollte  ihm  die  Aretini- 
sehe  oder  Guidonische  Hand,  nach  dem  Erfinder  so  genannt, 
erleichtem,  welche  in  einer  Tabelle  der  Mutationen,  auf  den  Um- 
rissen einer  Hand  gezeichnet,  bestand,  so.dass  der  Schüler  an 
den  Fingern  seihe  Silben  herzuzählen  angeleitet  wurde. 

Mehrere  Jahrhunderte  lang  mtthte  man  sich  an  dieser  ver- 
wickelten Solmisation  mit  den  sechs  Silben  ab;  die  Achtung 
vor  dem  Alter  hielt  aber  die  Musiker  ab ,  etwas  zweckentspre- 
chenderes an  deren  Stelle  zu  setzen.  Obschon  ein  Niederländer, 
Erycius  van  der  Putten  (Puteanus  genannt,  geb.  1574, 
gest.  1616)  zuerst  für  den  siebenten  Ton  ^er  Octave  (ß)  1599* 
die  Silbe  6i  eingeführt  haben  wollte,  so  dauerten  doch  die  mit 
grosser  Erbitterung  und  bis  zu  handgreiflichen  Thätlichkeiten  ge- 
führten  Zänkereien'  bis  in  das  zweite  Jahrzehent  des  XVHI. 
Jahrhunderts  fort.  Die  letzte  Streitigkeit  wurde  zwischen  J.  H. 
Buttstett^  (1717)  und  Mattheson*  in  derbem  Angriff  und  noch 
derberer  Vertheidigung  zu  Ende  gebracht.  Mattheson  blieb  mit  der 
Behauptung  Sieger,  dass  statt  der  bisherigen  Solmisation  die 
7  Töne  der  Octav  durch  Buchstaben  —  und  ohne  Mutation  sollen 
bezeichnet  werden.  Seither  ist  die  Solmisation  in  Deutschland 
wenigstens  verschollen.  Die  Franzosen  und  Italiener  haben  zwar 
die  Aretinischen  Silben  tä  (do)  re  mi  fa  sol  la  Jbeibehalten,  allein 
indem  sie  ftlr  den  siebenten  Ton  (Jt)  die  Sylbe  si  hinzufügten  und 

1  In  Pallas  modulata  sive  Septem  diBcrimina  vocum.  Mailand  1599. 

2  p.  F.  Tosi,  Opinioni  de'  Cantori  antichi  e  moderni.  1723. 

3  Ut  re  mi  fa  sol  la  tota  Musica  et  Harmonia  aeterna.  Erfort  1717. 

4  Das  beschützte  Orchestre.  1717. 


Die  KJrchentöne.  103 

keine  Mutation  mehr  znUeBsen^  so  daBS  C  immer  nur  ui,  D  nur  re 
n.  8.  w.  heissen  durfte  ^  ist  damit  im  wesentlichen  dasselbe  wie 
mit  der  Bezeichnung  mit  Buchstaben  geleistet. 

Der.  zweite  Punkt  des  Streites  betraf  das  Verhältniss  der 
alten  diatonischen  Tongeschlechter  zu  den  späteren 
chromatischen  Dur-  und  Molltonarten.  Darttber  soll 
wieder  nur  so  viel  erwähnt  werden,  als  zum  Verständniss  der 
Streitfrage  unumgänglich  nothwendig  erscheint. 

Die  alten  Tongeschlechter  (modi)  beruhen  auf  der  diato- 
nischen Tonleiter  y  das  ist  der  Fortschreitung  durch  ganze  Töne 
und  grosse  Halbtöne  innerhalb  einer  Octav.  Anfangs  waren  alle 
Vorzeichnungen  von  Kreuz  und  Be  ausgeschlossen,  und  die  natür- 
liche Tonleiter  war 

C,     Z>,     E,    F,    G,    Ä,    H,    c 

Sie  bestand  aus  flinf  ganzen  Tönen  C  —  />,  D  —  E,  F —  C, 
G  —  A,  A  —  -ff,  und  zwei  Halbtönen  E  —  Fund  H  —  C.  Daraus 
gestaltete  man  durch  veränderte  Stellung  des  Grnndtones 
6  Haupttonarten,  nebst  andern  Nebentonarten,  die  wir  hier  nicht 
berttcksichtigen. 

Die  sechs  Tonarten  waren: 

12345678 
I.    JiEFGAHCd, 

n.  IFGAHCDe, 

m.  t~G    A     H    C    D    E    f, 

IV,  G    A     H    C^    E    F~X 

V.  A    ff    C~D    E    F^    «, 
YI.  C    D     E    F    G    A     H    c,^ 

Als  das  Characteristische  jeder  Tonart  wurde  die  Stellung 
der  beiden  Halbtöne  E  —  F  und  H  —  C  in  der  Octav  angesehen. 
Man  wird  bemerken,  dass  in  der  Tonart  I  (D)  der  eine  Halbton 
E  —  F  seine  Stellung  im  2.  zum  3.  Tone,  der  andere  Halbton 

1  Die  Tonart  H  wurde  nicht  aufgenommen ,  weil  H  —  f  keine  reine 
Quinte  gab. 


r 

V 

r 

r 

T) 

r 

r 

r) 

r 

r 

r> 

r 

r 

r 

r? 

104  Die  Kirchentöue. 

H —  Cim  6.  zum  T.Tone  einnimmt^  oder  wie  man  sieh  ausdrüekte: 
die  Semitonien  waren  im  2.  nnd  6.  Grade. 

In  der  Tonart  n  (E)  nehmen  dieselben  Halbtöne  die  Stelle 
1 — 2  und  6 — 7  ein.  In  gleicher  Weise  verschieben  sich. die  Stel- 
lungen der  beiden  Halbtöne  bei  den  tibrigen  4  Tonarten,  wie  aus 
der  vorigen  Tabelle  sich  ergibt,  und  in  der  hier  folgenden  in 
Zahlen  ausgedruckt  ist. 

In  der  Tonart      I  (/>)  ist  die  Stellung  der  Halbtöne  2—3,  6—7 

n  (£)    „    „         „  „  „        1-2,  5—6 

ni  (10    r    .         r  .  .        4-5,  7-8 

IV  (G)    .    „         „  „  „      .  3-4,  6-7 

V  (^)    „    „         n  .  „        2-3,  5-6 

VI  (C)    „    „         „  „  „        3 — 4,  7 — 8 

In  diesen  älteren  Tonarten  war  nur  eine  beschränkte  Zahl 
von  Intervallen  für  den  Componisten  verwendbar.  Diese  Fessel 
wurde  durch  die  gleichschwebende  Temperatur  zu  Ende 
des  XYII.  Jahrhunderts  abgeworfen,  indem  durch  dieselbe  der 
Umfang  der  Octav  in  12  gleichabgestufte  Halbtöne  (C,  Cis^  Z>, 
Dia,  E,  F,  Pia,  G,  GiSy  A,  By  ff)  getheilt  wurde,  und  man 
gewisse  Abweichungen  von  der  ursprünglichen  absoluten  Reinheit 
einführte,  welche  die  Intervalle  erleiden  müssen,  um  in  allen 
möglichen  melodischen  und  harmonischen  Beziehungen  zu  einan- 
der erscheinen  zu  können.  Damit  entstanden  zum  Gegensatze  der 
diatonischen  Tonleitern  diechromatisch-enharmonischen 
Tonleitern.  Den  letzten  gesellten  sich  die  gemischten  Tonge- 
schlechter (genus  mixtum  von  Fux  genannt),  welche  die  älteren 
diatonischen  Tongeschlechter  zu  Grunde  legte  und  durch  Benüz- 
zung  der  Vorzeichnungen  von  Kreuz  und  Be  (wie  G  in  Gü  oder 
Ges)  die  transponierten  Modi  (modi  transpositi)  feststellte. 
Die  Sache  verhielt  sich  dabei  so.  Wenn  die  diatonische  />-Tonart 

1       23456       78 

DEFGAHCd 

• 

die  Halbtöne  in  der  Stellung  des  2.  zum  3.,  dann  in  der  des  6. 
zum  7.  Tone  hatte,  so  konnte  man  durch  Vorzeichnungen  andere 
Tonleitern  zusammenstellen,  welche  dasselbe  characteristische 
Merkmal  der  Stellung  der  Halbtöne  (2 — 3  und  6 — 7)  besassen  und 


Die  Kirchentöne.  105 

diese  hiessen  modi  transpositi  derjenigen  diatonischen  Ton- 
leiter ,  mit  welcher  sie  die  gleiche  Stellung  der  Halbtöne  gemein 
hatten.  Z  B.  aus  der  obenangeftthrten  D- Tonleiter  konnte  man 
auf  diese  Art  eine  aAdere  Tonleiter  mit  2  Kreuzen  bildei^: 

1        2       3       45        6       7*8 
E    Fis     G    A     H    Cis    D    e, 

welche ;  wie  man  sieht ,  das  Charactermerkmal  der  Stellung  der 
Halbtöne  (2 — 3  und  6 — 7)  beibehielt,  aber  keinen  gaiiz  neuen 
Namen  bekam,  sondern  Modus  transpositus  ad  modum  D  hiess. 
So  verfuhr  man  auch  bei  den  übrigen  Tonleitern,  aber  nicht  über- 
all in  gleicher  Ausdehnung.  Am  ergiebigsten  erwiesen  sich  ftlr 
Transponierungen  die  diatonischen  Tonarten  C  und  A.  Nach  der 


1 

2 

3 

4 

5 

6. 

7 

8 

Tonart 

c 

D 

E 

F 

G 

A 

U 

e. 

bildete  man 

D 

E 

Fis 

G 

A 

H 

Cis 

J, 

• 

l 

Fh 

Gis 

A 

H 

Cis 

Bis 

E, 

und  sofort  über  die  Grundtöne  F,  G,  A,  H  der  diatonischen  Scala, 
welche  sämmtlich  dieselbe  Stellung  der  Halbtöne  (3 — 4  und  7 — 8) 
besassen  und  keine  andere  Bezeichnung  als  modi  transpositi  ad 
modum  C  erhielten.  Diese  auf  sämmtliche  12  Tonstufen  der  Octar 
ausgedehnt,  waren  aber  zugleich  keine  andern  als  die  12  Scalen 
unserer  heutigen  Dur- Tonarten. 

Aus  der  diatonischen  Tonart  A  machte  man  folgende  modi 
transpositi : 

12345678 
diatonisch:  kHCDEFGa 


^ 


transponiert:         H     Ch    D      E    Fia    G      Ah 

As    B    c 


und  sofort  Ober  die  weiteren  Töne  D,  E,  F,  G  der  diatonischen 
Scale,  welche  wie  die  Tonart  A  die  Stellung  der  Halbtöne  (2 — 3 
und  5 — 6)  hatten  und  sämmtlich  modi  transpositi  ad  modum  A 
hiessen.  Es  waren  diese,  weiter  fortgeführt  nichts  anderes  als 
die  12  Scalen  unserer  heutigen  Moll-Tonarten. 


106  Der  Sta-eit 

Im  Gegensatze  zu  dieser  älteren  Anffassnng  stellte  sich  jene 
der  heutigen  chromatisch-enharmonischen  Tonleitern. 

Sie  sncht  das  Characteristische  ihrer  Dur-  nnd  Moll-Tonarten 
nicht  in  der  Stellung  der  Halbtöne,  sondern  in  der  Beschaffenheit 
der  Terz  und  Sext  ttber  dem  Grundtone. 

In  den  Dur -Tonarten  muss  in  der  Scale  liegen  über  dem 
Grundtone  eine  grosse  Terz  und  eine  grosse  Sext,  z.  B. 

über    C  £  A 

In  den  Molltonarten  aber  muss  in  der  Scala  liegen  ttber 
dem  Grundtone  eine  kleine  Terz  und  eine  kleine  Sext  z.  B. 

über         A  C  F 

Daraus  wird  schon  klar,  wie  die  alte  Schule  und  die  neue 
Schule  in  der  Ansicht  der  neuen  Dur-  und  Moll-Tonarten  ausein- 
andergehen mussten.  Die  alte  Schule  sah  in  den  12  Dnr- Scalen 
und  den  12  Moll -Scalen  keinen  neuen  Modus,  sondern  nur 
transponierte  (modi  transpositi)  der  2  diatonischen  Tonarten 
C  und  Ay  weil  die  neuen  Scalen  in  der  Stellung  der  Halbtöne  mit 
jenen  ganz  übereinkommen;  während  die  neue  Schule  in  dem 
Charakteristikon  der  Terz  und  Sext  bei  den  Dur-  und  Moll-Scalen 
zwar  zwei  Tongeschlechter  zugibt  aber  die  darin  errichteten 
24  Scalen  als  ebenso^Hiele  Tonarten  (modi)  bezeichnet,  wäh- 
rend sie  die  alten  Tonarten  ganz,  .oder  doch  grösstenthells 
aufgab,  und  ihr  höchstens  in  der  Kirchenmusik  einen  Platz 
anwies. 

Nach  diesem  etwas  längeren  Excurse  wollen  wir  uns  zu  dem 
Sachverhalte  des  Streites  über  die  Solmisation  und  die  Kirchen- 
tonarten  wenden. 

Im  Jahre  1713  Hess  J.  Mattheson  das  j^Netieröpiete  Or- 
chestre^  erscheinen,  worin  er  (pag.  290)  über  die  „verhasste 
Solmisation^  mit  den  sechs  Syllaben  oder  „sogenannten  Vocibus 
uty  rcy  miy  fa,  sol,  la^  den  Stab  bricht,  „damit  man  der  sehr 
unvollkommenen  und  marterhaften  Mutation,  mit  welcher  sich  bis 
fast  auf  diese  Stunde  die  arme  Jugend  so  lästerlich  plagen  müsse, 
überhoben  sei^  und  empfiehlt  als  das  allerbeste  „unser ^  ehrliches 

Of  \A  c  d  e  fg.  —  In  Hinsicht  der  Tonarten  sagt  er,  dass  die 


Der  Streit.  107 

8  toni  ^  ecclesiastici  oder  Gregoriani  wegen  des  geringen  Nutzens 
nicht  speciell  angefahrt  werden  (pag.  61)  und  fährt  (pag.  63) 
fort :  „Wir  haben  nicht  mehr  als  1 2  differente  Tone ;  so  eben  die 
12  Semitonien  der  chromatischen  Octav  sind,  deren  jedes  durch 
die  tertias  n^ajores  et  minores  einmal  verändern  kann ,  also  dass 
die  vorgesetzten  24  (Tonarten)  herauskonmien  —  und  dabei  bleibt 
68.^  Damit  hat  Mattheson  die  Kirchentonarten  beseitigt  und  die 
chromatischen  24  Dur-  und  Moll-Tonarten  als  die  einzig  üblichen 
hingestellt.  Durch  beide- Behauptungen  hatte  er  viele  Gegner  er- 
regt y  unter  denen  wurde  er  am  heftigsten  von  dem  Organisten 
Johann  Heinrich  Buttstett  in  Erfurt  (geb.  1666,  gest.  1721) 
in  seiner  Streitschrift  (um  1714 — 1716)  y^Vi.re,  tni,  fa,  sol,  la 
Tota  Musica  et  Harmonia  aetema^  angegriffen ,  wo  die  alte  Sol- 
misation  und  Modi  Musici  aufrecht  Erhalten  wurden. 

Nach  seinem  bekannten  streitlustigen  Wesen  liess  Matthe- 
son auf  eine  Antwort  nicht  warten,  worin  er  Aug'  um  Auge,  Zahn 
um  2iahn  und  noch  etwas  darüber  vergilt.  Diese  1717  erschienene 
Antwort  führte  den  Titel  * :  Das  beschützte  Orchesire^  oder  des- 
selben zweite  ErCflhung^  wo  auf  nicht  weniger  als  561  Seiten 
den  verdummten  Solmisatoren  und  den  Anhängern  der  alten 
Kirchentöne  im  allgemeinen,  seinem  Angreifer  „dem  Pedaltreter  in 
Erfurt"  im  besonderen,  dem  er  eine  Legion  von  Ehrentiteln  beilegt, 

1  Fax  nimmt  6  aathenticos  und  6  plagales  (Nebentonarten)  an. 

2  Dessen  vollständiger  Titel  war: 

Das  Beschützte  Orchestre,  oder  desselben  Zweite  Eröffnung 
Worinn  Nicht  nur  einem  würcklichen  galant-homme,  der  eben  kein  Profes- 
sions-Verwandter, sondern  auch  manchem  Husico  selbst  die  alleraufrich- 
tigBte  und  deutlichste  Yorstellung  musioaiischer  Wissenschaften,  wie  sich 
dieselbe  vom  Schulstaub  tUchtig  gesftubert,  eigentlich  und  wahrhafftig  ver- 
halten, ertheilet;  aller  wiedrigen  Auslegung  und  gedungenen  Aufbürdung 
aber  völliger  truckener  Bescheid  gegeben ;  so  dann  endlich  des  lange  ver- 
bannet gewesenen 

Ut    Mi    Sol 

Re    Fa    La 

Todte  (nicht  tota]  Musica. 

Unter  ansehnlicher  Begleitung  der  zwölff  griechischen  Modorum 
als  ehrbarer  Verwandten  und  Trauerleute  zu  Grabe  gebracht  und  mit  einem 
Monument  zum  ewigen  Andenken  versehen  wird  von  Mattheson.  12.  Ham- 
burg, zu  finden  im  Dom  im  Schillerischen  Buchladen,  1717. 


108  Der  Streit. 

der  Text  gelesen  wird.  Mattheson  schwimmt  bei  diesem  littera- 
rischen Krakeel  in  seinem  Elemente,  and  lässt  nichts  nnversacht, 
seinen  Gegner  zu  zerstttcken  und  seine  Sttteke  den  Elementen 
preiszugeben.  Das  Thema  im  „Beschützten  Orchestre^  ist 
dasselbe  wie  im  Neneröffiieten  Orchestre^  nur  bedenkend  amplifi- 
eiert  and  mit  allerlei  stechenden,  schneidenden  und  keulenden 
Folterwerkzeugen  ausgestattet,  welche  der  bunteste  Flitterstaat 
von  Belesenheit  und  Superiorität  des  Wissens  gar  nicht  bemänteln 
soll ,  denn  die  Derbheit  tritt  in  der  plattesten ,  widrigsten  Form 
darin  auf.  Um  eine  Vorstellung  von  dem  Tone  der  Darstellung  zu 
geben  \  dessen  Mattheson  im  ^^Beschützten  Orchestre^  sich  befleisst, 
sollen  hier  nur  ein  Paar  der  schwächeren  Stellen  einen  Platz 
finden,  lieber  dieVeranlassong  dieser  Streitschrift  sagt  er  (p.  286): 
,,Ich  werde  im  folgenden  die  nichtige,  rerdriessliche ,  verhasste, 
abgesehmackte,  abgeschafite,  längstverrottete,  stinkende  Solmi- 
sation  nebst  dem  übrigen  unrichtigien  Quarck  des  ErAirtischen 
Pedaltreters  (Buttstett)  darlegen.^  Diesem  wird  (p.  33)  folgendes 
zugerufen:  „Kriechende  Gemttther  legen  alles  nach  ihrer  nieder- 
trächtigen Passion  der  Geldsucht  aus."  —  lieber  den  Erfinder 
der  Solmisation,  Guido  von  Arezzo  heisst  es  (p.  268) :  „  Aretinus 
florirte  recht  mitten  in  der  Barbarei,  in  dieser  Finsterniss  der 
groben  Unwissenheit,  im  einfältigen  elften  Seculo  ao.  1024.  — 
Inter  coecos  enim  et  luscus  perspicax  dici  potest.  Er  war  freilich 
der  beste  Hahn  im  Korb,  weil  man  von  keinem  bessern  wusste,  ist 
demnach  kein  Wunder,  dass  seitie  Methode  durchgehends  ange- 
nommen, gutgeheissen  und  auch  ganzer  600  Jahre  keine  andere 
gemacht  worden,  zumal  wenn  wir  die  antique  Dunmiheit,  ja  die 
greuliche  lästerliche  Dummheit  betrachten,  in  welcher  die  Welt 
noch  zu  Heresbachs  Zeit  (im  XV.  Jahrhundert)  gestanden."  — 
Ueber  die  Kirchentonarten  äussert  er  sich  (p.  416):  „Wir 
wollen  die  alten  modos  an  ihrem  Ort  bei  dem  Grabe  der  Solmisa- 
tion mit  allen  Ehrenzeichen  gestellt  sein  lassen  und  sie  denen 

^  Eines  der  Gedichte ,  die  Mattheson  im  beschützten  Orchestre  mit- 
theilt, beginnt: 

„Ut  re  mi  fa  sol  la  ist  zwar  schon  lang  verrecket 
Allein  man  hat  noch  nie  an  eine  Leich  gedacht, 
Dass  nun  kein  Menschen-Kind  durch  sie  würd  angestecket 
Hat  endlich  Mattheson  Sie  hier  zur  Gmfft  gebracht.^ 


Der  Streit .  109 

gerne  abtreten,  die  sich  etwan  mit  einem  neuen  Kirchenliede  anf 
den. alten  Fusb  hervorthon  wollen^,  und  f&hrt  (p.  424)  fort:  „Es 
gibt  jetzt  2  Classes  modorum  a.  Classis  modorum  majorom  mit 
grosser  Terz  ttber  dem  Orundton  und  b.  Classis  modorum  minorum 
mit  kleiner  Terz  ttber  demselben  —  also  12  modi  majores  und  12 
modi  minores  .  .  .  deren  sich  jeder  von  dem  andern  klärlich  und 
vernehmlich  unterscheidet.^  „Der  Fundamentthon  und  die  Trias 
(der  Dreiklang)  darüber  (nicht  das  Lumpensemitonium)  dind  gleich 
das  rechte  Fleisch  und  Blut  i.  e.  das  eigentliche  substantielle 
Wesen  aller  und  jeder  musicalischen  Stttcke^  (p.  378). 

Das  „Beschützte  Orchestre^  hat  Mattheson  vierzehn 
^ Wohl-Gebomen,  Hoch-Edlen,  Hoch-  und  Wohlgebomen,  Hoch- 
Ansehnlichen  HERRN  Herrn  Capell-Meistero^  dediciert,  in  deren 
!Zahl  n^bst  Joh.  Jos.  Fux  auch  Georg  Friedrich  Händel, 
Reinhard  Kaiser,  Job.  Kuhnau  in  Leipzig,  Georg  Phi- 
lipp Teleman  erscheinen,  und  die  er  zu  seinen  „arbitris^  er- 
wählt. Mehrere  dieser  aufgerufenen  Schiedsrichter  schmeichelten 
dem  Manne  der  geftlrchteten  Feder ,  Händel*  antwortete  aus- 
weichend. 

Wie  aus  Mattheson's  Critica  Mnsica  U.  185 — 206  hervor- 
zugehen scheint ,  hat  er  ein  Exemplar  des  Beschtttzten  Orchestre 
an  Fux  übersendet  und  diesen  speciell  um  sein  Urtheil  in  Sachen 
der  Sohnisation  und  der  Tonarten  aufgefordert.  Daraus  entspann 
sich  eine  Correspondenz,  welche  in  der  Critica  Mnsica  a.  a.  Orte 
abgedruckt  ist^  Fux  schreibt  darin  am  4.  Dec.  1717,  Mattheson 
repliciert  am  18.  Dec.  1717;  noch  einmal  und  zum  letzten  Male 
lässt  sich  Fux  vernehmen  am  12.  Jänner  1718,  worauf  Matthe- 
son,  der  immer  das  letzte  Wort  haben  musste,  am  12.  Februar 
1718  antwortet.  —  Ungeachtet  Fux  gegen  Abdruckung  seiner 
zwei  „unpolirten  Briefe^  protestiert,  hatte  Mattheson  doch  nichts 
eifriger  zu  thnn,  in  der  erwähnten  Critioa  sowohl  die  Briefe  des 
Fux,  mit  den  nöthigen  beissenden  Glossen  versehen,  als  auch 
dann  seine  eigenen  von  Gelahrtheit  starrenden  zwei  Repliken 
drucken  zu  lassen.  Fux  als  alter  PracticuB  der  Kirchentonarten 
und  Anhänger  der  Sohnisation  veiiheidigt  beides,  und  zwar  die 
Sohnisation  wegen  der  unwürdigen  Angriflfe  auf  den  von  Fux  ver- 

1  C'hrysander,  Händel.  I.  4.^  ff.      2  Beil.  lü.  1-6. 


110  Der  Streit. 

ehrten  Quido  von  Arezzo,  dem  „die  Mnsica  practica  mehr  schuldig 
als  keinem  antori  in  der  Welt"  „und  der  im  Orchestre  so  läster- 
lich durch  die  Hechel  gezogen  wird«,  worüber  Fux  gesteht,  dass 
er  sich  „nicht  wenig  darüber  geärgert  habe".  Er  giebt  die 
Schwierigkeiten  der  Mutationen  zu ,  „Knaben  können  sie  aber  in 
etlichen  Monaten"  überwinden;  ausserdem  haben  die  Silben  ut 
re  mi  fa  sol  la  die  Uebung  in  den  verschiedenen  Vocalen  beim 

Singen  für  sich,   „wogegen  die  Buchstaben  a,  b,  c mit 

schlechtem  Grund  in  der  Singkunst  gebraucht  werden".  Uebri- 
gens  sei  er  „kein  Anbether  der  superstitieusen  Antiquität",  doch 
„was  so  viele  Saecula  von  den  vornehmsten  Meistern  für  gut  und 
recht  gehalten ,  bis  nit  was  bessers  erfunden  wird ,  veneriere  er 
auf  alle  Weise". 

lieber  die  24  neuen  modi  sagt  Fux  „sie  haben  keinen  Grund, 
weil  von  12,  die  Mattheson  anfllhrt ,  1 1  die  Semitonien  mit  dem 
ersten  gleich  haben",  also  nur  transponiert  seien;  ein  transponier- 
ter Ton  ist  aber  weder  genere  noch  specie  diversus  ab  illo  a  quo 
transponitur".  —  Im  zweiten  Briefe  dankt  Fux  für  ein  von  Mat- 
theson componiertes  und  übersendetes  Clavierstttck,  —  das  Fux 
„gar  fein,  artig  und  von  guter  Invention"  befunden.  Er  kommt, 
gereizt  durch  die  insolente  Replik  des  Mattheson,  empfindlich 
auf  die  Solmisation  zurück,  sagt,  „dass  man  die  Schwierigkeit 
des  Erlernens  bei  Knaben  von  9  und  10  Jahren  hier  nicht  kenne" 
und  auch  in  Italien,  „wo  ohne  Widerrede  die  vornehmsten  Sänger 
herkommen,  bleibe  man  bei  dieser  Methode",  und,  fährt  er  fort, 
^weil  Hamburg  nit  die  ganze  musicalische  Welt  ist,  und  nur  all- 
dort  so  beschwerlich  ist,  die  Singkunst  auf  solche  Weise  zu  er- 
lernen, so  lasse  iehs  gerne  geschehen,  dass  man  alldort  das  ut  re 
mi  zu  Grabe  trage".  Fux  schliesst,  „er  habe  über  das  Orchestre 
seine  Meinung  geschrieben,  weil  Mattheson  ihm  die  Ehre  gegeben 
sie  zu  vernehmen,  wenn  man  damit  nit  zufrieden  sei,  kann  maa 
bei  seiner  Meinung  verbleiben,  er  sei's  zufrieden".  Es  koste  ihm 
keine  Mühe,  sein  assertum,  dass  die  24  modi  keinen  Grund  haben, 
klar  vor  Augen  zu  legen,  „wenn  ich  nit  mit  einem  zu  thun  hätte, 
der  kein  Sklave  und  gar  zu  sehr  eingenonunen  wäre  von  seiner 
eigenen  Meinung". 

Dessungeachtet  setzt  Fux  seine  Ansieht  weitläufig  ausein- 
ander, „weil  er  besorgt,  Mattheson  möchte  sonst  bei  den  Musik- 


Der  Streit.  111 

kandigen  schlechten  Ruhm  davon  tragen ,  was  Fux  sehr  leid  sein 
sollte^  indem  Mattheson  sonst  wegen  seiner  besondem  Gelehrtheit 
und  seinem  Eifer  gegen  die  liebe  Mnsik  besondere  estime  meri- 
tiert^.  Bei  dieser  geäusserten  Meinung ,  heisst  es  am  Schlüsse, 
soll  es  sein  Bewenden  haben,  ,,dann  ich  weder  Zeit  weder  Humor 
noch  indination  zu  dergleichen  strittiger  Schreibart  habe". 

Gegen  den  ruhigen,  einfach-würdigen  Ton  des  alten  Kapell- 
meisters sticht  das  strappelnde  Wesen  des  erbosten  Diplomaten 
höchst  unangenehm  ab.  Nicht  nur  sind  die  Glossen  und  Einleitun- 
gen beim  Abdruck  der  Briefe  des  Fux  voll  Malice ,  noch  mehr 
aber  halten  die  Briefe  Matthesbn's  einen  pöbelhaft  rohen,  mit 
Gitatenflitter  ttberftlllten,  beleidigenden  Ton  ein.  Wie  ein  zur 
Wnth  gereizter  Marktschreier  umschwärmt  er  sein  unglückliches 
Opfer  mit  den  stechenden  Waffen  seiner  oft  mislungenen  Witze, 
und  stellt  sich  inuner  zugleich  in  Positur  gegen  das  lesende  Publi- 
cum und  fragt:  Seht  ihr  nicht,  wie  ich  bin  klug  und  weise,  und 
wie  schwach  und  beschränkt  mein  Gegner.  Der  Schluss  setzt  dem 
Ganzen  die  Krone  auf.  Nachdem  Mattheson  dem  alten  Kapell- 
meister verblümt  und  unverblümt  die  empfindlichsten  Sottison 
angethan,  begehrt  er  von  ihm,  zu  der  Ehrenpforte,  die  er  heraus- 
geben wollte,  durch  Mittheilung  seiner  Biographie  beizutragen. 
Als  nun  Fux  ihn  mit  den  bekannten  Worten  abfertigte :  Ich  könnte 
wohl  viel  Vortheilhaftes  für  mich,  von  meinem  Aufkommen,  unter- 
Bchiedllchen  Dienstverrichtungen  schreiben,  wenn  es  nit  wider 
die  modestie  wäre,  meine  eigenen  elogia  hervorzustreichen.  Indess 
sei  mir  genug,  dass  ich  würdig  geschätzt  werde,  Caroli  VI.  erster 
Kapellmeister  zu  sein",  da  kannte  Mattheson  kein  Mass,  seiner 
erregten  Galle  Luft  zu  machen,  und  man  kann  es  mit  keinem 
andern  Namen,  als  Niederträchtigkeit  bezeichnen,  wenn  er  in  der 
später  herausgegebenen  „Ehrenpforte"  ^  den  sittlichen  Ruf  des 
würdigen  Mannes  begeifernd,  sagt :  „Jene  die  verstellte  Beschei- 
denheit vorschützen,  eine  Blödigkeit,  eine  Schamhaftigkeit  u.s.  w., 
das  sind  die  allerärgsten  und  heimlich  aufgeblasensten.  Sie 
kriechen  nur  desto  tiefer  um  desto  höher  zu  klimmen,  denn,  klet- 
tern und  kriechen  erfordert  einerlei  Leibesbewegung  und  Beu- 
gung". Chrysander^  bemerkt,  Mattheson  lasse  sich  nach  Hän- 

1  Vorrede  XIIL      >  Händel.  I.  144. 


112  Endergebniss  der  Streites. 

deFs  Tode  (1761)  im  Vorworte  zu  dessen  Lebensbeschreibung  in 
einem  wunderlichen  Gemische  von  Eitelkeit^  Knechtssinn  und 
Scheinheiligkeit  heraus  (indem  er  HändeFs  Vorzügen  entgegen 
seine  eigenen  aufzählt)  und  schliesst:  „Solche  schäbige  Gresinnun- 
gen  waren  damals  in  Deutschland  Gemeingut.  Jeder  eitle  Knirps 
konnte  sich  einem  Unsterblichen  an  die  Seite  stellen^  ohne  öffent- 
lich lächerlich  zu  werden.^  Dieses  scharfe  Urtheil  ist  leider  be- 
gründet und  wirft  ein  betrübendes  Licht  auf  das  Getriebe  der 
damaligen  deutschen  Gelehrten-  und  Kunstlitteratur,  ihre  Lieb- 
losigkeit, Klatsch-  und  Schmähsucht ;  von  der,  wie  es  scheint, 
gelbst  unsere  Tage  sich  noch  nicht  frei  gemacht  haben. 

Ueberblickt  man  unbefangen  den  Gegenstand  des  Streites, 
so  muss  man  bekennen,  dass,  was  die  sechssilbige  Solmisa- 
tion  des  Guido  von  Arezzo  betrifft,  diese  sich  zu  jener  Zeit 
bereits  überlebt  hatte  und  wegen  gehäufter  Schwierigkeiten  der 
Mutationen  bei  den  sich  eindrängenden  chromatischen  Tonarten 
nicht  mehr  sich  halten  konnte.  Ein  Auskunftsmittel  mnsste  ge- 
troffen werden,  durch  einfachere  durchgreifende  Bezeichnung  der 
Töne  ohne  Mutation  sei  es  durch  Hinzuftigung  einer  Silbe 
(8i)  ftlr  den  siebenten  Ton  der  Octav,  oder  durch  Benennung  mit 
sieben  Buchstaben.  Mattheson  sprach  das  aus,  was  viele  vor  ihm 
bereits  erkannt  und  auch  ausgesprochen  hatten,  und  was  durch 
ihn  zu  heftigem  Durchbruche  kam.  Den  Gründen  des  Fux  für  die 
Sohnisation  wäre  vielleicht  noch  der  hinzuzufügen,  dass  den  Ler- 
nenden durch  beständiges  hervorheben  der  Halbtöne  {mi  —  fa) 
die  Einsicht  in  die  Intervallenverhältnisse  der  Octav  lebhafter 
eingeprägt  wird.  Die  Verdienste  des  Guido  von  Arezzo 
zu  einer  Zeit,  wo  man  sich  noch  mit  unsichem  Neumen  plagte 
und  mit  dem  Tetrachord  behalf,  an  dessen  Stelle  er  das  Hexa- 
ehord  setzte,  sind  durchaus  nicht  in  Abrede  zu  stellen.  Am  wenig- 
sten ist  ihm  zur  Last  zu  legen,  was  nach  ihm  geschah,  dass  man 
durch  mehr  als  sechs  Jahrhunderte  seinen  Fusstapfen  folgte,  weil 
niemand  sich  fand  ,  der  etwas  besseres  an  die  Stelle  zu  setzen 
wusste. 

Anders  verhält  sich  die  Sache  mit  den  Tonarten.  Ob  die 
neuen  Dur-  und  Mollscalen  als  besondere  Tonarten  (modi)  zu 
betrachten  seien,  oder  nur  alsmoditranspositi  der  diatonischen 
Tonarten  C  und  A  kann  z  u  letzt  auf  einen  Wortstreit  hinausgehen. 


ApoBtolo  Zeno.  113 

auf  den  wenig  Oewicht  zu  legeu  ist.  Nach  den  Ansichten  der 
altejD  Schule  war  Fux  im  I^echte.  Dagegen  ist  die  Bedeutung 
der  alten  Eirdiepatönj^,  selbst  in  unseren  Tagen ,  keine  so 
geringfügige^  alr  M^ttheson  glauben  machen  i^fill.  Jedem,  der  die 
Meisterwerke  eines  l^ajest^na,  Qabrieli  und -so  vieler  «nderer 
grossen  Männer  gdiörig  anffass^  ;und  gemessen  will,  ist  ihre 
Kenntniss ;  unentbehrlich.  Aber  auch  dem  Componisten  b^onders 
fbr  die  Kirche  legen  sie  d,urch  die  geringeren  Mittel  der  Modu- 
lation und. Bewegung,  einen  strengen  Zttgel  an,  wodurch  Werke 
geschaffen  werden  können,  die  durch  edle  Einfachheit,:  Elrbaben- 
heil  und  Würde  das  Gemtttl^  zu  erheben. und  dem  E^iüreiesen  ein^s 
regellose)!  Melodien-:  upd  H^i,rmonien9chwindels  ein^n  festen  Damm 
entgegenzusetzen  verpaögen.  :   .  .  ..:, 


Jx^  Wien. bereitete  sich  mittlerw^eile  durch  das  Ai|ifeetcA  eines 
epochemachenden  Joannes  für  Kunst  und.Litteratu^  eine  bedeu- 
tende Wendung  .zum  bes8er,en  V|0r.  ,  I    j  .; 

Im  Jahre  1718  wurde  Ap.^stolo  Zeno*  als  k,  k/Hofpaet 
und  Historiograph  mit  einem  Jahrgehalt  von  4000  fl.  nach  Wien 
berufen  und  kam  desselben  Jahres  am  6.  December  dort  an.  In 
seinen  Briefen  kann  er  nicht  genug  rühmen,  mit  welcher  Güte  ihn 
der  Kaiser  in  der  ersten  Audienz  empfieng  und  welcher  ehrenden 
Ausdrücke  derselbe  sich  bediente.  Der  Kaiser  versicherte  ihn, 
dass  er  nicht  durch  fremde  Empfehlungen  bewogen  worden  sei,  den 
Apostolo  Zeno  in  seine  Dienste  zu  berufen,  sondern  durch  die 
Leetüre  der  Schriften  desselben.  Der  Kaiser  lobte  seine  Opemtexte, 
wiederholte  aber ,  dass  es  nicht  seine  Absicht  war ,  sich  Zeno's 
wegen  der  Poesie  allein  zu  bedienen,  weil  diese  nur  desseniunter- 
geordnete  Befilhigung  sei.  Er  sprach  von  Zeno's  Giomale  de*  Lei- 
terati  iF  Italia  und  drückte  den  Wunsch  aus,  diass  in  Wien' littera- 
rische Vereine  sich  bilden  möchten,  deren  Beschtftzer  er  gerne  sein 

1  Apostolo  Zeno  stammte  autf  einer  cretensischieil  Familie  und  war 
1668  in  Venedig  geboren.  Er  erhielt  eine  sorgfiiltige  Erziehung,  die  seinen 
aufgeweckten  Geist  .früh  mit- Kenntnissen  bereicherte.-  Sehr  jung  noch 
wurde  erdui^ch  seine  Melodrame  bekannt,  gab  aber  auch  eine  werthvolle 
Zeitschrift  GiornaU  de'Leäerad  ^  ItaUa  heraus.  Nachdem  er  sieh  1731  von 
Wien  nach  seiner  Vaterstadt  zurückgezogen  hatte,  besehäftigte'ihn  BibHb- 
graphie  und  Geschichtel  wori»  er  ausgezeichbetes- leistete.  11; 'Nov.  1750 
starb  er  dort  in  hohem  Alter.  > «     •  '    • 

Kiiehti,  J.  J.  Fux.  8 


114  Apostolo  Zeno. 

« 
werde*.   Da  hier  seine  litterarische  Thätigkeit  als  Dichter  von 

Texten  zu  Opern  und  Oratorien  zu  erwägen  ist,  so  kann  auf  seine 
anderweitigen  Arbeiten  und  Verbindungen  nicht  eingegangen  wer- 
den. —  Während  seiner  Anwesenheit  in  Wien  (1718 — 1731),  dann 
noch  wenige  Jahre  später  (ausserdem  von  früher  entstandenen 
Texten,  die  aber  erst  nach  1718  in  Wien  zur  Darstellung  kamen), 
dichtete  er  29  Opern  und  Serenaden  nebst  17  Oratorien*,  von 
denen  6  Nummern  Zeno  mit  Pietro  Pariati  gemeinschaftlich 
bearbeitet  hatte.  Von  den  in  Wien  verfassten  Texten  hat  A.  Cal- 
dara  29  in  Musik  gesetzt.  Fr.  Conti  6,  6.  Porsile  3,  einzelne 
A.  Lotti,  N.  Porpora,  J.  J.  Fux,  Hasse,  Giov.  Bonon- 
c  i  n  i.  —  In  den  Briefen,  welche  Zeno  von  Wien  in  seine  Heimat 
schrieb^,  erwähnt  er  nicht  gelten  seiner  eben  fertig  gewordenen 
poetischen  Texte  und  ihrer  Aufnahme  bei  Hofe  und  in  den  nahe- 
stehenden hohen  Kreisen*:  der  Musik  dazu  erwähnt  er  nur  selten 
und  ganz  kurz.  Er  wird  es  nicht  müde  seinen  Freunden  mitzu- 
theilen ,  welche  schmeichelhafte  LobsprUehe  er  für  seine  Poesien 
eingeärntet  habe :  der  Kaiser  soll  sich  darüber  geäussert  haben, 
so  gearb^tete  Werke  sehe  man  selbst  in  Italien  nicht ,  denn  in 
Italien  sei  kein  zweiter  Apostolo  Zeno ,  —  er  erwähnt  eines  Ge- 
schenkes von  4000  fl.,  das  er  vom  Kaiser  über  seinen  Gehalt  be- 
kommen und  in  Wien  viel  Lärmen  gemacht  habe  (Lett.  III.  1 2), 
ebenso  seiner  angenehmen  Verhältnisse  zu  den  ersten  Würden- 
trägem  des  Reichs,  dem  Principe  Pio,  dem  Grafen  Cavelli, 
den  Grafen  Cobentzel,  Collpredo,  C.ollalto  u.a.,  welche 
nach  dem  Vorgange  ihres  Souveräns  an  Entgegenkommen  für  den 
Dichter  und  Gelehrten  es  nicht  fehlen  Hessen.  Auch  sein  Aus- 
scheiden aus  den  kaiserlichen  Diensten  im  September  1731  ge- 

»  Lettere  II.  541  ff. 

^  Opern:  Beil.  VIU.  507.  522*.  527*.  539*.  541.  542.  549*.  550.  553. 
563.  570*.  571. 575. 581.  586.  604.  605.  607.  613.  614.  617.  629.  638.  641.  649. 
659.  721.  Die  *bezeichueteii  mit  P.  Pariati.  ~  Oratorien:  558.  566. 
577.  590.  611.  622.  634.  645.  653.  665.  686.  688.  704.  718.  730.  741.  763! 
Beine  Gesammtwerke  enthalten  46  Opern  und  17  Oratorien. 

3  Lettere  (2.  ediz.)  8.  Yenezia  1785,  im  II.,  III.  nud  IV.  Bancfe. 

4  Ueber  Ifigenia  (Lett.  II.  443  und  444),  D(m  Chüciotte  (III.  11;,  Sinta 
(HI.  64;,  Aieesandro  in  Sidane  (III.  96),  Pache  (III.  200;,  OrmUda  (III.  292), 
NUocri  (UI.  352) ,  Euristeo  (III.  446),  Gianguir  (III.  454),  Spartaco  (IV.  98), 
Imeneo  (IV.  199),  Omoepade  (IV.  209),  Mitridate  (IV.  256). 


Apostolo  Zeno.  115 

fichah  unter  den  schonendsten  Formen :  er  erhielt  den  Fortbezug 
eines  Ruhegehaltes  von  1000  fl.  mit  der  Gestattung,  seinen  Auf- 
enthalt in  Italien  zu  nehmen  und  mit  der  einzigen  Verpflichtung, 
soweit  es  seine  Kräfte  zulassen,  zu  schreiben,  was  etwa  der  Dienst 
benöthigt ,  wobei  ihm  freigelasse  wurde ,  zu  jeder  Zeit  wieder 
nach  Wien  zurückzukehren,  wo  man  ihn  immer  gerne  aufnehmen 
werde.  Von  dieser  letzten  Gestattung  machte  er  bekanntlich  keinen 
Gebrauch,  er  blieb  und  starb  in  seiner  Heimat.  Einige  Texte 
schickte  er  jedoch  bis  zum  Jahre  1 737  nac)i  Wien  ein. 

Metastasio,  von  Febroni  zu  einem  Urtheile  ttber  Zeno's 
Opern  aufgefordert,  äussert  sich  darüber  (opp.  post.  11.  409.)  in 
folgender  Weise:  „Wenn  dem  Herrn  Apostolo  Zeno  auch  jedes 
andere  poetische  Verdienst  gemangelt  hätte,  so  hätte  er  doch 
unsere  Dankbarkeit  und  die  Achtung  der  Nachwelt  dadurch  ver- 
dient ,  indem  er  zeigte ,  dass  unsere  Oper  und  die  Vernunft  keine 
unvereinbaren  Dinge  seien;  dass  er  nicht  glaubte  von  den  Ge- 
setzen des  wahrscheinlichen  enthoben  zu  sein,  dass  er  sich 
stemmte  gegen  die  Pest  des  damals  herschenden  albernen  und 
schwülstigen  Stiles,  und  dass  er  endlieh  den  Cothum  befreite  von 
der Possenhaftigkeit des Soccus" .  —  ApostoloZeno hatte  aber 
auch  noch  anderweitige  Verdienste,  worunter  nicht  das  geringste 
war,  dass  er  die  Allegorien  und  Personificationen ,  wenn  auch 
nicht  gänzlich  verbannte,  doch  auf  ein  Mimimnm  beschränkte, 
dass  er  in  der  Oper  gute  geschichtliche  Grundlagen  aufstellte  und 
jede  UnnatUrlichkeit  fernhielt ,  dass  sein  Dialog ,  von  einer  aus- 
gebreiteten Gelehrsamkeit  getragen,  niemals  unbedeutend  wurde, 
dass  er  in  der  Anlage  seiner  Stücke  nicht ,  wie  bis  auf  ihn  ge- 
wöhnlich geschah,  schabelonenartig  verfuhr,  dass  er  das  Liebes- 
getändel mindestens  von  Unsinn  frei  machte,  indem  er  sich  in 
einer  Vorrede  bei  dem  Leser  sogar  entschuldigt,  in  der  Anlage 
d66  Stückes  ein  Liebesverhältniss  aufnehmen  zu  müssen,  da  man 
ohne  ein  solches,  heutzutage  kein  Stück  sehen  wolle.  Wenn  nun 
Zeno  in  diesen  Richtungen  vieles  Verdienst  in  Anspruch  nehmen 
darf  und  durch  sein  Beispiel  zahlreiche  Nachahmer  nach  sich  zie- 
hend auch  als  bahnbrechend  anzusehen  ist,  so  ist  doch  wieder 
nicht  zu  läugnen,  dass  seine  Hervorbringungen  mehr  den  Verstand 
als  die  Empfindung  anzusprechen  geeignet  waren  und  eben  deshalb 
der  Hauptforderung  der  Musik,   welche  das  Gefühl  zu  beleben 

8* 


116  Pietro  Pariati 

bestimmt  ist,  weniger  zusagen  konnte,  insbesondere  ist  die  Liebe 
ganz  stiefinUtterlich  von  ihm  behandelt,  man  merkt  dass  er 
dabei  sich  Zwang  anlegen  musste  ,,und  wird  dadurch  verstimmt", 
zugleich  machten  die  langen,  mehr  rhetorisch  als  poetisch  gehal- 
tenen Eecitative  keine  geringen  Zumuthungen  an  den  Componisten 
und  auch  an  den  Zuhörer;  allein  hier  dürfen  wir  an  den  Verfasser 
der  Texte  keinen  zu  strengen  Masstab  anlegen,  da  das  Begnttgen 
seiner  Zeit  nicht  den  Forderungen  der  unsrigen  gleichsteht. 

Mit  Apostolo  Zei\o  gleichzeitig  an  Lebensjahren  und  in.  der 
Thätigkeit  als  Theaterdichter,  zuletzt  auch  in  der  Anstellung  am 
Hofe  zu  Wien  war  Pietro  Pariati*.  Er  ercheint  in  den  Hof- 
rechenbttohem  mid  Schematismen  als  Hofpoet  vom  1.  Jänner  1713 
nach  Silvio  Stampiglia  und  P.  Bernardoni  bis  zu  seinem 
Tode  im  Jahre  1 733.  Seine  poetische  Thätigkeit  fOr  Wien  scheint 
aber  schon  mit  1729  abgeschlossen  gewesen  zu  sein,  nachdam 
Aber  50  Texte  für  Opern  und  Oratorien  seiner  fleissigen  Feder  in 
kaum  16  Jahren  entflossen  waren.  Er  hatte  auch  mit  Apostolo 
Zeno  gemeinschaftlich  an  Opemtexten  schon  vor  ihrer  Ankunft  in 
Wien  gearbeitet  und  in  Apostolo  Zeno's  Poesie  drammatiehe  Vol. 
IX — XI  sind  10  solcher  gemeinschaftlicher  Texte  aufgenommen 
mit  der  ausdrücklichen  Bezeichnung,  dass  sie  von  Zeno  y^insieme 
con  P.  Pariati^ '  verfasst  sind.  Von  den  in  Wien  zuerst  zur  Auf- 
fUhrui^  gekommenen  gibt  Don  Chisciotte  in  Sierra  Morena  (Beil. 
VIII.  549)  und  Alessandro  in  Sidone  (570)  Zeugniss,  dass  Pariati, 
was  Gewandtheit  in  Erfindung  und  theatralischer  Anordnung  der 
Stoffe  betrifft,  seinem  Mitarbeiter  nicht  nachstand,  in  der  Sang- 
barkeit der  Texte  sogar  einen  Vorrang  verdiente '.  Auch  in  jenen 
Opern ,  welche  von  Pariati  allein  herrühren ,  wie  Costanza  e  far- 

tezztty  zeigt  sich  ein  Diehter  von  höherer  Begabung. 

> 

1  Er  war  zu  Beggio  (in  der  Lombardie)  27.  März  1665  geboren  and 
starb  1733.  Quadrio,  Stör.  VUI.  P.  U.  483.  Ant.  Lombardi  III.  392. 

2  Apostolo  Zeno  erkennt  auch  in  den  Briefen  das  Verdienst  Pariati *s 
an  und  gesteht  den  Erfolg  dieser  Stücke  ehrlich  zu. 


VIII. 

'  I  .  *  < 

t 

Fax.  Kircbemmiisik. 

In  dasselbe  Jahr  JL  718  fällt  die  Composition  der  berlUimten 
Missa  canonica  des  ¥vcl,  an  welche  sich  eine  nähere  Beleuchtung 
seiner  sämmtlichen  Kirchencompositionen  anknüpfen  lässt;  da 
ohnehin  bei  den  wenigsten  derselben  die  Zeit  ihres  Zustande- 
konmiens  mit  Sicherheit  zu  ermitteln  ist. 

Der  volle  Inhalt  des  Gradus  ad  Pamassum  legt  Zeugniss  ab 
über  die  Richtung  des  Verfassers  zum  strengen  Satze  in  der 
Musik  überhaupt  und  zu  Compositionen  für  die  Kirche  insbeson- 
dere, wo  jener  seinen  höchsten  Ausdruck  zu  finden  berufen,  ist. 
Ein  weiterer  Beleg  dafür  ist  die  grosse  Terhältnisszahl  seiner 
Kirchencompositionen  (289)  zur  Gesammtzahl  seiner  nachgelas- 
senen bekannten  Werke  (405)  *,  also  nahe  drei  Viertel  der  gan- 
zen Sunune ,  wichtiger  noch  ist  aber  die  Art  der  Auffassung  und 
Behandlung  derselben.  Ceber  seine  eigene  Stellung  zu  der  ihm 
vorausgegangenen  glänzenden  Periode  der  Musik  besonders  in 
Italien ,  legt  Fux  in  der  Widmung  seiner  berühmten  Missa  cano- 
nica *  an  K.  Karl  VI.  ein  selbstbewusstes  Bekenntniss  ab ,  wenn 
er  sich  in  folgender  Weise  äussert :  „Ich  habe  es  für  meine 
Pflicht  gehalten,  diese  ruhmreiche  Kunst  (die  Musik)  von  der  un- 
begründeten Meinung  einiger  zu  befreien,  welche  behaupten,  im 
Laufe  der  Zeit  habe  sich  das  Wesen  der  alten  Musik  so  verrin- 
gert, dass  sich  nach  und  nach  selbst  der  Begriff  derselben  ver- 
loren habe  und  uns  nichts  mehr  als  der  Schatten  ihres  Namens 
geblieben  sei,  den  die  moderne  Musik  eingenommen  hat.  .  .  .  Ich 
schmeichle  mir,  Eure  Majestät  werden  in  dieser  Messe  erkennen, 

1  In  dem  Verzeichnisse  der  Compositionen  desselben  (Bell.  X.)  werden 
56  Messen,  57  Vespern,  32  Litaneien,  12  Gradualien,  14  Offertorien, 
22  Mottette  und  106  Hymnen  aufgezählt. 

»Beil.  IV.  6. 


118  Kirchenmusik  —  Geschichtliches. 

-dasB  die  alte  Mnsik  noch  nicht  gänzlich  verschwunden^  und  da88 
uns  darin  sogar  ein  Gewinn  erwachsen  ist,  der  durch  Nachdenken 
und  Forschen  gepflegt  bewirken  kann,  dass  der  Geschmack  und 
die  Würde  derselben  noch  fortlebend  erscheine.  Das  ist  immer 
mein  Ziel  gewesen ,  und  mein  geringes  Talent  hat  zum  alleinigen 
Ende,  das  zu  erhalten,  was  von  alter  Musik  uns  noch  übrig  blieb, 
alle  ihm  mögliche  Kraft  zusammengenommen-,  in  der  Hoffnung, 
durch  das  Verdienst  dieses  mühsamen  Strebens  alle  meine  übrigen 
UnvoUkommenheiten  erträglicher  zu  machen." 

Es  ist  ausser  allem  Zweifel,  dass  Fux  unter  der  alten 
Musik,  deren  Erhaltung  er  als  den  Zweck  seines  künstlerischen 
Wirkens  aufstellt,  keine  andere  gemeint  habe  ak  jene,  deren 
Begründer  und  Vollender  Palestrina  war,  den  er*  mit  Be- 
geisterung das  Licht  von  Präneste  nennt,  dem  er  alles  was  in 
diesem  Zweige  der  Wissenschaft  an  ihm  sei,  zu  verdanken  habe, 
und  dessen  Andenken  er,  so  lange  er  lebe,  niemals  aufhören 
werde  mit  dem  höchsten  Dankgefdhle  zu  verehren.  Er  nennt  ihn 
später  den  Fürsten  des  Stils  a  cappella',  welchen  nachzuahmen 
er  seinem  Schüler,  wenn  ihm  um  einen  ungewöhnlichen  Fortschritt 
zu  thun  ist,  auf  das  dringendste  empfiehlt. 

Giovanni  Pierluigi  Palestrina^,  der  Gegenstand  der 
Bewunderung  der  Mitwelt  und  Nachwelt,  wjar  es  wohl  werth,  dass 
ihn  ein  anderer  grosser  ICünstler  so  hoch  stellte.  Als  in  Italien 
wegen  Ueberkünstelung  durch  die  Niederländer  die  Kirchen- 
musik ihrem  Zwecke  der  Verständlichkeit  und  Würde  nicht  zu 
entsprechen  schien  .und  es  nahe  daran  war,  dass  die  Figural- 
musik  aus  der  Kirche  verbannt  werden  sollte,  erhielt  Pale- 
strina, dessen  Improperien*  und  die  Messe  üt  re  mi  fa  sol 
durch  Einfachheit  und  Grösse  Staunen  erregt  hatte,  von  Papst 
Pius  rV.  (1564)  den  Auftrag,  eine  Messe  zu  schreiben,  welche 

1  Grad,  praef.      >  Grad.  p.  244. 

^Giovanni  Pierluigi  (Johann,  Peter  Alois),  nach  seinem  Geburts- 
orte Palestrina  (Praeneste)  genannt,  während  sein  Familienname  S  an  t  e 
war,  geboren  1514  (nach  Schelle,  neue  Zeitschr.  f.  Mus.  1864),  ward  in  Rom 
ein  Schüler  GoudimePs,  1544  Kapellmeister  in  der  Cathedrale  von  Pale- 
strina, von  1551  an  in  Rom  theils  als  Kapellmeister  im  Yatican,  theils  als 
Componist  der  Kapelle  Papst  Pius  IV.,  und  starb  dort  1594. 

^  -Gesänge  am  Gründonnerstage. 


Kirchenmasik  —  Geschichtliches.  119 

in  jeder  Hinsicht  als  dauerndee  Muster  echter  Kirchenmusik  hin- 
gestellt werden  könne.  Vermöchte  sie  den  Anforderungen  der 
Congregation  Gentige  zu  leisten ,  so  soUte  die  Figuralmusik  in 
der  Kirche  ferner  verbleiben.  Das  Schicksal  derselben  lag  also 
in  Palestrina's  Hand.  Er  schrieb  nun  drei  Messen,  von  denen  die 
dritte  aufgeführte,  später  Marc ellusm esse  genannt,  entschie- 
den durchschlug  und  allgemeines  Staunen  und  Bewunderung  her- 
vorrief. iMe  Empfindungen,  welche  in  der  katholischen  Kirche 
die  alleinherschenden  sein  sollen ,  hatten  darin  einen  tiefen  und 
wahren  Ausdruck  gefunden,  die  höchste  Kunst  ^schien  als 
Natur,  ein  echt  kirchlicher  Stil  hatte  sich  entfaltet,  ernst,  feier- 
lich, gross,  wie  alle  Leidenschaftichkeit  so  auch  aUe  Künstelei  aus- 
schliessend,  in  tiefsinniger  Tonsymbolik  die  Greheimnisse  der 
Gottheit  dem  ahnenden  Gefühle  vermittelnd.  Palestrina  hatte 
mit  diesem  Werke  nicjit  nur  der  Kirchenmusik  ihren  Antheil  am 
katholischen  Gottesdienste  für  alle  Zeiten  gesichert,  sondern  auch 
den  Italienern  einen  nationalen  Kirchen stil  geschaffen,  der  noch 
immer  Stile  alla  Palestrina  genannt  wird.  —  Indess  ist 
seine  Schreibart  keineswegs  inuner  jener  einfach  erhabene  der 
Improperien  oder  Marcellusmesse ,  sondern  die  contrapunktische 
Kunst  findet  sich  auch  bei  ihm  in  allen  Abstufungen,  je  nach  der 
Anregung  des  Textes  von  der  einfachen  Accordenfolge  des  Jos- 
quin' sehen  Stile  familiäre  bis  zn  den  äussersten  Verwicklungen 
des  canonischen  Satzes.  Aber  auch  die  grössten  Schwierigkeiten 
überwand  er  scheinbar  ohne  Anstrengung  und  ohne  im  Ausdrucke 
jemals  die  Würde  des  Gegenstandes ,  der  Kirche ,  zu  vergessen 
oder  die  Technik  zur  Herscherin  über  den  Gedanken  sich  er- 
heben zu  lassen  ^. 

Von  Eom  und  Venedig  giengen  noch  im  XVI.  Jahrhundert 
zwei  grosse  Schulen  aus :  in  Rom  die  Schule  des  Giovanni  « 
Maria  Nanini,  mit  welchem  in  Verbindung  Palestrina  an  der 
Bildung  von  Talenten  sehr  eiMgen  Antheil  nahm,  die  Gründer 
des  erhabenen  Stiles  in  der  Musik  —  in  Venedig  hatte  die  Musik 
schon  vor  Claudio  Monteverde  (1613),  Ciprian  de  Bore 
{1563)  und  Zarlino  (1563)  diesen  und  andern  Meistern  die 
Erweiterung  der  Harmonie  durch  Einführung  bis  dahin  noch  nicht 

1  Ar.  D  0  m  m  e  r ,  Musikgeschichte.  140  ff. 


120  Ejrchenmasik  —  Geschichtliches. 

gebränchlioher  Intervalle  und  Tonrerbindungen  in  die  Praxis  so 
wie  durefa^den^Anstöss  ^Hr 'Entwicklung  ein^r  selbständigen 
Instrunientalmusik  vieles  zu  danken^.  In  disr  itidienisch^n  Kirchen- 
musik fliessen  nun  '^ii  dem  Anfange  deis  XVII.  Jahrhundert? 
diese  beiden  von  Rom  und  =  Venedig  ausgehenden'  Strönfutgen 
neben  einander  hin,  kommen  sich  nfther  und  vermischen  Bich  Kunr 
TheiL  Die  geistigen  Nachkommen  des  Palestrma  begannen  von 
dein  besonders  durch  die  Norditafiener  erweiterten  Ausdrucks-^' 
mittein  Gebrauch  zu  machen,  die  reichere  Entfaltung  der  Melodik,- 
der  Chroftiatik  und  des  cohcertierenden  Stils  übertrug  sich  auf 
die  Römer,  während  sie  in  vielchörigem  Tonsätze^von  den  Vene- 
tianern  um  vieles  übertroffen  werden. 

Die  streng  objective  Hingabe  an  die  heiligen  Texte  fieng 
an,  in  eine  bereits  subjectivere  und  dem  Gefühlvollen  sich  zuwen- 
dende Empfindungsweise  überzugehen;  doch  hat  der  kirchliche 
Stil  dieser  Periode  bis  zum  Ende  des  XVII^  Jahrhunderts  ein 
durchaus  würdiges  und  vom  weltlichen  sich  unterscheidendes 
Gepräge.  —  Unter  den  glänzendem  Namen  dieser  Periode  war 
Gregor io  Allegri  von  Corregiö,  seit  1629  Sänger  der  päpst- 
lichen Kapelle,  gesforben  1652,  der  Componist  des  berühmten 
Miserere,  welches  bis  heutzutage  am  Charfreitage  in  der  Sixtina 
in  Rom  gesungen  wird  —  Francesco  Foggia  (geboren  1604) 
in  der  Jugend  am  Hofe  des  Kurfürsten  von  Baiem  und  des  Erz- 
herzogs  Leopold  von  Oesterreich  (lebte  noch  1684)  —  Orazio 
Benevoli  (1650  bis  1672)  Kapellmeister  von  St.  Peter  im 
Vatican,  einer  der  bedeutendsten  Erben  von  Palestrina's  Geiste 
—  Giuseppe  Ercole  Bernabei  (geboren  1620,  gestorben 
1684)  zuletzt  Kapellmeister  in  München  u.  m.  a.^ 

Allem  neben  diesen  tüchtigen  Meistern  hatte  mit  Einführung 
der  Oper  zu  Anfangs  d^s  XVH.  Jahrhundais  eine  grössere  Zahl 
von  Componisten  es  bequemer  gefunden ,  die  lästigen  Regeln  des 
fi^engen  Sat^e«^  nicht  blos  in  der  Oper  abzustreifen,'  sondern  auch 
ihre  Zügellosigkeit  in  die  Kirchenukusik  zu  übertragen^  G«gen 
floldhe  Verderber  der  Musik  wendet  dich  Fux  zu  Wiederholten 
Malen  voll  -heiligen  Eifers  und  suchte  durch  Lehre  und  Beispiel 
die  drohende  Ueberfluthung  einzudämmen.  Die  Gelegenheit  dazu 

1  Ar.  D  0  m  m  e  r  a.  a.  0.  401  ff. 


Fux,  Kirchenmusik.  121 

both  ihm  natürlich  vor  allem  der  Kirchenstil,  worüber  seine  An- 
sicht zu  hören  an  dieser  Stelle  der  Platz  zn  sein  scheint.  ,,So  wie 
das  HeiKge  dem  Weltlichen  an  Würde  voransteht,  muss  auch  die 
Musik,  welche  Dir  den  Gottesdienst  bestimmt  ist  und  ewig  dauern 
soll ,  durch  ihren  Adel  bei  weitem  den  ersten  Rang  einnehmen, 
wie  das  nach  meiner  Ansicht  niemand  in  Zweifel  ziehen  wird. 
Und  weil  Gott  die  höchste  Vollkommenheit  ist ,  so  gebührt  sich 
auch ,  dass  die  Harmonie ,  welche  zu  seinem  Lobe  bestimmt  ist, 
nach  der  ganzen  Strenge  der  Gesetze,  nach  der  Vollkommenheit, 
so  weit  dies  die  menschliche  Unvollkommenheit  zulässt,  voll- 
bracht und  mit  allen  Mitteln,  wodurch  die  Andacht  befördert 
werden  kann ,  ausgestattet  werde.  Und  wenn  det  Ausdruck  des 
Textes  irgend  eine  frohe  Stimmung  verlangt,  so  hat  man  sich  zu 
hüthen,  dass  die  Musik  der  kirchlichen  Würde,  des  Masses  und 
Anstandes  nicht  entkleidet  werde,  wodurch  die  Zuhörer  zu  andeni, 
als  den  Empfindungen  der  Andacht  geleitet  werden  könnten.  Vor 
allem  hat  man  sich  zu  bemühen,  dass  die  Musik  dem  Texte  ange- 
messen, klar,  ausdrucksvoll,  und  dem  Sänger  nicht  unbequem, 
sondern  leicht  für  die  Aussprache  eingerichtet  sei.  .  ,  Daher  soll 
die  Musik  nicht  blos  zu  singen,  sondern  auch  zu  declamieren 
scheinen"  *.  • 

In  diesen  Anforderungen  an  den  Kirchenstil,  dass  er  er- 
haben, klar,  ausdrucksvoll,  andachterweckend,  masshaltend,  den 
strepgsten  Regeln  der  Kunst  entsprechend  sei ,  ist  zugleich  das- 
selbe enthalten,  was  man  von  dem  Palestrinastile  erwartet.  Da 
nun  femer  Fux  die  meisten  seiner  Kirchencompositionen  im  Stile 
a  cappella  geschrieben  hat,  so  ist  auch  für  seine  Auffassung 
bezeichnend ,  was  er  über  diesen  Stil  im  Gradus  *  dem  Schüler 
vorschreibt:  „Es  ist  bekannt,  sagt  er,  dass  in  den  ersten  Zeiten 
der  Gottesdienst  nur  durch  Singstimmen  verrichtet  wurde.  Dass 
hierauf  nach  Einführung  der  Orgel  und  im  Laufe  der  Zeit  alle 
Arten  von  Instrumenten  in  Anwendung  kamen,  beweist  die 
üebung  in  unseren  Tagen  zur  Genüge.  Zu  unserer  Zeit  ist  daher 
eine  zweifache  Verwendung  des  Stiles  a  cappella  üblich :  ohne 
Orgel  und  andere  Instrumente ,  mit  Singstimmen  allein,  —  dann 
'  jene  mit  der  Orgel  und  anderen  Instrumenten.   Die  erste  findet 

•J  Grad.  p.  242.      2  p.  243, 


122  Fux,  Ejrchenmusik. 

noch  in  den  meisten  Cathedralkirchen  statt  und  eben  so  anch  an 
unserem  Hofe  zur  Fastenzeit.  Bei  dieser  Gattung  von  Composi- 
tion  hat  man  sich  zuerst  und  vor  allem  zu  enthalten  des  Genus 
mixtum  und  der  Modi  transpositi,  welche  zu  sehr  mit  Kreuzen 
und  Be  erfüllt  sind :  nur  das  reine  Genus  diatonicnm  diene  zur 
Richtschnur^  sonst  würde  die  Musik  niemals  die  gewünschte 
Wirkung  hervorbringen.  .  .  .  Denn  ftlr  die  Singstimmen,  wenn  sie 
nicht  durch  die  Hilfe  anderer  Instrumente  unterstützt  werden,  ist 
die  Intonation  sonst  sehr  schwierig;  bei  dieser  Gattung  Compo- 
sition  hat  man  daher  auf  die  Leichtigkeit  und  die  naturgemässe 
Art  zu  singen  die  grösste  Sorgfalt  anzuwenden.  Aus  diesem 
Grunde  hat  man  Subjecte  aufzustellen,  welche  natürlich  und 
leicht;  jedoch  auch  nicht  unbedeutend  und  trivial  sind.^ 

Dass  Fux  diese  Kichtschnur  nicht  nur  für  seinen  Schüler, 
sondern  auch  für  sich  selbst  festgestellt  und  eingehalten  hat,  göht 
aus  den  Partituren  seiner  Kirchencompositionen  zweifellos  her- 
vor. Dass  er  darin,  sowie  es  seinem  grossen  Talente  und  seinem 
unermüdeten  Studium  angemessen  war,  das  ihm  mögliche  mit 
dem  grössten  Aufwände  seiner  Kraft  zu  leisten  bemüht  war, 
ergibt  sich  am  klarsten  aus  seinen  Auffassungen  und  Durchfüh- 
rungen besonders  im  Stile  a  cappella.  Wenn  ihm  darin  Palestrina 
das  höchste  Vorbild  seines  Strebens  war,  so  wird  dagegen 
schwerlich  etwas  eingewendet  werden.  Dieses  Streben  bestand 
aber  nicht  in  der  einfachen  Nachahmung  der  Manier  seines  Vor- 
bildes,  wie  dies  bei  untergeordneten  Talenten  wohl  oft  der  Fall 
ist.  Fux  hat  das  Wesen  dieses  Stils  des  Erhabenen  in  sich  auf- 
genonunen,  und  in  diesem  Geiste,  nicht  aber  in  fremder  Manier 
seine  Werke  geschaffen ,  die  allerdings  ebenfalls  geeignet  sind, 
die  Andacht  der  Zuhörer  zu  wecken  und  ihrem  Gemüthe  die 
Richtung  zum  Unendlichen  anzubahnen. 

Es  ist  in  den  Werken  des  Fux  nichts  von  der  Ueberschwäng- 
lichkeit  und  Gefllhlsseligkeit  mancher  seiner  Zeitgenossen  und 
geistigen  Nachkommen  zu  treffen ;  mit  keuschem,  strengen  Ernste 
bewegt  sich  seine  Musik,  bewusst  der  Würde  und  Hoheit,  die  sie 
aussprechen  soll,  und  ebenso  von  jener  frommen  Erhebung  erfüllt, 
die  aus  seinen  Klängen  auf  die  Andächtigen  überströmen  soll. 
Unterstützt  von  allen  Behelfen  der  Kunst  des  Satzes  werden  sie 
ihm  nie  der  Zweck,  sondern  nur  das  Mittel  zur  Entfaltung  seiner 


f 


Fux,  Eirchenmusik.  123 

ninsicalißchen  Gedanken;  und  nnr  dem  Kenner  wird  es  klar,  was 
Air  eine  Summe  von  Gelehrsamkeit  nnd  Kenntniss  unter  der  HttUe 
einYacher  Notenbewegungen  verborgen  Hegt.  Von  dem  inneren 
Reiehthum  seiner  Gedanken  zeugt  die  bisweilen  häufig  wieder- 
holte Composition  desselben  Textes ,  als  der  Messen  y  Vespern, 
gewisser  Hymnen  u.  dgl.^  deren  Auffassung  immer  eine  bestimmte 
Grundstinunung  auch  bei  der  grossen  Mannigfaltigkeit  der  Be- 
handlung erkennen  lässt.  In  allen  seinen  Eirchencompositionen 
wird  natürlich  das  Hauptgewicht  in  die  Singstimmen  verlegt, 
was  in  der  einen  Art  des  Stils  a  cappella  ohne  Begleitung  sich  von 
selbst  versteht.  Mit  grosser  Kenntniss  der  Leistungsfähigkeit  der 
menschlichen  Stimme  sind  überall  die  Motive  (Subjecte)  erfun- 
den und  durchgeführt  und  den  Ausführenden  durch  das  strenge 
Einhalten  der  diatonischen  Tonarten  der  Vortrag  wesentlich 
erleichtert.  Selbst  wo  ein  Cantus  firmus  des  Gregorianischen 
Gesanges  eingeführt  wird,  hat  er,  nur  so  weit  es  die  musicalische 
Fortbildung  erfordert,  hie  und  da  Modificationen  erlitten,  nir- 
gends ist  aber  dem  Flusse  der  Gedanken  dadurch  ein  Hinder- 
niss  erwachsen  und  während  der  Kundige  dieses  Kunstwerk  be- 
wundernd anerkennt,  tdrd  der  Nichtkenner  nur  an  ihm  bekannte 
kirchliche  Melodien  erinnert  und  durch  diese  selbst  zur  Andacht 
gestimmt.  —  Wie  von  dem  Meister  des  Contrapunktes,  dem  die 
polyphone  Schreibart  zur  zweiten  .Natur  geworden  war,  nicht 
anders  erwartet  werden  darf,  ist  die  Führung  der  Stimmen 
durch  alle  seine  Werke  eben  so  werth  der  Bewunderung  als  der 
Nachahmung.  Gewiss  wird  in  Hinsicht  der  Verbindung  der 
Stimmen  und  ihres  harmonischen  Fortschreitens  jeder  das  Urtheil 
des  Schülers  im  Gradus*  theilen,  wenn  er  über  das  Kyrie  der 
Messe  VicissUudinis  *  sagt :  „Ich  sehe  und  bewundere  die  Ver- 
kettung der  Stimmen ,  welche  das  Subject  so  enge  zusammen- 
drängt ;  wo  beinahe  in  jedem  Tacte  das  Subject  bald  in  einer 
bald  in  zwei  Stimmen  auf  eine  leichte  und  natürliche  Singweise 
und  mit  voller  Harmonie  gefunden  wird,  so  angemessen,  dass 
das  Subject  selbst  gleichsam  die  Rolle  der  Modulation  über- 
nimmt;" oder  weijn  der  Lehrer  selbst  seinem  Schüler  das  Amen 
der  Messe  Credo  in  unum  Deum  in  folgender  Auslassung  zer- 

1  pag.  246.      2  Beil.  VIII.  44. 


124  FvLx,  Kirchenmusik. 

gliedert  * :  „Erwäge,  Josef;  den  gebundenen  Gang  der  Stimmen 
mit  dem  Subjecte  bei  richtiger  Folge  der  Consonanzen  und  t)e- 
ständigei"  Kette  der  Dissonanzen,  dann  der  Modulation,  die 
obwohl  natürlich  und  leicht  doch  keineswegs  gewöhnlich  ist. 
Bedenke  weiter  die  Verbindung  der  Stinmien,  worin  die  grööste 
Kraft  der  Harmonie  beruht  und  die  nie  unterbrochene  Bewegimg 
bis  an«  Ende  fortgeführt." 

Die  polyphone  Satzweise  brachte  es  ferner  mit  sich,  wenn 
die  Subjecte  (Themen)  um  sich  besser  abzuheben  in  verschiede- 
nen Tacttheilen  eintreten  und  Ligaturen  nothwendig  machen, 
dass  Fux  in  allön  seinen  "Werken  der  gebundenen  Schreib- 
art vorzugsweise  sich  bediente,  wie  er  selbst  seinem  Schüler  in 
der  Lehre  von  der  Fuge  den  Gebrauch  häufiger  Ligaturen 
empfiehlt*,  ,^denn",  Bagt  er,  „es  ist  kaum  glaublich,  was  fllr 
einen  Reiz  die  Satztheile  durch  Ligaturen  gewinnen,  denn 
durch  diese  bewirkt  man,  däss  beinahe  jede  Stimme,  die  eine 
abweichende  Bewegung  erhalten  hat,  dem  Gehör  leicht  auffass- 
bar wird.  Das  lass  dir,  schliesst  er,  nicht  blos  in  dieser,  sondern 
in  jeder  Art'der  CoihJ)osition  gesagt  sein". 

Wenn  Fux  auch  in  der  zweiten  Art  des  Stiles  a  cappella  mit 
begleitenden  Instrumenten  von  der  Anwendung  der  streng  diato- 
nischen Tonarten  durch  Aufiiahme  verschiedener  Modi  transpo- 
siti  mit  mehreren  Vorzeichnungen  sich  grössere  Freiheiten  er- 
laubte ,  so  war  die  Bestimmung  der  Instrumente  dabei  nur  die 
Intonation  der  Stimmen ,  mit  denen  sie  im  Einklänge  gehen ,  zu 
unterstützen,  nicht  aber  ungesetzmässigen  Ausschreitungen  Ge- 
legenheit zu  geben. 

Selbst  bei  Compositionen  im  concertierenden  Stile 
werden  die  Instrumente  nur  zu  kleinen  Zwischenspielen,  hie  und 
da  Sonatinen  genannt,  und  höchstens  zu  ganz  bescheiden 
figurierter,  meistens  imitierender  Begleitung  verwendet. 

So  wie  Fux  in  reinen  Instrumental  -  Compositionen  seine 
Tüchtigkeit  bewährt  hatte,  war  es  begreiflich,  dass  er  auch  der 
Instrumentalbegleitung  des  Gesanges  alle  Aufmerk- 
samkeit zuwendete.  Es  stand  ihm  auch  in  der  kais.  Hofkapelle 
ein  für  jene  Zeit  auserlesenes  und  der  Zahl  nach  selten  oder  gar 

1  Gradus,  p.  271.      «  GraduB,  p.  168. 


Fux,  Kirchenmusik.  1-25 

nicht  erreichtes  Orchester  zu  Gebothe :  '6  Organisten,  23  Violini- 
sten, 1  Gambist,  4  Violoncellisten,  3  Contrabassisten,  1  JLauteniBt^ 
1  Teorbist,  2  Comettisten,  4  Fagottisten,  5  Oboisten,  4  Posauni- 
sten, 1  Jägerhornist,  16  Trompeter,  2  Pauker,  —  darunter  eine 
Vielzahl  von  Virtuosen,  —  welches  Orchester  in  Deutschland, 
England,  Frankreich  und  Italien  konnte,  eiqer  so  reihen  Besez- 
zuQg  sich  rühmen,  als  im  Jahre  1721  d^  kaiserliche  Hofk^pqlle 
umfasste?  Ausserdem  wurde  gelegentlieh  noch  für  Schalmei,  die 
Tromba  marina  (eine  Art  Monochord)  und  Flöte  nebst  mehre- 
ren Alto- Violen  und  Violetta  gesetzt,  fttr  welche  der  Stanfi  der 
Hofkapelle  keine  besonderen  Individuen  bezeichnet,  daher  ßie 
von    anderen  Künstlern  desselben  Institutes   versehen  werden 

mui^sten. 

■ 

Die  Hauptaufgabe  der  Begleitung ,  die  Singstimmen  zu  tra- 
gen, und  ihren  Ausdruck  durch  characteristische  Figuren  und 
Bewegungen  zu  erhöhen,  wurde  von  Fux  nie  aus  den  Augen  ge- 
lassen. Im  allgemeinen  war  seine  Instrumentierung  zwar  oft 
reich  \  aber  doch  nie  überladen,  und  die  Singstimmen  deckend. 
.  Auch  für  hinreichende  Abwechslung  war  bei  grösseren  Sätzen 
gesorgt,  da  öfter  der  Gesang  nur  von  der  Orgel  begleitet  mit 
reinen  Instrumenten  -  Zwischenspielen  sich  ablöste,  gewisse  In- 
strumente von  intensiveren  Klangwirkungen,  wie  Trompeten, 
Zinken  u.  dgl.  nur  die  kräftigen  Stellen  markierten,  und  von  ein- 
zelnen Sätzen  ganz  ausgeschlossen  wurden.  Die  Hauptrollen  der 
Begleitung  sind  regelmässig  den  Streichinstrumenten  zugewiesen, 
welche  ausser  der  Verstärkung  der  Singstimmen  im  Einklänge, 
auch  in  manchen  Fällen  diese  imitierend  oder  auch  unter  sich 
modulierend  begleiten.  Diminuierungen  durch  geschwindere 
Noten  oder  Variationen  der  Instrumentierung  sind  nur  sehr  selten 
angegeben.  Davor  htttheten  sich  Ccunponisten,,  wie.Fux,  so  sehr 
sie  konnten,  da  zu  jener  Zeit  so  wie  die  Säi^er  auch  die  begleiten- 
den Instrumentisten  in  den  Oberstimmen  wie  in  den  Mittelstim- 
men  die  willkürlichsten  Veränderungen  durch  .Gänge,  JLäufe 
und  andere  Melismen  sich  erlaubten,,  so,  dass  im  Gradus  (p.  220) 

1  Das  Tedeum  (Beil.  X.  271)  hatte  folglsnde  Besetzutig:  2  Soprane, 
1  Alt,  Tenor,  Bass,  2  Trompeten,  2  Trombe,  Pauken,  2  Violinen,  3  Violen 
(diese  sammtlich  concertierend),  ausaerdem  Ripienisten:  2  Cornette,  3  Po- 
saunen, Teorbe,  Violon,  Orgel.  : 


126        •  Fux,  Messen. 

geklagt  wird,  heutzutage  brauche  der  Componist  keine  Varia- 
tionen anzubringen,  denn  „über  alle  Gebühr  werden  sie,  ja  bis 
zum  Ekel  von  den  ausübenden  Musikern  gehört,  so  dass  das 
Wesen  der  Harmonie  Über  und  über  verkehrt  werde,  und  der 
Componist  nur  mit  Noth  seine  Melodie  herauszufinden  vermöge^. 

Von  ausgezeichneter  Anwendung  war  zu  jener  Zeit,  beson- 
ders in  der  Kirche  die  Posaune,  von  der  gewöhnlich  die  Alt-  und 
Tenor-Posaune  den  gleichnamigen  Singstimmen  folgten,  aus- 
nahmsweise trat  noch  eine  dritte,  die  Bass-Posaune  hinzu  *.  Die 
höheren  Anforderungen,  welche  Fux  an  dieses  Instrument  stellte, 
hatten  ihren  Grund  in  der  seltenen  Virtuosität  der  Bläser  aus  der 
Familie  Christian,  welche  Fux  in  seinen  Gutachten  wiederholt 
hervorhebt.  Von  der  Orgel  wird  in  der  Regel  keine  virtuose 
Fingerfertigkeit  verlangt,  nur  in  seltenen  Fällen  erscheint  eine 
concertierende  figurierte  Stelle  neben  einem  zweiten  Instrumente  ^ 
ungeachtet  die  Organisten  Gott  lieb  Muffat  und  Joh.  B. 
Payer  zu  den  vorzüglichsten  zählten.  Allerdings  lag  zu  jener 
Zeit  die  Schwierigkeit  für  die  Orgel  anderswo,  als  in  der  Fertig- 
keit der  Finger. 

Wenn  wir  nun  an  die  Betrachtung  der  verschiedenen  Gat- 
tungen seiner  Kirchenmusik  gehen,  so  darf  man  nie  aus  den 
Augen  verlieren,  dass  Fux  ein  frommer,  eifriger  Katholik  und 
über  das  Wesen  der  katholischen  Kirchenmusik  mit  sich  im 
reinen  war.  Einige  Bemerkungen  über  Texte  und  Stellung  der 
Musikstücke  in  der  Liturgie  seiner  Kirche  dürften  zum  besseren 
Verständnisse  nicht  überflüssig  erscheinen. 

I.  Messen.  Für  den  Katholiken  ist  der  wichtigste  Act  der 
äusseren  Gottesverehrung  das  Messopfer,  auch  die  Messe  ge- 
nannt. In  einer  Reihe  symbolischer  Handlungen  durch  den  Prie- 
ster am  Altare  werden  dem  Gläubigen  die  hervortretendsten 
Momente  der  Lehre,  des  Lebens,  dann  des  letzten  Liebesmahles 
und  Opfertodes  des  Heilandes  zur  Enveckung  tiefer  Andacht  und 
Erbauung  in  Erinnerung  gebracht.  Gewöhnlich  werden  diese 
Vorgänge  und  Gebethe  ohne  Begleitung  von  Musik  oder  hoch- 
stens  eines  Chorliedes  durch  die  Gemeinde  vorgenommen  und 

1  Tedeum,  Beil.  X.  271.  »  In  der  Litanei  119  concertiert  die  Orgel 
mit  der  Violine. 


I 


■Fux,  Messen.  127 

heissen  dann  eine  stille  Messe.  Bei  feierlichen  Anlässen  an 
Sonntagen  und  an  Festtagen  der  Kirche,  sowie  an  Erinnerungs- 
tagen bestimmter  Heiligen  tritt  znr  Handlang  des  Priesters  auch 
eine  Knnstmusik  des  Chors  hinzu  und  eine  solche  Messe  heisst 
dann  gewöhnlich  Hochamt  (Missa  solennis).  Die  einzelneu 
Musikstücke  des  Hochamtes  treten  zwischen  Gebethen  und  öfter 
nach  Intonierung  des  Priesters  ein  und  sind  in  der  Messe  für  die 
Lebenden  * :  das  Kyrie  —  Gloria  —  Credo  —  Sanctus  —  Bene- 
dictus  —  Agnus  mit  dem  Dona.  Das  Kyrie  enthält  als  Text  nur 
den  Anruf  y^Kyrie  eleison^  und  „Christe  eleison^  an  die  Erbar- 
mung des  Herrn.  Die  Auffassung  hievon  ist  bald  mehr  bald  min- 
der feierlich,  darf  aber  nach  den  Worten  unseres  Meisters  nie  der 
kirchlichen  Würde  und  des  Ernstes  entbehren.  —  Das  Gloria 
beginnt  mit  dem  Grusse  der  Engel  bei  der  Geburt  des  Heilandes 
(Ev.  Lucae  2,  14)  Gloria  in  excelris  Deo,  Et  in  terra  pax  homi- 
nibus  bonae  volnntatis.  Da  aber  im  weiteren  Verfolge  des  Textes 
die  wichtigsten  Verhältnisse  der  Erlösten  zum  Erlöser  berührt 
werden,  die  zugleich  verschiedenartige  Stimmungen  hervorzurufen 
geeignet  sind,  so  ist  hier  wie  im  Credo  Gelegenheit  zu  verschie- 
denen Musiksätzen  gegeben,  die  aneinandergereiht  jedoch  ein 
Ganzes  ausmachen  müssen.  —  Im  Credo  wird  das  ganze 
Nicänische  Glaubensbekenntniss  in  Musik  vorgetragen.  Bei  der 
nicht  unbedeutenden  Länge  des  Textes  ist  dem  Cömponisten  eine 
mehrfache  Gliederung  gebothen,  welche  besonders  bei  den  Stellen 
Et  incarnatus  est  und  Et  remrrexit  immer,  in  grösseren  Messen 
an  mehreren  Stellen  durch  Wechsel  der  Rhythmen ,  Tempo  und 
Melodie  einzutreten  pflegt,  während  den  Schlussworten  Et  vif  am 
ventnri  seculi  Amen  meistens  eine  breitere  contrapunktische  Aus- 
führung zuTheil  wird.  ^—  Im  Sanctus,  welches  dem  Canon  der 
Messe  (der  Wandlung)  vorangeht,  sind  nur  die  Worte  Sanctus 
Dominus  Detis  Sabaoth!  Pleni  sunt  coeli  et  terra  gloria  tua! 
Osanna  in  earcelsis  in  Musik  zu  setzen,  wobei  ebenfalls  zwei  oder 
drei  musicalische  Abschnitte  beobachtet  werden.  -^  Das  Bene- 
dictus,  qtii  venU  in  nomine  Domini  wird  gewöhnlich  mit  dem 
vom  Sanctus  wieder  aufgenommenen  Osanna  in  excelsis  yerbnud^ny 

1  Die  Messe  für  die  Verstorbenen,  das  Requiem,  hat  davon 
mehrere  Abweichungen.  Die  Texte  beider  Messen,  so  wie  der  am  meisten 
gebranchlichen  kirchlichen  Texte,  sind  in  der  Beilage  IX  zusammengestellt. 


128  Fux,  Messen. . 

trägt  aber  einen  von  dem  letzten  ganz  verBchiedenen  Charac- 
ter.  —  Den  SehlnsB  des  musiealischen  Theiles  der  Messe  macht 
das  Agnus  mit  dem  Dona.  Der  Text  fUr  beide  lautet:  Agnus 
Deiy  qui  tollis  peccata  mundi,  mUerere  nobis!  Agnus  Dei^  qui 
tollis  peccata  mundi,  Dona  nobis  pacem.  Das  Dona  wird  entweder 
ganz  abgesondert  behandelt,  oder  die  Anfangstacte  desselben 
mit  den  Schlusatacteu  des  Agnus  in  musicalische  Verbindung 
gebracht.  .     . 

Wenn  nun  Fux  mit  der  lebhaften  Vorstellung  der  ernsten 
Bedeutung  seiner  Aufgabe  an  die  Composition  einer  Messe  gieng, 
so  lässt  sich  von  dem  gewissenhaften  Manne  erwarten ,  dass  er 
in  gehobener  Stimmimg  mit  Aufbiethung  seines  reichen  Talentes 
bei  seiner  Arbeit  war.  Durch  die  häufigen  Gliederungen  der  ein- 
zelnen  Musikstücke  war  dem  Künstler  die  Gelegenheit  gegeben^ 
an  dem  einheitlichen  Werke  zugleich  eine  bedeutende  Mannig- 
faltigkeit  in  der  Auffassung  der  SatztheUe  zu  entwickeln.  Daran 
hat  es  auch  Fux  besonders  bei  grösser  angelegten  Messen,  wie 
in  .  der  Müsa  S,  Michaelis  (Beil. .  X.  36)  nicht  fehlen  lassen. 
Nachdem  im  Kyrie  dem  lebhafteren  Eingange  des  „Mtf^ie  elei^ 
son^  das  ruhigere  j^Chriaie  eleison^  gefolgt  und  mit  einer  theil- 
weisen  Wiederaufnahme  des  ,,Kyrie  eleison'^  abgeschlossen  hat, 
ist  das  Gloria  in  fünf  Sätze  Ei  in  terra  \  Laudamus  |  Gratias 
agimua  |  Quoniam  tu  solus  \  Cum  sancto  spiritu  |  gegliedert, 
und  diesem  folgt  das  Credo  mit  sieben  Satztheilen  Pairem 
omnipotentem  |  Qui  propter  nos  homihes  |  Et  incarnatus  est  \ 
Crucifixus  I  Passus  \  Et  resurrexit  \  Et  in  spüritum  Sanctum 
mit  der  Schlussfuge  Et  vitam  veräuri  seculi  Amen.  —  Wie  oft 
aber  auch  Bhythmen  und  Tempo  wechseln ,  so  ist  doch  bis  auf 
seltene  Ausnahmen  die  Regel  von  ihm  eingehalten ,  dass  sämmt- 
liehe  Sätze  derselben  Messe  einer  und  derselben  Tonart  ange- 
hören. Bei  der  Rangstufe^  die  die  Messe  in  der  Kirchenmusik 
einnimmt,  musste  Fux  den  strengsten  Stil  a  cappella  bald  ohne, 
bald  mit  Begleitung  von  Instrumenten  dazu  vorzugsweise  wählen. 
Aus  diesen  Leistungen  nimmt  die  Missa  canonica^  unbestritten 
die  oberste  Stelle  ein.  Denn  nicht  allein,  dass  sie  dem  Kaiser 
gewidmet  war,  sollte  sie  auch  nach  den  eigenen  Worten  der 

1  Beil.  X.  7. 


Fux,-  MesBen.  129 

Dedication  dem  rnnrikkundigen  Fttrsten  den  Beweis  liefern,  daes 
die  alte  Mnsik  noch  nicht  verschwunden ,  ja  dass  ihr  im  Lanfe 
der  Zeit  ein  Gewinn  erwachsen  sei.  Was  Fox  mit  diesem  ^Ge- 
winne" andeuten  wollte,  wird  durch  eine  Stelle  im  Gradus^ 
klar,  wo  er  sich  tlber  die  nach  Palestrina  erfundene  gleichschwe- 
bende Temperatur  und  den  dadurch  erst  möglich  gewordenen 
erweiterten  Gebrauch  der  Intervalle  äussert:  ^dass  dadurch  die 
gegenwärtige  Musik  von  der  früheren  Armuth  der  Intervalle  wie 
aus  einem  Kerker  erlöst  auf  dem  ungeheuren  Felde  der  Modu- 
lation auf  das  freudigste  sich  bewegen  kann ,  wenn  nur  Compo- 
nisten  und  Organisten  innerhalb  der  Grenzen  des  Vernünftigen 
sich  halten^. 

Die  Mhsa  canonicn  (comp.  171H)  ist  ihrer  Aufschrift  gemäss 
in  allen  ihren  Theilen  a  cappella  und  im  Canon  geschrieben.  Weit 
entfernt,  damit  eine  Einförmigkeit  hervorzurufen,  ist  ftlr  die 
reichste  Abwechslung  Iq  den  Subjecten,  ihrer  Auflösung  und  Be- 
handlung gesorgt.  Denn  bald  ist  es  ein  einfacher,  bald  ein  dop- 
pelter Canon,  der  entweder  von  der  Oberstimme  oder  der  Unter- 
stimme geführt  ist,  während  die  Lösungen  des  Canons  daher 
abwechselnd  in  die  entgegengesetzten  Stimmen  verlegt  sind  und 
die  verschiedensten  Intervalle  bei  einem  und  demselben  Canon 
durchgehen.  Besonders  ausgezeichnet  ist  darin  das  Et  resurreant, 
noch  mehr  aber  das  Agnus ,  das  die  Lösung  mit  der  Decimseptime 
beginnt,  und  durch  die  meisten  Intervalle  bis  zum  Einklänge 
herabsteigt.  Dabei  sind  die  Bewegungen  der  Lösung  bald  die 
gerade,  dann  wieder  die  widrige,  so  dass  das  Ohr  beim  An- 
hören ,  das  Auge  beim  Durchsehen  der  Partitur  bis  zum  Schlüsse 
in  stäter  Spannung  erhalten  wird.  Ungeachtet  nur  eine  Richtung 
der  Satzkunst,  der  Canon,  in  diesem  Werke  verfolgt  ist,  so  zeigen 
doch  die  Lösungen  in  den  wechselnden  Ober-  und  Unterstimmen 
den  unvergleichlichen  Beherscher  des  doppelten  Contrapunkte^. 
Allein  diese  wijs  spielend  überwundenen  Schwierigkeiten  würden 
nicht  entschädigen  ftlr  den  Entgang  einer  schönen  Führung  der 
Stimmen  und  einer  anziehenden  Harmonienfolge.  Dass  aber  auf 
beides  in  jeder  Weise  voller  Bedacht  genommen  sei,  wurde  längst 

1  Gradus,  p.  34. 

KöcUe/,J.J.Tnx-  9 


130  Fux^  Mesaen. 

empfunden  und  von  Fr.  W.  Marpurg^  in  seiner  Abhandlung 
von  der  Fuge  hervorgehoben  ^  wenn  er  ttber  den  Doppelcanon  im 
Christe  eleison  sagt:  ^der  erste  Canon  ist  zwischen  dem  Basse 
und  Alt,  der  zweite  zwischen  dem  Tenor  und  Discant ;  beide  sind 
in  der  Oberoctav  in  der  ähnlichen  Bewegung.  Des  Zwanges  der 
doppelten  canonischen  Nachahmung  ungeachtet  ^  wird  man  die 
prächtigste  und  dem  Gegenstande  gemässe.  Harmonie  darin 
finden«  *. 

Wir  haben  daher  hier  ein  Werk  vor  uns,  das  der  Kraft 
eines  grossen  Künstlers  entsprungen,  im  Geiste  seines  grossen 
Vorbildes  durchgeftlhrt ,  von  der  Zeit  keinen  Eintrag  zu  besor- 
gen hat  und  dem  Empfänglichen  in  jeder  Zukunft  einen  reinen 
und  hohen  Genuss  zusichert.  Das  prächtig  gebundene  Dedi- 
eationsexemplar  der  Messe  ftLr  den  Kaiser  befindet  sich  in 
der  kais.  Hofl)ibliothek  in  Wien  und  enthält  bei  jedem  Satze 
die  Ueberschrift^,  welche  canonische  Behandlung  darauf  folgt, 
wahrscheinlich  um  dem  kaiserlichen  Gönner  das  Auffinden  des 
einzelnen  zu  erleichtem.  —  Welchen  Werth  bewährte  ältere 
Musiker  auf  diese  Compositionen  legten,  geht  auch  aus  der  Ab- 
schrift von  seinem  Schüler  Job.  Dismas  Zelenka  vom  Jahre 
1719  (in  der  kön.  Musikbibliothek  in  Dresden)  und  jener  seines 
Verehrers  Michael  Haydn  („descripsit  Michael  Haydn  5'  Sept. 
1751«)  in  der  kais.  Hofbibliothek  in  Wien,  hervor.  Auch  noch  in 
diesem  Jahrhunderte  erschien  davon  eine  Partiturausgabe  bei 
Ktihnel  und  bei  Peters  in  Leipzig ,  die  vergriffen  ist. 

Mit  dieser  Missa  ist  aber -die  Reihe  der  Messen  nicht  ab- 
geschlossen, welche  ebenfalls  durchaus  im  Canon  geschrieben 
sind;  es  gehören  dahin  die  Missa  S.  Philippi  (Beil.  X.  37)  und 
S.  Joannis  (X.  34)  ^  die ,  wenn  sie  auch  nicht  einen  so  überwälti- 
genden Aufwand  von  Kunst  aufzuweisen  vermögen,  dennoch  den 
Stolz  manches  anderen  Künstlers  ausmachen  könnten.  Nicht 
durchaus  im  Canon  geschrieben ,  dafür  mit  anderen  Kunstmittelu 
reichlich  ausgestattet  sind  die  Messen  a  cappella  M.  Vicissüudinis 

1  Abb.  von  der  Fuge.  Berlin  1754.  IL  117  und  Tab.  XLUI.  Fig.  1,  wo 
das  Christe  eleison  abgedruckt  ist. 

2  In  der  Beilage  VII.  3.  «*.  ist  sie  nach  dem  Dedicationsexemplar  ab- 
gedruckt. 

3  In  Beil.  VIII.  7  sind  alle  Ueberschriften  aufgenommen. 


Fux,  Meaaen.  131 

(X.  44)^  In  fletn  solatium  (X.  18),  Credo  m  unum  Deum  (X.  11), 
aus  welchen  dreien  einzelne  Sätze  Fox  in  seinem  Gradus  als 
Master  des  a- cappella -Stiles  seinem  Schüler  vorlegte  In  der 
Credomesse  wird  das  characteristische  Wort  „Credo" 


>  -  r 


M 


Cre-do  Cre-do 


Cre-do  Cre-do 

abwechselnd  von  verschiedenen  Stimmen  bei  den  einzelnen  Glau- 
benssätzen mit  Nachdruck  wiederholt,  wie  dies  auch  von  Mozart 
in  seiner  gleichnamigen  Messe '  angewendet  wurde. 

In  den  Messen  im  concertierenden  Stile,  welche  zwar  mit 
grösserer,  nie  aber  mit  zu  grosser  Freiheit  behandelt  sind,  werden 
die  Textesworte  häufig,  wie  in  einem  Wechselgesange,  von  den 
Stimmen  emander  abgenommen,  wodurch  man  bei  mancher  leb- 
hafteren Auffassung  an  das  Madrigal  erinnert  wird.  Dies  ist  der 
Fall  im  Credo  der  Messe  Quadragesimalis  (X.  29)  und  der 
Messe  Ferventis  orationis  (X.  14),  im  Dona  der  Messe  Dies  mei 
(X.  12)  u.  a.  —  Die  Zwischenspiele  dar  Instrumente  sind  bei 
den  Messen  Pro  gratinrum  actione  (X.  27)  und  Tempus  volat 
(X.  41)  öfter  angewendet,  gewöhnlich  aber  auf  wenige  Tacte 
beschränkt ,  nur  in  der  Messe  Non  erit  in  mora  (X.  22)  ist  das 
ganze  Benedictus  eine  Sonatina  ftir  zwei  Violinen  und  Orgel  ohne 
allen  Gesang,  ein  höchst  seltenes  Vorkommen. 

Noch  ist  der  Messe  flir  die  Verstorbenen  (Pro  defunctis. 
Requiem)  zu  erwähnen,  deren  liturgische  Einrichtung  von  der 
Messe  ftir  die  Lebenden  abweicht.  Den  Beginn  des  ersten  Musik- 
stückes machen  die  Verse  1,  2  des  Psalmes  64  y,Requiem  aetemam 
dona  eis  Domine^y  gewöhnlich  ein  weiter  ausgeftlhrter  Satz,  an 
den  sich  das  Kyrie  anschliesst.  Da  in  der  Todtenmesse  kein 
Gloria  ist,  so  folgt  als  nächster  Satz  die  berühmte  Sequenz  Dies 
irae  (von  Celano  um  1250  gedichtet).  Da  sie  aus  19  dreizeiligen 

1  Das  Kyrie  aus  der  Messe  Vicissitudinis  ist  Beil.  VII.  3.  d.  abge- 
druckt.     >  257.  Köche  1,  Mozart-Verz. 

9* 


132  Fux,  Vespern. 

Strophen  besteht ,  so  ist  diese  das  bedeutendste  Musikstück  der 
Todtenmesse.  Das  Credo  fällt  in  der  Todtenmesse  ebenfalls 
weg^  daher  folgt  anf  das  Dies  irae  als  nächster  Satz  das  Offer- 
torium  Domine  Jesu  Christe ,  worin  wieder  ein  längerer  Text  zu 
bewältigen  ist.  Die  späteren  Sätze  Sanctus^  Benedictus  and 
Agnus  sind  dieselben  wie  in  der  Messe  fUr  die  Lebenden,  nur 
schliesst  das  Agnus  nicht  mit  Dona ,  sondern  mit  y^Lux  aetema 
luceai  m".  —  Fux  hat  ausser  zwei  kleineren  (X.  55,  56)  auch 
ein  grösser  angelegtes  Requiem  fUr  5  Singstimmen  (X.  51 — 53) 
zurückgelassen,  wovon  aber  nur  das  Requiem  (51)  mit  dem 
Kyrie ,  das  Dies  irae  (52)  und  Domine  Jesu  (53)  componiert  vor- 
liegen; die  übrigen  Theile  sind  nicht  mehr  vorhanden,  oder 
wurden  nie  eigens  für  dieses  Requiem  gesetzt,  sondern  einem 
andern  Requiem  entnommen.  Nach  einer  handschriftlichen  Be- 
merkung Simon  Molitor's  soll  dieses  Requiem  1697  zur  Lei- 
chenfeier der  Erzherzogin  Eleonore,  verwitweten  Königin  von 
Polen  componievt  worden  sein.  Damit  stimmen  auch  die  Aufzeich- 
nungen der  späteren  Aufführungen  im  Jahre  1720  für  die  Kaise- 
rin-Witwe Magdalena  Theresia ,  1 729  für  den  verstorbenen  Her- 
zog von  Lothringen,  1736  für  den  Prinzen  Eugen  von  Savoyen, 
1740  nach  dem  Hinscheiden  Kaiser  Karl  VL  und  1741  am  Jahrs- 
tajge  seines  Todes.  Femer  spricht  dafür  die  grosse  und  breite 
Anlage  und  Durchführung  mit  reicher  Instrumentierung.  Im  Jte- 
quiem  ist  der  Schluss  Dona  eis  Domine  in  kunstreicher  fünfstim- 
miger Imitation  weiter  entwickelt  und  ähnlich  das  Kyrie  ein 
ernster  fünfstimmiger  Chor.  Das  Dies  irae  ist  in  zehn  Sätze  ge- 
gliedert, davon  ist  das  Quantus  tremor  in  ungewöhnlicher  Art 
von  ungebundenen  Achtelnoten  des  Accordes  begleitet ;  das  Alt- 
solo des  Tuba  mirum  wird  von  der  Posaune  eingeleitet  und  mit 
dem  Eintrittsmotiv  fortbegleitet.  Nach  dem  ruhigen  homophonen 
Intep  oves  kommt  das  tieferregte  Confutatis  maledictis,  das  Pie 
Jesu  schliesst  mit  dem  kunstvoll  ausgeführten  Dona  eis  requiem. 
Amen.  Dass  in  dem  Offertorium  der  fugierte  Satz  Quam  olim 
Abrahae  würdig  sich  anreiht,  durfte  man  erwarten. 

IL  Die  Vespern  (Abendgebethe)  hatten  verschiedene  Ver- 
anlassungen und  davon  abhängige  Bezeichnungen.  Sie  hiessen  von 

■ 

einem  Bekenner  de  Confessore^  vom  Sonntage  de  Dominica ,  vom 
Samstage  de  Sabbato,  von  der  heiligen  Jungfrau  de  Beata   Vir- 


Fux,  Vespern.  133 

gine  Maria,  und  bestanden  im  Wesen  ausser  einigen  gesproche- 
nen Grebethen  aus  fünf  Psalmen  mit  einem  AUelnja,  yersebieden 
nach  der  Veranlassung '  und  schlössen  immer  mit  dem  Magnificat, 
Fux  hat  nicht  nur  ganze  Vespern  zurückgelassen ,  sondern  noch 
häufiger  einzelne  Psalmen  daraus,  bisweilen  denselben  Text  wie 
Ducü  Dominus y  Laudate  pueri,  Laudate  Dominum,  Magnificat 
sechs  und  mehrere  Male  gesetzt.  Die  Setzweise  bei  den  ganzen 
Vespern  und  den  einzelnen  Psalmen  ist  beinahe  eben  so  oft 
a  cappella  als  im  concertierenden  Stile  mit  Instrumenten.  Im  Gan- 
zen ist  die  AuiBfassung  zwar  immer  ernst  und  kirchlich ,  sie  lässt 
aber  mit  Ausnahme  der  Gompositionen  a  cappella  von  der  hohen 
Stimmung  der  Messe  sich  etwas  herab ,  da  auch  der  liturgische 
Gegenstand  sich  nicht  auf  die  Höhe  des  Messopfers  erhebt.  — 
A  cappella  kommen  Gompositionen  mit  Cantus  firmus  und  ohne 
denselben  vor,  der  Chor  ist  darin  alleinherschend  und  die  con- 
trapunktische  Kunst,  besonders  der  einfache  und  doppelte  Canon 
darunter  einige,  wie  Vesper  90,  von  eben  so  grosser  Bedeutung 
als  Schönheit  die  Kegel. 

In  dem  Psalm  Laetatus  sum^y  welcher  ausnahmsweise  für 
acht  Stimmen  gesetzt  ist,  die  in  2  Chöre  getheilt  sind,  intonieren 
die  Stimmen  des  ersten  Chors  nach  einander  vier  Canone,  die 
ihre  Auflösungen  im  Einklänge  im  zweiten  Chor  finden ,  wie  die 
hier  folgenden  Anfangstacte  zeigen : 

1  Grewöhnlich  waren  folgende  fi'inf  Psalmen:  1.  P«.  109  Diocit  Dominum, 
2.  Ps.  HO  Confitebar  tibi,  3.  Ps,  iii  Beatus  vir,  4.  Ps,  112  Laudate  pueri, 
5.  P«.  116  Laudate  Dominum;  an  Marientagen  und  aus  auderen  Veranlas- 
sungen kamen  noch  abwechselnd:  Ps,  121  Laetatus  sunt,  Ps,  126  Nisfi  Do- 
minus, Ps.  147  Lauda  Jerusalem,  Ps,  143  Benedictus  Dominus,  Ps,  29  Ex- 
aüabo,  Ps,  127  Beati  omnes,  Ps,  128  Saepe  expugnaverunt  ^  Ps,  129  De  pro- 
funda, Ps,  130  Domine  non  est  hinzu.  Sämmtliche  Texte  dieser  Psalmen 
sind  in  der  Beilage  IX  abgedruckt.      ^  Beil.  X.  105. 


134 


Fux,  Vespern. 


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Chor  I. 


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Der  Canon  ist  lange  fortgeführt  und  hat  in  dieser  Art  selbst 
bei  Fux  keinen  ähnlichen. 

In  den  Nummern  des  concertierenden  Stils  sind  ausser  dem 
häufigen  Wechsel  der  Tonalität,  auch  Zwischenspiele  der  Instrur 
mente  und  Uebemahme  der  abgebrochenen  Textesphrasen  durch 
andere  Stimmen  gewöhnlich  und  selbst  recitativartige  Sätze  nicht 


F.ux,  Vespern. 


135 


selten ;  wodurch  manche  dem  dramatigchen  sich  nähern.  In  ähn- 
licher Riehtnng  sind  anch  einzelne  Wendungen  des  Textes  be- 
zeichnend anfgefasst,  wie  im  Psalm  Laudate^  das  mahlende 
relociter  currit 


ve   -  lo-ci-ter  relociter       currit  cur   -    rit  ser    (mo) 

IUI.  1  ■* '"•  ^^  g  r  - 


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velo  -  citer 


ve-'lo-  citer  currit  cur- 


'^'^-   'T/r/gif  1  r^r/p  r  h^-^ 


veloci  -  ter 


ve-lo-ci-terve-lo-ci-ter      cur  -    rit  cur- 


and  im  Psalm  Niai  Dominus*  der  analog  gehetzte  Zurnf  Stirgite, 
surgUe 


Surgitesur-gi  -  te       surgite  surfte    sur-gi  -  te 


Surgite  snr-gi-te 


Burgite  fturgite  surgite  sur-gi  -  te 


Surgite  sur-gi-te 


sur  -  gi-te        surgite    sur-gi  -  te 


Surgite  sur-gi-te       surgite    sur -gi-te       surgite    sur-gi  -  te 

Gerade  die  einzeln  componierten  Psalmen ,  welche  die  Be- 
Btimmnng  hatten,  bei  besonderen  Pesten  als  Einlagen  zn  dienen, 
waren  eben  deshalb  auf  die  Virtuosität  der  »Sänger  in  Solo  und 


1  Beil.  X.  113.      2  X.  107. 


136  Fux,  Litaneien. 

Dao  und  im  allgemeinen  auf  ausgezeichnetere  Ausführung  sicht- 
lich berechnet ,  wie  auch  auf  dem  Umschlage  zu  dem  erwähnten 
Psalme  Nisi  Dominus  bemerkt  ist,  dass  er  gewöhnlich  am  Tage 
der  heil.  Cäcilia  gegeben  wurde,  wo  man  der  himmlischen  Be- 
schützerin  der  Kirchenmusik  nur  das  Erlesenste  bringen  zu  dür- 
fen glaubte;  ferner  wurde  der  Psalm  Laudute  pveri^  bei  der 
Krönung  in  Prag  1 723  gegeben ,  und  a.  m. 

So  mannigfaltig  und  bedeutend,  so  reich  an  harmonischer 

'  und  melodischer  Schönheit,  ganz  abgesehen  von  den  Künsten 

des  Contrapunktes  ist  auch  diese  Abtheilung  der  Vespern  und 

Psalmen,  dass  man  daraus  leicht  eine  Reihe  von  Mustern  der 

verschiedenartigsten  Auffassungen  zusammenstellen  könnte. 

UI.  Die  Litaneien  sind  abwechselnde  Bittgebethe,  bei 
welchen  einer  vorbethet  und  die  anderen  mit  der  Bittformel  {ora 
pronobisy  miserere  nobis)  antworten.  Sie  wurden  nur  bei  dem 
Nachmittagsgottesdieuste  angewendet.  Aus  den  verschiedenen 
Arten  von  Litaneien  hat  Fux  nur  die  Marienlitaneien  bear- 
beitet. Sie  heissen  Litaniae  Lauretanae  und  haben  ihren 
Namen  von  der  Marienkapelle  von  Loretto ,  weil  die  dort  ange- 
brachten allegorischen  Inschriften  und  Gemähide  in  den  Worten 
der  Litanei  ausgedrückt  sind.  Sie  haben  bei  Fux  auch  andere 
Benennungen  als:  Litaniae  5.  Dei  genürix,  Mater  divinae  gru- 
tiae,  Mater  sahatoris,  Mater  amabüis  u.  dgl.  Die  Litanei  be- 
schliesst  jedesmal  der  Hymnus  Sub  tuum  praesidium. 

Die  meisten  sind  im  concertierenden  Stile  für  Stimmen  und 
Instrumente  geschrieben,  die  Litanei  (X.  119)  hat  auch  für  die 
Orgel  concertierende  Passagen,  die  Litanei  118  ist  aber  a  cap- 
pella gesetzt  und  ungeachtet  des  ziemlich  gedehnten  Textes  sehr 
kurz  gehalten.  Sie  scheint  es  diesem  Umstände  und  ihrer  Frische 
zu  danken ,  dass  sie  auch  nach  dem  Tode  des  Componisten  von 
1743  bis  1775  74  Wiederholungen  erfuhr. 

Im  Vergleiche  mit  anderen  Kirchencompositionen  sind 
die  Litaneien  minder  bedeutend  zu  nennen ,  obgleich  an  sich  sie 
wieder  ihre  eigenen  Verdienste  der  Behandlung  besitzen. 

An  die  Litaneien  sehliessen  sich  die  Completorien,  wo- 
mit der  katholische  Priester  sein  geistliches  Tageswerk  vollendet. 

1  Beil.  X.  88. 


Fux,  Gradoalien  —  OfFertorien.  137 

Das  Completorium  besteht  aus  vier  Psalmen^  nüd  2  Hymnen, 
nach  deren  jedem  das  Gloria  patri  et  filio  wiederholt  wird.  Die 
meisten  Completorien  sind  a  cappella  componiert,  gewöhnlieh  vier- 
stimmig, einzelne  Sätze  auch  zwei-  oder  dreistimmig.  Im  Com- 
pletorium X.  126  hat  jeder  Vers  der  zwei  ersten  Psalmen  seine 
abgesonderte  Behandlung  gefunden.  Ungeachtet  der  im  allge- 
meinen kürzeren  Fassung  der  einzelnen  Sätze  wusste  der  Meister 
den  Cantus  firmus  zu  trefflichen  Compositionen  zu  benützen.  Ein- 
zeln componierte  Psalmen  daraus ,  welche  wie  bei  den  Vespern 
zu  Einlagsstüeken  dienten,  sind  für  eine  oder  zwei  SolostiiAmen 
(X.  132,  133)  und  ihrer  besonderen  Bestimmung  gemäss  reich- 
lich figuriert  gesetzt. 

IV.  Graduale  (Staffelgebeth)  ist  ein  Bestandtheil  der 
Messe,  welcher  nach  dem  Kyrie  eintritt,  nachdem  ein  Priester 
an  den  Stufen  des  Altars  stehend  die  Epistel  gelesen  hat.  Als 
Musikstück  wird  es  als  ein  Einlagestück  zur  Messe  betrachtet, 
und  ist  nicht  unter  den  Hauptnummem  derselben  componiert,  da 
es  in  gewissen  Fällen  wegbleibt.  Fux  hat  die  grössere  Zahl  der 
Gradualien  (X.  137 — 142)  für  die  Adventzeit,  eines  auch  flir 
die  Fasten,  zwei  iür  das  Requiem  zurückgelassen.  Sie  enthalten 
kurze  Bibeltexte  und  zur  Adventzeit  zum  Schlüsse  ein  AUeluja. 
Sie  sind  sämmtlich  a  cappella,  meistens  auch  mit  Cantus  firmus 
componiert  und  ungeachtet  der  Beschränktheit  des  Umfanges  ist 
der  Raum  mit  canonischen  Wendungen  gründlich  ausgenützt.  Im 
Graduale  (X.  140)  ist  die  öftere  Wiederholung  veni — veni  (ut 
salvos  facias  nos)  durch  alle  Stimmen  von  bester  Wirkung. 

V.  So  wie  die  Gradualien  werden  auch  die  Offertorien  als 
besondere  Einlagestücke  in  die  Messe  componiert,  und  finden 
ihre  Stelle  nach  dem  Credo  und  vor  dem  Sanctus ,  während  vom 
Priester  unter  stillem  Gebethe  die-  Hostie  und  der  Kelch  geopfert 
werden.  Gewöhnlich  sind  die  Musikstücke  während  dieses  Vor- 
ganges nicht  sehr  ausgeführt  auf  einen  Text,  welcher  dem  Feste 
entspricht.  Fux  hat  für  den  Advent  vier,  und  für  die  Fasten 
ebenfalls  vier  Offertorien  zurückgelassen,  welche  ebenso  viele 
Perlen  genannt  werden  können.   Sie  sind  a  cappella,  meistens 

1  Ps.  4  Cum  invocarem  —  P*.  30  In  te  Domine  speravi  —  P«.  90'  Qui 
habitat  —  PsASS  Ecce  nunc  benedicite  —  Htfmnus:  Te  lucis  ante  terrninum  — 
Cant.  Simeonis:  Nitnc  dimittis  sermtm,  sämmtlich  in  Beil.  IX  abgedruckt. 


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138  Fux,  OflFertorien. 

auch  mit  einem  Cantus  firmus  gesetzt,  und  da  der  Text  gewöhn- 
lich nur  zwei  Verse  eines  Psahnes  enthielt  und  doch  eine  be- 
stimmte Zeit  ausftlllen  musste,  so  war  eine  öftere  Wiederholung 
der  Textesworte  unvermeidlich.  Aber  gerade  in  der  Auswahl  die- 
ser Worte  und  noch  mehr  in  der  contrapunktischen  Behandlung 
zeigte  sich  der  Meister.  In  dem  Offertorium  Ad  te  Domine  (X.  153) 
wird  das  oft  wiederholte  bedeutende  Wort  non  confundentur — non 
mit  einer  Innigkeit  des  Ausdruckes  vorgetragen,  die  an.  einen 
gelehrten  Contrapunktisten  gar  nicht  denken  lässt.  In  dem  Offer- 
torium (X.154)  wird  der  Eingang  Tollite  portas  und  in  159  de 
Apostolis  die  Worte  Estote  forte»  in  hello  wie  ein  Mahnruf  ;Kum 
Kampfe  aufgefasst  und  doch  zugleich  die  Eignung  des  Motivs  zur 
Durchftlhrung  nicht  aus  dem  Auge  gelassen.  In  diesen  Offerto- 
rien  stecken  ihrer  Kürze  ungeachtet  tiefe  Studien  und  fordern 
den  Strebenden  zu  Studien  daran  auf.  Es  ist  darum  auch  nicht  zu 
verwundem,  dassFux  selbst  einen  besonderen  Werth  auf  dieselben 
legte  und  zwei  daraus  im  Gradus  seinem  Schüler  als  Muster  hin- 
stellte und  sie  mit  ihm  analysierte.  Das  eine  ist  das  Offertorium 
(X.  153)  Ad  te  Domine  \  welches  er  im  Gradus  (pag.  254)  mit 
folgenden  Bemerkungen  begleitet:  „Sieh,  Josef,  diesen  gebunde- 
nen Öatz  mit  beständig  verketteten  Subjecten  (Themen).  Betrachte 
zuerst  und  erwäge  den  Sinn  des  Textes  Ad  te  Domine  levavi  ani- 
mam  menm,  und  du  wirst  finden,  dass  das  Subject  mit  wachsen* 
der  Stimme  und  immer  aufsteigend  nach  dem  Bilde  eines  mit 
Vertrauen  Bethenden,  der  Bedeutung  der  Worte  ^anz  besonders 
angeschlossen  sei.  Bemerke  dann  die  zweite  Stimme,  welche 
eintritt,  ehe  die  erste  das  Subject  ganz  vollendet  hat,  und  wie 
durch  eine  kurze  Modulation  mit  einem  Trugschluss  der  dritten 
Stimme,  dem  Tenor,  Gelegenheit  zum  Eintritte  gebothen  ist.  Hier^ 
auf  fahren  der  Sopran  und  Alt  anstatt  einer  Modulation  mit  Auf- 
nahme eines  fremden  Scheinsubjectes  bei  den  Worten  animam 
meam  inzwischen  an  nicht  ungefällig  zu  spielen.  Femer,  damit  die 
Modulation  durch  unnöthigc  Wiederholung  der  Worte  nicht  zu 
sehr  in  die  Länge  gezogen  werde,  imitiert  nach  einer  dazwi- 
schen gestellten  halben  Pause  .der  Alt  das  Subject  bei  dem  Worte 
levavi,  welche  Imitation  nach  einer  Pause  der  Sopran  ebenfalls 

1  Es  i8t  in  der  Beilage  VII.  3.  f.  abgednickt. 


Fux,  Offertorien.  139 

aufnimmt.  Hierauf  modulieren  etwas  die  Stimmen  mit  dem  Qnasi- 
subjecte  bei  den  Worten  ahimam  meam  und  bilden  einen  Ton- 
schlusB  in  jD,  worin  der  Sopran  nach  vorhergegangener  Pause 
mit  der  neuen  Periode  des  Textes  ein  neues  Subject  einführt ;  die 
ausdruckende  Kraft  dieses  Subjeetes  bei  den  Worten  Deus  mens 
scheint  der  Beachtung  nicht  unwerth  zu  sein.  Betrachte  ausser- 
dem ^  aaf  welche  Art  die  Stimmen  dieses  Subject  so  enge  auf- 
nehmen ^  dass  gleichsam  eines  dem  andern  dasselbe  aus  dem 
Munde  nimmt,  bis  bei  den  Worten  in  te  canfido  ein  anderes  Sub- 
ject, das  sich  von  der  Bedeutung  des  Textes  nicht  entfernt,  vom 
Basse  fortgeftahrt  wird ,  welches  von  den  übrigen  Stimmen  aufge- 
nommen ,  dann  mit  dem  frttheren  Subjecte  Deus  mens  vermischt 
bis  zum  Tonschluss  Bfa  fortgeführt  wird.  .  .  .  Erwäge  femer  das 
Subject,  welches  mit  der  folgenden  Periode  nan  erubescam  unter 
der  obigen  Cadenz  im  Basse  eintritt,  von  den  übrigen  Stimmen 
in  strenger  Aufeinanderfolge  wiederholt  und  fortgeführt  wird  zur 
Cadenz  F,  wo  neuerdings  der  Bass  mit  der  Periode  neque  irrt' 
deant  me  inimici  ein  neues  Subject  einftihrt ,  das  dem  Sinne  der 
Worte  keineswegs  widerspricht  und  dann  in  langer  Durchftihrung 
mit  engansehliessenden' Stimmen  fortgesetzt  wird^.  —  So  spricht 
sich  der  denkende  Künstler  ans  über,  sein  klares  Wollen  und 
lässt  uns  zugleich  in  die  Werkstätte  seines  schaffenden  Geistes 
hinabsteigen,  wie  das  nur  selten  in  so  interessanter  Weise  ge- 
schieht. Dai3  OffertoriuAi  Ave  Maria  (X.  151)  gibt  Fux  Gele- 
genheit über  die  Auffassung  einer  Composition  a  cappella  in  Ver- 
bindung mit  einem  Cantus  firmus  sich  also  auszusprechen^:  „Hier 
hast  du  ein  Beispiel  einer  Composition ,  die  mit  obligatem  Cantus 
firmus  oder  Gregorianus  gearbeitet  ist.  Wenn  die  Subjecte  min- 
der sangbar  und  nicht  so  bedeutend  sind ,  als  in  den  vorher- 
gehenden Mustern,  so  musst  du  das  der  Beschränkung  durch  den 
Cantus  firmus  zuschreiben,  denn  in  dieser  Compositionsgattung 
steht  es  nicht  frei ,  was  immer  fllr  ein  Subject  zu  wählen ,  son- 
dern nur  jene,  welche  an  den  Choralgesang  sich  anschliessen 
können.  Ausserdem  sind  gewönlich  die  Subjecte  aus  dem  Gre- 
gorianischen Cantus  entnommen  oder  doch  üachahmend  einge- 
richtet. Wenn  die  Worte  öfter  als  genug  ist ,  wiederholt  werden, 

1  GraduB.  p.  262. 


140  Fux,  Mottette. 

80  schreibe  das  dem  Tractus'  des  Choralgesanges  uud  seiner 
Kürze  zu,  das  aber  für  das  ganze  OfTertoriam  ausreichen. soll. 
Obschon  einerseits  solche  Zwangsobliegenheiten  nicht  wenig  dem 
Schmucke  der  Composition  entziehen ,  so  findet  man  doch  ande- 
rerseits im  Anhören  des  Cantus  firmus  etwas  Einschmeichelndes 
und  die  Andacht  Förderndes  y  das  die  Zuhörer  auf  der  Stelle  zur 
Sammlung  aufruft.^ 

Ausser  diesen  Compositionen  a  cappella  sind  die  Offertorien 
161  und  162  für  eine  und  zwei  Solostimmen  reich  figuriert  und 
instrumentiert  und  heiter  festlich,  wie  die  Bestimmung  des 
Textes  dazu  Veranlassung  gab. 

VI.  Mottette.  So  wie  der  etymologische  Ursprung  des 
Wortes  ist  auch  der  Character  des  MusikstUckes  dieses.  Namens 
verschiedenartig  aufgefasst  worden.  Darin  stimmen  wohl  die 
meisten  tiberein,  dass  das  Mottett  ein  zur  Figuralform  gehöriger 
Kirchengesang,  aber  mit  freierer  Bewegung  sei,  und  sich  da- 
durch dem  Madrigale  nähere,  aber  durch  den  stäts  biblischen 
Text  und  durch  Vorwalten  des  künstlichen  Contrapnnktes,  der 
Imitation,  des  Canons  und  der  Fuge  davon  entferne.  In  dem 
letzten  Sinne  hat  Fux  ein  einziges  Mottett  a  cappella  componiert 
hinterlassen  über  die  zwei,  ersten  Verse  des  Psatanes42  Utcervus 
ad  fontes  ^,  das  ganz  in  der  Strenge  seiner  schönen  Adventoffer- 
torien  gehalten  ist  und  sich  von  diesen  nur  dadurch  unterschei- 
det ,  dass  es  die  Aufschrift  Mottetto  fllhrt.  Alle  übrigen  Compo- 
sitionen dieses  Namens  gehören  bei  Fux  dem  concertierenden 
Stile  an,  sind  fUr  eine  oder  zwei  Solostimmen  oder  a  tre,  seltener 
a  quattro  gesetzt  und  gewöhnlich  reich  instrumentiert.  Die  Solo- 
stimme ,  wenn  sie  nicht  durch  das  ganze  Stück  allein  den  Instru- 
menten gegenübersteht,  intoniert  gewöhnlich  eine  Phrase,  die 
der  Chor  wiederholt  >  oder  es  nehmen  die  Stimmen  in  verschie- 
denen Combinationen  die  Texte  auf  und  führen  sie  zuletzt  ge- 
meinschaftlich zu  Ende.  Ihre  Bestimmung  konnte  nach  den  Tex- 
tesworten, welche  gewöhnlich  kirchliche  Hymnen  sind,  an  den 
Festen  verschiedener  Heiligen ,  die  besonders  genannt  sind,  vor- 
züglich aber  an  Marientagen  als  Einlagstücke  der  Messe  oder  zu 

1  Tr actus  ist  eine  Melodie,  welche  in  der  Fastenzeit  an  der  Stelle 
des  auf  das  Graduale  folgenden  AUeluja  gesungen  wird.      ^  Beil.  X.  184. 


► 


Fux,  Hymnen. 


141 


andern  liturgischen  Zwecken  sein.  Durch  die  freiere  Behandlung 
der  concertierenden  Mottette  ist  auch  hier  den  Sängern  Gelegen- 
heit gegeben,  ihre  Kunstfertigkeit  zu  zeigen ,  während  die  Auf- 
fassung des  Textes  durch  viele  feine  Zttge  das  genaue  Verständ- 
niss  desselben  von  Seite  des  Componisten  verräth. 

Vn.  Hymnen.  Unter  dieser  CoUectivbezeichnung  wurden 
die  zahlreichen  Kirchencompositionen  eingereiht,  welche  nicht 
unter  eine  der  früheren  Rubriken  der  Gradualien,  Offertorien 
u.  8.  w,  gebracht  werden  konnten,  obschon  es  wahrscheinlich  ist, 
dass  mehrere  der  Hymnen  zu  solchen  Zwecken  verwendet  wur- 
den. Die  Texte  dazu  sind  theils  Psalmen ,  theils  wirkliche  Hym- 
nen zur  Ehre  von  Heiligen,  oder  mit  Rücksicht  anderer  kirch- 
licher Zeiten,  als  des  Advents,  der  Ostern  u.  dgl.  oder  zu  Dank- 
festen ftlr  bedeutende  glückliche  Ereignisse,  als  Siege,  Friedens- 
schlüsse, zuweilen  aber  auch  zu  kleineren  Litnrgien,  wie  Äsperges, 
Libera  bestimmt.  Den  bei  weitem  grösseren  Theil  machen  die 
Hymnen  an  die  Mutter  des  Heilandes  aus,  wie  denn  Fux  auch  bei 
den  früheren  Abtheilungen  für  den  Mariencultus  viel  und  mit 
Vorliebe  componiert  hat.  Unter  den  Hymnen  sind  einige  Texte 
oft  wiederholt  von  ihm  gesetzt,  so  Alma  Redemptoris  mater  18 
Male,  Salve  Regina  10,  Ave  Regina  22  Male.  Mit  welcher  Innig- 
keit Fux  an  diese  Texte  gieng ,  möge  die  Auffassung  der  Worte : 
„0  Clemens^  o  pia,  o  dulcis  tirgo  Maria"  aus  dem  Salve  Regina 
259  (der  Beil.  X)  dienen. 

Soli  seiiBa  stromentL 


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142 


Fux,  Hymnen. 


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Die  Mehrzahl  dieser  Hymnen  ist  a  cappella  ohne  oder  mit 
Ripieninstrumenten  vierstimmig,  häufig  auch  dreistimmig  gesetzt, 
da  Fux  seine  Vorliebe  für  den  dreistimmigen  Satz  auch  hier  an 
den  Tag  legte.  Die  Hymnen  für  Solostimmen  oder  für  zwei  Stim- 
men y  hie  und  da  auch  andere  sind  im  concertierenden  Stile  ge- 
schrieben zum  besonderen  Frommen  virtuoser  Kehlen.  Dass  sich 
Fux  im  concertierenden  Stile  freier  bewegte ,  hat  er  im  Gradus 
selbst  für  erlaubt  erklärt,  doch  schwebt  auch  über  diese  freiere 
Bewegung  das  stäts  wache  Bewusstsein  des  Gesetzes,  das  nur 
seltene  Ausnahmen  gestattet.  Im  Hymnus  (249)  Nunquam  ira 
nähert  sich  die  Behandlung  dem  dramatischen,  jedoch  ohne  dem 
kirchlichen  Ernste  Eintrag  zuthun;  in  der  Hymne  (192)  Alma 
Redemptoris  erlaubt  sich  Fux  im  Eingange  wiederholte  Sprünge, 


Alma  Bedemp  -  to  -  ri8  Redemp  •  to  -  ris    ma 


ter 


wie  man  sie  in  solcher  Folge  bei  ihm  in  der  Kirchenmusik  nicht 
gewohnt  ist,  doch  auch  da  lenkt  er  bald  ein,  als  wollte  er  zeigen, 
dass  man  bisweilen  auch  ungewohntes  wagen  dürfe.  Der  mehr- 
mals vorkommende  Quintensprung  beim  Eintritte  des  Alma  (X.  1 85, 
186,  187,  190, 191,  20Ö,  202)  hat  wahrscheinlich  seine  Veranlas- 
sung in  irgend  einem  Cantus  firmus,  von  dem  er  sich  in  mehreren 
Hymnen  nicht  geringe  Fesseln  anlegen  lässt,  welche  aber  dem 


Fux,  Hymnen.  143 

Hörer  niemals  beschwerlich  werden,  da  er  sie  mit  erhöhter  conti*a- 
punktischer  Ennst  zu  umhüllen  weiss. 

Als  Compositionen  fUr  Feste  ersten«  Ranges  treten  aus  den 
Hymnen  zwei  Te  Deum  (X.  270  und  271)  hervor  durch  die  Grösse 
und  Feierlichkeit  der  Auffassung  so  wie  die  überaus  zahlreiche 
Verwendung  von  Instrumenten.  Es  ist  auch  aus  den  Vormerken 
der  gleichzeitigen  Stimmenabschriften  zu  entnehmen,  dass  sie 
1723  bei  der  Krönung  in  Prag,  1725  wegen  des  abgeschlossenen 
Friedens  mit  Spanien,  1716  bei  der  Geburt  des  sehnlich  erwar- 
teten Thronerben  Erzherzog  Leopold ,  1 736  zur  Vermählung  der 
Erzherzogin  Maria  Theresia  mit  dem  Herzoge  Franz  Stephan  von 
Lothringen  zur  Aufführung  kamen.  —  Aus  dem  Verzeichnisse  X 
ist  auch  ersichtlich ,  wie  einige  andere  dieser  Hymnen  zu  ihrer 
Zeit  die  zahlreichsten  Wiederholungen  erfuhren,  woraus  hervor- 
zugehen scheint,  dass  Fux  selbst  zu  einer  Zeit,  wo  man  den  ver- 
führerischen Tönen  der  lockeren  Opernmusik  begierig  lauschte, 
doch  dasselbe  Publicum  für  den  Ernst  seiner  Kirchenmusik  em- 
pfänglich zu  erhalten  wusste. 


IX. 

Chronik  (1719—1721)  -  Abfertigimg  für  die  eTenteeUe  Witwe  — 
Seine  Oper  Costansa  e  Forteisa  in  Prag  (1728)  —  Caldara's  Oper 

Enristeo  (1724). 

Im  Jahre  1719  componierte  Fux  zwei  Textbücher  seines 
Pietro  Pariati:  die  Oper  Elisa  ^  zum  Geburtsfeste  der  regieren- 
den  Kaiserin  Elisabeth  (sie  erschien  zehn  Jahre  später  gedruckt), 
und  das  Oratorium  Gesu  Cristo  negato  da  Pietro  *.  —  Desselben 
Jahres  erhielt  Fux  das  Hofquartier  „zum  goldenen  Bären ^"  auf 
dem  alten  Fleischmarkt,  wo  er  22  Jahre  wohnte  und  auch  seine 
Tage  beschloss. 

1 720.  Ausser  dem  Oratorium  La  Cena  del  Signor,  Text  von 
P.  P  a  r  i  a  t  i  *  componierte  Fux  gemeinsam  mit  Caldara  die  Operette 
Psiche  %  Text  von  ApostoloZeno,  der  einzige  Fall,  in  welchem 
Fux  mit  anderen  in  Gesellschaft  componierte.  Die  Veranlassung 
dazu  war  sehr  wahrscheinlich  seine  oft  wiederkehrende  Kränk- 
lichkeit. Zur  Leichenfeier  der  am  19.  Jänner  verstorbenen  Kai- 
serin-Witwe (nach  Kaiser  Leopold  I.)  Eleonora  Margaretha 
Theresia  wurde  das  grosse  Kequiem  von  Fux  gegeben.  —  Der 
neu  eingetretene  Hofcomponist  Gius.  Porsile  beginnt  seine 
Thätigkeit. 

1721.  Die  Vorsorge,  seine  eventuelle  Witwe  nicht  nach 
seinem  Ableben  den  Wechselfällen  einer  Gnadenpension  auszu> 
setzen,  bestimmte  Fux,  bei  seinen  andauernden  chronischen 
Leiden  den  ihm  so  gnädig  gestimmten  Kaiser  um  sofortige  Ge- 
währung einer  Abfertigungssumme  statt  einer  Pension  zu  bitten.  In 
seinem  Gesuche  vom  6.  März  1721^  führt  er  an,  dass  er  während 
seiner  langen  Dienstzeit  in  den  „flirgewesten  schweren  Zeiten, 
und  bei  seinen   vielfaltigen   dispendiosen  Krankheiten'^,   keine 

1  Beil.  VIU.  551.  2  Eb.  556.  3  Haus  Nr.  6  (neu),  697  (alt).  Beil.  II. 
20.      *  Beil.  Vm.  567.      &  Beil.  VIII.  563.      •  Beil.  U.  10. 


Abfertigimg  für  die  Witwe  F  u  x.  145 

Mittel  ftlr  den  benöthigten  Unterhalt  der  Seinigen  naeh  seinem 
Ableben  habe  bei  Seite  legen  können  ^  znmal  er  ansser  der  Be- 
soldung irgend  eine  Adjnta ;  wie  viele  andere ,  niemals  genossen 
habe,  bei  seinen  erschöpften  Kräften  aber  dem  Allerhöchsten  ge- 
fallen könne,  seine  Tagei  in  kurzem  zu  endigen  und  da  seine  Frau 
Anspruch  auf  irgend  eine  Pension  habe,  so  bittet  er  statt  der- 
selben um  ein  Capital,  dessen  Interessen  einer  jährlichen  Pension 
seiner  Witwe  gleichkämen,  damit  er  noch  bei  seineu  Lebzeiten 
den  Trost  habe,  sein  armes  Weib,  „bq  ihm  jederzeit  mit  sonder- 
barer Liebe  und  Treue  alle  Hilfe  erzeigt  habe^,  versorgt  zu 
wissen. 

Der  Ob'ersthoftneister  führt  in  dem  Gutachten  ^  über  dieses 
Gesuch  zwei  ähnliche  Fälle  der  letzten  zwei  Vorgänger  im  Kapell- 
meisteramte Antonio  Draghi  und  Marc  Antonio  Ziani  an, 
deren  Angehörigen  bei  deren  Lebzeiten  Pensionen  in  der  Höhe 
von  800  fl.  zugesichert  wurden.  „Gleichwie  dieser  Supplicant 
(Fux)  es  jenen  beiden  in  der  Capacität  und  Fleiss  wo  nicht  bevor 
wenigstens  gleich  gethan  hat^,  so  dürfe  die!  Witwe  desselben 
ebenfalls  eine  Pension  von  jährlich  800  fl.  erwarten  und  diese 
leicht  zehn ,  wo  nicht  mehrere  Jahre  gemessen  dttrfen ,  daher  hat 
der  Obersthofmeister  kein  Bedetiken  getragen,  „Ew.  kais.  Msge- 
stät  für  den-  Supplicanten ,  als  seiner  langjährigen  und  fleissigen 
Dienste  halber  besonders  meritierten  Hofkapellmeister,  einzu- 
rathen,  dass  ihm  ein  fttr  allemal  ein  Capital  von  8000  fl.,  jedoch 
erst  in  den  vier  nächstfolgenden  Jahren-  ratenweise  zu  bezahlen, 
eben  so  viel,  als  die  Pension  von  800  ü.  in  10  Jahren  austrägt^\ 
Unter  diesen  Antrag  schrieb  Kaisei*  Karl  VI.:  „Placet^. 

In  diesem  Sinne  wurde  auch  das  Decret  fttr  Fux^  ausge- 
fertigt. 

Wenn  diese  Abfertigungssumme  von  8000  fl.  für  die  even- 
tuelle Witwe  des  Kapellmeisters  beträchtlich  erscheint  —  und  sie 
ist  es  auch  wirklich,  besonders  bei  dem  Geldwerthe  jener  Zeit  — 
so  steht  doch  das  ganz  analoge  Begehren  des  Vice-Kapelhneisters 
Antonio  Caldara  von  12.000  fl.  beschwichtigend  entgegen,  da  auch 
diese  Summe  ihm  bewilligt  wurde  —  ohne  Fux  zu  einer  gleich- 
stellenden Forderung  zu  veranlassen. 

J  Beil.  II.  11. 12.      2  Beil.  IL  11. 

Köehef,  J.  J.  Ftix.  10 


146  Fax,  Oper  Oostanza  e  fortezza. 

1722.  Ausser  der  brillanten  Oper  Le  Nozze  di  Aurora  ^  Text 
von  P.  Pariatiy  znr  Vermählungsfeier  der  Erzherzo^n  Amalia 
mit  dem  Kurprinzen  Albert  von  Baiem  componierte  Fux  nach- 
träglich die  1 720  von  Caldara  componierten  Nummern  zur  Operette 
Pnche^  neu  und  brachte  sie  als  seine  alleinige  Composition  am 
Geburtstage  des  Kaisers  zur  Aufführung. 

1723.  Das  Wiener  Diarium  vom  23.  März  berichtet  die 
Wiederholung  des  Oratorium  Cristo  neU  orio^  vom  Jahre  1718.  — 
Ein  grosser  Triumph  erwartete  den  kranken  Mann  in  Prag. 

Im  August  und  September  des  Jahres  1723  bereiteten  sich 
zur  Krönung  des  Kaisers  und  der  Kaiserin  mit  der  königlichen 
Krone  von  Böhmen  in  Prag  Festlichkeiten  vor,  wie  sie  selbst  in 
jener  prachtliebenden  Zeit  ungewöhnlich  waren.  Ausser  den 
glänzenden  Gefolgen  der  zahlreichen  Wilrdenträger  des  Kaisers 
hatten  Theilnahme  und  Neugier  eine  grosse  Menge  inländischer 
und  ausländischer  Personen  aus  den  höchsten  Ständen  herbeige- 
zogen,  welche  zugleich  den  Festen  zu  würdiger  Folie  dienten. 
Dass  dabei  die  Musik  einen  wesentlichen  Antheil  zu  nehmen  be- 
stimmt war  y  Hess  sich  erwarten ,  da  von  allen  Seiten  die  ausge- 
zeichnetsten Künstler  aus  ganz  Europa,  wie  der  berühmte  Violin- 
virtuose Giuseppe  Tartini^,  entweder  ausdrücklich  dazu  auf- 
gefordert wurden,  oder  aus  freiem  Antriebe  sich  dabei  einfanden. 
Fux  war  beauftragt  worden ,  die  Festoper  zu  schreiben ,  welche 
am  Geburtsfeste  der  Kaiserin  (31.  August)  gegeben  werden  sollte. 
P.  Pariati  hatte  als  Verfasser  des  Textes  das  Motto  des  Kaisers 
Costanza  e  fortezza  zum  Titel  der  Oper  gewählt  und  seine  Auf- 
gabe in  den  Vorgängen  des  Kampfes  des  Porsenna  gegen  Bom 
mit  den  Episoden  des  Mutius  Scävolä ,  des  Horatius  Codes  und 
der  Clölia  mit  vielem  Geschicke  gelöst.  Zur  Darstellung  wurde 
in  dem  grossen  Hofraume  des  königlichen  Schlosses  auf  dem 
Hradschin  ein  prachtvolles  Amphitheater  erbaut ,  das  4000  Zu- 
schauer zu  fassen  vermochte.  Das  noch  erhaltene  Textbuch  gibt 
in  sechs  Kupferstichen  des  grössten  Formates  die  Zeichnungen 
der  vorzüglichsten  Decorationen  und  Maschinerien ,  worunter  die 
Heereslager  der  Römer  und  Etrusker ,  dann  eine  grosse  Wasser- 

1  Beil.  VUI.  584.  «  £b.  582.  «  Eb.  547.  ^  Geb.  1692,  gest.  1770. 
Kam  1723  mit  seinem  Freunde  dem  Violoncellisten  D.  Ant.  Vandini  nach 
Prag  nnd  blieb  dort  mit  ihm  drei  Jahre  bei  Graf  Kinsky. 


I 


Fux,  Oper  Coatanaa  e  fortezza.  147 

masse ,  welche  sich  aus  dem  Tiber  erhebt  und  dann  die  Burg  des 
Flaasgottes  sehen  iässt;  besonders  hervortreten.  Von  dem  Reich- 
tbum  der  Belenchtnng ,  der  Kostbarkeit  der  Kleider,  der  anser- 
lesenen  Musik  ^  den  zierlichst  ausgeftthrten  Tänzen ,  erzählt  das 
Wiener  Diarinm  ^  dass  sie  wohl  bewundert  aber  nicht  beschrieben 
werden  können.  Die  Vorstellung  währte  von  8  Uhr  Abends  bis 
1  Uhr  nach  Mittemacht.  Ueber  den  Eindruck,  welchen  die  Musik 
des  Fux  auf  die  Zuhörer  ausübte,  haben  wir  zu  gutem  Glttcke  die 
Aufzeichnungen  eines  kunsterfahrenen  Theflnehmers,  des  preussi- 
sehen  Kammermusicua  und  Hofcomponisten  Johann  Joachim 
Quantz',  der  sich  in  seiner  Lebensgeschichte'  darttber  also 
vernehmen  lässt : 

,,Im  Jahre  1723  that  Quantz  mit  (S.  Leop.)  Weiss,  dem 
Lauteiuusten^  und  dem  (nachmaligen)  Kapelhneister  Graun^  eine 
Reise  nach  Prag.  Um  diese  Zeit  hatte  Kaiser  Karl  VI.  die  meisten 
berühmten  Virtuosen  aus  Europa  nach  I^ag  verschreiben  lassen. 
Die  Geschichte  hat  keine  glänzendere  Begebenheit  für  die  Musik 
aufzuweisen  als  diese  Feierlichkeit ,  noch  ein  ähnliches  Beispiel, 
da  so  viele  grosse  Meister  irgend  einer  Kunst  auf  einmal  an  einem 
Orte  versammelt  gewesen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  ward  eine  Oper  in  freier  Luft  aufge- 
führt ,  wo  hundert  Personen  sangen  und  bei  zweihundert  spielten. 
Die  Oper  hiess  La  Cosianza  e  la  Fortezza,  componiert  von  Fux, 
dem  alten  berühmten  kaiserlichen  Oberkapellmeister.  Die  Compo- 
sition  war  mehr  kirchenmässig  als  theatralisch,  aber  sehr  prächtig. 
Das  Concertieren  und  Binden  der  Violinen  gegen  einander,  welches 
in  den  Ritomellen  vorkam,  ob  es  gleich  grösstentheils  aus  Sätzen 
bestand,  die  auf  dem  Papier  steif  und  trocken  genug  aussehen 
mochten,  that  dennoch  hier  im  Grossen  bei  so  zahlreicher  Be- 
setzung und  in  freier  Luft  eine  sehr  gute,  ja  viel  bessere  Wirkung 
als  ein  galanterer ,  mit  vielen  kleinen  Figuren  und  geschwinden 
Noten  gezierter  Gesang  in  diesem  Falle  gethan  haben  würde.  Die 
Chöre  dienten  nach  /ranzösischer  Art  zu  Balleten.  Der  Kapell- 

1  Vom  4.  Sept.  1723.  «  Geb.  30.  Jänner  1697,  gest.  12.  Juli  1773, 
bekannt  durch  seine  Anweisung  die  Flöte  zu  spielen.  ^Marpurg,  hist.- 
krit.  Beitr.  I.  216  f.  —  Burney,  Tagebuch  (1773).  1. 117  ff.  *  Geb.  1684, 
gest.  1750,  sächsischer  Kammermuflicus,  ein  ausgezeichneter  Lautenspieler. 
^Karl  Hein r.  Graun,  geb.  1701,  gest.  1759,  preussischer  Kapellmeister. 

10* 


148  Fux,  Oper  Costanzaefortezza. 

meister  Caldara  gab  den  Tact^  Fax  selbst  hatte  das  Podagra: 
der  Kaiser  hatte  ihn  also  von  Wien  in  einer  Sänfte  hertragen 
lassen,  nnd  er  hörte  diese  so  angewöhnliehe  prächtige  AoffUhrong 
seiner  Masik  nicht  weit  vom  Kcüser  sitzend  an  K  Unter  den  Haapt- 
oder  concertierenden  Stimmen  war  keine  einzige  mittelmässig,  sie 
waren  alle  gat.  Die  Sängerinen  waren  die  beiden  Schwestern 
AmbrevillC;  Italienerinen^  deren  eine  nachher  mit  dem  Violon- 
cellisten Perroni,  die  andere  mit  dem  Sänger  Borrosini  sich 
vermählte.  Die  Sänger  waren  der  berühmte  GaetanoOrsini^ 
Domenico  (Genovesi),  Carestini,  Pietro  Casati^  ein 
grosser  Actear,  (Franc.)  Borrosini,  ein  lebhafter  Tenorist  and 
aach  geschulter  Acteur  und  (Christ.)  Praan,  ein  Deatsoher,  and 
angenehmer  Baritonist,  welcher  besonders  das  Adagio  so  rttiirend 
aosfUhrte ,  als  man  irgend  von  einem  braven  Contraltisten  hätte 
erwarten  können. 

Gaetano  Orsini,  einer  der  grössten  Sänger,  die  jemals 
gewesen ,  hatte  eine  schöne ,  egale  and  rtthrende  Contraltstimme 
von  einem  nicht  geringen  Umfange,  eine  reine  Intonation,  schönen 
Trillo  und  angemein  reizenden  Vortrag.  Im  AUegro  accentaierte  er 
die  Passagen,  besonders  die  Triolen  mit  der  Brust  sehr  schön  und 
im  Adagio  wusste  er  auf  eine  meisterhafte  Art  das  Schmeichelnde 
und  Rtthrende  so  anzuwenden ,  dass  er  sich  dadurch  der  Herzen 
der  Zuhörer  im  höchsten  Grade  bemeisterte. 

Domenico  (Genovesi)  hatte  eine  der  schönsten  Sopran- 
stimmen, die  ich  jemals  gehört  habe.  Sie  war  voll,  durchdringend 
und  rein  intonierend.  Im  ttbrigen  aber  sang  nnd  agierte  er  eben 
nicht  mit  sonderlicher  Lebhaftigkeit. 

Giovanni  Carestini  hatte  frtther  eine  starke  und  volle 
Sopranstimme,  welche  sich  später  in  eine  der  schönsten,  stärksten 
und  tiefsten  Contralte  verwandelte.  Er  hatte  eine  grosse  Fertig- 
keit in  den  Passagen ,  die  er  der  guten  Schule  des  Bemachi  ge- 
mäss mit  der  Brust  stiess.  Er  unternahm  in  willkttrlichen  Ver- 
änderungen sehr  vieles,  meistentheils  mit  gutem  Erfolge.  Seine 
Action  war  sehr  gut  und  so  wie  sein  Singen  feurig. 

1  In  den  Cameralzahlamts-Rechnungen  von  1723  wird  bemerkt,  dass 
das  I.  Quartal  des  Gehaltes  von  Fux  für  1723  in  dem  Prager  Reiseparticu- 
lare  vorkomme.  Damit  ist  auch  die  Anwesenheit  desselben  in  Prag  amtlich 
nachgewiesen. 


Caldara,  Oper  Euristeo.  149 

Alle  diese  Sanger  stunden  in  wirklichen  kaiserlichen  Dien- 
sten. Von  dem  wienerischen  Orchester  waren  aber  nur  etliche 
zwanzig  Personen  gebracht  worden.  Die  übrigen  Instrumentisten 
wurden  in  Prag  zusanunengesucht  und  bestunden  aus  Studenten, 
aus  den  Mitgliedern  einiger  gräflichen  Kapellen  und  aus  fremden 
Musicis.  Der  Anführer  des  Orchesters  war  der  kaiserliche  Con> 
certmeister  (Giov.  Ant.)  Piani.  Der  bertthmte  Francesco 
Co  n  t  i;  ein  erfindungsreicher  und  f euriger,  obzwar  manchmal  etwas 
bizarrer  Componist  fbr  die  Kirche  sowohl  als  für  das  ernsthafte 
nnd  komische  Theater ,  dabei  einer  der  grössten  Teorbisten  j  die 
jemals  gewesen  sind;  spielte  die  erste  Teorbe.  Die  Chöre  waren 
mit  Schttlem  und  Kirchensängem  aus  der  Stadt  besetzt.  Weil 
nun  wegen  Menge  der  anwesenden  Menschen  vielen ,  auch  sogar 
Personen  von  vornehmem  Stande  der  Eintritt  in  die  Oper  ver- 
sperrt war  j  so  liessen  meine  beiden  Gefährten  und  ich  uns  auch 
mit  zum  Orchester  werben.  Weiss  spielte  die  Teorbe ,  Graun 
das  Violoncell  und  ich  Oboe  als  Bipienisten.  Wir  hatten  dadurch 
zugleich'  Gelegenheit  die  Oper  wegen  der  vielen  nöthigen  Proben 
desto  öfter  zu  hören.  ^ 

Auch  in  später  Zeit  sprach  Quantz  mehr  als  einmal  mit 
g^sser  Aehtung  von  der  Wirkung ,  welche  diese  Oper  von  Fux, 
die  er  in  seiner  Jugend  gehört  hatte^  in  ihm  zurttckliess  ^ 

Ausser  der  Festoper  wurde  in  Prag  das  grosse  Tedeum^  am 
Krönnngstage  (5.  Sept.),  wahrscheinlich  noch  mehrere  Kirchen 
compositionen  voii Fux gemacht. — Johann  Dismas  Zelenka, 
der  Schttler  des  Fux,  sang  im  Chor  der  Oper  Costanza  und  com- 
ponierte  dort  die  Musik  zu  dem  Melodrama  de  Sancto  Weftceslao  ^. 

So  wie  es  bereits  unter  den  früheren  Kaisern  Leopold  I. 
und  Josef  I.  die  Begel  war ,  dass  jährlich  im  Fasching  von  Cava- 
lieren  und  Damen  scenische  Darstellungen,  gewöhnlich  Comödien 
oder  Burlesken  mit  und  ohne  Tänze,  bei  Hofe  aufgeführt  wurden, 
setzte  sich  diese  U^bung  auch  unter  dem  gutmusicalischen  Kaiser 
Karl  VI.  fort,  ja  sie  steigerte  sich  im  Jahre  1724  bis  zu  einer  Oper, 
deren  Gesangs-  und  Instrumentalparte  so  wie  die  Tänze  aus- 
schliesslich von  Herren  und  Damen  des  höchsten  Adels  mit  dem 


iFr..Nicolai,Rei8©.1781.IV.524.     aßeü.X.270.     »Fürstenau, 
Oesch.  Dresdn.  Mus.  IL  71^83. 


150  Oaldara,  Oper  Enristeo. 

• 

Kaiser  als  Dirigenten  an  der  Spitze  ansgeftlhrt  worden.  Das 
Wiener  Diarinm  vom  17.  Mai  1724  referiert  darüber  angewöhnlieh 
ausführlich  in  folgender  ftlr  die  Zeit  charaeteristischen  Weise: 
..Gegen  Abend  wurde  bei  Hof  auf  einem  eigens  dazu  verfertigten 
theatro  in  Beisein  der  Allerhöchsten  kaiserlichen  Monarchen  dann 
der  durchlauchtigsten  Leopoldinischen  Erzherzoginen,  des  Erb- 
prinzen aus  Lothringen  Durchl.,  wie  auch  des  hiesigen  und  fremden 
höchsten  Adels  eine  noch  niemals  dahier  und  fast  durch  ganz 
Europa  gesehene  lob-  und  sehenswürdigste  Opera,  wobei  auch  die 
DurchL  Carolinischen  Erzherzoginen  und  Infantinen ,  als  Maria 
Theresia^  und  Maria  Anna  die  Tänze  aufgeflihret  und  die 
Actores ,  Tänzer  und  Tänzerinen  und  der  völlige  Chorus  musicus 
aus  lauter  Adelichsten  Personen  bestanden  mit  grösster  Magni- 
ficenz  und  Buhm  zum  ersten  Male  vorgestellet.  Obgedachte  herr- 
lichste Opera ,  so  Eurystheus  (Euristeo)  ^  benamset  ist ,  war  auf 
allergnädigsten  Befehl  Ihrer  kaiserlichen  und  königlichen  katho- 
lischen Majestät  von  Herrn  ApostoloZeno^,  kaiserUchen  Poeton 
und  Historico  verfasset  und  von  Herrn  Antonio  Caldara,  kais. 
Vice-KapeUmeister  in  Musik  gebracht  worden. 
Die  vorstellenden  Personen  sind : 

I»meney  Prinzessin  von  Argo  —  Margaritha  Orsini 
Gräfin  von  Piakai.  —  Erginda,  Tochter  des  Thersander  — 
Judith  Gräfin  von  Stahrenberg.  —  Aglaiida,  Töchter 
des  Königs  Cisseus  — Josefa  Gräfin  von  Berg.  —  Ormond, 
der  Feldoberste  des  Königs  Cisseus  —  Karl  JosefMarchese 
Gallerati.  —  Cisseus,  König  von  Macedonien  —  Ludwig 
Prinz  Pio  von  Savoyen.  —  Clearcus,  Fürst  von  AetoUen  — 
Ferdinand  Graf  von  Harrach.  —  Glaucio,  Fürst  von 
niyrien  —  Pietro  Marchese  Stella. 

Die  Instrumentalmusik  versahen: 
Herr  Adam  Graf  vonQuestenberg    .  ,  Tiorbe 
„    Ludwig  Graf  von  Saleburg     .  .  .  Travers 

„    Ferd.  Graf  von  Lamberg Violin 

j,    Christ.  Fürst  Lobkowitz Violin 

p    Friedr.  Graf  Cavriani Fagott 

1  Die  nachmalige  Kaiserin,  damals  7  Jahre  alt. 

2  Beil.  VIII.  604.      3  Poesie  drammatiche.  Vol.  VI. 


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Caldara,  Oper  Euristeo.  151 

Herr  Karl  Bob.  Graf  Tmchsess  v.  Zeil  Haatbois 
j,    Christ.  Graf  von  Proskan     ....  Violin 

r    Ferd.  Graf  Fergen das  zweite  Cymbal 

^    Karl  Graf  Apermont Yiolin 

Job.  Bapt.  Graf  von  Pergen    .  .  .  Violoncell 

Jos.  Graf  Stnbenberg Violin 

Karl  Graf  von  Rotal Violin 

Christ.  Graf  Pertnsati Violin 

Kasimir  Graf  V.  Werdenberg   .  .  Violin 

..    Siegfr.  Graf  v.  Lengheim Hantbois 

•    Oct.  Graf  Piccolomini Violin 

^    Ad.  Phil.  Graf  Logi  (Losy) Contrabass 

,.    Sigm.  Graf  Herberstein Violoncell 

r    Const.  Bar.  Figher Fagott 

^    Job.  Karl  Graf  von  Hardeck    .  .  .  Violoncell 

^    Franz  Graf  Pachta Violin 

;,    Mich.  Bar.  Lazari Violin.^ 

Am  20.  Mai  desselben  Jahres  wurde  dieselbe  Oper  zmn 
dritten  nnd  letzten  Male  gegeben.  Nach  vollendeter  Vorstellnng 
wurden  unter  den  Damen  nnd  Cavalieren  der  Opera  y,einige 
Prämia^  so  in  Geschmnck  und  anderen  kostbaren  Galanteriesachen 
bestanden,  nach  gehobenen  Loszetteln  ansgetheilet^^. 

Ein  Berichterstatter  in  einer  englischen  Zeitung  von  J.  1724* 
meldet  über  die  Darstellung  der  Oper  Euristeo:  Der  Kaiser  ist 
höchst  zufrieden  mit  der  Ausflihrung  der  Oper,  die  nun  schon 
2mal  dieseWoche  gegeben  ward  und  heute  zum  dritten  Male  dar- 
ankommt. —  Der  Componist,  Mifangs  besorgt  um  die  Ausführung 
seiner  Oper,  war  entzückt,  als  er  hörte,  dass  es  so  vortrefBich 
gieng,  denn  die  erlauchten  Personen  sangen  und  spielten  über 
alle  Erwartung  gut.  —  Zwischen  den  Acten  fllhrten  folgende  er- 
lauchte Personen  Tänze  auf:  Nach  dem  ersten  Acte:  Bosa  Gräfin 
Thurn  —  Gräfin  Christiana  von  Salm  —  Gräfin  Josefa 
Henklin  —  Gräfin  Antonia  von  Zinssendorf —  Graf  Kar^ 
Salm  —  Graf  Anton  Strasoldo  —  Graf  Josef  Zobur  — 
Bar.   Christ,    von  Westenrad  (?Questenberg?).    Nach  dem 

1  Wiener  Diar.  20.  Mai  1724. 

3  Allg.  muB.  Zeitg.  13.  Jänner  1869.  p.  12. 


152  Cal dar a,  Oper  £uristeo. 

zweiten  Act:  Erzherzogin  Maria  Theresia  mit  4  Damen  und 
4  Herren.  Nach  dem  dritten  Act  die  Erzherzoginen  Maria  The- 
resia und  Maria  Anna  mit  4  Damen  und  5  Cavalieren. 

Nicht  minder  befriedigt  spricht  sich  ein  anderer  Augen-  uüd 
Ohrenzeuge,  der  Poet  Apostoio  Zeno  ttber  die  Ausführung 
seiner  Oper  in  einem  Briefe  in  seine  Heimat  aus  ^ :  ^Ich  kann  euch 
nicht  entsprechend  den  Beifall  schildern,  den  mein  Drama  erhielt, 
das  zur  allgemeinen  Bewunderung  von  jenen  Damen  und  Cava- 
lieren dargestellt,  gespielt  und  getanzt  wurde,  welche  immer  an 
der  Spitze  des  Orchesters  am  Clavier  den  Allerhöchsten  Herrn 
gehabt  haben,  der  mit  der  grössten  und  feinsten  Meisterschaft 
wie  ein  Professor  spielt.  Nach  einem  beiläufigen  Ueberschlag 
mag  dieses  prachtvolle  Schauspiel  dem  kaiserlichen  Säckel  an 
100.000  fl.  gekostet  haben.  Die  drei  singenden  Damen  insbeson> 
dere  leisteten  wunderbares  und  wären  sie  Musiker  von  Profession 
und  mttssten  sie  mit  Singen  ihren  Unterhalt  verdienen,  so  würden 
sie  auch  in  Italien  unter  den  ersten  eine  erste  Erscheinung  sein^ . 

Die  Musik  Caldara's,  ttber  welche  der  Poet  mit  Still- 
schweigen weggeht,  ist  offenbar  den  darstellenden  Kräften  ange- 
messen mit  leicht  zu  überwindenden  Schwierigkeiten,  wie  man  es 
Dilettanten  zumuthen  darf,  dabei  angenehm  und  doch  dankbar 
vom  Componisten  bedacht.  Alles  in  allem  vermochte  jene  Zeit 
in  den  höchsten  Kreisen  musicalische  Kräfte  aufzubringen,  um 
welche  die  Gegenwart  nicht  wenig  verlegen  sein  dürfte. 

1  Ap.  Zeno  Lett.  III.  446  f. 


X. 

Der  ftradns  a4  Pamsssmi  (1726). . 

Das  Werk,  durch  welches  Fox  den  Ruhm  seines  Namens  in 
der  musicalischen  Welt  ttber  den  Wandel  der  Zeit  hinweg  yer> 
breiten  sollte ;  wnrde  im  Wiener  Diarium  vom  25.  Juli  1725  in 
folgender  einfachen  Weise  angezeigt :  ^N.  B.  Bei  mir  Johann  Peter 
T.  Gehlen,  der  Böm«  Kais,  und  Königl;  Catholischen  Majestät  Hof- 
Buchdruckern  -gegen  dem  Hof-Ballhaus  ttber  ist  nunmehro  zube> 
kommen  und  verlegt  ein  neues  musicalisches  Opus  intitulieret: 
GraduB  ad  Pamaasum,  sive  Manuductio  ad  Compositionem  Musicae 

regulärem elaborata  a  Joanne  Josepho  Fux Kostet 

ungebundener  3  fl.^ 

Die  Ausstattung  desselben  war  würdig  seines  kaiserlichen 
Gönners,  der  die  Kosten  dazu  bestritt :  ein  ansehnliches  Format  in 
Folio,  der  Druck  dem  Auge  bequem,  die  Notenbeispiele  mit  be- 
weglichen Typen  zahlreich  und  deutlich.  Ohne  alle  Beclame 
musste  es  seinen  Weg  durch  seinen  (jchalt  und  seine  Brauchbar- 
keit machen :  und  es  hat  ihn  gemacht. 

Was  fttr  ein  Ziel  Fux  bei  der  Herausgabe  des  Gradus  im  Auge 
hatte  und  durch  welche  Mittel  er  dieses  Ziel  zu  erreichen  hoffte, 
darüber  spricht  er  sich  in  dem  Werke  selbst  ganz  deutlich  aus. 
Schon  der  Titel  bezeichnet  das  Wesen  des  Buches  dahin,  es  sollte 
eine  „Anleitung  sein  zur  regelmässigen  musicalischen  Composi- 
tion  nach  einer  neuen  und  zuverlässigen  Methode,  dergleichen 
früher  niemals  in  solcher  folgerichtigen  Anordnung  veröffentlicht 
wurde.  ^  Er  legt  daher  schon  damit  den  besonderen  Nachdruck 
auf  die  Neuheit  und  Zuverlässigkeit  der  von  ihm  zuerst  erfunde- 
nen Methode  und  die  consequente  Gliederung  seiner  Theorie, 
welche  er  bis  dahin  in  keinem  Werke  ttber  die  Satzkunst  seiner 
Vorgänger  finden  konnte. 

In  grösserer  Ausführlichkeit  verbreitet  er  sich  darüber  in 
dem  Yorberichte  an  den  Leser,  wo  er  sagt :  Es  werden  sich  viel- 


154  Der  GraduB  ad  Parnassnm. 

leicht  einige  verwundern,  da  doch  Schriften  so  vieler  ansgezeich- 
neten  Männer  vorliegen,  welche  über  Musik  eben  so  gelehrt  als 
weitläufig  gehandelt  haben,  wie  denn  ich  dazukomme,  mich  an 
eine  derlei  Abhandlung  gemacht  zu  haben,  und  ttberdiess  zu  einer 
Zeit,  wo  die  Musik  ein  Gegenstand  der  Willkür  geworden,  die 
Componisten  an  keine  Vorschriften,  an  keine  Lehre  sich  gebunden 
glauben ,  den  Namen  von  Gesetz  und  Schule  wie  den  Tod  verab- 
scheuen ?  solchen  Fragenden  will  ich  meine  Ansicht  darlegen. 

Allerdings  gab  es  sehr  viele  durch  Gelehrsamkeit  und  An- 
sehn bertthmte  Männer,  welche  über  theoretische  (speculativa) 
Musik  sehr  gehaltreiche  Schriften  zurückgelassen  haben,  über 
practische  Musik  sind  der  Schriften  wenige  und  ausserdem  sind 
diese  nicht  durchaus  deutlich.  Diese  Schriftsteller  begnügen  sich 
gewöhnlich  mit  der  Aufstellung  einiger  Muster  und  sind  gar  nicht 
bekümmert,  eine  leichtfassliche  Methode  zu  erfinden,  bei  welcher 
die  Anfänger  Sehritt  für  Schritt ,  wie  auf  einer  Treppe  empor- 
steigen, und  zur  Aneignung  dieser  Kunst  gelangen  könnten  .... 
Schon  seit  mehreren  Jahren  überlegte  ich  bei  mir  und  liess  es 
weder  an  Fleiss  noch  an  Nachdenken  fehlen,  eine  leichtfassliche 
Methode  zu  ersinnen,  ähnlich  derjenigen,  durch  welche  das  zarte 
Alter  zuerst  die  Buchstaben  kennen  lernt,  dann  sillabieren,  hier* 
auf  mehrere  Silben  verbinden,  zuletzt  lesen  und  schreiben  gelehrt 
wird.  Denn  da  ich  mich  einer  solchen  Methode  beim  Unterrichte 
bedient  habe  und  gewahr  geworden  bin,  dass  die  Schüler  in 
kurzer  Zeit  überraschende  Fortschritte  gemacht  haben,  meinte 
ich,  dass  ich  eine  nicht  zu  verachtende  Förderung  dieser  Erkennt- 
niss  dadurch  zuführen  werde,  wenn  ich  sie  zum  Frommen  der 
lernbegierigen  Schüler  veröffentlichte  und  das,  was  ich  durch  eine 
dreissigjährige  Praxis  mir  eigengemacht,  auch  dem  ganzen  Reiche 
der  Musik  getreulich  mittheile.  ^ 

Ein  näheres  Eingehen  auf  den  Inhalt  des  Werkes  wird  dar- 
thun,  auf  welche  Art  er  sein  Wort  gelöst  hat.  Fnx  hat  in  diesem 
Werke,  das  seiner  Anlage  nach  nicht  auf  Deutschland  allein  be- 
schränkt sein  sollte,  der  lateinischen  Sprache  sich  bedient,  damals 
die  Sprache  der  Diplomaten  und  Gelehrten,  ausserdem  zu  jener 
Zeit  in  allen  gebildeten  Kreisen  verständlich.  Das  Latein  des 
Gradus  ist,  ungeachtet  der  vielen  gebrauchten  Neologismen  in 
den  Kunstausdrücken,  gewählt  zu  nennen,  dabei  jedoch  nicht 


n 


Der  Gradng  ad  ParaasBum.  155 

geschranbt  oder  gesucht.  Im  practischen  Theile  bedient  sich  Fnx 
der  Gesprächsform:  ein  erfahrner  wohlwollender  Meister,  den 
Fnx  nach  seinem  Ideale  Pierlnigi  PiJestrina  Aloysins  nennt, 
begleitet  einen  eifrigen  begabten  Schiller  (nach  seinem  eigenen 
Namen  Josephns  genannt)  belehrend,  berichtigend,  auAnun- 
temd  durch  das  ganze  Gebieth  der  Compositionslehre.  Liegt 
anch  diese  Art  des  Vortrages  unserem  Zeitgeiste  femer,  so  lässt 
sich  doch  nicht  läugnen,  dass  die  socratisierende  Behandlung 
eines  solchen  Stoffes,  welche  das  so  natürliche  Verhältniss  eines 
dankbaren,  wissbegierigen  Schttlers  zu  einem  verehrten,  weit- 
tlberlegenen  Lehrer  auf  eine  einfache ,  ungesuchte  Weise  bis  ans 
Ende  fortführt,  durchaus  dem  Ernste  des  Gegenstandes  nicht  ab- 
trftgUch  wirkt,  vielmehr  das  Interesse  der  Theilnahme  an  diesem 
Verhältnisse  selbst  zu  erwecken  geeignet  ist. 

Den  ganzen  Lehrstoff  theilt  Fux  bekanntlich  in  zwei  Theile, 
die  theoretische  (Musica  speculativa)  und  in  die  practische 
Musik  (M.  practica).  Im  ersten  Theile  werden  die  Zahlenver- 
hältnisse der  Intervalle  nach  dem  griechischen  Systeme,  ihre  ge- 
ringe Brauchbarkeit  wegen  Mangels  an  geeigneten  Intervallen 
so  wie  die  kaum  zu  überwältigende  Schwierigkeit  in  der  Anwen- 
dung besonders  bei  TastenJnstrumenten  besprochen  und  mit  dem 
Siege  der  gleichschwebenden  Temperatur  der  in  zwölf  Intervallen 
abgestuften  Octave  über  da«  Überwundene  Komma  geschlossen, 
welchen  Sieg  er  freudig  als  das  Werk  der  Erl()sung  aus  dem 
Kerker  des  Mheren  Zwanges  begrüsst  und  als  Uebergaug  zur 
freien  Bewegung  auf  dem  unermesslichen  Felde  der  Modulation 
preist.  Der  Anhang  dazu  gibt  noch  die  kurze  Darstellung  des 
(damals)  modernen  diatonischen,  und  des  modernen 
chromatischen  Genus,  so  wie  des  aus  der  Vermischung  von 
beiden  entstandenen  Genus  mixtum,  gegen  welches  er  sich 
nicht  sträubt  und  nur  vor  Misbrauch  warnt,  endlich  die  Haupt- 
begriffe  der  Consonanzen  und  Dissonanzen  und  die  vier  Funda- 
mentalgesetze ihres  Gebrauchs.  Den  letzten  Abschnitt  ausgenom- 
men, dessen  Werth  ein  bleibender  ist,  wurden  die  demselben  vor- 
hergehenden Betrachtungen  von  der  Zeit  Oberholt  und  haben 
nur  noch  historischen  Werth. 

Der  bei  weitem  überwiegendere  Theil  der  Compositionslehre 
wird  im  zweiten  Buche,  der  practischen  Musik  (Musica  prac- 


156  Der  Gradus  ad  Parnassum. 

tica)  abgehandelt.  Die  hier  entwickelte  methodiscfae  Kunst  des 
Meisters  beruht  nicht  blos  in  dem  Fortschreiten  von  den  einfachsten 
Formen  zu  den  verwickelteren;  sondern  auch  in  der  Durchführung 
desselben  Grundsatzes  unter  verschiedenen  Modalitäten;  in  der 
Kürze  und  Zweckmässigkeit  der  aufgestellten  Muster,  die  keine 
Ermüdung  aufkommen  lassen,  in  dem  Besprechen  und  Lösen  der 
Schwierigkeiten,  die  nicht  alle  auf  einmal,  sondern  nach  und  nach 
bei  Gelegenheit  der  neuen  Voraussetzungen  auftreten  und  in  der 
belebenden  Form  des  Gespräches  vieles  von  der  Trockenheit  kate- 
gorischer Kegeln  verlieren. 

Fux  beginnt  mit  dem  zweistimmigen  Satze,  indem  über 
einen  kurzen  Cantus  firmus  abwechselnd  in  der  Unter-  und  in  der 
Oberstimme,  bei  beständigem  Festhalten  an  dem  diatonischen  Ge- 
schlechte der  Schüler  den  Contrapunkt  zu  machen  hat,  und  zwar 
zuerst  Note  gegen  Note  gleicher  Zeitmessung,  wobei  alle  Tonarten 
(modi)durchgegangen  werden.  Dasselbe  geschieht  hierauf  mit  2  oder 
3  Noten  des  Contrapunkts  gegen  eine  des  Cantus  firmus  —  in 
gleicher  Weise  mit  4  Noten  gegen  eine;  dann  folgt  als  vierte  Art 
des  Contrapunkts  die  Ligatur  (Syncope),  endlich  schliesst  die 
Lehre  des  zweistimmigen  Satzes  mit  dem  blühenden  Contrapunkte 
(Contrapunctum  floridum)  als  fünfte  Art,  bei  welchem  sämmtliche 
vorausgegangene  4  Arten  vermischt  in  freie  Anwendung  kommen. 
Es  ist  einleuchtend ,  dass  diese  letzte  Art  nicht  blos  eine  Anwen- 
dung des  früher  Erlernten,  sondern  zugleich  eine  Anregung  zu 
selbständigen  kleinen  Erfindungen  mit  sich  bringt  und  bei  dem 
Schüler  das  Bewusstsein  des  bereits  Erlernten  so  wie  die  Lust  an 
dem  Gewonnenen  geweckt  wird. 

Ist  nun  der  Schüler  sicher  der  Elementarlehren  des  zwei- 
stimmigen Satzes,  so  wird  er  hierauf  angeleitet  nach  derselben 
strengen  Folge  an  den  dreistimmigen  Satz  zu  gehen,  abermals 
von  Note  gegen  Note  beginnend,  und  dann  die  übrigen  vier  Arten 
des  Contrapunkts,  wie  vorher  im  zweistimmigen  Satze,  einübend, 
indem  die  hiebei  neu  vorkonunenden  Schwierigkeiten  gehoben 
werden. 

Im  ganz  gleicher  Ordnung  der  Behandlung  durch  die  5  Arten 
wird  beim  vierstimmigen  Satze  vorgegangen,  und  mit  der 
Lehre  von  der  Imitation  der  allgemeine Theil  geschlossen.  Fux 
versäumt  es  nicht,  besonders  bei  dem  wichtigen  dreistimmigen 


' 


Der  Grados  ad  Parnassam.  157 

»Satze  zu  vieler  Uebnng  und  Strenge  anzuregen^  und  erst  nachdem 
der  Schiller  darin  seine  Sicherheit  der  Anwendung  erprobt  hat^ 
wird  ihm  der  strenge  Zttgel  des  Cantns  firmns  erlassen  nnd  er 
durch  eine  knrze  Lehre  von  der  Imitation  für  die  Fuge  vorbe- 
reitet. Fux  bemerkt  hier  seinem  Schüler,  er  gestehe,  der  Weg,  den 
dieser  bisher  beschritten  habe ,  sei  domig  nnd  mache  schwitzen, 
die  Mnsen  sollen  aber  auf  einem  Berge  wohnen ,  und  wer  ihnen 
nahen  will,  muss  sich  nicht  scheuen  mühsam  zu  klettern. 

Aus  dem  bisher  mitgetheilten  ist  klar  zu  entnehmen,  dass 
eben  die  methodische  Behandlung  dieses  Theiles  den 
Meister  verräth  durch  ihre  Einfachheit,  Durchsichtigkeit  und 
strenge  Consequenz,  wobei  von  nicht  geringem  Belange  ist,  dass 
bei  gehörigem  Eifer  des  Schtüers  das  Studium  keineswegs  so 
trocken  ist,  als  es  dem  Femstehenden  erscheinen  mag ,  da  in  dem 
abgestuften  theilweisen  Freilassen  im  Contrapunctum  floridum 
der  Schüler  eine  ermuthigende  Bückschau  auf  das  bisher  erlemte 
zu  machen  im  Stande  ist,  ganz  abgesehen  davon,  dass  damit  die 
sicheren  Gmndvesten  für  den  künftigen  Bau  gelegt  sind. 

Auch  in  der  nun  folgenden  Lehre  von  der  F  u  ge  geht  Fux 
abermals  einen  dem  früheren  analogen  Weg,  von  der  zweistim- 
migen zur  drei-  und  vierstimmigen  Fuge  in  den  verschiedenen 
Tonarten  fortschreitend.  Diesen  folgt  die  wichtige  Lehre  de^ 
doppelten  Contrapunktes,  zuerst  in  der  Octav  mit  der  un- 
mittelbaren Anwendung  auf  die  Fuge  mit  Gegensubjecten,  in 
gleicher  Weise  des  doppelten  Contrapunktes  in  der  Decime  und 
Duodecime,  immer  in  sofortiger  Anwendung  auf  die  Fuge,  zuerst  in 
dem  strengen  diatonischen  Genus,  dann  auch  freier  im  Genus 
mixtum.  —  Rascher  geht  es  durch  die  Lehren  der  Figuren  der 
Variation  und  Anticipation  —  zur  Lehre  von  den  Kirchen- 
tonarten, welche  auf  sechs  reduciert  und  nur  einige  Modi  trans- 
positi  zugelassen  werden,  alles  zur  Vermeidung  jeder  unnöthigen 
Künstelei  und  mit  stäter  Rücksicht  auf  das  practische  Bedürfhiss ; 
daran  schliesst  sich  die  nähere  Betrachtung  des  modernen  Genus 
mixtum. 

Nach  kurzen  Bemerkungen  über  den  Geschmack  in  der 
Musik  geben  die  verschiedenen  Stilarten,  besonders  des  Kirchen- 
stiles und  des  Stile  a  cappella  Veranlassung,  mehrere  Ton- 
stücke eigener  Komposition  als  Muster  dem  Schüler  vorzuführen. 


158  Der  GradtiB  ad  Parnassum. 

sie  mit  ihm  zu  analysieren,  wobei  dem  Meister  im  Bewusstsein 
dessen,  was  er  zu  leisten  vermochte,  nicht  verwehrt  sein  darf, 
sich  mit  Genagtlmung  dartlber  auszulassen. 

Bemerkungen  über  das  Recitativ  machen  denSchluss  des 
ganzen  Werkes. 

Wie  viele  bedeutende  Winke  fUr  den  lernenden  und  ftar  den 
ausübenden  Musiker  Fux  als  das  Ergebniss  vielfacher  und  tief- 
eingehender Studien  noch  in  dem  besonderen  Theile  über  die 
Fuge,  den  doppelten  Contrapunkt  und  an  anderen  Orten  gegeben 
hat,  ist  hier  nicht  näher  zu  erörtern :  der  erfahrene  Musiker  kennt 
sie  und  der  lernende  wird  sie  zu  seinem  Yortheile  benützen. 

Für  die  Greschichte  der  Musik  ist  es  gewiss  von  Interesse, 
auch  die  äusseren  Schicksale  eines  theoretischen  Werkes  über 
Musik ,  an  welchem  sich  wie  an  einem  Canon  die  Musiker  durch 
beinahe  anderthalb  Jahrhunderte  bis  auf  unsere  Tage  herange- 
bildet haben,  die  Art  ihrer  Verbreitung  in  den  verschiedenen 
Ländern  in  wenigen  durch  Thatsaehen  festgestellten  Umrissen 
zusammenzufassen. 

Die  Stellung  des  Verfassers  als  erster  Kapellmeister  am 
kaiserlichen  Hofe,  der  Ruf  welcher  ihm  durch  seine  Leistungen 
als  Lehrer  und  Componist  vorausgieng,  die  Anzahl  bedeutender 
Schüler  wie  Zelenka,  Wagenseil,  Muffat,  die  von  ihm  ge- 
bildet, wieder  als  Lehrer  auftraten,  machen  es  begreiflieh,  dass 
die  rasche  Verbreitung  des  Gradus  nicht  lange  auf  sich  warten 
liess.  Schon  im  folgenden  Jahre  nach  dessen  Erscheinen  konnte 
der  Buchdrucker  vanGhelenim  Wiener  Diarium  vom  27.  No- 
vember 1726  anzeigen,  es  seien  noch  „einige  Exemplarien^ 
dieses  Werkes  bei  ihm  zu  bekommen.  Im  Jahre  1748  erklärt 
Lorenz  Mizler  (Mus.  Bibl.  IL  4.  Theilpag.  118)  die  lateinische 
Ausgabe  von  Fux' Gradus  sei  „gar  bald  durch  ganz  Europa  ver- 
führet worden,  so  dass  es  schon  einige  Jahre  her  nicht  mehr  zu 
bekommen  gewesen.^  Aehnlieh  sagt  1761  der  Herausgeber  der 
italienischen  Uebersetzung  von  Manfredi,  er  habe  durch  die 
Herausgabe  der  Uebersetzung  des  Fux  besonders  den  Kapell- 
meistern die  enormen  Kosten  ersparen  wollen,  welche  die  An- 
schaffung der  lateinischen  Ausgabe  verursacht,  die  bereits  sehr 
selten  geworden  sei.^ 


Der  Gradns  ad  Parnassum.  159 

Die  gro88.e  Nachfrage  in  den  bedeutendsten  Musikländern, 
und  fttr  viele  das  Bedttrfniss,  dieses  Werk  mit  grösserer  Bequem- 
lichkeit in  der  Muttersprache  lesen  zu  können ,  waren  die  natttr- 
liehe  Veranlassung  zu  den  Uebersetzungen,  von  denen  vier  be- 
kannt sind,  aus  denen  allerdings  manche  bedeutendes  zu  wünschen 
übrig  lassen,  so  dass  man  in  unseren  Tagen  in  den  meisten  Fällen 
nach  der  Originalausgabe  greift.  Von  den  Uebersetzungen  erschien 
zuerst  im  Jahre  1742  die  in  deutscher  Sprache  von  Lorenz 
Mi  zier,  der  freien  KUnste  Lehrer  auf  der  Academie  in  Leipzig^; 
ihr  folgte  im  Jahre  1761  die  in  italienischer  Sprache  von  dem 
Priester  und  Professor  der  Musik  in  Keggio,  Alessandro 
Manfredi  ,,getreu  aus  dem  Lateinischen  übertragen  mit  dem 
Titel  „Salito  al  Parnasso^  .  •  •  *;  die  französische  Uebertragung 
durch  den  Sieur  Pietro  Denis  erschien  1773  zu  Paris^  als 
Traüd  de  composiiion ;  von  ihr  weiss  F^tis  in  seinen  Biographies 
wenig  rühmliches  zu  sagen.  —  Ohne  Namen  des  Uebersetzers  er- 
schien endlich  die  englische  Uebersetzung  mit  dem  Titel :  Fmtx» 
praetical  rules  for  leaming  camposition,  London  1791^  mit  dem 
Zusätze  „dieses  Buch  ist  im  grössten  Ansehen  in  ganz  Italien  und 
Deutschland".  Diese  Uebersetzung  ist  sehr  wenig  bekannt. 

Von  den  in  verschiedenen  Werken  veröflTentlichten  Urt hei- 
len über  den  Gradus  sollen  nur  einzelne,  aber  grossentheils 
von  bedeutenden  Männern  hier  folgen  zum  Beweise  dass  die 
TheUnahme  und  Anerkennung  seines  Werthes  früh  eintrat  und 
in  allen  Zeitperioden  bis  auf  unsere  Tage  sich  ungeschwächf  er- 
halten hat. 

Die  früheste  Notiz  bringen  die  ,,Neuen  Zeitungen  von 
gelehrten  Sachen  (Leipzig)  auf  das  Jahr  1725,  6.  Deoember, 
pag.  935,  welche  das  Erscheinen  dieses  Werkes  mit  dem  Beisatze 
anzeigen:  „Es  besteht  aus  zwei  Th eilen  und  handelt  im  ersten 
de  Musica  Theoretica  und  im  zweiten  de  Musica  Practica.  Der 
letzte  Theil  ist  sonderlich  sehr  vollkommen  und  das  Latein  nicht 
zu  verachten." — Vor  dem  Jahre  1731  hatte  Georg  Philipp 
Telemann,  ein  berühmter,  höchst  fruchtbarer  Componist,  (geb. 
14.  März  1681  zu  Magdeburg)  von  1721  bis  zu  seinem  Tode 
(25.  Juni  1767)  Musikdirector  in  Hamburg,  in  dem  ,,Catalogue 

1  Beil.  IV.  4.      «Ebd.      «Ebd.      *  Ebd. 


160  Der  GraduB  ad  P&rnassQm. 

des  (Bnvr^g  en  mnsiqne  de  Mr.  Telemann'^  eine  lieber- 
Setzung  des  Gradns  angekündigt.  Znr  Ansfühmng  kam  dieses 
Vorhaben  zwar  nicht,  aber  man  kann  daraus  den  Schlnss  ziehen, 
dass  dieses  Werk  schon  frühzeitig  nach  seinem  Erscheinen  einen 
tüchtigen  Musiker  zu  einer  Uebersetzung  angeregt  hatte  ^ 

Lorenz  Mizler,  der  Uebersetzer  des  Gradus  nennt  (Mus. 
Bibl.  Leipzig  1743,  U*  Band,  pag.  118)  diese  regelmässige 
Anfbhrung  zur  musicalischen  Composition  das  beste  Buch  unter 
allen,  so  wir  von  der  practischen  Musik  und  derselben  Com- 
position zur  Zeit  haben.  —  Der  wackere  Musikdirector  des  Fürsten 
Thum  und  Taxis,  Josef  Riepel  (gestorben  12.  October  1782), 
bricht  in  seinen  bekannten  Anfangsgründen  der  musicalischen 
Setzkunst  1 752  für  den  Gradus  eine  Lanze ,  indem  er  voll  heili- 
gen Eifers  schreibt :  „Es  gibt  ehrenräuberische  Gemüther  (unter 
den  Componisten)  die  sich  schämen,  öffentlich  zu  bekennen,  dass 
sie  ihr  ganzes  Einsehen  nur  derFuxischen  manuductio  zu 
danken  haben"  (pag.  77).  In  den  folgenden  Theilen  der  Satzkunst 
beruft  er  sich  in  kritischen  Fällen  immer  auf  den  ,, seligen  unsterb- 
lichen Kapellmeister  Fux" ,  über  dessen  Autorität  ihm  keine  zu 
stehen  scheint.  —  Das  von  Riepel  geforderte  Geständniss  legt 
P.  Georg  Pasterwitz*,  Professor  im  Stifte  Kremsmünster,  ein 

1  In  der  grossen  Generalbassschule  (Hamburg  1.731 ,  p.  172)  findet 
J.  Mattheson  Gelegenheit,  wie  er  diese  überall  und  zu  allem  findet,  eine 
„Ode"  einzuschalten  gerichtet  an  Telemann,  welcher  vorher  dem  Mattheson 
wegen  der  Generalbassschule  überschwänglichen  Lobweihrauch  gespendet 
hatte.  In  dieser  „Ode  bei  Erblick ung  der  in  dem  Catalogue  des  Oeu- 
vres en  Musique  de  Mr.  Telemann  ehmals  angemeldeten  Ueber- 
setzung der  Fuxischen  Graduum  ad  P ar na ssum"  (wahrlich  eine 
seltsame  Hippokrene)  sagt  Mattheson,  dass  er 

„  .  .  .  .  mit  Ergetzen 

Vernommen,  was  man  hoffen  kann 

Vom  grossen  Telemann. 

Dass  er  nicht  lauter  Noten  schreibt^ 

Das  wird  uns  nun  gelehrt: 

Indem  er  Theoriam  treibt 

Und  F  u  X  e  n  s  Arbeit  ehrt 

Mit  seinem  deutschen  Wörter-Schatz 

Und  reinem  Uebersatz''  u.  s.  w. 

2  Geb.  7.  Juni  1730,  gest.  26.  Jänner  1803.  Der  citierte  Brief  ist  vom 
26.  November  1801  und  im  Autograph  im  Wiener  Mus.-Ver. 


Der  Gradus  ad  Parnaasum.  161 

gelichteter  und  kenntnisBreicherComponist  streDgen  Stiles  in  einem 
Briefe  ab,  wo  er  sagt:  „Es  glttckte  mir,  durch  meine  Musik  in 
Kremsmünster  erst  als  Musiker,  dann  gar  als  Geistlicher  aufge- 
nommen zu  werden.  -^  Nun  (etwa  um  1760)  gieng's  über  Fux 
Gradum  ad  Parnassum  her,  dem  ich  alles  was  ich  in  der 
Musik  verstehe  zuerst,  weiters  aber  hernach  der  Einsicht  der  Parti- 
turen berühmter  Männer  zuzuschreiben  habe*^.  —  Von  Bedeutung  in 
mehrfacher  Beziehung  ist  das  Urtheil,  welches  1761  ein  berühmter 
Italiener  über  den  deutschen  Theoretiker  und  sein  Werk  ausspricht. 
Es  ist  Nicolaus  Piccinni  ^,  der  berühmte  Componist  und  grosse 
Rivale  des  grösseren  C  h  r.  v  o  n  G 1  u  c  k  in  Paris,  damals  Professore 
di  Musica  in  Beggio,  welcher  an  den  Uebersetzer  und  Herausgeber 
des  Gradus  P.  AI.  Manfred!  einen  Brief*  schreibt,  aus  dem  fol- 
gendes entnommen  ist:  ,,Sie  konnten.  Hoch  würdiger  Herr,  den 
Freunden  der  Musik  keinen  besseren  Dienst  leisten ,  als  dadurch, 
dass  Sie  der  Oeffentlichkeit  die  grundgelehrte  Abhandlung  des 
Fux  wiedergaben,  welche  schon  sehr  selten  geworden  war.  Dieser 
Mann  verdient  in  jeder  Beziehung  den  Namen  des  vollendeten 
Schriftetellers.  Demi  er  hat  über  die  Wissenschaft  der  Harmonie 

mit  solcher  Schärfe  gedacht,  dass  man  iim  einen  Deutschen,  er- 

* 

ftlUt  von  italienischem  Geiste,  nennen  kann Es  war  ein 

glücklicher  Griff  von  ihm,  seinen  Gegenstand  in  Form  von  Dia- 
logen zu  behandeln,  in  welchen  ma^  mit  Behagen  einen  Ani'änger 
gewahrt,  welcher  Schritt  für  Schritt  in  die  Kenntniss  der  Harmonie 
eindringt  und  gleichsam  ohne  es  selbst  zu  merken  aus  der  Schule 
als  Meister  hervorgeht.  Aber  warum  soll  ich  lange  um  Lobes- 
erhebungen über  Fux  herumsuchen?  Ich  habe  ja  an  mir  selbst  die 
Erfahrung  der  Trefflichkeit  seines  Werkes  gemacht,  als  mir  das 
Studium  desselben  von  dem  berülimten  Professor  Dur  ante  warm 
empfohlen  wurde,  der  schon  in  Neapel  meiil  Musiklehrer  war,  und 
ich  fühle  mich  vielleicht  gedrängt  jenem  Schriftsteller  zu  sagen, 
wie  Horaz  der  Muse  sagt :  Si  placeo  tuum  est.  Daher  sollen  die 
Jünglinge ,  die  in  Italien  geboren  der  Kunst  der  Harmonie  sich 
widmen,  nie  müde  werden,  immer  von  neuem  Fux  zu  studieren, 


•  1  Nicoiao  Piccinni  (nicht  Piccini,  wie  er  gewöhnlich  geschrieben  wird) 
geb.  1728  zu  Bari,  gest.  zu  Paris  7.  Mai  1800.  (Gerber.) 
^  Im  Salito  al  Parnasso  abgedruckt. 

Kbcktly  J.  J.  Fax.  11 


162  Der  Gradua  ad  Parnassum. 

und  sich  nach  seinen  Lehrsätzen  zu  üben.    Wenn  sie  an  der 
Schwelle  der  Professoren  angelangt  sind,  wird  ihnen  die  grösste 
Befriedigung  gewähren  das  treffliche  Werk,  welches  der  tief- 
gelehrte P.  Martini^  zum  grossen  Buhihe  Italiens  endlich  zum 
Abschlüss  gebracht  hat^.  —  Das  nicht,  minder  bedeutende  Urtheil 
dieses  weltberühmten  P.  Martini  über  Fux  bringt  der  bekannte 
Abt  Vogler   (Choralsystem.  1800).    Nachdem  dieser  unstäte 
Geist,  welcher  in  dem  Wahne  lebte  in  der  Musik  alles  neu  erfinden 
und  aufbauen  «u  müssen,  den  Gradus  eben  so  geringschätzig  als 
oberflächlich  bekrittelt  hatte,  erzählt  er  (pag.  6):  „Carl  Theodor, 
Kurftlrst  von  der  Pfalz  schickte  mich  (1773)  von  Mannheim  aus 
zu  Pater  Martini,  der  als  Historiker,  als  Menschenfreund  und 
Meister  so  vieler  Meister  in  der  Practik  berühmt  war.  Mit  einer 
schüchternen  Verehrung,  die  mir  sein  Name  eingeflösst,  kam  ieh 
nach  Bologna  und  näherte  mich  ihm.  Aber  welche  plötzliche  Aen- 
derung  gieng  bei  mir  vor,  da  er  mir  gutmüthig  sagte :  wir  haben 
kein  anderes  als  das  FuxischeSystem?"  —  Ein  anderer  gründ- 
licher italienischer  Theoretiker  Fr.  Giuseppe  Paolucci  führt 
in  seiner  Arie  pratica  4i  amtrappufäo ,  dimostrata  con  esempj  di 
varj  autori  1765—1772,  im  HI.  TJjeile,  pag.  3 — 14  als  Muster 
die  Fuge  aus  Fux  gradus ,  Exerc.  V.  Lect.  5  an.  Nachdem  er  die 
Fuge  in  allen  ihren  Theilen  mit  Anerkennung  durchgegangen, 
schliesst  er:  „Das  ist  die  Methode  eine  kurze  Fuge  zu  machen, 
in  welcher  die  Einheit  des  Subjects  bewahrt  wird;  aus  dieser 
kann  der  Lernende  so  viel  herausnehmen,  als  ihm  genügen  mag.^ 
—  Es  wäre  nicht  schwer,  aber  vielleicht  zu  ermüdend,  die  Citate 
tüchtiger  Männer  zu  vermehren,  welche  von  Fux  und  seinem 
Gradus  mit  Bewunderung  ja  Begeisterung  sprechen,  dessen  Werk 
in  den  Händen  jedes  Musikers  sein  müsse:  man  darf  nur  an  des 
Abtes  Martin  Gerbert  de  Cantu  et  Musica  sacra  1768 — 1774, 
an  den  klaren,  besonnenen  Kapellmeister  in  Kopenhagen  Joh. 
Adolf  Scheibe  in  seinem  Werke  über  die  Compositionslehre 
(1773)  erinnert  zu  werden,  um  aus  diesen  allein  einen  Panegy- 
ricus  des  Gradus  zusammenzustellen.    Allein   es.   bedarf  eines 

1  Padre  Giambattista  Martini,  Franciscaner  und  Kapellmeister 
in  der  Klosterkirche  in  Bologna,  geb.  1706,  gest.  1784.  Das  berühmte  Werk, 
auf  welches  Piccinni  anspielt ,  ist :  Sag'gio  fondamentale  pratico  di  Cmitra- 
punto,  1774—1775. 


' 


Der  Gradus  ad  Pamassum.  163 

solchen  nicht.  Ein  Werk  das  der  scharfzersetzenden  Zeit  durch 
weit  mehr  als  ein  Jahrhundert  zu  trotzen  yermochte,  mit  welchem 
dieBrüder  Josef  und  Michael  Haydn,  mit  welchem  Mozart'; 
unerwähnt  der  nicht  zu  zählenden  Dii  m^jorum  et  minorum  gen- 
tium, ihrem  Genie  den  weise  beschränkenden  Zügel  angelegt 
haben,  trägt  in  sich  selbst  das  Criterium  seines  unvergänglichen 
Werthea.  —  Ungeachtet  Job.  Phil.  Kirn  berger  in  seiner 
kleinen  Schrift  „Gedanken  ttber  die  verschiedenen  Lehrarten  in 
der  Composition^  (Berlin  1782)  sagt,  dass  zwar  die  Musik  dem 
Berardi,  Bononcini  und  Fux  die  reinsten  Lehren  zu  verdanken 
habe,  dieselben  aber  ttbertrieben  streng  seien,  folgten  doch  spä- 
tere bedeutende  Theoretiker,  darunter  Job.  Georg  Albrecht s- 
b  e  r  g  e  r  (Domkapellmeister  zu  St.  Stephan  in  Wien)  in  seiner 
Anweisung  zur  Composition  (1790)  durchaus,  und  der  hochbe- 
rtthmte  M.  L.  Cherubini  in  seinem  Cours  de  Conirepoini  et  de 
fugue  (1835)  in  der  Lehre  des  Contrapunkts  der  Methode  des 
Gradus. 

Eine  neueste  Stimme  von  grossem  Gewichte  ttber  den  Werth 
der  Methode  des  Gradus  ist  jene  des  eben  so  grttndlich  in  der 
strengen  Schule  gebildeten  als  gelehrten  Lehrers  Heinrich 
Bellermann  in  Berlin.  Sein  treffliches  Werk:  „Der  Contrapunct 
oder  Anleitung  zur  Stimmführung  in  der  musicalischen  Compo- 
sition^ (Berlin  1862)  hat  er  seinem  Lehrer  dem  Professor 
August  Eduard  Grell  zugeeignet  und  sagt  in  der  Widmung: 
„Wenn  ich  in  diesem  Buche  der  von  Ihnen  als  allein  richtig  er- 
kannten und  empfohlenen  Methode  des  JosephFux  gefolgt  bin, 
80  werden  Sie  darin  das  Streben  erkennen,  Ihren  mir  einge- 
prägten Grundsätzen  treu  zu  bleiben."  Nachdem  in  der  Vorrede 
(pag.  X.)  darauf  hingewiesen  ist,  dass  die  Musiker  der  Gegen- 
wart „nach  einem  eben  so  fliessenden  Gesang  der  einzelnen 
Stimmen  wie  die  Alten  streben  sollen''  und  damit  die  Wichtigkeit 
der  Stinmiftihrung,  welche  schon  der  Titel  des  Buches  als  Haupt- 
ziel hervorhebt,  betont  wird,  heisst  es  im  weiteren  Verfolge: 
pWie  hätten  unsere  grossen  Meister,  wie  hätten  Bach,  Händel, 

1  Das  im  Mozarteum  in  Salzburg  aufbewahrte  Heft:  Uebungen  des 
jungen  W.  A.  Mozart  im  Contrapunkt,  hat  die  als  Cantus  firmus  gewähl- 
ten Choralmelodien  aus  Fux'  gradus  ad  Parnassum.  —  0.  Jahn,  Mozart. 
Neue  Aufl.  I.  49. 

11* 


164  Der  Gradus  ad  Parnassum. 

M  0  z  art  Q.  a.  in  oft  nnglanblich  kurzer  Zeit  ihre  grössten  Meister- 
werke herstellen  können,  wenn  sie .  nicht  die  Stimmführung  be- 
herseht  hätten?  Und  gerade  bei  den  schwierigen  Formen  in 
grossen  und  ausgeführten  und  fugierten  Chören  ist  alles  wie  aus 
einem  Gusse  hingeworfen,  und  klingt,  als  verstände  sich  das 
folgende  von  selbst  und  ist  dennoch  in  jedem  Augenblicke  unter- 
haltend und  neu.^  Es  ist  schwer  bei  diesen  goldenen  Worten 
an  andere  nicht  genannte  fibrigens  grosse  Meister  der  neueren 
Zeit  zu  denken,  welche  wohl  das  Gefühl  der  Nothwendigkeit 
einer  strengen  Schule  —  leider  zu  spät  —  empfanden,  als  das  Ver- 
säumte nicht  mehr  einzuholen  war.  Bellermann  hat  in  seinem 
höchstverdienstlichen  Werke  „in  der  Anordnung  fast  ganz  dem 
zweiten  TheUe  des  Fuxischen  Werkes  sich  angeschlossen  upd 
fast  alle  seine  Beispiele  herttbergenommen.^  So  ehrt  ein  würdiger 
Mann  das  fremde  wahre  Verdienst,  indem  er  dem  Reize,  neues 
zu  bringen,  wo  er  das  alte  für  gut  erkennt,  widersteht  und  in 
dieser  Selbstverläugnung  eigenen  Ruhmes  ein  edleres  Streben  für 
die  Wissenschaft  an  den  Tag  legt. 


XI. 

CoBJIiet  mit  Principe  Pio  —  Die  Cicilien-Concregation  —  Chronik 

(1725—1728)  —  Fanstina  in  Wien. 

In  demselben  Jahre  1725,  in  welchem  Fux  durch  die  Heraus- 
gabe des  Gradus  ein  besonderes  Zeichen  kaiserlicher  Huld  zu 
Theil  wurde,  sollte  dem  alten,  gichtleidenden  Manne  eine  schwere 
Kränkung  bereitet  werden,  welche  ein  Erlass  des  Cavalier  Diret- 
tore  di  musica  Principe  Pio  verursacht  hatte. 

Der  Principe  Luigi  Antonio  Pio  di  Carpi,  mit  dem  Prädi- 
cate  di  Savoia*  hatte  im  spanischen  Successionskriege  zwischen 
dem  Hause  Oesterreich  und  Bourbon  die  kaiserliche  Partei  er- 
griffen, während  sein  Bruder  Franz  auf  der  entgegengesetzten 
Seite'  kämpfte,  wie  diess  in  den  Kriegen  in  Italien  öfter  der  Fall 
war.  LuigiAntonio  diente  mit  Auszeichnung  unter  den  Truppen 
Karl  in.  von  Spanien,  des  nachmaligen  Kaisers  Karl  VI.  Als 
es  diesem  gelang,  die  Franzosen  aus  Italien  zu  vertreiben ,  wollte 
derselbe  1709  aus  Grossmuth  ihm  die  Lehen  überlassen,  welche  in 
Italien  dem  erstgebomen  Bruder  waren  confisciert  worden .  Luigi 
Antonio  wurde  1710  Commandant  des  Regiments  Lucini,  dann 
Kammerherr  und  1716  General-Feldwachtmeister.  1721  wurde  er 
Cavalier  direttore  di  musica  Karl  VI.  und  blieb  es,  bis  er 
1732  zum  Gesandten  in  Venedig  ernannt  wurde.  — Apostolo 
Zeno  nnd  Metastasio  wiederholen,  dass  er  dem  Kaiser  sehr 
ergeben  gewesen  und  bei  demselben  in  hoher  Gunst  gestan- 
den sei.  Diess  liess  sich  bei  seinen  mannig&chen  geselligen 
Talenten ,  darunter  auch  in  der  Musik  kaum  anders  erwarten  und 
diesen   Eigenschaften  hatte   er   zugleich   die   Ernennung   zum 

1  Pio  ist  daher' der  Familienname,  nicht  der  Tauf name  Pius,  wie 
hie  and  da  irrig  geglaubt  wird.  Der  Principe  Luigi  Antonio  Pio  entaagte 
1743  allen  Aemtern  und  zog  sich  «nach  Padua  zurück,  wo  er  am  18.  März 
1756  starb.  —  Lüta,  famil,  celebre  itai.  fasc,  XIL  Milano  1824. 


166  Conflict  mit  Principe  Pi  o. 

Cavalier  Direttore  der  Hofmusik  zu  danken ,  ein  Hofamt ,  worin 
die  Leitung  der  damals  so  beliebten  italienischen  Oper  verbun- 
den war.  Da  durch  dieses  Amt  der  frühere  Wirkungskreis  der 
Hofkapellmeister,  als  der  Chefs  der  gesanmiten  Hofinusik  (Capi 
di  musica)  beschränkt  Wurde,  so  Hess  sich  begreifen,  dass  es  an 
Competenzstreitigkeiten  und  anderen  Conflicten  zwischen  den 
beiden  Musikmächten  nicht  fehlte,  wie  diess  in  den  Referaten  des 
Obersthofineister- Amtes  öfter  betont  wurde. 

Nun  geschah  es ,  dass  Fux  im  guten  Glauben ,  innerhalb  der 
ihm  zustehenden  Disciplinargewalt  als  Hofkapellmeister  zu  han- 
deln ,  dem  kaiserlichen  Organisten  Georg  Reinhardt  —  ohne  vor- 
ausgegangene Anzeige  —  erlaubte,  auf  einige  Tage  nach  Prag  zu 
reisen  um  dort  bei  dem  heil.  Johann  von  Nepomuk  seine  Andacht 
zu  verrichten. 

Kaum  war  dieser  wieder  nach  Wien  zurückgekehrt,  so  er- 
hielt er  von  dem  Principe  Pio  wegen  dieser  Entfernung  einen  sehr 
strengen  Verweis,  und  Fux  folgende  empfindliche  Note':  „Der 
Principe  Pio  begrüsst  mit  Achtung  den  Herrn  Kapellmeister  Joh. 
Jos.  Fux  und  gibt  ihm  bekannt,  dass  der  durchlauchtigste  Kaiser 
befiehlt,  dass  von  jetzt  für  die  Zukunft  kein  Angestellter  der 
kais.  Musik  sich  von  den  kaiserlichen  Diensten  entfernen  dürfe 
ohne  Vörwissen  des  hier  Schreibenden,  welcher  als  Chef  der 
Musik  (Capo  della  Musica)  Kechenschaft  geben  muss  dem 
AUergnädigsten  Herrn  von  seinen  Untergebenen,  da  ihm  (dem 
Principe  Pio)  niemals  das  Recht  zugestanden  wurde,  irgend 
jemand  die  Erlaubniss  zu  geben ,  auswärts  über  Nacht  zu  bleiben 
ohne  vorausgegangene  Kenntniss  und.  Genehmigung  Sr.  Majestät, 
dessen  Befehle  hier  nachgekommen  wird.^ 

Fux  fühlte  sich  hierdurch  sowohl  für  seine  Person  als  auch 
in  seinen  Rechten  als  Hofkapellmeister  schwer  verletzt  und 
wendet  sich  um  Aufklärung  und  Abhilfe  an  den  Obersthofineister 
Graf  Sigmund  Sinzenstorfin  einer  Beschwerdeschrift,  welche 
der  Ausdruck  des  Unmuths  über  diese  und  mehrere  vorausgegan- 
gene Kränkungen  ist*.  Er  sagt  darin:  „Obwohl  ich  Eure  Excel- 
lenz ungern  mit  Klagen  behellige  und  mich  ungehindert  ver- 
schiedener hierzu  gehabten  beweglichen  Ursachen  bisher  ent- 

1  Beil.  II.  23,  vom  30.  Oct.  1725.      2  Beil.  II.  23. 


Conflict  mit  Principe  P  i  o.  167 

schlagen  habe,  so  kann  ich  jedoch ,  nachdem  mir  immer  gröSBere 
Beeinträchtigung  zngefUgt  wird,  nicht  länger  an  Inich  halten,  und 
Denenselben  dasjenige  womit  ich  mich  beschwert  fühle ,  gehor- 
samst vorzustellen.  .  .  .  Von  der  Zeit  an^  dass  des  Herrn  Prin- 
cipe Pio  Excellenz  die  Carica  als  Protector  der  kais.  Musik  ange- 
treten haben,  war  aus  dem  von  Derselben  öftermalen  gethanen  Ver- 
such und  allerhand  Eingriffen,  die  ich  mit  Stillschweigen  übergehe, 
sattsam  abzunehmen,  dass  Ihre  Absicht  dahin  gerichtet  sei,  den 
Kapellmeister  zu  unterdrücken,  und  dessen  von  verschiedenen 
kais.  Majestäten  befestigte  und  in  ruhigem  Besitz  hergebrachte 
Gerechtigkeiten  über  den  Haufen  zu  werfen ;  wie  denn  Herr  Prin- 
cipe Pio  Excellenz  mit  der  Ihnen  zuständigen  Protection  und  Be- 
sorgung des  kaiserlichen  Theaters  nicht  zufrieden,  auch  die 
Direction  der  vöUigen  (gesammten)  Musik ,  die  von  Niemand  als 
einem  in  arte  perito  der  Gebühr  nach  versehen  werden  kann, 
wider  den  Gebrauch  an  sich  zu  ziehen  trachten  und  laut  hier  an- 
verwahrter Abschrift  eines  mir  jttngsthin  zugeschickten  Billets  ^ 
Sich  als  ein  Capo  der  ganzen  kaiserlichen  Musik  be- 
nennen, wohingegen  in  der  von  Ihro  kais.  Majestät  Leopoldo 
herabgegebenen  und  von  der  jetzt  regierenden  kais.  Majestät  auf 
meine  einst  geschehene  unterthänigste  Anfrage  allergnädigst  gut- 
geheissene  Instruction  artic.  13'  die  Kapellmeister  flir  Capi 
der  Musik  erklärt  sind,  welcher  ihnen  zugeeigneter  Character 
um  so  mehr  bekräftigt  wird,  als  die  Kapellmeister  der  gesammten 
Musik  vorgestellt  worden  und  der  erstere  beeidigt  ist:  in  dem 
ganzen  Inhalt  der  besagten  Instruction  von  dem  jeweiligen  als 
Protector  der  Musik  angestellten  Cavaliere  keine  Meldung  ge- 
macht ist".  (Nun  folgt  die  Auseinandersetzung  des  Falles  mit 

1  Des  obigen  Erlasses. 

^  Der  Artikel  13  dieser  Instruction  (Beil.  II.  24)  lautet  in  der 
Uebersetzung  „dass  sie  (die  Hofmusiker)  unter  sich  eine  gute  aufrichtige 
Herzlichkeit  und  Eintracht  pflegen,  indem  sie  einander  wechselseitig  die 
gebührende  Achtung  bezeigen,  so  wie  das  gleiche  erweisen  gegen  den  Ka- 
pellmeister und  Vicekapellmeister  als  ihre  von  mir  eingesetzten  Chefs 
(Capi),  und  sollte  jcftaals  eine  Verstimmung  oder  Unzufriedenheit  zwischen 
ihnen  und  dem  Kapellmeister  oder  Vicekapellmeister  entstehen,  so  hat  der- 
jenige der  sich  beschwert  findet,  sich  an  meinen  Oberstho&ieister  zu  wen- 
den, welcher  als  ihre  Obrigkeit  die  volle  Macht  haben  wird,  die  Differenzen 
beizulegen  und  jedem  Recht  zuzuerkennen. 


168  •  Conflict  mit  Principe  Pio. 

Reinhardt)  und  Fnx  fährt  dann  fort:  „dasB  der  Prinz  den 
Organisten  desöwegen  mit  Arrest  bedroht  habe,  nicht  zwar  aas 
Eifer  fllr  die  kais.  Dienste,  die  durch  solche  Abwesenheit ,  indem 
ein  Ueberfluss  an  Organisten  dermalen  vorhanden  ist,  nicht  ge- 
litten, sondern  allein  um  den  Kapellmeister  hierdurch  zu  kränken, 
als  ob  derselbe  derlei  Erlaubniss  zu  ertheilen  nicht  befugt  wäre ; 
da  do4h  nicht  allein  ich  als  dreissigj|lhriger  Diener,  sondern  auch 
noch  altere  Musici  bezeugen  mögen,,.jäas8  der  Kapellmeister  oder 
in  Abgang  dessen  der  Yice-Kapellmeister  einem  Musiker  auf  eine 
kurze  Zeit  zu  verreisen,  hat  erlauben  können,  als  welchem  am 
besten  die  Zeit  und  Gelegenheit  bekannt  ist,  wie  und  wann 
solches  ohne  Nachtheil  der  kais.  Dienste  sich  thun  lasse.  Ohne 
Zweifel  auch  aus  dieser  Ursache,  damit  Ihro  kais.  Majestät  mit 
dergleichen  Kleinigkeiten  nicht  beunruhigt  werden  und  auf  dass 
derjenige,  so  die  Musiker  zur  Schuldigkeit  anhalten  muss ,  ih|]ien 
auch  eine  Ergötzlichkeit  zu  gestatten  bevollmächtigt  sei.  Es 
möchte  vielleicht  eingewendet  werden,  alle  derlei  Eingriflfe  ge- 
schehen darum ,  weil  der  Kapellmeister  nicht  jederzeit  im  Stande 
sei,  dem  Dienst  vorzustehen,  welches  ich  zwar  bekenne,  und 
höchst  bedaure,  zu  diesem  Ziel  und  Ende  aber  und  dessen  Stelle 
zu  vertreten  ist  der  Vice-Kapellmeister,  ein  Mann  von  grosser  virtü 
und  Capacität  angestellet.  Bei  dieser  Bewandtniss  der  Sache  ge- 
langt an  Eure  Excellenz  mein  gehorsamst  angelegenstes  Bitten, 
Dieselbe  geruhe  den  bedrückten  Kapellmeister  in  Schutz   zu 

r 

nehmen,  und  bei  Sr.  Majestät  dahin  zu  wirken,  dass  die  Kapell- 
meister bei  ihren  alten  zur  Besorgung  des  kaiserlichen  Dienstes 
so  nothwendigen  Gerechtigkeiten  erhalten  werden,  und  ich  meines 
Orts  von  den  mir  nachkommenden  den  üblen  Nachklang,  dass 
unter  meinem  Magisterio  ein  oder  anderes  abgebracht  worden 
nicht  zu  befahren  habe.  Sollte  aber  Sr.  kaiserl.  Majestät  aller- 
gnädigster  Befehl  und  Wille  sein,  dass  diese  umgekehrte  Admini- 
stration Fortgang  habe,  so  unterwerfe  ich  mich  in  Demuth  dieser 
allergnädigsten  Verordnung  und  muss  gedenken ,  dass ,  weil  ich 
etwa  meiner  Vorfahren  Fähigkeit  nicht  besitze,  die  ihnen  ertheil- 
ten  Prärogative  zu  gemessen  unwürdig  sei,  obwohl  ich  an  Eifer 
keinem  nachgegeben  zu  haben  erachte.  In  diesem  schmerzlichen 
Falle  bäthe  ich  Se.  kais.  Majestät  allergnädigst  zu  entscheiden, 
was  fUr  Gerechtigkeiten  dem  Kapellmeister  eigentlich  zustehen 


Die  Cäcilien-Bruderschaft.  169 

und  eingeräun^t  bleiben  würden,  anf  dass  ich  mich  hiernach  richten 
könne  and  in  meinem  ohnehin  betrübten  Zn8ta,nde  nicht  eiye 
Mortification  über  die  andere  leiden  müsste,  sondern  die  noch 
übrigen  wenigen  Tage  in  gewünschter  Ruhe  beschliessen  möge^. 
•  lieber  diese  Beschwerdeschrift  erfolgte  keine  schriftliche  Er- 
ledigung,  und  da  nach  diesem  Vorfalle  der  Principe  Pio  noch 
durch  sieben  y  Fux  durch  ftlnfzehn  Jahre  in  ihren  Stellungen 
blieben,  wie  bisher,  so  wird  dieser  Zwischenfall  wahrscheinlich  in 
begütigender  Weise  mündlich  beigelegt  worden  sein.  Die  Be- 
schwerdeschrift zeigt  aber,  dass  der  alte  würdige  Kapellmeister 
in  seinem  Amte  keine  Einsprache  auch  von  sehr  hochgestellten 
und  einflussreichen  Persönlichkeiten  duldete  und  seine  Sache  mit 
Gewandtheit  und.  Festigkeit  zu  vertreten  wusste. 


Neben  den  zahlreichen  Vereinen,  welche  unter  Kaiser  Leo- 
pold I.  und  seinen  beiden  Reichsnachfolgem  in  Wien  florierten 
und  ausser  religiösen  Uebungen  auch  verschiedenartige  humani- 
täre oder  ähhliche  weltliche  Ziele  sich  setzten,  und  Bruder- 
schaften hiessen,  wurde  im  Jahre  1725  eine  neue,  die  Cäci- 
lien-Brudei^schaft,  begründet,  welche  auch  die  Bruder- 
schaft der  Tonkünstler  unter  dem  Schutze  der  heili- 
gen Cäcilia  bei  St.  Stephan  genannt  wurde.  ,,Diese  Bruder- 
schaft wurde  zum  Lobe  Gottes  und  zu  Ehren  seiner  Heiligen, 
besonders  zu  Ehren  der  heil.  Cäcilia,  der  Patronin  der  Tonkunst, 
und  zum  Nutzen  der  Seelen  errichtet.  Weil  aber  die  Urheber  da- 
.von  andächtige  Tonkünstler  waren  und  sie  diese  Bruderschaft 
verwalteten,  wurde  sie  die  musicalische  Congregation  ge- 
nannt. Das  Hauptfest  feierten  sie  an  dem  Cäcilientage,  daher  man 
sowohl  am  Vorabende  in  der  Vesper,  als  an  dem  Festtage  selbst 
bei  dem  Hoch%mte  und  der  zweiten  Vesper  dies  vortrefflichste 
Musik  hörte  *.  Den  Tag  darauf  wurden  nebst  vielen  heil.  Messen 
für  die  todten  und  lebenden  Mitglieder  die  Exequien  für  alle  ver- 
storbenen Brüder  und  Schwestern  gehalten.  Die  Kosten  bestritten 
sie  von  den  Beiträgen  die  theils  jährlich,  theils  bei  der  Einverlei- 
bung gemacht  wurden".  Mit  dieser  Characterisierung  in  Ogesser's 

1  Von  Compositionen  des  Fux  wurde  nach  den  Aufzeichnungen  Dixi  t 
Dominus  (Beil.  X.  75)  an  drei  Cäcilientagen,  NisiDominus  (Eb.  107) 
an  sieben  solchen  Tagen  gemacht. 


170  Die  Cäcilien-Bniderechaft. 

Beschreibung  der  Metropolitankirche  zu  St.  Stephan  in  Wien  * 
8t;}mmen  im  wesentlichen  auch  die  Statuten  dieser  Bruderschaft  ^ 
Nur  geht  aus  diesen  noch  weiter  hervor,  dass  die  Congregation 
sich  des  Schutzes  des  Kaisers  zu  erfreuen  hatte  und  aus  den 
Kapeil-  und  Vice-Kapellmeistem  der  kais.  Kapelle,  den  Compo- 
«itoren,  Yocalisten  und  Instrumental-Musicis  eben  so  auch  aus 
andern  Zugethanen  und  Liebhabern  der  Musik  bestand.  Ausser 
den  bereits  erwähnten  religiösen  Uebungen,  denen  die  Mitglieder 
beizuwohnen  hatten,  waren  auch  zwei  Krankenbesucher,  ein 
Priester  und  ein  Weltlicher  bestimmt ,  die  Kranken  der  Congre- 
gation zu  besuchen,  sie  mit  christlicher  Liebe  zu  trösten,  und  falls 
sie  den  Kranken  in  einem  bedürftigen  Stande  fanden ,  der  Con- 
gregation die  Anzeige  zu  machen  und  Vorbitter,  zu  einer  christ- 
lichen Hilfeleistung  zu  sein. 

Die  Congregation  zählte  1725  ausser  dem  Präsidenten  (dem 
Prinzen  Pio  von  Savoyen,  der  Cavaglier  Direttore  der  Hof- 
musik war)  folgende  Functionäre : 

L  Beständige  Officianten. 

Ein  geistlicher  Präses  der  fUr  ordentliche  Verrichtung 
der  geistlichen  Functionen  zu  sorgen  hat.  Kein  Name  genannt. 

Zwei  Decane:  Joh.  Jos.  Fux,  Kapelhneister,  Antonio 
Caldara,  Vice-Kapellmeister. 

Ein  Schatzmeister  (der  die  Kasse  verwahrt):  Graetano 
Orsini. 

Ein  Secretarius  (der  die  Einverleibungen  vominmit  und 
dartlber  Buch  führt):  Sebastian  Zeitlinger; 

IL  Officianten,  so  alle  zwei  Jahre  verändert  werden. 

Sechs  Käthe:  Franc.  Conti,  Gius.  Porsil^,  Giov.  Anton. 
Piani,  Joh.  Georg  Beinhard,  Friedr.  Götzinger,  Jakob 
Hoffer. 

1  1779.  p.  293. 

^  Articalen  und  Puncten,  oder  sogenannte  Statuta  der  musicalischen 
Congregation ,  welche  unter  glorreichem  Schutz  der  röm.  kais.  und  königl. 
spanischen  Catholischen  Majestät  Caroli  des  VI.  anno  1725  allhier  in  Wien 
aufgerichtet  worden.  Wien,  J.  Pet.  van  Ghelen. '—  Ed.  Hanslik,  Ge- 
schichte des  Concertwesens  in  Wien.  8.  Wien.  I.  11  ff. 


Die  Cäcilien-Bruderschaft.  171 

Zwei  Rechnungs-Reyisores:  Franc.  Borrosini,  Kilian 
Reinhard. 

Ein  Oeeonomns:  Christoph  Prann. 

Zwei  Collectores:  Pietro  Cassati,  Amadens  Mnffat. 

Zwei  Festarnoli  (Veranstalter  der  Fest-Begängnisse): 
Domenico  Genovesi,  Franz  Reinhard. 

Zwei  Friedens-Conseryatores  (welche  die  Misver- 
ständnisse  oder  Uneinigkeiten  beilegen):  Oaetane  Borghi,  Georg 
Hintereder. 

Zwei  Krankenbesucher:  Johann  Vincenti,  Christian 
Payer*. 

Ein  Pideil. 

Die  Statuten  bestimmten  femer,  „dass  bei  allen  dnplierten 
Aemtem  als :  Räthen,  Collectoren,  Krankenbesuchern,  Festaruolea 
und  Friedensconservatoren  die  Hälfte  von  Deutschen  die  andere 
Hälfte  von  Ausländern  sein  soll^.  So  schwer  fiel  damals  das 
Uebergewicht  der  Italiener  in  die  Wagschale.  Drei  nachträgliche 
Capitel  vom  Jahre  1726  gestatteten,  dass  auch  Damen  gegen 
dieselben  Bedingungen  Mitglieder  werden  dürfen,  doch  sind 
„unter  dem  Titel  und  Namen  der  Damen  nur  diejenigen  begriffen, 
80  den  Zutritt  bei  dem  kaiserl.  Hofe  haben".  Daraus  geht  herror, 
dass,  während  die  verwandte  Bruderschaft  der  Musiker  unter  dem 
Schutze  des  heil.  Niclas  in  der  St.  Michaels-Pfarrkirche  die 
musicalische  Zunft  repräsentierten,  der  Cäcilienverein  dagegen 
die  modernere,  freiere  und  vornehmere  Congregation  war. 

£d.  Hanslick  (a.  a.  0.)  bemerkt  mit  Recht,  dass  von  der 
Cäcüien-Bruderschaft  ein  historischer  Faden  zur  späteren  „Ton- 
kttnstler-Societät"  hinttberziehe,  und  diese  wurde  nach  Aufhebung 
aller  Bruderschaften  durch  Kaiser  Josef  H.  (30.  Juni  1783)  nicht 
blos  culturhistorisch  sondern  auch  thatsäehlich  im  civürecht- 
liehen  Sinne  Erbe  der  alten  Musik-Congregation,  da  ihr  Fonds  im 
Betrage  von  7450  fl.  der  Tonkttnstler-Societät  über  deren  An- 
suchen eingeantwortet  wurde. 

In  diese  Zeit  fällt  auch  ein  bedeutendes  musicalisches  Er- 
eigniss:  die  gefeierte  Faustina  wurde  ftlr  einige  Gastrollen  in 
Wien  engagiert. 

1  Ausser  den  Geistlichen  waren  sämmtliche  Functionftre  kais.  Hof- 
musiker. 


172  '  FauBtina  in  Wien. 

FaustinaBordoni-HaBse;  eine  Sängerin  ersten  Ranges, 
geboren  1700  in  Venedig,  war  der  edlen  Familie  der  Bordoni 
entsprossen.  Mit  der  sehönsten  Sopranstimme  begabt  und  einer 
glühenden  Seele  wurde  sie  von  dem  trefflichen  Meister  Michel 
Angelo  Gasparini  gebildet,  und  eiitzückte  schon  bei  ihrem 
ersten  Auftreten  im  Jahre  1716.  In  allen  Städten,  wo  sie  sich 
hören  liess,  erregte  sie  Enthusiasmus:  man  nannte  sie  die  neue 
Sirene,  in  Florenz  wurde  eine  Medaille  auf  sie  geprägt.  Im  Jahre 
1724  wurde  sie  in  Wien  mit  12.500  fl.  engagiert  und  blieb  dort 
bis  im  März  1726^,  wo  siei  einem  Rufe  nach  England  folgte.  In 
Wien  trat  sie  im  Jahre  1725  im  August  in  Caldara's  Oper 
Semiramide  in  Ascalone^  im  Part  der  Semiramide,  dann  im  No- 
vember in  desselben  Oper  Venceslao^  im  Part  der  Lucinda,  in 
Ginnone plaeata  von  Fux*  als  Juno,  endlich  vor  ihrer  Abreise 
im  Februar  1726  in  Porsile's  Oper  Spartaco^  im  Part  der  Buffa 
graziosa  der  Gianisbe'  auf.  —  In  England  rivalisierte  sie  hierauf 
mit  der  berühmten  Cuzzoni,  was  zu  ärgerlichen  Auftritten  Ver- 
anlassung gab;  Ende  1728  verliess  sie  England,  vermählte  sich 
in  Venedig  mit  dem  Kapellmeister  Hassß,  mit  dem  sie  1731 
einem  glänzenden  Rufe  nach  Dresden  folgte  und  verliess  die 
Buhne  im  Jahre  1753.  Sie  lebte  noch  1772.  Ihr  Gesangsvortrag 
characterisierte  sich  nach  Quantz^,  der  sie  1727  in  London  hörte, 
im  Vortrag  schwieriger  Passagen  bei  ^össter  Deutlichkeit  und 
dem  feinsten  Geschmack  in  Verzierungen  und  einem  tadellosen 
Triller.  In  Wien  wurde  sie  nicht  nur  vom  Hofe  ausgezeichnet, 
sondern  auch  in  Gesellschaften  des  höchstefa  Adels  bei  dem 
Fürsten  Lichtenstein,  beim  französischen  Botschafter  u.  a.  aufge- 
fordert, durch  ihre  Kunst  die  Geselligkeit  zu  beleben  und  zugleich, 
wie  Apostolo  Zeno*  bemerkt,  reichlich  dafür  gelohnt  zu 
werden,  „wie  sie  es  auch  verdiente  durch  ihre  artigen  und  feinen 
Manieren,  durch  welche  sie  nicht  minder,  als  durch  ihren  edlen 
Gesang  sich  die  Zuneigung  und  Achtung  des  ganzen  Hofes  ge- 
wonnen hatte". 

1726.  P.  Pariati  hatte  abennals  zwei  Libretti  für  den  Com- 
ponisten  Fux  zurecht  gemacht:  das  Oratorium  //  Testamento  di 

1  Ap.  Zeno,  lettere.  IV.  66.  «  Beil.  VIU.  614.  3  Eb.  617.  *  Eb. 
618.      ö  Eb.  625.      cinMarpurg,  Beiträge.  I.  240.      '  Lettere.  IV.  66. 


Chronik  (1726—1728). 


173 


nostro  Signore  sul  Calvario^  und  die  Festa  teatrale  per  musica 
La  C&rona  iTArianna*,  Ueber  die  DarBtellnng  der  letzten  in  der 
Favorita  sagt  das  Wiener  Diarium  ^om  28.  August,  dass,  ^diese' 
Opera  bei  den  kaiserlichen  Majestäten  AUergnädigstes  Wohlge- 
fallen,  und  bei  dem  ganzen  Hofstaat  und  Adel  ein  allgemeines 
Lob  gefunden^,  habe. 

1727.  Am  8.  April  wurde  das  Orätori|^m  //  Tesiamefito  di  N,  S, 
vom  vorhergegangenen  Jahre  wiederholt.  —  In  einem  Gutachten 
vom  15.  November  klagt  Fux,  dass  der  Componist  Fr.  Conti  in 
gänzliche  Unvermögenheit  (zu  componieren)  verfallen  sei ,  wahr- 
scheinlich durch  Krankheit  In  der  That.  ist  der  wackere,  thätige 
Kttnstler  von  1727  bis  1731  ganz  aus  dem  Repertoire  verschwun- 
den und  lässt  nur  im  Jahre  1 732  mit  einem  Oratorium  (703)  und 
einer  Oper  (691)  sich  vernehmen  um  bald  nachher  im  selben 
Jahre  Air  immer  zu  verstummen.  —  Fux  klagt  auch  in  demselben 
Gutachten  ttber  sich  selbst,  dass  er  wegen  hohen  Alters  und 
Kränklichkeit  wenig  mehr  vermöge.  Dessungeachtet  componierte 
er  im  Jahre  1 728  das  bedeutende  Oratorium  La  Deposizione  di 
Gesü  Crisio^f  allerdings  auch  das  letzte  seiner  Oratorien,  die  wir 
hier  im  Zusammenhange  näher  betrachten  wollen. 


1  Beil.  VIU.  635..     «  Eb.  626.      3  X'.  300. 


XII. 

Die  Oratorien  Ton  Fax  ^714—1728)  —  Chronik  (1729—1780)  —  Die 
Oper  Elisa  —  Die  Opemdichter  P.  Metastasio  (1780—1740)  und  Clau- 
dio Pasquini  (1788—1742). 

Die  Oratorien  hatten  am  kaiserlichen  Hofe  die  Bestim- 
mnngy  in  der  Hofkapelle  während  der  Fastenzeit  je  eines  in  jeder 
Woche  gesangen  za  werden.  Es  kamen  daher  nach  der  wechseln- 
den Länge  der  Fastenperiode  vier,  fünf  auch  sechs  Oratorien 
jährlich  zum  Vortrage.  Sie  inraren  nach  der  Sitte  am  österreichi- 
schen Hofe  im  XVU.  und  Anfangs  des  XVIE.  Jahrhunderts  in 
italienischer  Sprache  verfasst  und  hiessen  Oratorio^Azione 
Sacra,  Istoria  sacraund  diejenigen,  welche  fbr  den  Charfrei- 
tag  bestimmt  waren  Sepolcro  (Grabmusik).  Die  Textstoffe  wur- 
den aus  dem  alten  und  neuen  Testamente  genommen,  auch  aus  den 
Legenden  einiger  Heiligen,  nicht  selten  waren  es  allegorische 
Personen  (Personificationen)  wie  der  Glaube,  die  göttliche  Liebe, 
die  Gnade  u.  dgl.,  welche  im  Kampfe  mit  weltlichen  Leidenschaf- 
ten zuletzt  den  Sieg  ttber  bussfertige  Sünder  davontragen,  durch- 
aus ohne  alle  Beziehung  zur  Kirchengeschichte,  blos  Allegorien 
mit  religiösen  Betrachtungen. 

Die  Verfasser  der  Texte  zu  den  Oratorien  waren  ge- 
wöhnlich dieselben  mit  jenen  der  Opemtexte.  Für  die  zehn  Ora- 
torien-Compositionen  von  Fux  war  am  meisten  PietroPariati 
thätig;  Ton  ihm  sind  die  Texte  zu  den  Oratorien  291,  292,  296, 
297,  298,  299  des  Verzeichnisses^,  für  einzelne  auch  Bernar- 
dino  Maddali  (294)  und  Claudio  Pasquino  (300),  von  zwei 
Textbüchern  (293,  295)  ist  der  Verfasser  nicht  genannt.  Im 
ganzen  können  die  Texte  entsprechend  genannt  werden,  da  die 
Aufgabe  fbr  das  Oratorium  im  wesentlichen  mit  jener  der  Oper 
zusammenfiel  und  die  Verfasser  nur  auf  eine  kürzere  Fassung, 

^  Hier  ist  immer  Beilage  X  gemeint. 


Fux,  Omtorien.  175 

hinlängliche  Contraste  der  Affecte  nnd  Wechsel  der  Musikstücke 
bedacht  sein  mussten.  Am  besten  gelang  es  bei  den  Sto£Fen; 
die  an  Geschichtliches  der  Bibel  oder  Heiligenlegenden  sich  an- 
schlössen, weniger  konnten  die  zu  häufig  eingemischten  Betrach- 
tungen^ am  wenigsten  wesenlose  Personificationen  den  Componi- 
sten  zu  einem  höheren  Schwünge  anregen.  Aus  dem  alten  Testa- 
mente entnommen  componierte  Fux  die  Texte  zu  La  Fede  sacräega 
(291),  La  Donna  forte  (292)  und  II  Diafacimenio  dt  Siaara  (293) ; 
Episoden  aus  der  Passion,  die  bei  dem  Sepolcro  vorgetragen 
wurden,  behandelten  Criato  nelV  orio  (296),  Gesu  Cristo  negnio 
da  Pietro  (297),  La  Cena  del  Signore  (298),  II  Teatamento  dt  No- 
atro  Signare  (299)  und  La  Depoaixume  della  croce  (300),  auch  die 
blos  betrachtenden  ohne  irgend  einen  historischen  Untergrund  // 
Fanie  della  aaluie  (293)  und  //  Trionfo  della  fede  (294)  wurden 
geeignet  geftiuden,  als  Musik  des  heiligen  Grabes  am  Charfreitage 
gesungen  zu  werden. 

Die  Oratorien  waren  mit  keiner  liturgischen  Kirchenfunction 
verbunden  und  hatten  nur  den  Zweck  der  Erbauung  und  Andacht 
durch  Vorführung  kirchlicher  Begebenheiten  oder  religiöser  Be- 
trachtungen. Im  allgemeinen  war  die  musicalische  Auffas- 
sung dieser  Oratorien  dem  Dramatischen  bei  weitem  näher  als 
dem  Kirchliehen,  und  das  Oratorium  unterschied  sich  von  der 
Oper  hauptsächlich  nur  darin ,  dass  die  Handlung  im  Oratorium, 
nieht  wie  bei  der  Oper  zugleich  für  den  Zuschauer  auf  einer  Btthne 
dargestellt  wurde,  sondern  durch  die  Musik  allein  auf  die  Zuhörer 
wirkte.  Im  Oratorium  kamen,  wie  in  der  Oper,  bestimmt  bezeich- 
nete und  benannte  Personen ,  Affecte  mit  mehr  oder  minder  be- 
deutenden Conflicten,  Verwicklungen  und  Lösungen  durch  die 
handelnden  Personen  oder  durch  höhere  Mächte  vor,  ausserdem 
ein  Chor,  welcher  bei  den  Handlungen  der  Einzelnen  die  Em- 
pfindungen der  Mehrzahl  betrachtend  ausspricht.  Die  Musik  hatte 
daher  im  Oratorium  zugleich  die  Bestimmung,  den  Entgang  einer 
vor  den  Augen  des  Zuschauers  —  oft  mit  vielem  Gepränge  — 
vorgeführten  Handlung  zu  ersetzen,  und  darin  eher  eine  schwie- 
rigere Aufgabe  als  die  Oper,  wo  der  Antheil  des  Auges  nicht 
selten  jenen  des  Ohres  überwog.  Da  femer  bei  den  Oratorien  durch 
die  Musik  nicht  nur  das  Gefallen  an  dem  Gehörten  sondern  auch 
eine  sittliche  Erhebung  des  Gemttthes  erzielt  werden  soljite,  so 


176  Fux,  Oratorien. 

konnte  der  Componist  des  Oratoriums  die  Forderung  an  seine 
Kunst  im  Oratorium  nicht  leicht  zu  hoch  stellen. 

Der  äusseren  Einrichtung  nach  bestand  das  Oratorium  ge- 
wöhnlich aus  zwei  Abtheilungen  ^  welche  mehr  wegen  der  Ruhe- 
punkte  für  die  Sänger  und  Zuhörer  gemacht  wurden,  als  aus 
innerer  Kothwendigkeit  her\'orgiengen.  Innerhalb  dieses  Rahmens 
lösten  sich  die  Sologesänge,  Recitative  und  Chöre  in  passender 
Abwechslung  mit  Instrumentalsätzen  ab.  Wenn  der  Gesang  auch 
im  Oratorium  die  Hauptsache  war,  so  hatten  die  Instrumente 
zugleich  eine  nicht  viel  minder  bedeutende  Aufgabe.  Sie  hatten 
das  Oratorium  mit  einer,  oft  weiter  ausgeführten  Introduction  ein- 
zuleiten, die  Gesänge  mit  Ritornellen  und  Zwischenspielen  zu  be- 
leben und  im  Gesänge  selbst  häufig  concertierend  einzutreten. 

Die  Gesangsnummern  hatten  mit  der  Oper  das  meiste 
gemeinschaftlich,  nur  erhielt  ihre  Auffassung  durch  den  kirch- 
lichen Zweck  eine  Beschränkung,  die  zwar  das  wesentlich  Dra- 
matische nicht  aufhob,  aber  den  Ernst  und  die  Würde  einer  in 
der  Kirche  und  zur  Erweckung  der  Andacht  vorzutragenden 
Musik  niemals  aus  den  Augen  verlieren  durfte.  Die  Behandlung 
der  Arien  war  ganz  die  ttbliche  der  Zeit,  wie  in  der  Oper.  Sie 
traten  bald  unmittelbar  aus  dem  Recitative  ein,  bald  gieng  ihnen 
ein  Ritomell  der  Instrumente  voraus  und  schloss  sie  häufig  auch 
ab,  die  Instrumente  hatten  bei  grösseren  Arien  den  Gesang  con- 
certierend zu  begleiten  und  eigene  Zwischenspiele  auszuführen. 
Kleinere  Arien  waren  nur  von  einem  Basso  continuo  begleitet, 
der  aber  auch  bei  grösseren  Arien  mitgieng  und  dort,  wo  die 
Instrumente  schwiegen,  allein  begleiten  musste.  Die  Gliederung 
der  Arie  war  ebenfalls  von  jener  in  der  Oper  nicht  verschieden. 
Der  erste  Theil,  mit  der  Durchführung  des  Hauptmotives  beschäf- 
tigt wurde  nach  dem  Schlüsse  des  zweiten  minder  ausgeführten 
Theiles  wiederholt,  wobei  die  Gesangskünstler  die  Gelegenheit 
sich  nicht  entgehen  liessen  melismatische  Ausschmückungen  an- 
zubringen, welche  wohl  den  Beifall  des  Publicum»  ttber  die 
Kunstfertigkeit  des  Vortragenden  einbringen  mochten,  aber,  wie 
Fux  im  Gradus  sagt,  dem  Componisten  nicht  zu  seiner  Freude, 
oft  Muhe  machten,  seine  eigene  Melodie  herauszufinden.  In  den 
seltener  vorkommenden  Duetten  war  es  in  die  Hand  des  Com- 
ponisten gegeben,  durch  contrapunktische  Kunst  der  Imitationen, 


Fux,  Oratorien.  177 

durch  die  polyphon  geftthrten  Stimmen  den  Beiz  seiner  Musik  zu 
erhöhen  ohne  der  Deutlichkeit  Eintrag  zu  thun.  Dass  dabei,  wie 
auch  in  Terzetten ,  öfter  widerstrebende  Empfindungen  der  sin- 
genden Personen  harmonisch  verbunden  werden  mussten,  lag  in 
der  Aufgabe  eines  guten  Textbuches  und  stellte  eine  erhöhte  For- 
derung an  den  Componisten.  Die  Chöre,  welche  die  Abtheilungen 
abschlössen,  bisweilen  auch  nach  der  Ouvertflre  eintraten,  waren 
gewöhnlich  Madrigale,  welche  zu  Anfang  des  XVIII.  Jahr- 
hunderts sich  noch  grosser  Beliebtheit  erfreuten.  In  der  Auffassung 
des  Madrigales,  als  eines  Chorliedes  mit  genauem  Anschlüsse  an 
die  Worte  des  Textes,  erlaubte  sich  Fux  manche  Abweichung 
von  deijenigen  Behandlung ,  welche  Instrumentalbegleitung  und 
häufigere  Wiederholung  einzelner  Worte  fernhielt  ^  Beides  kommt 
in  seinen  Madrigalen  durchaus  vor  und  doch  findet  man  sich  in 
der  contrapunktischen  aber  dabei  heiteren ,  anmuthigen  Haltung 
reichlich  für  diese  Abweichung  entschädigt,  wobei  am  Ende  noch 
gefragt  werden  kann ,  ob  es  dem  Meister  nicht  frei  stehe ,  bei 
einer  schwankenden  Theorie  seiner  eigenen  Ansicht  zu  folgea. 
Indess  liess  Fux  in  der  contrapunktischen  Verarbeitung  des  Ma- 
drigals sich  niemals  zur  Anwendung  einer  eigentlichen  Fuge  her- 
bei, welche  allerdings  dem  Wesen  eines  Chorliedes  widerstreben 
würde,  ungeachtet  der  am  Schlüsse  angebrachte  pointierte  Satz 
manchen  ändern  dazu  verleitet  haben  dürfte. 

Wenn  gewisse  Coloraturen,  die  in  den  Arien  mehr  angedeutet 
als  ausgeführt  sind ,  als  der  Stimmung  femer  liegend  hie  und  da 
befremden  möchten,  so  wäre  zu  bedenken,  dass  Fux  unter  den 
ausführenden  Künstlern  seiner  Oratorien  fast  ausschliessend 
Sänger  und  Sängerinen  ersten  Banges  zählte,  die  zu  keiner 
Zeit  es  gut  aufnahmen,  wenn  der  Componist  ihre  Kunstfertigkeit 
nicht  bedacht  hatte.  Es  sangen  damals  in  der  Hofkapelle  bei  den 
Oratorien  die Sopranistinen Begina  Scoonjans  (171 7 — 1 740) 
die  hochbertthmte  Maria  Landini-Conti  (1713 — 1722),  die 
talentvolle,  aufstrebende  Therese  Holzhauser  (Beutter) 
(1728— 1740),  der SopranistDomenicoTollini  (1711—1717), 
dann  neben  dem  ausgezeichneten  Contraltisten  P i e t r o  Casati 
(1717—1740)  der  unvergleichliche  Gaetano  Orsini  (1711— 

1  Arey  Dommer,  mus.  Lexicon. 

Köch9l,  J.  J.  Fux.  12 


178  Fux,  Oratorien. 

1740),  ferner  die  Tenoristen  Francesco  Borrosini  (1712 — 
1729),  Silvio  Garghetti  (1712— 1729),  Carlo  Costa 
(1712—1740)  endlich  die  Bassisten  Caspare  Corvo  (1713 — 
1728)  and  Christian  Praun;  bei  einer  solchen  Zahl  solcher 
Namen  darf  man  nur  verwundert  sein,  wenn  der  Componist  nicht 
häufiger  über  die  Vortragenden  das  Vorzutragende  zurttckstellte. 

Wenn  wir  nun  die  einzelnen  Oratorien  rasch  durchgehen,  so 
soll  dabei  das  jedem  EigenthUmliche  mehr  angedeutet,  als  eine 
eigentliche  Analyse  beabsichtigt  werden. 

1.  La  Fede  aacrilega  nella  morte  del  Precursor  S,  Giovanni 
Battista.  (1714)*.  Text  vonPietro  Pariati.  —  Interlocutori: 
S.  Giovanni  Battista  —  Erode  —  Ero'diade  —  Oletria  —  Aronte 
—  Coro  di  popolo — Coro  di  Ministri.  —  Der  Text  verfolgt  ziemlich 
genau  das  Geschichtliche  nach  Ev.  Matth.  14,  3—11.  Herodes 
Antipater  hat  seines  lebenden  Bruders  Weib  Herodias  geheuratet. 
Johann  der  Täufer  macht,  ihm  darüber  die  bittersten  Vorwürfe 
und  dringt  in  ihn,  sich  von  seiner  unrechtmässigen  Frau  zu 
scheiden.  Herodias,  welcher  diese  Zumuthung  äusserst  unb^uem 
war,  verbündet  sich  mit  ihrer  Tochter  Oletria,  Johann  den  Täufer 
als  Rebellen  darzustellen,  und  nachdem  der  König,  von  dem 
Tanze  seiner  Stieftochter  entzückt,  ihr  eidlich  gelobt  hatte ,  alles 
zu  gewähren,  was  sie  ihn  bitten  würde,  verlangt  diese,  von  ihrer 
Mutter  unterrichtet,  das  Haupt  des  Johannes  auf  einer  Schüssel. 
Der  König  glaubt  sich  durch  sein  leichtsinnig  gegebenes  Wort 
gebunden  und  befiehlt  Johannes  zu  enthaupten.  Dieser  nimmt  den 
Ausspruch  des  schwachen  Mannes  mit  dem  ungebeugten  Sinne 
eines  starken  Gottesstreiters  hin.  —  Zwei  bis  zur  Wuth  entflammte 
Frauen ,  ein  sinnlicher  schwacher  Fürst  im  Gegensätze  zu  einem 
strengen  Manne  Gottes,  both  ein  sehr  passendes  Sujet  für 
dramatisch  gehaltene  Situationen,  und  dieses  Textbuch  war  viel- 
leicht das  beste  das  Fux  in  Musik  setzte.  Nach  einer  trefflich  auf- 
gefassten  Arie  der  Oletria,  worin  diese  leidenschaftlich  erregt 
dem  Könige  Feigheit  vorwirft,  weil  er  nichts  gegen  Johannes  zu 
unternehmen  wage,  tritt  Johannes  auf,  der  in  denselben  König 
dringt,  nichts  zu  besorgen,  wenn  er  auf  dem  Wege  des  göttlichen 
Gesetzes  wandle;  Herodias  mahnt  den  König  an  seine  Liebe, 

1  Beil.  Vni.  509  und  X.  291. 


Fux,  Oratorien.  179 

Johannes  dagegen  beharrt ,  ungeachtet  er  sieht,  was  kommen 
wird,   fest  auf  der  Auflösung  des  gesetzwidrigen  Ehebundes. 
Herodias  biethet  Thränen  und  Drohungen  auf,  von  ihm  zu  gehn, 
er  sei  nicht  mehr  ihr  Gatte,  nur  ihr  Tyrann ;  der  König  schwankt ; 
es  treten  beide  Frauen  in  dem  Trio  Tu  morraifellan  in  der  Sieges- 
freude ihrer  künftigen  Rache  gegen  Johannes  auf,  der  erftlllt  von 
dem  Triumphe  seines  zukünftigen  Martyrthumes,  wie  mit  Ironie, 
da^  Motiv  seiner  Oegnerinen  mutierend  ihnen  entgegenhält.  Ein 
betrachtendes  Madrigal  schliesst  dann  diese  Abtheilung  schön  ab. 
—  Einer  neuen  racheschnaubenden  Arie  der  Oletria,  worin  sie 
Johannes  geradezu  als  Rebellen  anklagt,  folgt  ein  entgegenge- 
setzter Angriff  auf  den  König  in  der  Arie  L'odio  n&n  parla  in  me, 
ma  $ol  Tamante^  wo  die  Königin  mit  den  schmeichelnden  Tönen 
geheuchelter  Liebe  den  König  zu  fangen  hofft.  Nach  einer  erneuten 
Strairede  des  Johannes  kommt  es  zu  einem  Duett  zwischen  der 
aufs  höchste  erregten  Herodias  und  Johannes  der  ihre  Pläne 
durchschaut.  Nun  folgt  das  Tafelfest  mit  Chor  und  dem  Tanz  der 
Oletria,   nach  welchem  der  König  das  frerelhafte  Versprechen 
macht,  alles  zu  gewähren,  was  seine  Tochter  verlangen  werde, 
und  diese  das  Haupt  des  Johannes  verlangt.  Der  König  schwankt 
aber  gewährt  (Arie  Piu  che  Vira).  In  einer  grossen  Arie  mit 
Teorbensolo  {Mesto  amore)  spricht  Herodias  ihr  befriedigtes  glü- 
hendes Rachegefühl  aus,  Johannes  nimmt  den  Urtheilssprueh  des 
Königs  ruhig  auf  und  fleht  nur  zu  Gott,  der  König  möge  vor 
dessen  Tode  diese  That  bereuen.  Ein  neues  Madrigal  krönt  mit 
einer  ruhigen  Betrachtung  das  Ganze.  Der  Ernst,  wie  die  Lust 
an  der  Arbeit  spricht  sich  in  der  Stimmung  jeder  Nummer  dieses 
Werkes  deutlich  aus.    Unbeschadet  der  ernsten  Haltung  des 
Ganzen  werden  Coloraturen  der  Sänger  nicht  abgewiesen,  selbst 
Johannes  der  Täufer  nicht  völlig  davon  dispensiert. 

2.  La  Donna  forte  nella  tnadre  de"  setie  Maccabei  (1715). 
Text  von  P.  Pariati*.  —  Interlocutori :  Antioco  —  Eliodoro 
—  Nicanore  —  Maccabea  —  Giacobbo ,  ultimo  figlio  di  essa  — 
Coro  di  fratelli  Maccabei.  —  Der  Text  hält  sich  ziemlich  genau 
an  die  Erzählung  Maccab.  7,  1 — 42:  Die  Mutter  der  Maccabeer 
sieht  sechs  ihrer  Söhne  auf  Befehl  des  grausamen  Königs  Antio- 

1  Beil.  VIII.  516  und  X.  292. 

12* 


180    •  Fux,  Oratorien. 

chus  vor  ihren  Augen  sterben,  um  den  Gott  ihrer  Väter  gegen 
die  Heidengötter  nicht  aufzugeben,  und  fordert  noch  den  siebenten 
und  letzten  Sohn  auf,  dem  Beispiele  seiner  Brüder  zu  folgen.  An 
der  starken  Frau  prallen  Drohungen  und  Anerbiethungen  des 
Königs  wirkungslos  ab  und  muthig  geht  sie  selbst  dem  Henker- 
tode entgegen.  Der  Schlusschor  singt  zu  ihrem  letzten  Gange: 
y^Madre^  che  al  Creatore  per  la  gloria  dt  lui  rende  i  9Uoi  figli^'  — 
Dem  Gange  der  Handlung  gemäss,  die  nur  eine  Reibe  von  immer 
gesteigerten  Gräueln  vorführt,  schlägt  auch  die  Musik  ohne  Ab- 
wechslung ernste  und  strenge  Töne  an.  Schwungvoll  zwischen 
den  Drohungen  des  Antiochus  wiederholt  sich  der  Chor  der  Mac- 
cabeer  y^Grande  e  pietoso  k  7  noBtro  Dio^ ,  der  die  Glaubensfreu- 
digkeit  unter  den  schwersten  Leiden  kräftig  ausspricht.  Wehmuth, 
aber  ohne  Schwäche ,  drttckt  üur  die  Arie  Dämmt  düeita  madre 
ans ,  wo  der  letzte  Sohn  Jacob  vor  seinem  Gang  zur  Hinrichtung 
die  Mutter  um  den  letzten  Kuss  bittet.  Di^  beiden  Madrigale  am 
Schlüsse  der  Abtheilungen  sind  auch  hier  mit  eben  so  viel  Sorg- 
falt als  Wirkung  gearbeitet.  Den  Leistungen  der  ersten  Sänger 
werden  schwierige  Aufgaben  zur  Lösung  gestellt. 

3.  II  Fönte  della  aalute,  aperto  dalla  grazia  nel  Calvario 
(Charfreitag  1716)*  Text  von?  —  Parlano:  La  grazia  —  La 
misericordia  —  La  giustizia  —  II  peccatore  contrito  —  II  pecca- 
tore  ostinato  —  II  demonio  —  Coro  d'Angeli  —  Coro  di  peccatori 
penitenti.  -^  Ein  verstockter  Sünder,  vom  Demonio  aufgestachelt^ 
widerstrebt  dem  Quell  des  Heiles  und  der  Gnade ,  der  im  Leiden 
des  Heilandes  (nel  Calvario)  sich  öffnet.  Durch  die  Ermahnungen 
des  reuigen  Sünders,  der  Gerechtigkeit,  Barmherzigkeit  und 
Gnade  erweicht  fleht  zuletzt  der  verstockte  Sünder  um  Gnade. 
Der  Demonio  zieht  darüber  verzweifelnd  ab.  —  Irgend  eine  bibli- 
sche Handlung  ist  in  dieser  Passionsmusik  durchaus  nicht  zu 
finden.  —  Die  wiederholten  Ermahnungen  zur  Besserung  würden 
Gefahr  laufen  zu  ermüden ,  wenn  nicht  der  Demonio  und  der  ver- 
stockte Sünder  durch  ihre  musicalischen  Gegensätze  eine  gewisse 
Abwechslung  hineinbrächten.  —  Als  etwas  minder  gewöhnliches 
darf  die  Begleitung  der  Arie  des  Demonio  Puoi  pecear  durch  zwei 
virtuose  Fagotte,  und  der  Arie  des  reuigen  Sünders  „JVoa  famo^ 

1  Beil.  Vm.  586  und  X.  293. 


Fux,  Oratorien.  181 

mit  Baryton  so  wie  einer  dritten  mit  Schalmei  bezeichnet  werden. 
Das  Terzett:  Dio  ti  pole  ist  ein  schön  gehaltenes  Madrigal. 

4.  n  Trianfo  della  fede  (1716).  Text  von  Bernardino 
Maddali ^.  —  Interlocutori:  D  Secolo  —  Uamor  profano  — 
Uamor  divino  —  La  fede  —  Uinnocenza.  —  Die  verirrten  Söhne 
der  Erde  das  Secolo  and  TAmor  profano  läugnen  Gott  and  wollen 
nur  der  Sinnenlast  fröhnen.  Nachdem  Tamor  divino ,  l'innocenza 
und  la  fede  ihre  klagenden  Betrachtungen  darüber  angestellt, 
lässt  la  fede  einen  göttlichen  Strahl  in  das  Herz  der  verirrten 
Erdensöhne  fallen  and  beide  werden  dadurch  zur  Reue  und  Um- 
kehr bestimmt.  —  Ungeachtet  die  wiederholten,  einander  ziemlich 
ähnlichen  Betrachtungen  der  Vertreter  des  göttlichen  Princips  und 
jener  der  Kinder  der  Erde  den  Componisten  wenig  anregen 
konnten ,  so  ist  doch  die  sinnlichere  Auffassung  der  Erdensöhne 
gegen  jene  der  überirdischen  überall  klar  geschieden.  Insbeson- 
dere verdienen  die  feingeftthrten  zwei  Duette,  so  wie  die 
eharacteristischen  Wendungen  in  mehreren  Arien ,  wie  un  Secolo 
die  Stelle  yfChe  rinßuenza  delle  sfere  son  chimere^  aller  Beachtung 
werth.  Unstreitig  gebührt  aber  unter  sämmtlichen  Nummern  der 
Vorrang  den  beiden  zierlich  gehaltenen  Madrigalen  a  cinque  am 
Schlüsse  der  Abtheilungen,  besonders  der  letzten,  bei  welchen 
die  contrapunktische  Durchführung  durch  einen  kurzen  gebeth- 
artigen  homophonen  Satz  anmuthig  unterbrochen  wird. 

5.  //  Disfacimento  di  Sisara,  (1717).  Text  von? *  —  Pariano : 
Jabin  —  Sisara  —  Jahel  —  Barac  —  Debora.  —  Die  biblische 
Episode,  Buch  der  Richter  4, 1 — 24,  wird  mit  dramatischer  Leben- 
digkeit dargestellt.  Sisara,  Jabin  des  Königs  von  Canaan  Feld- 
herr, der  Israel  durch  20  Jahre  bedrängte,  wird  unter  Barac's 
Leitung  über  Antreiben  der  Seherin  Debora  von  den  Israeliten 
geschlagen,  konmit  auf  der  Flucht  zu  Jahel,  dem  Weibe  des  Habor ; 
erhält  von  dieser  in  der  gereichten  Milch  einen  Schlaftrunk, 
worauf  ihm  Jahel  einen  Nagel  durch  die  Schläfe  treibt.  —  Die 
kriegerische  Bewegung  der  Handlung  wird  schon  in  der  kräftigen 
bitroduction  angekündigt,  und  steigert  sich  in  den  siegessrcheren 
Gesängen  des  Königs  Jabin  und  noch  mehr  seines  Feldherm 
Sisara,  ebenso  auf  der  Seite  der  Israeliten,  wo  die  Seherin  Debora 

1  Beil.  Vni.  524  und  X.  294.      «  Beil.  Vm.  535  und  X.  295. 


182  Fux,  Oratorien. 

■ 

nach  einem  demtithigen  Gebethe  um  den  Sieg  den  Feldherm 
Barac  begeistert  auffordert^  die  Israeliten  gegen  Jabin  zu  fuhren. 
Barac  nimmt  die  Auffordemng  an  y  wenn  Debora  ihm  zur  Seite 
bleibt,  nnd  beide  rufen  ihr  Heer  zum  Kampfe  auf,  wie  Sisara  die 
Seinigen.  Sisara  wird  geschlagen,  wird  vergeblich  von  JabiB  auf- 
zurichten versucht,  muss  sich  flüchten,  kommt  ermattet  zu  der 
Israelitin  Jahel  und  wird  von  dieser  im  Schlafe  getödtet.  Barac 
und  Debora  finden  den  verderblichsten  Feind  IsraeFs  vernichtet 
und  preisen  die  Frau,  durch  welche  diese  That  vollbracht  ward. 
Jahel  weist  alle  Anerkennung  von  sich  ab  und  gibt  Gott  die  Ehre, 
welcher  dem  schwachen  Weibe  die  Kraft  des  Vollbringens  einer 
solchen  That  verlieh.  Mit  einem  Chor  des  Dankes  an  den  Herrn 
der  Heerscharen  schliesst  das  Ganze.  —  Die  erhöhte  kriegerische 
Stimmung  der  Gottesstreiter  wird  von  der  Musik  bis  ans  Ende 
festgehalten  und  gibt  zu  zahlreichen  wirksamen  Kmnmem  mit 
glücklich  erfundenen  feurigen  Motiven  und  bedeutender  Durch- 
fUhrung  und  Begleitung  Veranlassung,  wobei  auch  mehrere  Vio- 
linsolo  und  von  minder  gewöhnlichen  Instrumenten  die  Schalmei 
und  Flfite  allemande  angewendet  werden.  —  Das  Madrigal 
a  5  „  Fa  sempre  la  vittoria^  am  Schlüsse  der  ersten  Abtheilong 
tritt  *hier  im  Harnisch  auf.  Die  Sänger  haben  bedeutende  Aufgaben 
zu  lösen. 

6.  Crisio  neir  orte  (1718);  Text  von  Pietro  Pariati ^ 
—  Cantano :  Cristo  —  L'amor  divino  —  La  giustizia  divina  — 
Un'  anima  contemplativa  —  Un  angelo  confortatore  —  Coro  di 
Angeli.  —  Die  Schrifttexte  über  die  Todesangst  und  die  Gebethe 
des  Erlösers  im  Garten  Gethsemani  waren  für  den  Umfang  des 
Oratoriums  keineswegs  ausreichend;  es  mussten  daher  die  Be- 
trachtungen der  göttlichen  Liebe,  der  ewigen  Gerechtigkeit,  des 
beschaulichen  Engels,  so  wie  die  Trostesworte  des  tröstenden 
Engels  den  grössten  Theil  des  Textes  ausfüllen.  Es  war  unver- 
meidlich, dass  sämmtliche  Betrachtungen  im  Wesen  wenig  von 
einander  abweichend  sein  konnten  und  daher  dennoch  einige  Ab- 
wechslung hineinzubringen,  war  eine  schwierige  •  Aufgabe  der 
Musik.  Wir  begegnen  dessungeachtet  in  der  kunstvoll  contra- 
punktisch  gearbeiteten  Einleitung,  in  den  beiden  Madrigalen  an 

1  Beil.  Vni.  546  und  X.  296. 


Fax,  Oratorien.  183 

den  Schlüssen  der  Abtheilnngen  und  in  mehreren  treffenden 
Anffasmingen  wie  der  Stelle  j^Luamo  ch'^  polve  e  niente^  in  der 
Arie  ifon  tnerta  Vuomo  den  sprechenden  Spuren  des  Meisters, 
welcher  auch  dem  spröden  Stoffe  das  mögliche  abzugewinnen 
versteht. 

7.  Gern  Cristo  negaio  da  Pietro  (1719).  Sepolcro.  Text  von 
Pietro  Pariati*.  —  Cantano:  L'amor  divino  verso  Tuomo  — 
L'umaniti  peccatrice  —  S.  Pietro  Apostolo  —  Ballila,  ancilla 
di  Caifa  —  L'odio  di  Giudei  contro  di  Gesti  —  Coro  di  Giudei 
ostinati  —  Coro  di  peccatori,  che  sperano  la  redenzione.  —  Die 
behandelte  Episode  beginnt  mit  der  Gefangennehmung  des  Er- 
lösers und  schliesst  mit  der  letzten  Verläugnung  durch  Petrus.  An 
betrachtenden  Personificationen  fehlt  es  auch  hier  nicht :  die  gött- 
liche Liebe,  die  sündhafte  Menschheit,  der  Hass  der  Juden  gegen 
Christus  so  wie  die  Chöre  der  verstockten  Juden  und  der  Sünder 
welche  auf  Erlösung  hoffen,  äussern  ihfen  Antheil  an  den  Vor- 
gängen in  verschiedenem  Sinne.  Ungeachtet  das  häufige  Eintreten 
dieser  betrachtenden  Stimmen  den  Gang  der  Handlung  eher 
hemmen  als  befördern ,  geben  sie  doch  wieder  Anlass  zu  bedeu- 
tenden musicalischen  Sätzen  und  regen  auf  andere  Art  an.  —  Der 
eben  so  kunstvoll  durchgeführten  als  lebhaften  Sinfonia  schliesst 
sich  an  die  Schlusstacte  unmittelbar  der  leidenschaftliche  Chor 
der  Juden  an ,  der  Christus  bei  der  Gefangennehmung  verhöhnt. 
In  der  bezeichnenden  Arie  Manche  agli  altri  sagt  Petrus,  auf 
seine That  gegen  Malchus  hinweisend,  nicht  ohne  Selbstüberhebung, 
dass  wenn  auch  alle  den  Herrn  verlassen  sollten,  er  ihn  nicht 
verlassen  werde.  Die  göttliche  Liebe  hat  dagegen  ihre  Bedenken. 
Der  Judenhass  spricht  sich  in  der  darauffolgenden  Arie  V  inno- 
cenza  non  vive,  und  noch  mehr  in  der  späteren  E  troppo  orribüe 
mit  dem  Hohne  einer  derben  Leidenschaftlichkeit  aus :  man  könnte 
versucht  sein  zu  glauben,  Fux  habe  in  den  brüsken  Sprüngen 
der  Bassstimme  eine  Färbung  orientalischer  Heftigkeit  beabsichtigt. 
Die  Verläugnungen  gehen  während  der  Becitative  vor.  Der  Chor 
der  Sünder  macht  Petrus  in  dem  Schlussmadrigale  der  ersten  Ab- 
theilung „TV«  virtü  vatäi^   empfindliche  Vorwürfe  über  seine 
Schwäche.  Nach  der  letzten  Verläugnung  bereut  Petrus  in  der  Arie 

t  Beil.  Vm.  556  und  X.  297. 


184 


Fux,  Oratorien. 


Del  mio  cor  unter  Thränen  sein  Vergehen  gegen  seinen  geliebten 
Meister.  Das  Madrigal  des  Schlusschors  der  Sttnder  Mortale 
'specchiati  in  Pietro  macht  die  Nutzanwendung ,  dass  wer  sich 
erhebt,  dem  Falle  am  nächsten  sei.  —  Aach  dieses  Oratorium 
liefert  den  Beweis,  wie  wesentlich  die  dramatische  Musik  durch 
wirkliche,  menschlich  handelnde  und  empfindende  Personen  ge- 
tragen werde. 

8.  La  Cena  del Signore  (1720).  Text  von  Pietro  Pariati ^ 

—  Cantano:  Gesü  Cristo  Salvator  nostro  —  Pietro  Apostolo 

—  Giovanni  Apostolo  —  Un'  anima  contemplativa  —  Lo  Spirito 
profetico  —  Giuda  ü  traditore  —  Coro  degli  Apostoli.  —  Der 
Text  hält  sich  im  Wesentlichen  an  die  Passionsgeschichte  der 
Evangelien  und  ftthrt  die  einzelnen  Scenen  der  Fusswaschung  — 
der  Worte:  Einer  wird  mich  verrathen  —  und  der  Einsetzung 
des  Altarssacramentes  im  Abendmahle  aus.  Die  beschauliche  Seele 
und  der  prophetische  Gfeist  übernehmen  die  Rolle  des  antiken 
Chors,  theilnelunend  aber  nicht  eingreifend.  —  Da  viel  Text  zu 
bewältigen  und  neles  daraus  für  Einzelgesänge  nicht  geeignet 
war,  so  musste  einen  grossen  Theil  das  Recitativ  auf  sich  nehmen. 
Dessungeachtet  sind  viele  Nununem  ausgeführter  behandelt  und 
die  verschiedenartigen  Charactere  der  Apostel,  des  feurigen  Petrus, 
des  sanften  Johannes,  des  Verräthers  Judas  in  ihren  Gesang- 
stücken  gehörig  wiedergegeben.  Eine  Eigenthttmlichkeit  hat  Fux 
in  die  Arie  LHmpossibü  del  mistero  gelegt,  wo  Judas  seine  hart- 
näckigen Zweifel  an  der  Möglichkeit  der  Wandlung,  bei  den 
Worten  „F«  contrasto  a  la  mia  fede^  in  den  mannigfachsten 
Sprüngen,  wie 

C 

^       .    I 


Bg 


^ 


e 


T=F 


I      I    I 


^ 


m 


r  impoB  -  si  -  bil  del  ini  -  ste-ro  fa  con  tra 


V'k  r  T  j 


t 


± 


z: 


m^ 


8to    fa    con  -  tra  -  sto 


a 


la     mia       fe   -    de 


ausdrückt,  die  in  der  Reprise  sich  sogar  zu  Decimensprüngen 


1  Beil.  Vm.  567  und  X.  29ik 


Fux,  Oratorien.  185 

steigern.  Der  tüchtige  Bassist  Praun,  der  den  Jadas  sang,  mag 
darin  seine  Stärke  gehabt  haben.  —  Die  schönen  Schiassmadrigale 
und  ein  besonders  ansprechendes  Dnett  0  beute  Falme  umane, 
welches  an  ein  ähnliches  in  der  Deposizione  erinnert ,  wird  man 
anch  in  diesem  Oratorium  nicht  vermissen. 

9.  //  Tesfamento  di  Nostro  Signor  Gesü  Cristo  sul  Calvario. 
Oratorio  (1726).  Text  von  Pietro  Pariati'.  —  Cantano: 
La  santissima  Vergine  —  L'angelo  Gabriele  —  Giovanni  evange- 
hsta  —  n  peccatore  —  Lucifero  —  Coro  di  Giudei  —  di  Scribe 
e  Farisei  —  di  Peccatori.  —  Nachdem  die  Juden,  Schriftgelehrten 
und  Pharisäer  den  Erlöser  auf  dem  Kreuze  gehöhnt,  werden  die 
Kreuzesworte  Christi:  Herr,  verzeihe  ihnen  —  Heute  wirst  du  mit 
mir  im  Paradiese  sein  —  Hier  Frau,  sieh  deinen  Sohn  —  Mein 
Gott,  warum  hast  du  mich  verlassen  —  Mich  dürstet  —  In  deine 
Hände  empfehle  ich  meinen  Geist  —  als  die  letzten  Worte  Christi 
vor  seinem  Ende  sein  Testament  genannt,  von  der  Jungfrau, 
von  dem  Evangelisten  Johannes,  von  dem  Engel  Gabriel,  von 
einem  Sttnder,  dann  von  Lucifer  nach  ihren  eigenthttmlichen 
Standpunkten  in  Betrachtung  gezogen,  da  diese  Worte  am  Kreuze 
als  etwas  bereits  Geschehenes  hier  nur  erzählt  werden.  Die  Par- 
titur dieses  Oratoriums  ist  die  umfangreichste  von  allen  geworden; 
der  Grund  davon  lag  aber  in  der  Masse  des  Textes,  da  der  Ver- 
fasser darin  sich  einer  unangenehmen  Redseligkeit  beflissen  hatte, 
wovon  der  Componist  nichts  auszuscheiden  gewagt  hat.  Unge- 
achtet ein  grosser  Theil  in  Recitativen  aufgenommen  wurde,  so 
bothen  auch  die  einförmig  klagenden  Betrachtungen  wenig  Anre- 
gendes und  Abwechselndes  für  den  Componisten  der  Arien.  Im- 
merhin verdienen  ausser  dem  höhnenden  Chor  der  Juden  Ecce 
Vucm  auch  die  beiden  kräftigen  Schlussmadrigale  und  die  rührend 
einfache  Arie  der  Jungfrau  AI  tuo  pib  auszeichnend  genannt  zu 
werden.  Als  etwas  ganz  apartes  muss  die  Begleitung  der  Bassarie 
Lucifer's  Son  de  Vuomo  erwähnt  werden,  wo  vier  Fagotte  im 
Einklänge  mit  Figuren  die  Arie  umschwärmen. 

10. .  La  Deposizione  dalla  Croce  di  Gern  Cristo  Salvator 
nostro,  Sepolcro  (comp.  1728,  wiederholt  1738).  Text  von 
Claudio  Pasquini*.  —  Cantano:  Maria  Vergine  —  Maria 

1  Beil.  VIII.  635  und  X.  299.      »  Beil.  VIII.  654  und  X.  300. 


186  Fux,  Oratorien. 

Maddalena  —  Giovanni  Apostolo  —  Gioseppo  Arimateo  —  Nico- 
demo —  Coro  di  peccatori.  —  Die  Herabnahme  des  Heilandes 
vom  Kreuze  im  ersten  Theile,  die  Grablegung  im  zweiten  Theile 
werden  von  den  Sprechenden:  der  Jungfrau  Maria,  Maria  Mag- 
dalena,  dem  Apostel  Johannes  9  den  Jttngem  Josef  von  Arimatea 
und  Nicodemus  und  dem  Chor  der  Sünder  mit  Betrachtungen  be- 
gleitet f  welche  sich  entweder  auf  das  allgemeine  des  Erlösungs- 
werkes oder  die  besonderen  persönlichen  Verhältnisse  des  Spre- 
chenden zu  dem  Heilande  beziehen.  —  Der  tiefe  Ernst ,  welcher 
dieser  Handlung  zum  Grunde  liegt,  ist  auch  ttber  die  ganze  Musik 
ausgebreitet,  Schmerz  und  Klage  in  verschiedenen  Aeussemngen 
abgestuft,  und  bald  sanfter  bald  lebhafter  ausgedruckt,  zieht 
sich  durch  das  ganze  Werk.  Die  Mutter  wünscht  am  liebsten  mit 
dem  erhabenen  Sohne  gestorben  zu  sein  und  verweilt  in  weh- 
müthiger  Erinnerung  an  die  Kinderjahre  des  Hingeschiedenen; 

der  sanfte  Apostel  Johannes ,  der  einst  im  Schöosse  des  Herren 

• 

lag,  stimmt  ein  in  die  Klage  der  Mutter,  der  er  nun  selbst  ein 
Sohn  sein  soll;  Maria  Magdalena,  die  aus  einer  bussfertigen 
Sünderin  die  glühendste  Verehrerin  des  Heilandes  geworden  war, 
wird  auch  in  ihrer  Klage  lebhafter  und  möchte  mit  ihren  Thränen 
ihre  frühere  Sündenschuld  abwaschen.  Nicodemus  tritt  kräftiger 
auf  und  prophezeiht  der  Stadt  Jerusalem  ftlr  ihre  ruchlose  That  an 
dem  Heilande  den  Untergang,  auch  Josef  von  Arimatea  wirft  den 
Juden  den  Undank  vor,  welchen  sie  an  Gott,  der  sie  aus  Aegypten 
geführt  und  vor  allen  Völkern  gesegnet  hat ,  durch  die  Tödtung 
des  Erlösers  begangen  haben,  während  der  Chor  der  Sünder 
seine  Mitschuld  an  dem  Leiden  und  Tode  des  Heilandes 
bekennet.  —  Unter  den  Musikstücken  treten  die  characteristische 
Einleitung  der  Instrumente,  das  schmucklose  aber  wirkungsvolle 
Duett  der  Jungfrau  und  des  Apostels  Chi  H  conoscey  wo  die 
Stimmen  abwechselnd  sich  imitierend  trennen  und  wieder  vereini- 
gen, femer  die  Bassarie  des  Nicodemus  Se  pure  piü  nel  core 
mit  brillanter  Fagottbegleitung,  endlich  die  madrigalartig  gehal- 
tenen Schlusschöre,  besonders  hervor. 


Im  Jahre  1729  erschien  bei  Jeanne  Roger  in  Amsterdam  die 
Oper£/wa*,  welche  Fux  im  Jahre  1719  componiert  hatte,  und 


1  Beil.  Vm.  551  und  X.  312. 


Fux,  Oper  Elisa.  187 

nach  dem  gleichzeitigen  Textbuche  (1729  bei  Van  Ghelen)  im 
Jahre  1 729  wiederholt  gegeben  wurde.  In  der  k.  k.  Hofbiblipthek 
befindet  sich  ein  Exemplar  in  einem  Prachtbande  von  rothemSammt 
mit  reicher  Goldstickerei.  Wenn  die  oft  wiederholte  —  aber  darum 
doch  nicht  völlig  verbürgte  —  Anecdote  von  Kaiser  Karl  VI.  und 
Fux  sich  wirklich  zugetragen  hat,  so  konnte  die  nirgends  bestinmit 
bezeichnete  Oper  des  Fux,  die  der  Kaiser  dirigiert  haben  soll,  mög- 
licherweise die  £/Ma  gewesen  sein.  Gerber  in  der  zweiten  Ausgabe 
seines  Lexicons  erzählt  die  Begebenheit,  die  ihm  so  viele  nach- 
geschrieben haben,  in  folgender  Weise :  Dem  Kaiser,  welcher  die 
ganze  Oper  auf  dem  Flttgel  begleitete ,  wurde  beim  Eintritte  ins 
Orchester  im  Namen  der  Kaiserin  die  aufs  kostbarste  gebundene 
Partitur  der  Oper  überreicht,  worauf  sich  der  Kaiser  nach  einer 
Verbeugung  gegen  die  Kaiserin  an  den  Flttgel  setzte  und  das 
Zeichen  zum  Anfange  gab.  Bei  dieser  Gelegenheit  war  es,  wo 
Fux,  welcher  hinter  dem  Kaiser  stand,  nach  vielen  Proben  von 
des  Kaisers  gutem  Benehmen  bei  den  schwierigsten  Stellen  und 
nach  wiederholtem  Bravo  endlich  ausrief:  „0  es  ist  Schade,  dass 
Eure  Majestät  kein  Virtuose  geworden  sind!^  Worauf  der  Kaiser 
sich  umdrehte,  indem  er  antwortete:  „Hat  nichts  zu  sagen,  hab's 
halter^  so  besser!^  Se  non  6  vero,  non  k  mal  trovato. 

Eine  s^hr  bedeutende  Veränderung  in  dem  Personale  der 
Hofpoeten  bereitete  sich  in  eben  demselben  Jahre  1 729  vor. 

Als  Apostolo  Zeno  sich  anschickte  in  seme  Heimat 
zurückzukehren  und  PietroPariatiseit  mehreren  Jahren  wenig 
mehr  producierte,  richtete  der  Kaiser  sein  Augenmerk  auf  den 
jungen  Abate  Pietro  Metastasio*,  der  sich  seit  1724  als 

1  Da  es  bei  den  norddeutschen  Brüdern  von  jeher  üblich  war ,  die 
armen  Oestreicher  mit  dem  „halter"  lächerlich  zu  machen ,  so  sei  hier  er- 
wähnt, dass  in  Oesterreich  kein  Mensch  sich  jemals  des  Wortes  „halt er« 
bedient  hat  noch  jetzt  bedient.  Das  im  Norden  verhöhnte  Wort  heisst 
„halt",  und  ist  ähnlich  dem  in  ganz  Deutschland  üblichen  gelt,  schau, 
u.  dgl.  eine  Interjection ,  welche  in  den  meisten  Fällen  die  Bedeutung  dea 
nicht  viel  mehr  bezeichnenden  norddeutschen  „eben**  oder  „nu  'mal^  hat. 
In  obiger  dem  Kaiser  beigelegten  Phrase  hätte  „halt''  gar  keinen  Sinn. 

^Pietro  Antonio  Domenico  Bonaventura  Trapassi,  ge- 
nannt Metastasio,  war  1698  zu  Assisi  geboren,  ward  der  Erbe  seines 
Gönners  des  Kechtsgelehrten  Gravina  zu  Born,  der  ihn  sorgfältig  hatte 
erziehen  lassen  und  endete  seine  Tage  in  Wien  1782. 


188  Metastasio. 

Operndichter  einen  Jbedeutenden  Namen  ei^worben  hatte  —  um  in 
ilim  eine  frische  tüchtige  Kraft  zu  gewinnen.  Principe  Pio  trat 
deshalb  1729  mit  ihm  in  Unterhandlung  und  Metastasio  erklärte 
sich  ohne  Zögern  mit  VergnUgen  bereit ,  als  ^Poet  im  Theatral- 
fitaat"  in  die  Dienste  „des  ersten  Monarchen  der  Welt"  (Met.  Lett.) 
zu  treten*.  1730  im  Juni  kam  er  nach  Wien,  wo  er  die  beste  Auf- 
nahme fand  und  blieb  daselbst,  hochgehalten  von  den  verschie- 
denen Monarchen  und  allen  Ständen ,  durch  52  Jahre  bis  an  sein 
Lebensende*.  In  dem  Zeitabschnitte  von  1730  bis  1740,  der  uns 
hier  berührt,  wurden  32  seiner  in  Wien  gedichteten  Texte*  für 
Opern,  Serenaden  und  Oratorien  zur  Aufführung  gebracht ;  davon 
componierteCaldara  14,  G.  Reutterö,  Predieri4,  Hasse  3, 
einzelne  V i n c i»,  Fux,  F.  Conti,  6.  Porsile,  ßonno. 

Metastasio'sRuhm  hatte  sich  durch  ganz  Europa  verbreitet,  bei 
den  Italienern  wurde  er  classisch  wegen  Reinheit,  Klarheit,  Anmuth 
der  Sprache,  wegen  des  vollendeten  Wohllauts  und  ausdrucks- 
vollen Rhythmus  seiner  Arien:  er  beherschte  in  seinem  Fache 
unbedingt  seine  Zeit.  Apostolo  Zeno  folgend  suchte  er  in  $einen 
Opemdichtungen  ein  wahres  Drama  zu  schaffen,  und  machte  die 
psychologische  Darstellung  der  Charactere  und  Leidenschaften, 
eine  aus  diesen  hervorgehende  folgerichtige  Handlung  zu  seinem 
Hauptziele.  Metastasio  ist  keine  grosse,  kräftige  Natur,  starke 
Leidenschaften  fasst  er  nicht;  seine  psychologische  Auffassung 
ist  klar  und  verständig,  aber  beschränkt,  wie  seine  Gesinnung 
anständig  und  wohlmeinend ,  aber  nicht  frei  noch  gross  ist.  Den 
grössten  Einfluss  auf  die  Componisten  sowohl  als  auf  das  Publi- 
cum übte  seine  Sprache,  welche  correct,  fliessend  und  von  hin- 
reissendem  Wohllaut  ist,  im  Ausdruck  einfach  und  natürlich,  nur 
80  weit  rhetorisch,  als  italienische  Sprache  und  Poesie  es  ver- 
langt. Als  Operndichter  zeichnete  ihn  noch  besonders  aus :  seine 

1  In  den  Hofrechnungen  erscheint  sein  Gehaltsbezug  schon  vom 
1.  April  1729. 

2  Anziehende  Details  von  Metastasio's  Verhältnisse  zum  Hofe  enthält 
Th.  G.  V.  Karajan  „Aus  Metastasio's  Hofleben".  Wien,  1861. 

8  Opern:  Beil.  VIII.  666.  679.  682.  691.  693.  697.  708.  712.  714.  719. 
724.  743.  746.  749.  788.  —  Serenaden:  732.  735.  739.  766.  768.  774.  775. 
779.  —  Oratorien:  676.  689.  705.  717.  728.  742.  772.  784.  791.  —  AUacci, 
Drammaturgia,  zählt  im  ganzen  71  dramatische  Texte  Metastasio's  auf. 


G.  Claudio  Pasquini.  189 

Poesie  war  musicalisch.  Er  hatte  im  Verkehr  mit  Sängern  und 
Componisten  seine  mnsicalische  Anlage  so  weit  ausgebildet,  dass 
er  flihlte  und  wusste,  worauf  es  bei  einem  zur  Composition  be- 
stimmten Texte  ankam.  Die  wohllautende  Sprache  kam  der 
Musik  auf  halbem  Wege  entgegen ,  die  einfache  jedoch  wech- 
selnde Bhythmik;  die  zweckmässige  Gliederung  der  entsprechen- 
den und  contrastierenden  Gedanken,  wie  der  syntactischen  Con- 
struction  zeichnete  dem  Componisten  die  musicalische  Periodi- 
sierung  vor,  ohne  ihn  zu  beschränken.  Dadurch  ward  es  erklär- 
lich ,  dass  Metastasio  Bühnen  wie  Componisten  beherschte  und 
das  unerreichte  Muster  für  alle  Opemdichter  wurde ,  die  freilich 
am  gltlcklichsten  seine  Schwächen  nachahmten  K 

Noch  eines  Opemdichters  ist  zu  erwähnen,  der  neben  Apo- 
stolo  Zeno,  Pariati  und  Metastasio  ausnehmend  thätig 
für  die  Wiener  Hofoper  arbeitete.  Es  war  dies  Giovanni  Clau- 
dio Pasquini,  der  zu  Siena  1695  geboren^,  um  1726  nach 
Wien  kam  und  bis  1740  nicht  weniger  als  sieben  und  sechzig 
Texte  für  musicalische  Compositionen  zu  Stande  brachte.  Mit  dem 
Beweise  seiner  Anstellung  als  kais.  Hofpoet  hat  es  eine  eigen- 
thümliche  Bewandtniss.  Die  Hof  -  Schematismen  und  -Bechnun- 
gen  fuhren  ihn  erst  vom  Jahre  1 740  bis  letzten  März  1 742  als 
Hofpoet  auf,  von  1733  (in  welchem  Jahre  Pariati  gestorben 
war)  konmit  er  in  den  BechenbOchern  bis  zum  Jahre  1739  als 
Tenorist  vor;  möglich,  dass  er  zugleich  auch  Sänger  war,  oder 
ihn  nur  ein  Irrthum  des  Bechnungsbeamten  in  die  Sängerreihe 
versetzte.  Seine  bedeutende  Befähigung  zum  Opemdichter  wurde 
ausser  den  vorhandenen  Partituren  auch  durch  die  ehrende  An- 
erkennung Metastasio's^  in  seinen  Briefen  dargethan,  zugleich 
auch  durch  die  bereite  Aufnahme  als  Hofpoet ,  welche  ihm  nach 
seiner  Entlassung  von  Wien  (1742)  am  Hofe  zu  Dresden  zu  Theil 
wurde*.  Metastasio's  Briefen  zufolge  war  er  von  1750  bis  1759 
in  Siena,  wohin  er  sich  für  seine  älteren  Tage  zurückgezogen  zu 
haben  scheint. 

1  Otto  Jahn,  Mozart.      «  Quadrio  Storia.  V.  293. 

3  In  einem  dieser  Briefe  (Op.  poBtume,  I.  235)  schreibt  Metastasio  an 
OL  Pasquini  (1747):  In  somma  ripetendo  ciö  che  miUe  volte  vi  ö  detto,  io 
non  ritrovo  molti  al  presente ,  che  in  queste  poetiche  facolta  mi  contentino 
par  di  voi.      ^Fürstenau,  Gesch.  der  Op.  in  Dresden.  IL  239  f: 


190  G.  Claudio  Paaquini. 

Erwähnenswerth  ist  der  Fall  mit  dem  Texte  zu  der  Oper 
Don  Chisciotte  in  Corte  della  duchessa  (Beil.  VIU.  637).  Diese 
Oper  wurde  mit  Musik  von  A.  Caldara  im  Jahre  1727  in  Wien 
gegeben  und  auf  der  gleichzeitigen  Partitur,  auf  den  zu  der  ersten 
Aufführung  in  Wien  bei  Ghelen  gedruckten  italienischen  und 
deutschen  Textbüchern,  femer  in  dem  Wiener  Diarium  von  1729 
ist,  wie  in  Allacci  Drammaturgia  als  Verfasser  der  Poesie  dazu 
der  Abate  Giovanni  Claudio  Pasquini  angegeben.  Nun 
erschien  im  Jahre  1786  in  Orleans  bei  L.  P.  Couret  de  Villeneuve 
eine  Gesammtausgabe  der  Poesie  drammatiche  diApostoloZeno 
in  1 1  Bänden ,  wo  im  1 1 .  Bande  unter  den  Poesie  drammatiche 
di  Apostolo  Zeno  composte  insieme  con  Pietro  Pariati  die- 
selbe Oper  Don  Chisciotte  in  Corte  della  duchessa  mit  dem 
Beisatze  pubblicato  per  la  prima  volta  in  Vienna  1719  und  tlber- 
dies  mit  dem  Argomento  des  Pasquini  vollständig  abgedruckt 
ist.  Der  leichtfertige  Redacteur  dieser  Ausgabe  wusste  aus  Ap. 

• 

Zeno's  Lettere  IT.  UI.,  dass  im  Jahre  1719  Ap.  Zeno  in  Ver- 
bindung mit  Pariati  mit  einem  dort  nicht  näher  bezeichneten 
Don  Chisciotte  beschäftigt  war  —  der  auch  zur  Aufführung 
kam  —  und  nahm  ohne  Bedenken  die  Oper  des  Pasquini  vom 
Jahre  1729  dafür.  Im  Jahre  1719  wurde  aber  von  den  beiden 
Verfassern  die  Oper  Don  (Chisciotte  in  Sierra  Morena  (Beil.  VIÜ. 
549.  Musik  von  F.  Conti)  gegeben,  welche  jedoch  in  der 
erwähnten  Ausgabe  der  Poesie  drammatiche  di  Apostolo  Zeno 
nicht  aufgenommen  ist.  Die  im  Jahre  1729  in  Wien  anwesenden 
Dichter  Zeno  und  P  a  r  i  a  t  i  würden  es  gewiss  nicht  stillschwei- 
gend hingenommen  haben,  als  unter  ihren  Augen  die  angeblich  von 
ihnen  herrührende  Oper  Don  Chisciotte  in  corte  della  duchessa 
unter  P.  Pasquinfs  Firma  gedruckt  erschienen  war. 


xin. 

Die  Opern  Ton  Fox  (1702—1781)  —  Chroiük  (1731-1788)  —  Giiadea- 

gäbe  für  den  Neffen  HatthBas. 

1731.  Am  28.  August  wurde  zum  Namenstage  der  regieren- 

•  

den  Kaiserin  Elisabeth  Christina  die  Festa  teatrale  Enea  ne- 
gV  Elisj  0  R  Tempio  delV  etemitä  *,  Text  von  M  e  t  a  s  t  a  s  i  o  in  der 
Favorita  gegeben  (Wr.  Diar.).  Metastasio  bemerkt  in  seinen 
gesammelten  Werken  (Vol.  IV)  über  die  erste  AufiPührung:  „ß 
tempio  delV  etemitä,  festa  teatrale  . . .'  sontuosamente  representata 
la  prima  volta  con  mustca  delPux  nel  giardino  imperiale  Favorita". 
—  IGt  diesem  „Tempel  der  Unsterblichkeit"  schloss  Fux  die 
Reihe  seiner  dramatischen  Compositionen  ab  —  in  seinem  ein 
und  siebzigsten  Lebensjahre.  Wir  wollen  nun  darangehen ,  uns 
eine  Vorstellung  der  Auffassung  und  Ausführung  seiner  sämmt- 
liehen  dramatischen  Compositionen  zu  bilden  und  darum  zugleich 
die  Zeit  und  die  Verhältnisse  berücksichtigen,  in  welchen  sie 
entstanden. 

Dichter  und  Componisten  durften  nie  aus  den  Augen  ver- 
lieren,  dass  die  drao&atischen  Compositionen  mit  Musik, 
mit  Ausnahme  der  Faschingsopem,  zu  Festen  für  den  Hof  be- 
stimmt seien,  durch  Welche  irgend  eine  Persönlichkeit  oder  ein 
erfreuliches  Ereigniss  des  regierenden  Hauses  gefeiert  werden 
sollte.  Damit  war  schon  in  der  Anlage  und  später  durch  das  Her- 
kommen bedingt,  dass  man  zum  Schlüsse  der  Darstellung  an  die 
gefeierte  Person  eine  eigene  verbindliche  Ansprache  in  Musik 
richtete,  welche  man  Licenza  hiess.  Diese  Licenza  war  ge- 
wöhnlich schon  im  Gange  der  dramatischen  Handlung  vorbereitet 
und  diese  enthielt  mannigfache  Anspielungen  darauf,  ja  in  man- 
chen Fällen  war  das  ganze  Schauspiel  nur  eine  erweiterte  Li- 


1  Beil.  VIU.  679. 


192  Fux,  Opern. 

cenza;  in  einigen  Fällen  jedoch ,  wo  der  dramatische  Vorgang 
weiter  ablag,  wurde  am  Schlüsse  eine  rasche  unvorbereitete  Wen- 
düng  genommen,  um  die  Licenza  durch  das  darstellende  Perso- 
nale anzubringen.  —  In  dem  Herkommen  und  der  Entwicklung  der 
Oper  in  Italien,  welche  auch  in  Wien  aufgenommen  wurde,  lag 
es  femer,  dass  das  Stijet  der  Oper  entweder  der  Mythologie  oder 
doch  der  antiken  Geschichte  oder  Sage  entlehnt,  seltener  nach 
Zaubermährchen  gegriffen  wurde,  da  diese  vorzugsweise  zu 
reichem  Decorationswechsel  und  phantastischen  Aufztlgen  Ge- 
legenheit bothen. 

Die  von  Fux  componierten  Texte  aus  historischen  Stof- 
fen waren  La  Cletnenza  (f  Augusto  (Beil.  X.  301),  Pulcheria 
(303),  Julo  Ascanio  (304)  und  Costanza  e  fortezza  (314),  welche 
letzte  die  Sagen  von  Horatius  Codes,  Mutius  Scävola  und  Clölia 
behandelte.  Alle  übrigen  Stoffe ,  mit  Ausnahme  der  Zauberoper 
Angelica  vincitrice  (T Alcinda  (310)  waren. aus  der  alten  Götter- 
mythe genommen  und  dramatisch  behandelt,  oder  einzelne  Zttge 
daraus  willkürlich  weiter  entwickelt.  Zu  den  ersten  gehören 
Dafne  in  Lauro  (308),  Orfeo  ed  Euridice  (309),  Diana  placaia 
(Ifigenia)  (309),  Psicke  (und  Amore)  (313),  Le  Nozze  di  Aurora 
(314),  La  Corona  d*  Arianna  (317);  mit  blossen  mytholo- 
gischen Anklängen  aber  desto  häufigeren  Personificationen  und 
Allegorien,  welche  gewöhnlich  schon  beim  Beginne  odßr  doch 
im  Verlaufe  des  Stückes  den  Zweck  des  Festes  ankündeten, 
waren  die  übrigen  acht  dramatischen  Compositionen. 

Die  Verfasser  der  Operntexte  aus  früherer  Zeit  waren 
Antonio  Bernardoni  (1702,  1708)  (X.  301,  303,  304),  Do- 
nato  Cupeda  (1702,  1709)  (302,  305),  Silvio  Stampi- 
glia  (1709)  (306)  und  G.  B.  Ancioni  (1710)  (307);  aus 
späterer  Zeit  vorzüglich  Pietro  Pariati*  mit  acht  Texten 
(1714—1726)  (308—312,314,  315—317),  endlich  von  den  her- 
vorragendsten Schriftstellern  Apo8toloZeno(l  720)  die  Paiche 
(313),  und  von  P.  Metastasio  (1731)  Enea  negli  Elisj  (318), 
zugleich  die  letzte  von  Fux  componierte  Oper. 

1  Von  ihm  sind  mehrere  Texte  mit  Ap.  Zeno  gemeinschaftlich  bear- 
beitet, und  sein  Aqtheil  von  diesen  gerühmt.  Op.  di  Ap.  Zeno.  III.  11. 


Fax,  Opern.  193 

£8  ist  einleuchtend ;  dass  die  historischen  Stoffe  mit  rein- 
menschlichen Empfindungen,  Affecten  nnd  Conflicten  ein  erhöhtes 
dramatisches  Interesse  zu  erwecken  geeignet  waren  j  wenn  anch 
hier  die  Grenze  des  Schicklichen  jeden  schärferen  Ausdmck  der 
Leidenschaft  im  guten,  wie  im  schlimmen  Sinne  zu  yermeiden 
geboth.  Daher  gelangen  solche  Stücke  den  Textverfassem  in  der 
Regel  besser,  und  Bernar-doni's  Puleheria  verdient  in  dieser 
Richtung  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  auch  Pariati's 
Cogtanza  efortezTM  gehört  in  Erfindung  der  Situationen  und  Aus- 
führung zu  den  glllcklicheren  Eingebungen.  Die  Texte  aus  der 
antiken    Göttermythe   hatten   zwar  wie  Dafne^  Orfeo^  Paiche, 
Diana  placata  einen  poetischen  Hintergrund ,  allein  da  die  alte 
Götterwelt  nicht  mehr  im  Glauben  der  Zuhörer  anklingen  konnte, 
so  standen  sie  nur  eine  Stufe  höher ,  als  die  wesenlosen  Personi- 
ficationen  und  Allegorien,  welche  als  das  Product  leerer  Abstrac- 
tionen,  selbst  empfindungslos,  auch  keine  Mitempfindung  erwecken 
konnten  und  höchstens  dazu  dienten,  eine  lose  Verbindung  meh- 
rerer Musikstücke  herzustellen ,  die  nur  durch  die  Geschicklich- 
keit des  Componisten  und  die  Virtuosität  der  Sänger  einiges. 
Interesse  zu  erregen  im  Stande  waren.  Es  ist  übrigens  sämmt- 
liehen  Verfassern  der  Texte  das  durch  viele  Uebung  entwickelte 
Geschick  nicht  abzustreiten ,  die  Oeconomie  ihrer  Libretti  so  ein- 
zurichten, dass  die  Sänger  und  Chöre  in  gehöriger  Reihe  und 
Abwechslung  eintreten  konnten  und  dass  insbesondere  in  den 
Arien  und  verwandten  Musiknununem  eine  durch  das  vorherge- 
gangene Recitativ  vorbereitete  Stimmung  eingehalten  wurde. 
Auch  in  den  Chören  fehlt  in  der  Regel  der  passende  Ausdruck 
für  die  theilnehmende  Empfindung  einer  grösseren  Menge  an  den 
Ereignissen  des  Drama  ^  nicht.   War  die  Diction  auch  nicht  von 
einem  gewissen  Schwulste  freizusprechen,  so  drückte  sie  doch 
die  Situation  in  gewähltem  Ausdrucke  aus  und  half  durch  das 
Sangbare  der  gebildeten  italienischen  Sprache  dem  bedrängten 
Componisten  über  manche  Steppe  der  Handlung  hinweg.  Ausser 
Bernardoni  hat  auch  P.  Pariati  darin  entschiedene  Ver- 
dienste, nur  in  den  beiden  von  Apostolo.  Zeno  und  Meta- 
stasio  herrührenden  Texten  ist  die  Ueberlegenheit  ihres  Talen- 
tes nicht  eben  in  jeder  Rücksicht  zu  rühmen. 

Kbehel,  J.  J.  Fax,  13 


194  Fux,  Opern. 

In  den  musicalischen  Dramen  wurde  von  jehfer  ein  wesent- 
licher Unterschied  gemacht  zwischen  der  grossen  Oper, 
welche  Dramma  per  musica  oder  Festn  teatrale  hiess ,  und  der 
Operette,  welche  mit  dem  Namen  Serenata  oder  Componi- 
mento  per  camera  oder  einfach  Camponimento  per  musica  —  etwa 
noch  mit  dem  Beisatze  pasfarale  —  sich  begnügen  musste.  Die 
grosse  Oper  mit  ihrem  pomphaften  Auftreten  war  ausschlies- 
send  nur  auf  die  grössten  Feste  der  Namens-  und  Geburtstage  des 
Kaisers  oder  der  regierenden  Kaiserin ,  ihrer  Vermählung  und 
Krönung,  bei  der  Geburt  eines  Thronerben  oder  auf  ähnliche 
Ereignisse  beschränkt,  und  wurde  nach  der  ersten  Auflftthrung 
drei-  bis  viermal  wiederholt.  Ausser  der  Entfaltung  besonderer 
Pracht  in  Decorationen,  Costtimen  und  Tänzen  war  auch  die 
ganze  Anlage  eine  grössere,  die  Handlung  war  in  zwei  oder  drei 
Acte  abgetheilt,  die  Anzahl  der  Musiknummem  eine  grössere  und 
ihre  Entwicklung  bedeutender,  die  Chöre  beim  Beginne  und  zum 
Schlüsse  jedes  Actes  unerlässlich  und  auch  während  des  Actes 
nicht  selten  eintretend,  das  Locale  die  glänzend  eingerichtete 
Schaubühne  zunächst  der  Burg,  oder  der  beleuchtete  Teich  der 
Favorita.  Solcher  grossen  Opern  wurden  von  Fux  sechs  com- 
poniert  (Beil.  X.  310.  312.  314.  315.  317.  318).  —  Die  beschei- 
denere Operette  war  durch  ihre  Synonyme  Serenata  nur  zu 
kleineren  Abendunterhaltungen,  oder  als  Componimento  da  Ca- 
mera in  den  Appartements  der  Burg  oder  Favorita  dargestellt 
worden.  Sie  bestand  inmier  nur  aus  einem  Acte,  die  Zahl  und 
Bedeutung  der  Musikstücke  war  geringer,  der  Chor  wurde  ge- 
wöhnlich durch  Madrigale  der  darstellenden  Hauptpersonen  er- 
setzt,  Pracht  und  Glanz  der  Auflftthrung  fielen  weg,  kurz  es  waren, 
wie  man  es  später  nannte,  musicaliscl)  -  dramatische  Unterhal- 
tungen in  untergeordneter  aber  deshalb  keineswegs  unbedeuten- 

•  

der  Darstellung,  wozu  Fux  zwölf  Compositionen  lieferte. 

Ueber  die  Behandlung  der  musicalischen  Nummern  ist  ge- 
legentlich der  Oratorien  bereits  mehreres  erwähnt,  wesshalb  hier 
nur  einiges  abweichende  davon  angedeutet  werden  soll. 

Die  Ouvertüren.  Fux  hatte  bereits  durch  seine  zahl- 
reichen Instrumental-Compositionen,  den  Concentus' musico-in- 
strumentalis,  die  ganz  ausgezeichneten  Partite  a  tre  u.  m.  a.  einen 
solchen  Namen  sich  erworben,  dass  er  von  Antonio  Lotti  zu 


1 


Fux,  Opern.  195 

Bemer  Oper  Costantino  (1716)  und  von  Giov.  Bononcini  zur 
Operette  Pro/co  sul  Beno  (llOS) ,  von  zwei  so  berühmten  Com- 
ponisten  angegangen  wurde ,  die  Ouvertüren  zu  schreiben.  Dass 
Fux  an  die  Ouvertüren  seiner  eigenen  Opern  mit  geringerem 
£ifer  gegangen  sei,  ist  kaum  anzunehmen,  besonders  da  er  in 
dem  auserlesenen  Orchester  der  Hofkapelle  eine  specielle  Auf- 
forderung finden  konnte,  solchen  Kräften  würdige  Aufgaben  zu 
stellen. 

Ungeachtet  die  noch  vorhandenen  Partitaren  in  der  Regel 
nur  vierstimmig  gesetzt  sind,  so  ist  doch  ausser  Zweifel,  dass  die 
Zahl  der  zusanmienwirkenden  Instrumente  keine  geringe  war, 
welche  im  einzelnen  aus  der  vierstimmigen  Partitur  herauszu- 
ziehen das  Geschäft  des  geschickten  Notisten  war,  dem  nur  hie 
und  da  Andeutungen  in  der  Partitur  gegeben  wurden.  Gewöhn- 
lich besteht  bei  Fux  die  Ouvertüre  aus  einem  Satze  von  lebhafter 
Bewegung,  der  aber  nicht  selten  von  einem  Andante  unterbro- 
chen wurde  und  mit  einem  Minuett  schloss.  Die  Behandlung  ist 
jedesmal  polyphon,  einfach  imitierend,  in  einigen  auch  zur  cano- 
nischen Verarbeitung  sich  steigernd.  Die  Auffassung  ist  immer 
dem  Character  der  Oper  angepasst,  bald  kriegerisch,  bald  fest- 
lich-glänzend, aber  niemals  der  künstlerischen  Architectonik  ent- 
behrend, und  eben  so  wenig  an  Motive  der  übrigen  Oper  erin- 
nernd. Häufig  geht  sie  in  den  ersten  Chor  oder  das  erste  Becita- 
tiv  über,  wie  ein  einleitendes  Ritoniell  dazu.  Bei  Opern  ersten 
Ranges,  wie  Costanza  e  fortezza,  Angelica,  Elisa  ist  das  Orchester 
in  zwei  Chöre  getheilt,  besonders  wenn  auch  ein  Doppelchor  der 
Sänger  darauf  einzutreten  hat. 

Die  Chöre.  Ungeachtet  vielstimmige  Gesänge  dem  ge- 
wandten Contrapunktisten  willkommene  Gelegenheit  zu  polypho- 
nen Compositionen  biethen,  so  widerstand  Fux  doch  in  der  Regel 
dieser  Verlockung,  da  die  Oper  sie  principiell  fernhielt,  nur  in 
den  Madrigalen  und  einigen  madrigalartigeu  Chören  erscheinen 
leichtere  Imitationen.  Die  Chöre  sind  durchweg  ausdrucksvoll 
und  im  Character  der  Oper,  besonders  wenn  sie,  wie  in  Costanza 
e  fortezza,  in  Alcinda  u.  a.  als  gegenüberstehende  Doppelchöre 
Ruf  und  Antwort  schwunghaft  auszusprechen  haben.  In  den 
grösseren  Opern  umrahmen  sie  oft  mehrere  aufeinanderfolgende 
Arien  und  gewähren  damit  diesen  selbst  eine  kräftige  Unterlage. 

13* 


>1 


196  Fux,  Opern. 

• 

Wenn  am  Schluss  des  ActeB  oder  des  Ganzen  Ballettänze  aufge- 
führt werden ;  so  sind  die  Tanzweisen  gleichfalls  vom  Gesänge 
des  Chors  begleitet. 

Die  Seccorecitative  folgen  gewissenhaft  dem  Sinne  and 
den  Einschnitten  der  oft  langgedehnten  Perioden  in  üblicher 
Weise ;  allein  da  die  Texte  keine  bedeutenden  Steigerungen  der 
Affecte  in  der  Regel  enthalten ,  konnte  auch  die  Musik  sie  nicht 
in  die  Recitative  hineinlegen. 

Die  Arien  schUessen  sich  überall  an  die  Stimmung  des 
vorhergehenden  Recitativs  an,  als  dessen  erhöhter  Ijrrischer  Aus- 
druck. In  dem  melodischen  Antheil  der  Arie ,  welcher  nirgends 
Anklänge  an  das  Kirchliche  hat,  fehlt  es  nicht  an  Ausdruck  und 
Empfindung ,  wo  der  Text  ein  menschliches  Gefühl  darstellt ,  nur 
durfte  auch  der  Componist  die  dem  Dichter  des  Textes  vorge- 
zeichnete Schranke  nicht  überschreiten.  Dass  Fux  dem  treiben- 
den Strome  der  Zeit  sich  nicht  schroff  entgegenstellen  wollte^ 
zeigte  er  besonders  in  letzter  Zeit  durch  manche  melodiöse  Auf- 
fassung im  Geschmacke  der  allbeherschenden  Italiener  \  jedoch 
ohne  sich  im  Satze  ihre  von  ihm  selbst  oft  scharf  gerügte  Zügel- 
losigkeit  zu  gestatten,  vielmehr  ist  anzunehmen,  dass  seine 
Strenge  auf  mehrere  der  Besseren  von  ihnen  wohlthätig  zurück- 
gewirkt habiß.  Die  Arienpartituren  verrathen  keine  bedeutenden 
Zumuthungen  an  die  Virtuosität  der  Sänger,  im  Gegentheile  ent- 
hielt sich  Fux  absichtlich  derselben,  da  er  wohl  wusste,  dass 
diese  virtuosen  Ausschmückungen  von  den  Sängern  selbst  bis 
zum  Ueberdrusse  des  Componisten  vorgenommen  wurden.  —  Die 
Gliederung  der  Arie  in  zwei  Theile  mit  der  Reprise  des  ersten 
Theiles  nach  dem  zweiten  war  dieselbe,  wie  sie  noch  bis  Ende 
des  XVIII.  Jahrhunderts  in  der  italienischen  Oper  üblich  war.  — 
Eine  Eigenthttmlichkeit  in  der  Behandlung  der  Arie  bestand 
darin,  dass  nach  dem  Beginne  des  Ktomells  der  Sänger  mit  den 
Anfangstacten  seiner  Arie  einsetzt,  die  Instrumente  ihn  durch  das 
fortgesetzte  Ritomell  ablösen ,  worauf  der  Sänger  die  Arie  noch- 
mals beginnt  und  damit  weiter  fortfährt.  —  Die  Begleitung  bei 

ij.  A.  Scheibe,  der  krit.  Musicus,  p.  548,  sagt  über  die  Italiano- 
manie  jener  Zeit:  „Man  lobt  niemals  ein  Stück,  welches  nicht  von  einem 
Italiener  verfertigrt,  oder  wenigstens,  wie  sie  sagen,  auf  italienische  Art  ein- 
gerichtet ist." 


Fux,  Opern.  197 

Arien  zweiten  Ranges  war  ein  einfacher  BasBO  continno,  welcher 
auch  bei  grossen  Arien  mitgieng,  wenn  die  concertierenden  In- 
strumente schwiegen.  Diese  hatten  die  Ritomelle  zu  Anfang  and 
am  Schlosse  der  Arien ,  so  ¥de  die  concertierenden  Zwischen- 
spiele zu  besorgen,  oder  auch  als  Bipienstimmen  den  Gesang  zu 
tragen.  In  grossen  Opemarien  sind  selbst  virtuose  Begleitungen 
durch  einzelne  Instrumente  nicht  selten ,  wozu  vorzüglich  die 
Violine,  Viola  da  gamba,  der  Fagott,  die  Teorbe  und  Posaunen 
durch  ihre  ersten  Meister  in  der  Hofkapelle  berufen  wurden.  Als 
unserer  Zeit  ganz  entfremdete  Instrumente  der  Begleitung  erschei- 
nen hie  und  da  die  Schalmei,  der  Zinken,  die  deutsche  Flöte  und 
selbst  die  Tromba. 

Die  Gesangsduette  sind  in  den  Opern  seltener,  eines 
höchstens  zwei  machen  sich  geltend ,  wahrscheinlich  aus  Rttck- 
sichf  fllr  die  Sänger,  welche  den  Beifall  ihrer  Virtuosität  nicht 
gerne  mit  einem  zweiten  theilen  woUten.  Für  unsem  Meister 
waren  sie  aber  ersichtlich  ein  Gegenstand  der  Vorliebe.  Im  zwei- 
stimmigen Satze  konnte  sich  ja  die  Kunst  der  durchsichtigsten 
Polyphonie  in  schönen  imitatorischen  Verschlingnngen  der  Stim- 
men zeigen,  was  die  gewöhnlichen  Künstler  der  Rosalien  und  der 
homophonen  Gänge  in  Terzen  und  Sexten  als  eine  herbe  Frucht 
weislich  bei  Seite  liessen. 

Ueberblickt  man  unsers  Meisters  Gesammtleistung  im  musi- 
calischen Drama,  so  zeigt  jede  seiner  Partituren,  dass  er  als  um- 
sichtiger, denkepder  Künstler  den  Character  seiner  Aufgabe  mit 
klarem  Bewusstsein,  mit  Ernst  und  Wärme  anfgefasst  habe,  und 
mit  den  reichen  Hilfsmitteln  seiner  Kunst  darzustellen  bemüht 
war.  Wenn  auch  das  Ernste,  Festliche  —  seiner  Anlage  und  der 
Richtung  seiner  Studien  näher  lag,  so  findet  man  doch  zugleich, 
dass  die  Darstellung  des  Heiter -Anmuthigen,  ja  selbst  des 
Humoristischen  nicht  ausserhalb  des  Kreises  seiner  Auffassung 
blieb.  Die  mit  ihm  verwachsene  Strenge  seines  Stils  verläugnete 
sich  selbst  in  den  Concessionen  nicht,  welche  er  der  Zeit  machen 
zu  müssen  glaubte  und  bewirkte  zugleich,  dass  man  seinen 
Stinunftlhrungen  überall  mit  Behagen  und  Leichtigkeit  folgen 
kann,  ohne  besorgen  zu  müssen,  auf  mistönende  Regelwidrig- 
keiten zu  stossen.  —  War  das  Dramatische  auch  nicht  derjenige 
Zweig  d6r  Musik,  in  welchem  Fux  über  seiner  Zeit  stand  und 


198  Fux,  Opern. 

wirkte ,  so  ist  doch  gewiss ,  dass  seine  Leistungen  in  Erfindung 
und  Auffassung  bedeutender  Motive  jenen  der  ersten  Kunstgenos- 
sen ebenbürtig  zur  Seite  stand,  in  der  kunstreichen  Durchführung 
die  meisten  überragte.  Es  ist  ebenso  vielfältig  nachgewiesen,  dass 
man  auch  von  Seite  des  Hofes  seine  Opemmusik  vollkommen 
würdigte,  da  seine  Compositionen  bei  der  Krönung  in  Prag,  bei 
mehreren  grossen  Festlichkeiten  in  Wien  nicht  nur  mit  entschie- 
denem Beifalle  gegeben,  sondern  auch  nach  Jahren  durch  öftere 
Wiederholungen  ausgezeichnet  wurden  und  selbst  der  kunstver- 
ständige Kaiser  Karl  VI.  es  nicht  verschmähte  seine  Oper  Elisa 
in  Person  zu  dirigieren. 

In  der  nun  folgenden  kurzen  Betrachtung  seiner  dramatischen 
Werke  werden  die  Operetten  (n.  1 — 12)  jener  der  grossen  Opern 
(n.  13 — 18)  vorangehen. 

1.  La  Clemenza  d*Augu8to.  Poemetto  drammatico  (1702), 
Text  von  P-ietr'  Antonio  Bernardoni*.  —  Die  Partitur 
dieser  Oper  fehlt  der  k.  k.  Hofbibliothek  und  war  auch  sonst 
nirgends  aufzufinden.  Lione  AUacci  (Drammaturgia  accresciuta. 
4.  Venezia  1755,  pag.  197)  bemerkt  hierüber:  y^Clemenza  di  Au- 
gusto,  Poemetto  drammatico  nel  giomo  del  gloriosissimo  nome 
della  S.  Ges.  R.  M.  di  Leopolde  Imperadore  de'Romani  sempre 
Augusto  per  comando  della  S.  C.  R.  M.  dell'  Imperadrice  Eleonora 
Maddalena  Teresa  Tanno  1702  in  Vienna  per  gli  Eredi  Cosme- 
roviani  1702  in  4.  Poesia  di  Pietr'  Antonio  Bernardoni 
Bolognese.  —  Musica  di  Giov.  Giuseppe  Fux".  —  Das  Per- 
sonenverzeichniss  dieses  Poemetto  nach  P.  Ant.  Bernardoni  poemi 
drammatici  8.  Bologna  1706.  pag.  207  ff.  lautet:  „C.  Ottavio  Au- 
gusto, —  Clauditty  figlia  di  Marc'  Antonio,  nemica  di  Ottavio  — 
EmiUüj  figlia  di  Marco  Lepido  Triumviro  —  Agrippa,  Coman- 
dante  Generale  deir  armi  d'  Ottavio  —  Marco  Cinna ,  nipote  del 
gran  Pompeo  —  Vaisrio,  un  de'  Capitani  delle  guardie  d'  Augusto  — 
Lepido,  figlio  di  Marco  Lepido  triumviro.  —  //  Tevere  —  Com- 
porse  di  guardie  cou  Angusto  —  Paggi  con  Claudia  e  con  Emilia. 
—  Deitä  tutelari  de  fiumi  e  de  fonti  vicini  a  Roma  col  Tevere."  — 
Eine  Verschwörung  gegen  Ottavio,  an  deren  Spitze  Claudia,  die 
verschmähte  Geliebte  Ottavio's  steht ,  wird  rechtzeitig  vor  dem 

1  Beil.  VIII.  399  und  X.  301. 


Fux,  Opern.  199 

Aasbrache  entdeckt  and  Ottavio  vergibt  den  Verschwomen.  — 
Licenza  aaf  K.  Leopold  I.  Milde  übergehend. 

2.  Offendere  per  amare  ovrero  La  TelesiUa,  Dramma  per 
masica  (1702).  Text  von  Donato  Capeda^  —  Die  Partitor 
dieser  Oper  war  wie  jene  von  Oper  1  ananffindbar.  Allacci, 
Drammatargia  p.  570  führt  an:  ^Offendere  per  amare,  owero  la 
TelesUla,  Dranuna  per  masica  rappresentato  nel  felicissimo  giomo 
natalizio  della  S.  R.  M.  di  Amalia  Willelmina,  Regina  de'  Romani 
per  comando  della  S.  R.  M .  di  Oiaseppe  I.  R6  de  Romani  V  anno 
1 702  —  in  Vienna  per  Snsanna  Cristina  Vedova  di  Matteo  Cos- 
merovio  1702  in  8.  Foesia  di  Donato  Cnpeda,  Napolitano. 
Masica  di  Giov.  6ias.  Fax".  Das  Textbach  fehlt  gleichfalls. — 
Der  Bnchdracker  van  Ghelen  kündet  1725  verschiedene  Opern 
in  Partitar  saaber  geschrieben  and  in  rothem  Saffian  gebanden 
zom  y erkaafe  an ,  daranter :  ^L'  offendere  per  amare.  Poesia  di 
Don.  Capeda^  la  masica  del  Sgre.  Fax.  3  Atti".  (Wiener  Diar. 
vom  3.  Nov.  1725.) 

3.  Pulcheria,  Poemetto  drammatico  (1708).  Text  von  Pietr' 
Antonio  Bernardoni*.  —  Personaggi:  Palcheria  —  Mar- 
ciano  —  Irene  —  Leone  —  Antemio.  —  Die  weise  Kaiserin  Pal- 
eheria soll  einen  Gemal  wählen  nach  einem  Senatsbeschlasse. 
Antemio  and  Leone  werden  als  Bewerber  bezeichnet:  von  ihnen 
liebt  Leone  die  Irene,  die  Freandin.  der  Kaiserin  and  Schwester 
des  Marciano.  Die  Kaiserin  überlässt  die  Wahl  dem  Aassprache 
des  Marciano ;  welcher  selbst  die  Kaiserin  liebt  and  erklärt,  zwi- 
schen beiden  Bewerbern  könne  er  keinen  als  den  Würdigeren 
bezeichtien,  die  Kaiserin  müsse  selbst  entscheiden.  Diese  wählt 
—  Marciano ,  ihren  erprobten  Feldherm  and  Freand ;  Leone  er- 
hält die  Hand  der  früher  eifersüchtig  erregten  Irene.  —  Die  karze 
aber  klag  abgewogene  Dichtang  gibt  itn  kleinen  Rahmen  G^- 
legenheit  za  verschiedenen  and  lebhaften  Affecten ,  welche  vom 

• 

Componisten  mit  Erfolg  benützt  sind.  Am  meisten  hervortritt  als 
masicalische  Characterzeichnang  die  Arie  des  Antemio  Da  me 
«^e««o,  welche  das  stolze  Selbstgefühl,  seinem  eigenen  Werthe, 
nicht  einer  fremden  Empfehlnng  die  Hand  der  Kaiserin  verdanken 
za  wollen ,  dann  dessen  Arie  Me  infelice^  welche  die  gekränkte 

1  Beil.  Vm.  397  und  X.  302.      2  ßeil.  VIU.  450  und  X.  303. 


200  Fux,  Opern. 

Ambition  mit  Entschiedenheit  wiedergibt.  Anch  das  Eifersuchts- 
Duett  Taci  infido  zwischen  Irene  und  Leone  hat  eine  sehr  gate 
Haltung  und  Bewegung.  Die  Arie  des  Leone  Sd  che  d^Aquüa  ist 
in  der  Melodie  und  Begleitung  musicalisch  malend  und  wie  auch 
die  tlbrigen  Solonummem  auf  virtuosen  Vortrag  berechnet.  Der 
Chor  fehlt  in  diesem  Poemetto  gänzlich,  nur  die  Solosänger  haben 
am  Schlüsse  a  cinque  die  Licenza  an  die  Kaiserin  Amalie  zu  sin- 
gen. Es  unterliegt  keinem  Zweifel  ^  dass  dieses  dem  Umfange 
nach  kleinere  Werk  ohne  Prunk  der  Scenerie  und  Costllme,  blos 
durch  den  Gehalt  der  Charactere  des  Textes  und  ihres  musicali- 
sehen  Ausdruckes  gefallen  haben  muss. 

4.  Julo  Ascanio,  Rh  (fAlba.  Poemetto  drammatico  (1708). 
Text  von  P.  A.  Bernardoni*.  —  Personaggi:  Ascanio  primo 
Rfe  d' Alba  —  Evandro  principe  Arcade  —  Carmenta,  madre  di 
Evandro  —  Emilia  sorella  di  Evandro  —  Teuero  Confidente  di 
Ascanio.  —  Ascanius  hat  nach  Besiegung  des  Teucer  das  Reich 
von  Alba  gegründet,  wurde  aber  durch  die  Beize  der  besiegten 
Königsschwester  Emilia  besiegt,  diese  sträubt  sich  anfangs  zum 
Scheine,  gibt  aber  leicht  dem  Wunsche  ihrer  Mutter  Carmenta  und 
ihres  Bruders  Teucer  nach  und  willigt  in  die  Verbindung  mit  Asca- 
nius.— Dieses  Poemetto  hat  gar  keine  ernstliche  Verwicklung,  denn 
alle  Partheien  sind  in  der  That  gleich  anfangs  ttber  das  einver-. 
standen,  was  später  geschieht.  Die  Musiknummem  sind  eine 
Reihe  von  Bravourstücken  mit  brillanten  Begleitungen,  in  welchen 
abwechselnd  Fagottduo,  Sehahneien,  dieTrombe,  das  Cembalo, 
2  Viele  di  gambe  mit  virtuoser  Betheiligung  eintreten.  Ein  einzi- 
ges a  dne  unterbricht  die  Reihe  der  Arien  und  am  Schldsse  ver- 
einigen sich  die  fünf  Singparte  zur  Licenza  an  den  Kaiser  Josef  I. 
Das  Ganze  ist  daher  ein  fortgesetztes  Concert  der  ersten  Sänger 
und  Sängerinen  ohne  eigentliches  dramatisches  Interesse. 

6.  Gli  Ossequi  della  Notte.  Componimento  per  niusica  (1709). 
Text  von  Donato  Cupeda*.  —  Personaggi:  La  Notte  — 
Urania  —  Pasitea  —  Architettura  —  11  Sonno,  amante  di  Pasitea 
—  n  Silenzio.  —  Die  Nacht  will  dem  Namensfeste  der  Kaiserin 
ihre  Huldigung  bringen,  sie  fordert  dazu  die  Baukun^,  die  Muse 
Urania,  die  Grazie  Pasitea  auf,  welche  dazu  bereit  sind,  nur  das 

1  Beil.  Vm.  448  und  X.  304.      «  Beil.  VUI.  462  und  X.  305. 


Fax,  Opern.  201 

Schweigen  und  der  Schlaf  machen  gegen  die  Störung  der  Ruhe 
schwache  Opposition,  als  sie  aber  hören,  um  was  es  sich  handelt, 
so  stimmen  sie  ein  in  den  Chorus  der  Hymnen,  und  es  dürfte 
kaum  eine  Tugend  geben ,  die  der  Kaiserin  in  den  Lobgesängen 
nicht  im  höchsten  Grade  beigelegt  wird.  Text  und  Musik  sind 
gleich  leicht  und  heiter  gehalten ,  selbst  bis  zu  einem  gewissen 
Humor  versteigen  sich  die  Unsterblichen,  wenn  auf  den  lebhaften 
Mahnruf  zur  Mitwirkung  der  Schlaf  und  das  Schweigen  mürrisch 
ihr  y^Deh  postUe !  Deh  tacete  !^  in  den  kleinsten  Intervallen  ent- 
gegenbrummen und  das  Schweigen  die  Geliebte  schlafen  heisst, 
während  der  Schlaf  in  schläfrigen  Bythmen  seine  Betrachtungen 
macht.  Desto  lebhafter  sind  die  anderen  Göttinen  und  haben  an 
ihren  Arie  di  bravura  Gelegenheit  ihre  Kunstfertigkeit  zur  Gel- 
tung zu  bringen.  Auch  die  Ouvertüre  ist  voll  Bewegung  und 
breiter  ausgeführt,  in  den  Begleitungen  der  Arien  kommen  neben 
andern  Soloinstrumenten  vier  Yiole  di  gamba  vor,  die  im  Ein- 
klänge zu  spielen  haben.  Die  Hauptstimmen  im  Vereine  sind  der 
einzige  Chor,  der  während  des  Verlaufes  der  Handlung  häufig 
nach  den  Arien  antwortend  eintritt  und  am  Schlüsse  zur  Licenza 
in  einem  Madrigale  sich  vereinigt. 

6.  U  Mete  di  Marzo  cantecraio  a  Marie.  Componimento  per 
musica  (1709).  Text  von  .Silv.  'Stampiglia  K  —  Personaggi: 
Cleria  —  Sabina  —  Emilio  -r  Menzio.  —  An  eine  idyllische  Fabel 
von  zwei  Liebespaaren,  deren  Männer  Soldaten  sein  wollen,  knüpft 
sich  lose  genug  an,  dass  in  Bom  der  Monat  März  dem  Mars  durch 
einen  Priester  geweiht  wird,  der  dann  prophezeit,  es  werde  ein 
kriegsbertthmter  Deutscher  als  römischer  König  seinen  Namens- 
tag im  März  haben,  worauf  alle  Singenden  in  einen  Päan  des 
Römischen  Kaisers  Josef  ausbrechen,  dessen  Namensfest  in  den 
März  fällt.  Diese  gesuchte  Combination  von  Umständen  gab  doch 
Veranlassung  zu  mehreren  Bravourarien  besonders  der  Sänge- 
rinen nebst  einem  Männerduett  mit  Trillerketten ,  und  es  ist  nir- 
gends bemerkt,  dass  das  Auditorium  mit  diesem  kleinen  Musik- 
feste nicht  befriedigt  worden  wäre. 

^    1.  La  Dfcima  fatica  iTErcole,  ovvero  La  Sconßta  di  Ge- 
rumemSpagna.  Componimento  pastorale-eroico  (1710).  Text  von 

1  Beil  Vm.  459  und  X.  306. 


202  Fux,  Opern. 

G.  B.  A  n  c  i  0  n  i  *.  —  Personaggi :  Elpino  —  Clpri  —  Amalteo  — 
Mirene  —  Ercole.  —  Die  Hirten  kttnden  an ,  dass  Hercnles  kom- 
men werde,  nachdem  er  ihren  Tyrannen  Geryon  überwunden  hat, 
daneben  werden  zwei  leichte  Hirten-Liebesangelegenheiten  mit 
obligaten  Schmerzen  beigelegt.  HerculeB  erscheint  als  Sieger, 
weist  aber  vielmehr  prophetisch  auf  einen  Fttrstensprossen  am 
Ister,  der  viel  später  kunimen  werde,  am  heutigen  Tage  sein  Ge- 
burtsfest haben  und  alle  iberischen  Völker  durch  seine  Tapferkeit 
in  Erstaunen  setzen  werde.  —  Dieser  Fürst  vom  Ister,  der  durch 
das  Gomponimento  gefeiert  wird,  ist  König  Karl  HL  von  Spanien, 
welcher  wenige  Monate  früher  (27*  Juli  1710)  einen  Sieg  bei 
Almenar  in  Spanien  über  die  Franzosen  erfochten  hatte.  Dadurch 
wird  die  Sehergabe  des  Hercules  be^eiflich.  —  Wie  der  Titel 
der  Composition  aussagt,  ist  die  Musik  zum  Theile  heroisch,  zum 
Theil  pastoral.  Die  contrapunktisch  durchgeführte  Introduction 
und  die  wiederholten  Chöre  haben  martialische  Anklänge ,  wäh- 
rend die  Liebesepisoden  von  Hirtenglück  triefen.  Von  den  Hir- 
tenliedem  ist  eine  anmuthige  Siciliana  Amor  i  un  bei  desnr  sehr 
einfach  und  ansprechend,  die  Chöre  sind  theils  in  Madrigalform 
und  aus  den  5  Sängern  beigestellt ;  auch  die  Licenza  wird  durch 
den  Schlusschor  gesungen.  An  Abwechslung  und  einzelnen  Bra- 
vourstücken fehlt  es  hier  durchaus  nicht.  Schalmei  und  deutsche 
Flöte  durften  in  dem  Schäferstücke  erwartet  werden,  die  Teorbe 
hat  manche  concertante  Begleitung  auszuführen. 

8.  Dafne  in  Lauro.  Componimento  per  camera  (1714).  Text 
von P.  Pariati*.  —  Interlocutori:  Diana  —  Dafne  —  Apollo  — 
Amore  —  Mercurio  —  Coro  di  Ninfe  e  Pastori.  —  Das  Sujet  ist 
so  einfach  als  die  Mythe.  Apollo  will  dem  Amor  trotzen ,  dieser 
schiesst  ihn  aber  mit  einem  glühenden,  seine  Schöne,  Dafne,  mit 
einem  kalten  Pfeil.  Sie  widersteht  Apoll's  Bewerbungen  und 
wird  zuletzt  in  einen  Lorber  verwandelt.  Apoll  weiss  dann  nichts 
geeigneteres  zu  thun ,  als  einen  Zweig  davon  der  Stime  Kaiser 
Karl  VI.  entgegenzubringen.  Den  Character  des  heiteren  Spiels 
verlässt  die  Musik  auch  während  des  Liebesjammers  Apolls  nicht, 
und  der  Amor  buffo  macht  sich ,  muthwillige  Töne  anschlagend, 
vielmehr   lustig   darüber.     Besonders   hervortretend   sind  zwei 

1  Beil.  Vm.  477  und  X.  307.      2  Beil.  VIU.  504  und  X.  308. 


Fux,  Opern.  203 

Duette,  das  eine  Nun  v'  i  pace  von  Diana  und  Dafne,  worin  sie  sich 
über  den  Gram  der  Liebenden  erlnstigen,  das  andere  Nel  penHer 
di  non  amarti  in  welchem  Apoll  nm  Liebe  fleht,  Dafiie  ihn 
zurückweist.  In  beiden  bewährt  sich  die  contrapnnktische  Kunst 
in  mannigfaltigen  Imitationen  auf  das  glänzendste.  Im  Ganzen 
fUUt  es  auf,  wie  Fux  gewisse  musicalische  Wendungen  der  Ita- 
liener immer  mehr  zu  den  seinigen  macht,  aber  sich  selbst  darum 
keineswegs  aufgibt. 

9.  Orfeo  edEuridice.  Componimento  da  camera  (1715).  Text 
von  P.  Pariati  *.  —  Persone,  che  cantano:   Orfeo  —  Euridice 

—  Plutone  -:-  Proserpina  —  Amore  —  Aristeo  —  Coro  di  spiriti 
degli  Elisi  —  Coro  di  ombre  infemali  —  Coro  di  amorini.  — 
Orfeo  kommt  in  die  Unterwelt ,  seine  geliebte  treue  Euridice  sich 
für  die  Oberwelt  zurückzuerbitten.  Aristeo,  der  ans  Liebe  für 
Euridice  sich  den  Tod  gegeben  hatte,  macht  vergebliche  Einstreu- 
ungen ,  Amor  und  Proserpina  legen  Fürbitte  ein ,  und  Pluto ,  der 
wankende,  gibt  mit  Rücksicht  auf  den  hohen  Geburtstag  (des 
Kaisers)  den  man  auf  Erden  feiert,  nach  und  lässt  die  Liebenden 
ohne  Bedingung  ziehen.  Die  Zahl  der  Gesangsnummem  ist  ausser 
den  langen  Recitativen  nicht  unbeträchtlich ,  die  einzelnen  aber 
mit  Rücksicht  auf  den  ausgedehnten  Text  kurz  und  nicht  über  das 
gewöhnliche  sich  erhebend. 

10.  Diana  placata,   Componimento  da  camera  (1717).  — 
Text  von.P.  Pariati'.  —  Persone,  che  cantano:  Agamemnone 

—  Iflgenia  ed  Erifile,  figlie  di  Agamemnone  —  Achille  —  Ajace 

—  Calcante  —  Coro  di  Ministri  e  Sacerdotesse  di  Diana  —  Coro 
di  Vergini  di  Micene  e  di  guerrieri.  —  Die  oftbearbeitete  Mythe 
der  Versöhnung  Dianens  durch  Iphigenia  liegt  hier  in  wenig  ent- 
wickelter Handlung  zu  Grunde.  Iphigenia  und  ihre  Schwester 
Eriphile  konmien  auf  Geheiss  des  Vaters  Agamemnon  nach  Aulis 
in  der  Absicht,  von  Achilles  und  Ajax  gefreit  zu  werden.  Diana 
verlangt  aber  durch  den  Seher  Kalchas  wegen  Tödtung  einer 
Hirschkuh  durch  Agamemnon  den  Tod  der  Iphigenia.  Agamem- 
non sieht  sich  genöthigt,  dem  Götterspruche  sich  zu  ergeben, 
aber  in  dem  Augenblicke,  als  Iphigenia  geopfert  werden  soll, 
schickt  Diana  eine  Hirschkuh,  die  an  Iphigenia's  Stelle  getödtet 

1  Beil.  Vni.  513  und  X.  309.      2  Beil.  .VUI.  534  und  X.  311. 


204  Fux,  Opern. 

werden  soll,  und  die  letzte  erhält  die  Bestimmong,  als  Priesterin 
der  Diana  nach  Tanris  zu  gehen.  —  Ungeachtet  der  ganze  bedea- 
tnngSYolle  Vorgang  nur  mehr  in  Umrisaen  behandelt  wird,  so  sind 
doch  mehrere  der  wichtigsten  Nummern  ausgeführter,  und  die 
dramatische.  Auffassung  characteristisch,  so  Agamemnon's  Arie 
n  colpevole  son  io^  nachdem  er  den  Ausspruch  der  Göttin  erfahren 
hat,  ebenso  ist  in  Iphigenia's  Arien  Ernst,  und  Festigkeit  ausge- 
sprochen, jede  Ausschmückung  entfernt  gehalten,  auch  Achilles 
tritt  entschieden  auf,  zuletzt  musste  freilich  auch  der  Virtuose  des 
Gesanges  (Gaetano  Orsini)  mit  einer  Trillerkette  bedacht  werden. 
11.  Psiche.  Componimento  da  Camera  (1720-rl 722).  Text 
von  Apostolo  Zeno*.  —  Interlocutori :  Venere  —  Amore  — 
Psiche  —  Mercurio  —  Doleria,  Orgia,  sorelle  di  Psiche  —  , 
Giove.  —  Apostolo  Zeno  folgt  in  der  Behandlung  des  Textes 
ziemlich  genau  der  Mythe.  Venus  ist  erzürnt,  dass  ihre  Altäre 
verlassen  werden  und  Psyche ,  die  schöne  Sterbliche ,  göttliche 
Verehrung  erhält.  Sie  sendet  Amor  aus  zur  Rache ,  dass  Psyche 
in  den  hässlichsten  Sterblichen  sich  verliebe.  Allein  Amor  ver- 
bindet sich  selbst  mit  Psy«he ,  besucht  sie  nur  Nachts  und  ver- 
biethet  ihr,  ihren  ungesehenen  Geliebten  sehen  zu  wollen.  Die 
Schwestern  Psyche's  machen  sie  durch  die  Einflüsterung,  der 
Geliebte  sei  ein  Ungeheuer,  bestürzt  und  neugierig,  ihn  beim 
Scheine  der  Fackel  zu  besehen ,  Amor  erwacht ,  macht  ihr  die 
bittersten  Vorwürfe,  liebt  sie  aber  dennoch,  Veniis,  ^ie  ihr  mit 
dem  strengsten  droht,  wird  durch  seine  Bitten  erweicht,  Jupiter 
erscheint,  macht  Psyche  zur  Unsterblichen  und  verbindet  die 
Liebenden.  —  Wahrscheinlich  war  eine  Krankheit  des  Fux  die 
Veranlassung,  dass  er  im  Jahre  1720,  nachdem  er  14  Nunmiem 
der  Operette  componiert  hatte,  den  Best  zu  componieren  an  Cal- 
dara  überlassen  musste.  Im  Jahre  1722  liess  es  ihn  aber  nicht 
ruhen,  bei  einem  ähnlichen  Anlasse,  seine  angefangene  Composi- 
tion  gänzlich  zu  vollenden  und  in  dieser  Gestalt  seinem  Kaiser  vor- 
zuführen. Durch  die  doppelte  Composition  desselben  Textes  ist  die 
Gelegenheit  gebothen,  die  verschiedenartige  Auffassung  und  Be- 
handlung der  beiden  Meister  zu  vergleichen.  Der  grösseren  Be- 
weglichkeit des  Italieners  in  der  melodiösen  Richtung  setzte  der 

»  Beil.  Vm.  563.  582  und  X.  313. 


Fux,  Opem.  205 

ernste  strengere  Deutsche,  obschon  den  welschen  Formen  nicht 
nngeneigty  eine  characteri6tisch*festere;  durch  Kunst  verschönte 
Auffassung  entgegen ,  wie  dies  in  Jnpiter's  Arie  n.  19  geschah, 
wo  Fux  glücklich  die  Form  des  Madrigals  wählte.  Auch  die  Con- 
trastierung  der  Musik  in  „Fierguardo^  mitAem  ^ün  dir  lu»inghiero^ 
ist  Fux  wohl  gelungen.  —  Dem  Texte  fehlt  es  an  vielen  Stellen 
an  Abwechslung  des  Gedankens  und  Ausdrucks,  wenn  Venus 
ohne  Ende  der  Psyche  vorwirft,  dass  sie  schön  sei  und  die  Men- 
schen ihr  Altäre  bau'n ;  auch  darf  man  es  wohl  unfein  nennen, 
wenn  Psyche  beim  Anblick  ihres  Geliebten  ruft:  „fi  un  mostro  di 
beltade" ,  abgesehen  von  den  selbstverstandenen  Bemerkungen, 
dass  Psyche  sich  nicht  selbst  so  schön  gemacht  und  die  Menschen 
nicht  aufgefordert  habe,  ihr  Altäre  zu  bauen  u.  dgl. 

12.  Giunone placata.  Festa  teatrale  (1725).  Text  von?*  — 
Personaggi:  Giove  — ^  Giunone  =  La  Faustina.  —  Venere  — 
Mercnrio. —  Coro  di  Dei  con  Giove  —  Coro  di  aurette  con  Giu- 
none. —  Ueber  Jupiter's  Untreue  erzürnt  hat  sich  Juno  vom 
Himmel  entfernt  und  in  Stymphalos,  ihrem  Lieblingsorte  ange- 
siedelt, wo  ihr  als  Juno- Witwe  ein  Tempel  erbaut  wurde.  Jupiter 
entbrannte  für  die  abwesen^^e  Gemahlin  mehr  als  früher  für  die 
anwesende,  und  hat  Verlangen,  dass  Juno  in  den  Olymp  zurück- 
kehre. Das  gelingt  durch  die  List  der  Venus  und  des  Mercur, 
welche  der  Juno  das  Gerücht  zukommen  lassen,  dass  Jupiter 
eine  andere  rechtmässige  Gemahlin  nehmen  wolle.  Darüber  kehrt 
die  stolze  und  eifersüchtige  Götterkönigin  nach  dem  Olymp  zu- 
rück und  versöhnt  sich  mit  Jupiter.  —  Das  Ganze  ist  ein  lose 
gewebtes  Intriguenspiel  im  Götterkreise  und  den  heiteren  Ton 
hat  die  Musik  in  auffällig  italienischen  Formen  bis  ans  Ende 
festgehalten.  Die  lockeren  Gesänge  der  Venus ,  die  gute  Laune 
des  Vaters  der  Götter,  der  die  sonderbarsten  Geständnisse  macht, 
die  falsche  Demuth  der  stolzen  Götterkönigin,  dann  auch  die 
beliebten  Sprünge  des  Götterbuffo  Mercur  biethen  der  Abwechs- 
lung und  des  Anmuthigleiehten  genug,  während  die  Chöre  mit 
herzlichem  Jubel  die  gefeierte  Kaiserin  begrüssen.  Zu  wundem 
ist  nur,  dass  für  Fanstina,  welche  den  Part  der  Juno  sang,  nicht 
mit  mehr  Bravour  in  den  Noten  vorbedacht  ist,  allein  däfUr  wird 

1  Bell  Vni.  618  und  X.  316. 


206  Fux.  Opern. 

wohl  die  Künstlerin  selbst  in  den  Beprisen  reichlich  besorgt  ge 
wesen  sein. 

13.  AngelicavineüricediAlcina.  Festateatralein3atti(1716). 
Text  von  Pietro  Pariati*.  —  Cantano:  Angelica,  Regina  di  Ca- 
tfgo  —  Alcina ,  Maga  —  Medoro  —  Bradamante  —  Buggiero  — 
Atlante/  Mago  —  La  felicitä  publica.  —  Eine  Zauberoper,  in 
welcher  (nach  Arriost)  eine  tngendreiche  Königin,  Angelica,  ttber 
die  Zanberkünste  ihrer  eifersüchtigen  Rivalin ,  der  Zauberin  Al- 
cinda ,  znletzt  siegt  und  mit  ihrem  treugeliebten  Medoro  verbun- 
den wird,  nachdem  beide  vorher  allerlei  Fährlichkeiten  zu  ttber- 
stehen  hatten,  während  ein  zweites  Liebesverhältniss  zwischen 
Bradamante  und  Ruggiero  nebenher  läuft  und  ebenfalls  glücklich 
sich  löst.  —  Die  Veranlassung  zu  diesem  Feste  war  die  glück- 
liche Entbindjang  der  regierenden  Kaiserin  Elisabeth  von  einem 
lange  ersehnten  Thronerben,  dem  Erzherzog  Leopold,  worüber 
Oesterreich  und  Wien  insbesondere  von  einem  Freudenjubel  er- 
füllt wurde,  der  natürlich  auch  in  einer  dramatisch-musicalischen 
Prachtdarstellung  einen  entsprechenden  Ausdruck  finden  sollte. 
Man  griff  zu  einer  Zauberoper ,  worin  Gelegenheit  zu  festlichen 
Aufzügen,  Verwandlungen,  Gefechten  und  Tänzen  hinlänglich 
gebothen  war,  und  da  die  Vorstellung  auf  dem  grossen  Teiche  in 
der  Favorita  statt  hatte,  so  konnten  zur  Verherrlichung  dieses 
Abends  alle  vier  damals  bekannten  Elemente  aufgebothen  wer- 
den, wie  das  auch  aus  dem  mit  grossen  Illustrationen  erschie- 
nenen Programme  sattsam  hervorgeht.  Ungeachtet  fllr  die  Per- 
sonen der  feenhaften  Handlung  nicht  leicht  eine  menschliche 
Theilnahme  zu  erreichen  war,  .so  bothen  doch  die  abwechselnden 
Momente  des  Schauerlichen,  des  Kampfes  und  endlichen  Sieges 
der  guten  Sache^  Gelegenheit  zu  spannender  und  in  einzelnen 
Nunmiem  sehr  wirksamer  Musik.  Ausser  den  zahlreichen  Ge- 
sangsbravourstücken treten,  wie  gewöhnlich  die  Duetten  (n.  18 
und  32)  durch  kunstreiche  Verschlingung  der  Stimmen,  beson- 
ders das  letzte  hervor ,  in  welchem  contrastierende  Affecte  musi- 
calisch neb^n  einander  zu  gehen  hatten.  Das  Ziel  einer  glänzen- 
den Musik  zu  einer  glänzenden  Schaustellung  zu  schaffen,  ist 
jedenfalls  erreicht  worden. 

1  Beil.  Vm.  520  und  X.  310. 


Fux,  Opern.  207 

14.  Elisa.  Festa  teatrale  per  Musica  (1719).  Text  von 
Pietro  Pariati*.  —  Lepersone,  che  eantano:  Elisa,  Kegina  de 
Fenici  —  Venere  ßotto  nome  di  Arpalice  —  Iride  sotto  nome  di 
Oronta  —  Enea  —  Imeneo  —  Arcate,  compagno  di  Enea  — 
Amore,  crednto  ABcanio,  figliuolo  di  Enea  —  Jarba,  r^  di  6e- 
tali.  —  Das  St\jet  dieser  festa  teatrale  ist  die  bekannte  Episode 
der  Aeneis,  wo  durch  Dazwischentreten  der  Venus,  des  Amor 
und  HymenäuB  auf  der  Jagd  während  eines  Gewitters  die  Ver- 
bindung des  Aeneas  und  der  Elisa  (Dido)  vermittelt  wird,  womit 
hier  alle  Götter  einverstanden  sind.  —  Es  liegt  nahe ,  dass  der 
Name  der  Kaiserin  Elisabeth  ^  welche  zu  feiern  war,  auf  die 
Dichtung  des  Poeten  bestimmend  eingewirkt  habe.  Tieferes  Ein- 
gehen war  bei  einer  Aufgabe,  wie  sie  hier  vorliegt,  nicht  leicht 
denkbar.  Man  wollte  am  Geburtstage  der  Kaiserin  der  Gefeierten 
eine  musicalisch-scenische  Huldigung  bringen  durch  eine  mähr- 
chenhafte  Handlung,  in  welcher  nichts  als  der  Name  der  Fürstin 
(Elisli),  die  mit  einem  andern  Prinzen  verbunden  wird,  mit  der 
Gefeierten  gemeinsam  ist.  Denn  weder  die  sittlichen,  noch  weni- 
ger die  religiösen  Principien  der  Stifterih  dieser  Verbindung 
(Venere)  dürften  den  Ansichten  des  frommen  Hofes  entsprochen 
haben.  Dass  aber  ein  solcher  Text  componiert  und  ohne  anstössig 
gefunden  zu  werden,  bei  Hofe  aufgeführt  werden  konnte,  ist  ein 
Beweis,  dass  man  in  der  Handlung  nichts  als  eine  Fabel,  in  den 
antiken  Göttergestalten  und  ihren  Kundgebungen  nichts  als  con- 
ventioneile Schemen  und  Redewendungen  annahm,  genug  wenn 
sie  Anlass  gaben  zu  brillanten  Schaustellungen  mit  Gepränge 
und  Musik.  Daran  fehlte  es  auch  in  unserem  Falle  nicht. 
Trojaner,  Phönicier,  Jäger  und  Jägerinen,  Amoretten,  Grazien 
und  an  deren  Spitze  Venus  und  Amor  selbst,  nebstbei  Jagdlust, 
Gewitter,  Verwirrungen  und  Entwirrungen  Hessen  den  Zuschauer 
schwer  an  das  Einzelne  des  Textes  einen  strengeren  Massstab 
anlegen.  —  Die  Musik  ist  festlich  und  bequemt  sich  in  vielen 
Nummern  der  italienischen  Auffassung.  Zum  Eingang  und  am 
Schlüsse  ist  ein  Doppelchor  der  Sänger  und  Instrumentisten 
feierlich  glänzend,  die  Arien  der  Venus,  der  Elisa  und  des  Hy- 
menäus  haben  zu  Ausschmückung  der  Sänger  überall  Gelegen- 

1  Beil.  Vm.  551  und  X.  312 


208  Fux,  Opern. 

heit  gebothen^  mid  sie  theilweise  angedentet,  die  Nummern  4, 
12;  18  nehmen  ganz  italienische  Fonnen  an,  jedoch  ohne  ihre 
Leichtfertigkeit;  in  der  Bassarie  des  Jarba  liegt  etwas  bnffo- 
artiges.  Die  Cavatine  des  Amor  Me  credendo  ist  ein  artiges  Stro- 
phenlied;  eben  so  liegt  in  seiner  Anette  In  quel  che  volgi  a  me 
etwas  einschmeichelndes  nnd  verlockendes ,  das  Dnett  n.  21 ,  in 
welchem  Venus  den  verliebten  Aronte  hänselt,  hat  etwas  iro- 
nisch-neckendes.  Aus  dem  Ganzen  geht  hervor,  dass  der  sonst 
so  ernste  Componist  sich  auf  ein  ihm  femer  gelegenes  Gebietb 
des  heiteren  Verkehres  einliess  und  darauf  nach  seiner  Weise  mit 
Anstand  freier  bewegte. 

15.  Le  Nozze  di  Aurora.  Festa  teatrale  per  musica  (1 722).  Text 
von  P.  Pariati*.  —  Cantano. Nel  prologo:  Iride  e  due Cori.  — 
Nella  festa:  Giove  —  Giunone  —  Aurora  — ^^Titone  -r-  Diana  — 
Imeneo  — Amore — Mercurio — Destino. —  Alle  Götter  geben  sich 
Mlihe,  Tithon  mit  Aurora  zu  verbinden :  Eeus,  Juno,  Amor,  Hyme- 
näus,  Mercur ;  Tithon  und  Aurora  willigen  ein,  die  wohIerzo*gene 
Götterprinzessin  Aurora  dringt  auf  einen  ausdrücklichen  Befehl 
des  Göttervaters  Zeiis,  auch  den  erhält  sie;  nur  Diana  macht 
einige  Einstreuungen,  damit  die  Handlung  nicht  zu  rasch  ablaufe. 
Uebrigens  scheint  es  im  Olymp  ganz  ähnlieh  zuzugehen,  wie  es 
auf  der  Erde  bei  der  Vermählung  der  Erzherzogin  Amalie  mit 
dem  Kronprinzen  Karl- Albert  von  Baiem  zugegangen  sein  mag, 
denen  die  Licenza  zum  Schlüsse  die  schönsten  Dinge  wünscht  und 
prophezeit.  —  Der  Text  leidet  mitunter  an  argen  Längen  und  auch 
der  Componist  wird  darunter  gelitten  haben,  welcher  sich  nur 
durch  außgiebige  Recitative  retten  konnte  um  den  vielen  Arien  ftor 
die  reichbetzte  Göttertafel  und  die  zahlreichen  Chöre  zu  genügen, 
welche  die  meisten  Arien  umrahmen.  Die  Musik  der  ganzen 
Oper  athmet  Heiterkeit  und  Festlichkeit,  angemessen  der  Zeit 
und  dem  Orte,  zugleich  auch  in  manchen  Arien,  besonders  in  der 
Arie  Toglieste  me  eine  Leichtigkeit  und  Grazie  der  melodiösen 
Erfindung,  welcher  die  ultramontanen  Vorbilder  nicht  vergeblich 
da  gewesen  sind.  Zu  den  Zierden  gehören  auch  zwei  Duette  und 
um  auch  den  Mann  der  Teorbe,  Franc.  Conti,  auf  den  Kampf- 
platz zu  ftlhren,  ist  die  Sopranarie  Se  chiedi  al  pino  mit  brillanter 

1  Beil.  Vni.  584  und  X.  314. 


Fax,  Opern.  209 

Teorbenbegleitnng  gesetzt.  Kurz  Meister  Fnx  hat  sich  mit  allen 
Ehren  ans  seiner  Sache  gezogen. 

16.  CoMtama  e  fariezza.  Festa  teatrale  (1723).  Text  von 
Pietro  Pariati*.  — Attori:  Publio  Yalerio  Pnblicohi  — Por- 
senna,  S^  di  Etmschi  —  Tito  Tarqninio  —  Valeria^  figlinola  di 
P.  Valerio  —  Clelia,  nobile  Bomana  —  Orazio  —  Mozio  —  Er- 
minio;  figliuolo  cU  P.  Valerie  —  U  fimne  Teyere  —  H  Genio  di 
Roma  —  Diversi  Cori.  —  Der  Wahlspruch  Kaiser  Karl  VI. :  C4mr 
stantia  et  fartitudine  gab  dem  Verfasser  des  Textes  Veranlms- 
sang  zun  S^jet  dieser  Festa  teatrale  die  Verherrlichung  der  römi- 
schen Costanza  e  Fortezza  zu  wählen ,  welche  sich  in  den  be- 
kannten Scenen  der  Vertheidigung  der  Tiberbrttcke  durch  Hora- 
tins  Cocles,  des  Verbrennens  der  eigenen  Hand  durch  Mutius 
Scäyola,  nachdem  er  nicht  Porsenna,  wie  er  beabsichtigte,  son- 
dern dessen  Geheimschreiber  erdolcht  hatte  und  durch  die  Flucht 
der  Clölia  mit  den  mitgefangenen  Geiseln  durch  die  Tiber  dar- 
stellt. Porsenna^  bereits  an  den  Thoren  von  B/om  stehend,  um 
T.  Tarquinius  als  König  dort  einzusetzen,  gibt  sowohl  dieses 
Vorhaben  als  auch  seine  Bewerbungen  um  Valeria,  die  edle 
Bömerin  auf  und  biethet  die  Hand  zum  Frieden.  —  Nebenbei 
gehen  mehrere  sich  kreuzende  Bewerbungen  um  Clölia  durch 
T.  Tarquinius,  Horatius  und  Erminins,  dann  der  Valeria  durch 
Porsenna  und  Mutius,  welche  Gelegenheit  zu  verschiedenen 
musicalischen  Situationen  geben.  Ein  Doppelchor  singt  am 
Schlüsse :  Fan  Cottanza  e  Fwrtezza  i  sammi  EroL  —  Es  war  nicht 
blos  die  äussere  Pracht,  welche  auf  die  Darstellung  dieser  Oper 
bei  der  Krönung  in  Prag  verwendet  wurde,  ausserdem  wirksamst 
unterstützt  durch  die  besten  Kräfte  der  Hofkapelle  und  der  gela- 
denen zahlreichen  Instrumentalvirtuosen,  wie  Quantz  u.  v.  a.,  wo- 
durch der  glänzende  Erfolg  erzielt  wurde,  es  kam  hinzu  auch  die 
Bedeutung  der  Handlung,  die  kunstreiche  kraftvolle,  edle  Musik, 
welche  daran  ihren  unwiderleglichen  Antheil  hatten.  Aus  jeder 
der  41  Gesangsnommem  dieser  Oper  geht  der  Ernst  und  die 
Weihe  hervor,  mit  welchen  Fux  bei  seiner  Aufgabe  war,  zu  dem 
Feste  einer  Krönung  eip  Werk,  seines  kaiserlichen  Gönners  und 
seines  eigenen  Namens  wttrdig  zu  schreiben.  Der  gesammten 

1  Beil.  Vm.  593  und  X.  315. 

iTöVAW,  J.  J.  Fax.  14 


2JL0  Fux,  Opern. 

Mnsik  ist  der  Gharacter  der  Würde  und  der  Kraft  aufgeprägt, 
jede  einzelne  Arie,  auch  die  Liebesecenen,  bleibt  diesem  Charae- 
ter  gemäss  9  wenn  anch  die  darstellenden  Bravoorsänger  bei 
einem  solchen  Feste  an  Bravonrparthien  nicht  leer  ausgehen 
durften,  die  aber  niemals  zu  nichtssagendem  Getändel  herab- 
sanken. Vor  allem  bedeutend  und  voll  Leben  sind  die  Chöre: 
schon  der  erste  Doppelchor  am  Eingang  der  Oper  lässt  die  bei- 
den Heereslager  der  Etrusker  und  Römer  ihr  y,Ceda  Roma^  und 
„Roma  nonpavenia^j  gleicherweise  am  Schlüsse  des  dritten  Actes 
ihr  „Pac^"  und  ^Guerrä^  wie  herausfordernde  Schlachtenrufe  ein- 
ander kräftig  entgegentönen,  und  bei  jedem  bedeutenden  Fort- 
schritte der  Handlung  treten  die  Chöre  als  Massentheilnehmer 
ein.  Mit  besonderer  Vorliebe  ist  femer  der  instrumentale  Theil  die- 
ser  Oper  behandelt,  da  vorzüglich  in  der  feierlichen  zweichörigen 
Ouverttlre  auch  der  Contrapunktist  mit  seinen  wirksamen  Mitteln 
zur  Stelle  war.  Unter  den  reichen  Begleitungen  geht  im  Chor  der 
Flusse  (n.  4)  eme  die  Wellenbewegung  sehr  glücklich  mahlende 
Figur  durch  das  ganze  Stück  mit,  und  die  Wirkung  des  gebun- 
denen Stiles  im  Freien  hebt  schon  Quantz  hervor,  welcher  der 
ersten  Vorstellung  beiwohnte.  Wenn  ihm  später  aus  seiner  Jn- 
genderinnerung.  vorschwebte ,  dass  die  Musik  mehr  kirchenmässi- 
ges  als  theatralisches  an  sich  gehabt  habe,  so  muss  ihm  diese  Er- 
innerung sich  verdunkelt  haben.  Die  Musik  ist  wohl  durchaus  ernst 
und  festlich,  aber  doch  weit  entfernt  vom  Kirchlichen,  das  Fux 
in  ganz  anderer  Weise  auffasste,  vielmehr  klingen  aus  dieser 
wie  aus  andern  dramatischen  Compositionen  jener  Zeit  die  Con- 
cessionen,  welche  Fux  dem  Verlangen  der  Zeit  gemäss  gewissen 
welschen  Opemwendungen  in  der  Melodie  machte,  heraus,  von 
denen  in  seinen  Kirchenwerken  keine  Spur  anzutreffen  ist,  ab- 
gesehen davon,  dass  das  lyrische  Element*  erhöhter  subjectiver 
Empfindung  nur  in  seinen  Opern  überhaupt  und  in  dieser  insbe- 
sondere den  geeigneten  Platz  fand.  Da  die  Chöre  so  häufig  und 
bedeutend  eintreten,  war  zu  erwarten,  dass  Fux  bei  mehreren  der- 
selben die  Madrigalform  nicht  bei  Seite  liess,  besonders  da  auch 
die  Chortexte  der  epigrammatischen  Wendung  am  Schlüsse  nicht 
entbehren.  Es  wird  nicht  fehlgegriffen  sein  zu  behaupten,  dass  Fux 
selbst,  als  er  gichtkrank  in  Prag  der  ersten  Aufführung  seiner 


Fux,  Opern.  .211 

Opei  als  Zuhörer  beiwohnte,  mit  diesem  seinen  Werke  znfneden 
war :  YoUe  Ursache  hatte  er  mindestens  dazn. 

17.    La   C&nma  d  Arianna.    Festa  teatrale  (1726).  Text 
von  P.  Pariati*,  —  Personaggi:  Venere  —  Teti  —  Arianna  — 
Bacco  —  Peleo  —  Simardo,  principe  di  Nasso  —  Asterio,  am- 
bassiatore.  —  Das  St^et  dieses  theatralischen  Mnsikfestes  behan- 
delt die  Mythe  der  Yermählong  der  Ariadne  mit  Bacchns.  — 
Ariadne  ist  von  Thesens  verlassen  nnd  mn  diesen  klagend  auf 
Kaxos  zurttckgeblieben.  Bacchus  voik  seinem  Siegeszuge  in  Indien 
zurückgekommen  findet  sie  und  wird  von  ihrer  Schönheit  ent- 
zückt. Die  Klagen  um  Theseus  werden  immer  schwächer,  durch 
Vermittlung  der  Venus  und  das  Geschenk  einer  Krone,  die  den 
Kununer  vergessen  macht,  verstummen  sie  gänzlich  und  schliess- 
lich willigt  Ariadne  in  die  Verbindung  mit  Bacchus.  Um  diese  gar 
zu  einfache  Handlung  etwas  zu  verwickeln,  erscheinen  noch  zwei 
Bewerber  um  Ariadne:  Peleus  und  Asterios,  welche  aber  ohne 
Schwierigkeit  beseitigt  werden,  indem  durch  Verknpplung  der 
Venus  Peleus  mit  Thetis  verbunden  wird,  Asterios  einfach  nach 
Creta  sich  zurückzubegeben  hat.  Zum  Schlüsse  kündigt  Bacchus 
der  Geliebten  an,    dass  die  Krone  der  Ariadne   zum  Lohne 
treuer  (? !)  Liebe  unter  die  Sterne  werde  versetzt  werden.  — 
Schon  aus  der  grossen  Zahl  der  Gesangstücke  (35),  noch  mehr  aus 
den  vielen  Tänzen  und  Decorationen ,  welche  auf  dem  bekannten 
Teiche  der  Favoritä  ihre  Pracht  verdoppelt  entfalten  konnten, 
geht  hervor,  dass  dieses  Musikfest,  ungeachtet  es  aus  einem  ein- 
zigen Acte  bestand,  zu  den  grossen  Schaustellungen  gezählt 
werden  muss.  Dass  übrigens  diese  Götterhofgeschichte  auf  ge- 
.ringe  menschliche  Theilnahme  berechnet  sein  konnte,  ist  im  vor- 
aus klar,  man  war  befriedigt,  eine  Reihe  abwechselnder  Musik- 
stücke von  den  ersten  Gesangskünstlem  zu  vernehmen,  in  wel- 
chen kaum  mehr  als  die  Situation  der  Personen  im  Momente  des 
Vortrages  in  der  musicalischen  Auffassung  berücksichtigt  wurde. 
Diesem  wurde  in  jeder  Hinsicht  genügt,  sogar  für  einen  mythi- 
schen Semibuffo  in  der  Person  des  Bothschafters  Simardo  ge- 
sorgt, imd  daher  eine  concertartige  Festmusik  in  jedem  Sinne, 
wenn  auch  mit  geringer  dramatischer  Wirkung^  gebothen.  —  Das 

1  BeiL  Vm.  626  and  X.  817. 

14* 


212  Fux,  Opern. 

Wiener  Diariiun  vom  28.  August  1726  bemerkt  ttber  die  .Auf- 
nahme der  ersten  Aufführung,  dass  „diese  Opera  bei  den  kaiser- 
lichen Majestäten  allergnädigstes  Wohlgefallen,  und  bei  dem 
ganzen  Hofstaat  und  Adel  ein  allgemeines  Lob  gefunden  hat". 

18.  Enea  negli  Elisi  ovvero  //  Tempio  delV  Etemitä,  Festa 
teatrale  (1731).  Text  von  Metastasio^ —  Interlocutori:  Dei- 
fobe  —  Enea  —  L'Eternitä  —  La  Gloria  —  La  Virtü  —  II 
Tempo  —  L'  ombra  di  Anchise  —  L'  ombra  di  Lino  —  L'  ombra 
d'  Orfeo  —  Cori.  Das  St^et  jsttttzt  sich  (nach  Virgil)  auf  Aeneas' 
Besuch  in  der  Unterwelt.  Dort  findet  er  die  Zeit,  die  Ewigkeit, 
die  Tugend ,  den  Buhm  beschäftigt  ein  Bild  zu  entwerfen  von  der 
in  fernster  Zukunft  erscheinenden  Römischen  Kaiserin  Elisa  und 
ihrem  Geburtslage.  Zum  Schlüsse  findet  Aeneas  den  Schatten 
seines  Vaters  Anchises,  doch  auch  dieser  lenkt  seine  Aufmerk- 
samkeit auf  die  Kaiserin,  welche  durch  die  Römer  und  den 
Römischen  Kaiser  mit  Aeneas,  dem  Grttnder  des  Römischen  Vol- 
kes in  Verbindung  stehe.  —  War  es  schon  ein  sonderbarer  Ein- 
fall Metastasio's,  dass  man  in  der  Unterwelt  nichts  eifriger  zu 
thun  weiss,  als  eine  nach  Jahrtausenden  mögliche  Fürstin  mit 
allen  Vollkommenheiten  auszustatten,  so  war  es  eine  noch  bizar- 
rere Zumuthung  durch  eine  Reihe  von  Schatten  der  Unterwelt 
und  durch  gestaltlose  J^ersonificationen  irgend  ein  dramatisdies 
Interesse  erwecken  zu  wollen ;  denn  der  einzig  mögliche  Moment 
dazu,  das  Begegnen  von  Vater  und  Sohn  wird  vom  Dichter  ganz 
als  Nebensache  behandelt.  Wenn  also  Fux,  nur  durch  die  gewähl- 
tere melodiösere  Sprache  unterstützt  wie  es  scheint,  sogar  mit  einer 
gewissen  Wärme  nur  den  Wortlaut,  nicht  die  Handlung  (denn 
diese  war  null)  berücksichtigend  eine  Anzahl  dankbarer  Musik-, 
stücke  von  Werth  niederschrieb,  so  dürfte  jedenfalls  seine  be- 
geisterte Anhänglichkeit  an  das  kaiserliche  Haus  einen  wesent- 
lichen Antheil  daran  gehabt  haben. 


Im  Jahre  1731  sollte  den  alten  hilfsbedürftigen  Mann  noch 
eine  schwere  Heimsuchung  treffen:  am  8.  Juni  starb  seine  Gattin 
Juliane  \  durch  35  Jahre  die  treUe  Freundin  und  theilnefamende 
Pflegerin  in  seineä  langwierigen  Leiden.  Fux  fühlte  sich  durch 

1  Beil.  VIII.  679  und  X.  318.      «  Todtenprot.  Beil.  I.  21  [5]. 


Fux,  Chronik.  213 

diesen  Todesfall  so  erschüttert;  dass  er  sich  im  nächsten  Jahre 
1732^  daran  machte ^  sein  Testament  aufzusetzen,  in  welchem 
er  seine  brave  Nichte  Eva  Maria  Fux,  die  seit  mehr  als 
30  Jahren  im  Hanse  ihres  Oheims  als  Adoptivkind  gelebt  hatte, 
zur  Erbin  einsetzte.  Ihr  war  es  auch  vorbehalten  ihrem  Wohl- 
thäter  die  letzte  Treue  zu  erweisen.  Neben  ihr  lebte  zugleich  ihr 
unmündiger  verwaister  Bruder,  Matthäus  Fux,  als  Adoptivsohn 
im  Hause,  fbr  den  der  Oheim,  ungeachtet  er  ihm  ein  bedeuten- 
des Legat  vermacht  hatte,  dennoch  weitere  Schritte  um  einen  Er- 
ziehungsbeitrag bei  dem  Kaiser  unternehmen  zu  müssen  glaubte. 

Schon  im  Jahre  1727  hatte*  Fux  dem  Kaiser  ein  Gesuch 
überreicht,  worin  er  um  einen  Erziehungsbeitrag  ftlr  seinen  sie- 
benjährigen Neffen  bittet,  den  er  neben  dessen  Schwester  an 
Kindesstatt  angenommen  hatte.  In  seiner  Eingabe^  dankt  Fux 
zuerst  für  die  im  Jahre  1721  bewilligte  Pensions- Abfertigungs- 
summe von  8000  fl.  für  seine  eventuelle  Witwe,  und  bittet  für 
seinen  Neffen,  der  gute  Talente  verrathe,  aber  erst  sieben  Jahre 
alt  sei  und  ihm  in  seinem  hohen  Alter  die  Vollendung  seiner  Er- 
ziehung nicht  voraussehen  lasse,  in  fernerem  Anbetracht  seiner 
eigenen  vieljährigen  Dienste  um  einen  Erziehuiigsbeitrag.  In 
dem  Gutachten  über  dieses  Gesuch'  hat  die  Concertations-Com- 
mission  (der  Obersthofmeister  mit  dem  Finanzminister)  zwar 
*„des  Supplicanten  (Fux)  besondere,  ganz  offenkundige  virtü, 
nebst  seinen  seit  1698  zu  vollständiger  Satisfaction  geleisteten 
guten  Dienste  und  andurch  erworbenen  Meriten  gar  wohl  er- 
kannt^ wagt  es  aber  nicht,  besonders  in  Anbetracht  der  hohen 
Besoldung  und  der  vor  wenigen  Jahren  erhaltenen  8000  fl.  auf 
eine  Gnadengabe  für  den  Neffen  einzurathen.  —  Darüber  er- 
theilte  der  Kaiser  keine  Resolution,  was  einem  abschlägigen  Be- 
scheide gleichkam. 

Im  Jahre  1733,  9.  April  erneuert  Fux  sein  Gesach*  um 
einen  Beitrag  zur  Prosequierung  der  Studien  für  seinen  Neffen 
Matthäus,  bis  ersieh  zu  einer  Dienststelle  fähig  gemacht  haben 
würde.  Der  Obersthofmeister  beantragt  darüber*,  dass  dem  Sup- 
plicanten Gnade  genug  sein  könnte,  „wenn  der  Kaiser  dem  adop- 

■ 

1  Beil.  I.  5.  a  Beil.  U.  13.  »  Beil.  n.  14.  *  Beil.  H.  15.  »  Beil. 
n.  16. 


214  Pux,  Chronik. 

tirten  dreizehnjährigen  Sohn  Matthäus  nicht  jetzt  gleich,  sondern 
a  die  des  sapplicierßnden  KapeUmeisters  erfolgten  Todfalles 
bis  zu  des  Knaben  eintretender  Vogtbarkeit  jährlich  400  fl.  ailer- 
mildest  verwilligen  wollte^. 

Darüber  erfolgt  des  Kaisers  eigenhändige  Besolution:  „Soll 
ihm/ was  ein  Scholar  Gehalt  erhält,  geben  werden^. 

Damit  waren  jährlich  360  fl.  bewilligt.  —  Wenn  es  auf  den 
ersten  Anblick  befremden  kann,  dass  Fax  nach  so  oft  wieder- 
holten Onadenbezengnngen  nicht  absteht,  um  neue  VergtLnsti- 
gungen  zu  bitten,  so  ist  zu  bedenken,  dass  die  AengstUchkeit^ 
mit  dem  Vorhandenen  nicht  auiSzukommen,  eine  im  hohen  Alter 
nicht  seltene  Erscheinung  ist,  besonders  wenn  man  aus  drücken- 
den Verhältnissen  in  der  Jugend  sich  emporarbeiten  musste.  Da 
diese  Sorge  überdies  einen  armen  nahen  Verwandten  betraf, 
den  Fux  zugleich  nach  seinem  Ableben  in  Verbindung  mit  dem 
kaiserlichen  Hofe  wissen  woUte,  so  wird  diese  Sorge  dadurch 
wenn  auch  nicht  begründet  doch  erklärbar.  Sicher  ist  aber,  dass 
die  Grossmuth  des  Kaisers  von  mehreren  Kunst-  und  Zeitgenossen 
des  Fux  in  weit  auffallenderer  Weise  ausgebeutet  wurde,  und 
man  weiss,  wie  verführend  solche  Exempel  in  ähnlichen  Lagen 
zu  wirken  vermögen. 


XIV. 

Die  kaiserliehe  Hofkapelle  unter  Ihrem  Kapellmeister  Fax 

(1716-1740). 

Ungeachtet  Fnx  bis  an  sein  Ende  als  Hofkapellmeister  ftin- 
gierte,  so  brachte  es  doch  seine  körperliche  Schwäche  mit  sich, 
dass  er  als  Dirigent  der  Musik  seit  lange  durch  seinen  Vice- 
EapeUmeister  Antonio  Caldara  sich  vertreten  lassen  musste, 
bis  auch  dieser  am  28.  December  1736,  66  Jahre  alt,  mit  Tode 
abgieng.  Fux  war  nun  ohne  Yice-Kapelhneister,  bis  zum  6.  Febr. 
1739,  wo  von  Fux  empfohlen,  Luca  Antonio  Predieri  in 
diese  Stelle  eintrat  und  1 746  selbst  Hof  kapellmeister  wurde. 

In  dieser  letzten  Periode  des  Wirkens  unseres  Fux  waren  im 
Hof-Musikstatus  mehrfache  Veränderungen  vorgegangen ,  welche 
an  die  Vergänglichkeit  irdischer  Grösse  mahnen  konnten:  Der 
Cavagliere  Direttore  di  musica,  Principe  Luigi  Pio  machte, 
da  er  1732  Gesandter  bei  der  Republik  Venedig  geworden  war, 
Pkttz  dem  Grafen  Ferdinand  Lamberg,  mit  dem  Fux,  wie 
es  scheint,  ohne  Conflicte  siel;  benelmien  konnte.  —  Von  den  Com- 
positoren  war  der  geniale  Francesco  Conti  am  20.  Juli  1732, 
Carlo  Ag.  Badia  am  23.  September  1738  durch  den  Tod  aus 
der  bereits  sehr  gelichteten  Reihe  der  grossen  Hofcomponisten 
geschieden.  Neue  Kräfte  mussten  herbeigezogen  werden,  die 
Lttcken  zu  fllUen,  darunter  einige' nicht  unbedeutende  Talente, 
wie  Georg  Reutter  der  jüngere,  welcher  wegen  seiner  Brauch- 
barkeit  von  Fux  viele  Anerkennung  erfuhr  und  am  1.  März  1731 
Hofcompositor  wurde.  Nach  dem  Tode  des  Fux  wurde  er  anfangs 
zweiter,  dann  erster  Hof  kapellmeister,  entsprach  aber  den  geheg- 
ten Erwartungen  wenig.  Matteo  Palott a  wurde  1733  vom 
Kaiser  zum  Compositor  ernannt,  1741  entlassen,  1749  aber 
reactiviert,  ohne  dass  über  seine  Thätigkeit  erhebliches  bekannt 
geworden  wäre.  Georg  Christian  Wagenseil,  ein  Schüler 
des  Fux,  wurde  zugleich  mit  Giuseppe  Benno  im  Jahre  1739 


216  Fux  als  Hofkapellmeister. 

m 

Hofcompositor;  von  denen  dem  von  Fnx  als  minder  begabt  er- 
klärten Bonno  in  spätem  Alter  (1.  Februar  1774)  die  Hofkapell- 
meister-Stelle zufiel,  während  Wagenseil  sich  niemals  ttber 
den  Hofcompositor  erheben  konnte.  Die  jungen  Kräfte  Hessen  es 
gewiss  nicht  an  Fleiss  und  Eifer  fehlen,  sie  leisteten  was  sie 
konnten,  aber  sie  vermochten  eben  nicht,  den  Glanz  und  Buhm 
der  Hofkapelle  zu  erhalten,  welche  ihnen  die  ausgeschiedenen 
grossen  Yormänner  als  ein  gefährliches  Erbe  zurückgelassen 
hatten.  • 

Von  Compositionen  des  Fux,  welche  in  dieser  letzten  Periode 
zur  Aufführung  kamen,  wird  nur  bei  zwei  Anlässen  erwähnt.  Es 
war  im  Jahre  1736  bei  der  Vermählung  der  Erzherzogin  Maria 
Theresia  mit  Herzog  Franz  von  Lothringen,  wo  das 
grosse Tedeum ^  gemacht  wurde,  und  bei  dem  Tode  des  Prinzen 
Eugen,  wo  dem  sinkenden  Sterne  Oesterreichs  das  öfter  er- 
wähnte grosse  Bequiem  von  Fu«  die  letzten  Ehren  erwies. 

Nahe  dem  Ende  seiner  Ettnstlerlaufbahn  können  wir  die 
Gesammtthätigkeit  des  Hofkapellmeisters  Fux  tibersehen, 
wozu  er  durch  die  glücklicherweise  erhaltenen  zahlreichen  amt- 
lichen Gutachten  ein  äusserst  schätzbares  Material  zu  seiner  eige- 
nen Würdigung  zurückgelassen  hat. 

Schon  in  der  Natur  der  Sache  liegt  es,  dass  die  Stellung  des 
Kapellmeisters  eines  zahlreichen  Musikkörpers  an  einem  glänzen- 
den Eaiserhofe,  wo  so  viele  grosse  «und  kleine  Interessen  in  be- 
ständiger Beibung  sind,  mit  nicht  geringen  Schwierigkeiten 
verbunden  sein  müsse  und. dass  kein  unbedeutendes  Mass  von 
Selbständigkeit  und  Klugheit  dazu  gehöre,  sich  darin  wie 
Fux  durch  25  Jahre  mit  allen  Ehren  zu  behaupten.  Das 
dornenvolle  einer  solchen  Stellung  steigerte  sich  noch  dadurch, 
dass  die  tonangebenden  Hofcavaliere  nicht  blos  Deutsche,  sondern 
auch  Italiener  und  Spanier  waren  und  unter  den  Musikern  selbst 
der  Vice-KapeUmeister  und  die  Compositoren,  dann  der  Chor  der 
männlichen  und  weiblichen  Sänger ,  so  wie  ein  Theil  der  Instru- 
mentisten  Italiener  waren.  Aber  keine  Klugheit  und  Festigkeit 
dürfte  ausgereicht  haben,  dass  der  Deutsche,  Fux,  gegenüber  den 
grossentheils  widerstrebenden  fremden  Elementen  erfolgreich  die 

1  BeU.  X.  270. 


F  u  X  als  HofkapellmeiBter.  217 

Stirne  gebothen  hätte,  wäre  er  nieht  eines  kräftigsten  Rückhaltes 
in  der  Person  des  Monarchen  versichert  gewesen.  Diesen  Rflck- 
halt  j  auf  den  er  sich  in  seinen  Gutachten  öfter  —  auch  zum  Mis- 
yergnflgen  des  Obersthofimeisters  —  bezieht,  verdankte  aber  Fux 
keiner  andern  Protection ,  als  dem  Namen  und  Ansehen,  welches 
er  sich  durch  seine  eminenten  Fähigkeiten  in  trefiftichen  Com- 
Positionen,  durch  seinen  Gradus  ad  pamassum,  durch  die  Schüler, 
welche  von  ihm  ausgiengen,  verbunden  mit  einem  durchaus  ehren- 
haften Character  zu  erringen  wusste.  Dieses  Ansehen  behielt  er 
auch  zu  einer  Zeit,  wo  seine  körperliche  Gebrechlichkeit  und 
zuletzt  sein  hohes  Alter  ihn  an  der  vollen  Ausübung  seiner  Be- 
rufspflicht nach  seinem  eigenen  Geständnisse  vielfach  hinderlich 
waren  und  daher  seinen  Gegnern  willkommene  Blossen  gegeben 
hatten.  Dessungeachtet  beliess  ihn  sein  Kaiser  unangefochten 
an  der  Spitze  der  Musik,  welche  er  so  trefflich  zu  leiten  verstand. 
Es  lag  durchaus  keine  Ueberhebung,  sondern  nur  gerechtes 
Selbstgeftlhl  der  Bedeutung  seiner  Stellung  zu  Grunde,  wenn 
Fux.  das  Andringen  Mattheson's  um  biographische  Daten  ableh- 
nend mit  den  Worten  schliesst:  „Indessen  sei  mir  genug,  dass 
ich  würdig  geschätzt  werde ,  Garoli  VI.  erster  Kapelhneister  zu 
sein^^.  Auch  dem  Dilettanten  Principe  Pio  di  Savoja,  der  sich 
als  Capo  della  Musica  imperiale  gerieren  wollte,  stellt  er  ent- 
gegen, dass  die  Direction  der  Musik  von  niemand  als  einem  in 
arte  perüo  der  Gebühr  nach  versehen  werden  könne  * ,  da  ttber- 
diess  „in  der  kais.  Instruction  articulo  13^  die  Kapellmeister  für 
Capi  der  Musik  erkläret  seien. ^  Sogar  der  Meistertitel  in 
der  Musik ,  erklärt  Fux  gelegentlich ,  „könne  keinem  mit  Recht 
beigelegt  werden ,  welcher  die  Composition  nit  aus  dem  Grunde 
versteht^ .  Die  Entschiedenheit,  mit  welcher  er  in  der  Beschwerde- 
schrift gegen  den  Protettore  Principe  Pio ,  einem  ausgesproche- 
nen Günstlinge  des  Kaisers  entgegentritt  und  bittet,  dass  die 
Kapellmeister  bei  ihren  alten,  zur  Besorgung  des  kais.  Dienstes 
so  nothwendigen  Gerechtsamen  geschützt  werden ,  gieng  jedoch 
nicht  dahin,  sich  mit  seinen  vorgesetzten  Behörden  und  Personen 
in  schroffe  Gegensatz  zu  bringen,  im  Gegentheile  bittet  er  am 
Schlüsse  seines  ersten  Musikreferates  ^  als  Hof  kapellmeister  (17 15) 

1  Beil.  in.'4.      2  Beil.  n.  23.      »  BeU.  VL  19. 


218  Fax  als  Hofkapellmeister. 

den  Obersthofineister^  „er  möchte  sieh  belieben  lassen,  sein  in  der 
Wahrheit  und  Aafiichtigkeit  gegründetes  Einrathen  mit  Dero  Re- 
ferat nnd  hohen  Protection  zu  secnndieren^  damit  dadurch  gleich 
anfangs  seiner  carica  er  bei  der  Musik  in  Credit  gesetzt  nnd  mithin 
znr  Befbrdemng  Ihre  Majestät  Diensten  ein  hauptsächlicher  Vor- 
schub gegeben  werde" . 

Der  Grundzug,  welcher  durch  alle  seine  Gutachten  bei  An- 
stellungen, Oehalterhöhungen,  Pensionierungen  altverdienter  Mu- 
siker oder  ihrer  Witwen  und  Waisen  hindurchgeht,  ist  Billigkeit, 
Wohlwollen  und  Humanität ,  da  er  oft  das  fbrbittende  Wort  um 
Unterstützung  solcher  Personen  ergreift,  welche  ausserhalb  seines 
Bemfskreises  liegen,  und  sie  mit  grosser  Wärme  zur  Berück- 
sichtigung empfiehlt,  ja  als  der  Aspirant,  Bernardod'Aprile^ 
um  eine  Hofcompositorstelle  einsehritt,  äusserte  Fux,  dass  der 
Supplicant,  wenn  er  mit  ruhigem  Oemüthe  arbeiten  könnte  und 
nit  um  das  tägliche  Brot  fttr  sich ,  Weib  und  sechs  Kinder  sorgen 
mttsste,  Tor  allem  andern  „in  den  hiesigen  Stylum"  sich  schicken 
müsse,  wozu  Fux  das  seinige  beizutragen  bereit  sei.  Wo  Talent 
und  Kunstfertigkeit  hervortrat,  fanden  sie  in  Fux  immer  einen 
warmen  Fürsprecher,  ohne  Unterschied,  ob  die  Individuen  Deut- 
sche oder  Italiener  waren.  Seine  Verträglichkeit  mit  Fremden 
bewies  Fux  vorzüglich  in  dem  Verhältnisse  zu  seinem  Vice-Ka- 
pellmeister  Ant.  Caldara,  der  in  gewisser  Richtung,  besonders 
in  Composition  von  Opern,  die  vorzugsweise  im  Oeschmacke 
des  Hofes  waren,  als  sein  Bival  anzusehen  war.  Ungeachtet 
Caldara  in  untergeordneter  Stellung  einen  höheren  Oehalt  (von 
3900  fl.)  als  sein  Chef  und  eine  bedeutend  grössere  Abfertigung 
(von  12.000  fl.)  für  seine  eventuelle  Witwe  bezog,  ist  doch  nirgend 
ein  Zug  von  Neid  oder  Misgunst  in  den  Gutachten  des  Fux 
gegen  Caldara  zu  bemerken :  Fux  bezeichnet  ihn  immer  als  einen 
Künstler  „von  grosser  Virtü  und  Capacität***,  trat  auch  nicht, 
vne  das  Obersthofmeister-Amt  besorgte^,  mit  gleichen  Ansprüchen, 
wie  jener  hervor,  und  nach  Caldara's  Tode  beftlrwortete  Fux 
sogar  das  Gesuch  seiner  Witwe  um  eine  Pension^.  Besonders 
waren  es  jugendliche  Talente,  die  Fux  mit  Nachdruck  unterstützte 
wie  Max  Hellmann,   Gottfr.  Muffat,  Chr.  Wagenseil, 

1  Beil.  VI.  151.      a  Eb.  16.      «  Eb.  179.      *  Eb.  246. 


F 11 X  als  Hofkapellmeister.  219 

Georg  Rentter  Jan.,  Theresia  Holzhansen  n.  a.;  er 
wnsste  sogar  tttr  die  Schulden  des  genialen  Cimbalisten  M. 
Hei  Im  an  n  die  Entschuldigung,  dass  er  in  diesen  elenden  Noth- 
stand  wohl  auch  aus  der  Jugend  gemeiniglich  angebomen  ttblen 
Wirthschaft  verfallen  sein  mag,  bittet  dringend  um  kais.  Gnade 
,,weil  höchst  schade  wäre  um  dessen  unvergleichliche  und  mit 
grossen  kais.  Unkosten  erlernte  virtt^.  Diese  Nachsicht  hinderte 
aber  nicht,  dass  Fux  in  andern  Fällen  einen  Hofscholar ^  als 
einen  jungen,  verderbten  Menschen  bezeichnet,  der  wegen  unnütz 
gemachter  Schulden  von  3000  ß,  von  Wien  weggetrieben  wurde. 
Als  der  Violinist  E.  GigP  um  eine  Violonistenstelle  ansuchte, 
äusserte  sich  Fux  streng  genug :  '„Da  dieser  Supplicant  den  Yio- 
Ion  niemals  gespielet  hat,  mithin  fbr  einen  Violonisten  mit  Wahr- 
heit sich  nit  ausgeben  kann,  als  folgt  von  sich  selbst,  dass  ich  in 
dessen  vermessene  Anmassung  nit  einrathen  soll^.  Besonders 
empfindlich  wurde  Fux ,  wenn  man  seine  Amtierung  als  Kapell- 
meister angriff.  Als  ihm  von  M.  Jos.  Hammer,  dem  Vater 
eines  jungen  Violinisten  vörgertickt  wurde ,  Fux  habe  den  Hof- 
scholaren Salviati  seinem  Sohne  vorget^etzt . (wobei  aber  Fux 
im  vollen  Rechte  war),  sagt  dieser  am  Schlüsse  seiner  Rechtferti- 
gung': „Ueberlasse  demnach  Ihro  Excellenz  (dem  Obersthof- 
meister), ob  diese  vermessene  Anklage  nit  mit  einem  Verweis 
abzustrafen  sei^.  Dieser  Fall  ist  aber  der  einzige,  wo  ein  Musi- 
ker mit  einer  Beschwerde  gegen  den  Kapellmeister  auftritt. 

lieber  den  Wirkungskreis  des  Musik  -  Oberdirectors 
oder  Gavalier  Protettore  di  Musica,  deren  erster  im 
Jahre  1 709  unter  K.  Josef  I.  erscheint,  erfahren  wir  durch  die  bereits 
erwähnte  Beschwerdeschrift  gegen  den  Principe  Pio  di  Savoja, 
dass  in  der  Instmetion  für  die  Hofkapellmeister,  die  von  K.  Leo- 
pold I.  erlassen,  und  von  seinen  Nachfolgern  K.  Josef  I.  und 
Karl  VL  bestätigt  wurde  ^,  von  einem  solchen  Cavaliere  noch  gar 
keine  Rede  sei  und  die  oberste  Leitung  der  Hofkapelle  jederzeit 
und  in  jeder  Beziehung  dem  Hofkapellmeister*  zugestanden  sei, 
und  später  dem  Cavaliere  nur  die  Protection  und  die  Leitung  der 
Oper,  wahrscheinlich  auch  des  Balletes  und  aller  kleineren  musi- 

1  Beil.  VI.  125.  ^  Eb.  141.  »  £b.  146.  «  Sie  ist  abgedruckt  Beil 
n.  24. 


220  Fux  als  Hofkapellmeister. 

caliechen*  Festins  bei  Hof  ttberlasBen  wurde,  wozu  die  Kapell- 
meister und  Compositoren  die  Compositionen  zn  liefern ,  und  die 
Kapelle  den  grOssten  Theil  der  Sänger  and  sämmtliche  Instm- 
mentisten  zu  stellen  hatten.  Natttrlieh  fiel  auch  das  Einstudieren 
und  Dirigieren  des  mnsicalisehen  Theiles  dem  Kapellmeister  oder 
Vice-Kapellmeister  zu. 

An  kleineren  Reibungen  scheint  es  zwischen  der  Theater- 
porthei  und  der  Hofkapelle  im  engeren  Sinne  nie  gefehlt  zu 
haben ,  wie  ans  einer  gelegentlichen  Bemerkung  des '  Fux  im 
Jahre  1722  wegen  eines  zweiten Copisten  hervorgeht.  Er  schreibt: 
„Zu  K.  Leopold  I.  Zeiten  hatte  das  Theater  andere  und  die 
Kapelle  andere  Copisten ,  darum ,  weil  wenn  Opern,  serviq  di 
camera,  Serenaden  und  Oratorien  zu  copieren  sind,  was  schier 
unaussetzlich  geschieht ,  die  Kapelle  zurückstehen  muss  und  nüt 
Copiatur  nicht  kann  versehen  werden,  gleich  ich  selbst  es  hab 
erfahren  müssen  K^ 

Da  Fux  schon  um  1 723  an  einer  hartnäckigen  chromschen 
Fussgicht  zu  leiden  begann,  so  fiel  von  dieser  Zeit  an  wohl  der 
grösste  Theil  der  Direction  seinem  Yice-Kapellmeister  Ant.  Cal- 
dara  zn,  der  von  seinem  Antritte  im  Jahre  1716  bis  zu  seinem 
Ableben  (28.  Dec.  1 736)  diensttauglich  geblieben  zu  sein  scheint. 
Später  bis  1739  war  Fux  ohne  Yice-Kapellmeister,  wo  hierauf, 
wie  erwähnt,  Luc'  Xntonio  Predieri  als  solcher  eintrat  und 
auch  seinen  KapeUmeister  überlebte.  Allein  ungeachtet  seiner  kOr- 
perlichen  Infirmitäten  versah  Fux  doch  immer  bis  zum  Jahre  1740 
die  Pflichten  seines  Amtes  wenigstens  in  jenem  Theile,  welcher  die 
Gutachten  über  Anstellungen ,  Gehalterhöhungen  und  Pensionie- 
rungen der  Musiker  betraf,  wie  die  noch  vorhandenen  Acten  be- 
zeigen, nur  musste  er  in  den  letzten  Jahren  sich  dabei  einer 
fremden  Hand  bedienen. 

Der  Stand  der  Hofkapelle  war  unter  den  Kaisern 
Leopold  I.  und  Josef  I.  sowohl  im  Chor  der  Sänger  als  der  In- 
stmmentisten  ein*  sehr  ansehnlicher  und  darum  auch  sehr  kost- 
spieliger geworden.  Dieser  letzte  Umstand  und  die  Unordnung  in 
der  Ausbezahlung  der  Gehalte  waren  hauptsächlich  der  Grund, 
warum  auf  kais.  Befehl  (3.  September  1711)*' dem  Obersthof- 

1  Beil.  VI.  81.      2  Beil.  IL  27. 


F uz  als  Hofkapellmeister.  221 

mei8ter  aufgetragen  wnrde  y  „von  den  mnsicis  nur  diejenigen  zu 
behalten,  welche  die  besten  sind,  und  allein  zu  dem  Kapelldienst  er* 
fordert  werden,  die  ttbrigen,  wie  auefa  die  Cantatricinen,  Composi- 
toren  und  was  zu  den  theatris  gehört  zu  lieenfiieren^.  Der  dama- 
lige Vice-Eapellmeister  Ziani  wurde  beauftragt,  den  Vorschlag 
zu  machen,  und  zugleich  die  Gehaltstufen  festzustellen.  Nach 
diesem  Vorschlage  wurden  yon  den  95  wirklichen  Musikern  30 
entweder  einfach  entlassen  oder  pensioniert,  während  der  Rest 
von  65  sich  im  Jahre  1712  in  folgender  Weise  vcalheilte  *: 
1  Kapellmeister,  2  Altisten,  1  Teorbist, 

1  Vice-Eapellmeister,    3  Sopranisten,         3  Fagottisten, 
1  Compositor,  -1  Sängerin,  2  Posaunisten, 

1  Concertmeister,         16  Violinisten,  6  Oboisten, 

3  Organisten,  2  Gambisten,  1  Comettist, 

3  Bassisten, .  3  Violoncellisten,     1  Lautenist, 

4  Tenoristen,  2  Violonisten,  8  musical.  Trompeter. 

Diese  eingreifende  Regulierung  der  Hofkapelle  wurde  Re- 
formation oder  Reformierung,  und  die  ausgeschiedenen 
Musiker  Reformierte,  die  Wiederangestellten  Gonfirmierte 
genannt.  Als  Fux  wenige  Jahre  später  Hofkapellmeister  wurde, 
klagt  er  wiederholt  ttber  die  unglückselige  Reformierung  und 
hatte  wohl  fdr  seine  Person  Grund ,  sie  so  zu  nennen ,  da  er  oft 
genug  mit  Gesuchen  bestttrmt  wird  um  Wiederanstellung  ron 
solchen,  „die  das  Unglttck  hatten  reformiert  zu  werden^.  Wenn 
auch  im  Princip  nicht  zu  misbilligen  war,  dass  das  Uebermass 
minder  tauglicher  Kräfte  eingeschränkt  wurde  und  man  eine 
Ordnung  in  den  financiellen  Haushalt  zu  bringen  suchte ,  so  war 
doch  die  Lage  derjenigen,  welche  keine  andere  als  eine  musi- 
calische Bildung  sich  angeeignet  hatten  und  ihre  Anstellung  bei 
Hofe  fttr  eine  dauernde  betrachten  durften,  durch  die  plötzliche 
Entlassung  ohne  alle  oder  mit  einer  dürftigen  Sustentation  eine  . 
beklagenswerithe  zu  nennen. 

Viel  und  für  die  Dauer  war  auch  durch  die  Reformierung 
nicht  gewonnen,  denn  wenige  Jahre  nachher  (1715)  war  die  "Zahl 
der  bei  der  Hofmusik  angestellten  Personen  auf  100,  im  Jahre  1723 
auf  134  gestiegen  und  es  blieb  auch  bei  dieser  Zahl  bis  1740 

1  Beü.  V. 


222  F  u  X  als  Hofkapellmeister. 

mit  geringer  Schwankung.  Zu  der  Vermehrnng  dieses  Standes  trug 
vor  allem  das  gesteigerte  BedUrfniss  für  die  mit  immer  erhöh^r 
Pracht  ausgestatteten  grossen  Opern  bei.  Wurden  dazu  auch  aus- 
gezeichnete Kräfte  besonders  für  Gesang  ausschliessend  flir  eine 
gewisse  Zahl  von  Vorstellungen  engagiert,  so  fanden  sich  darun- 
ter doch  nicht  wenige ,  die  zugleich  dem  Status  der  Hofmusiker 
einverleibt  zu  werden  sich  bemühten.  Dass  die  Instrumentisten 
weder  an  Zahl  noch  Leistungsfähigkeit  gegenüber  den  Sängern 
zurückbleiben  durften,  war  eine  natürlil^he  Folge.  Dazu  kam  noch, 
dass  schon  damals  ältere  verdiente  Mitglieder  noch  als  activ  mit- 
zählten, obschon  sie  grösstentheils  oder  völlig  dienstunfähig  waren 
und  darum  einen  Ersatz  von  jtlngeren  Kräften  erheischten.  So 
führt  Fux  1732  an,  dass  unter  20  angestellten  Violinisten  nur  12 
dienstfähig  seien,  während  16  zu  Bestreitung  der  Hofdienste 
unumgänglich  nöthig  befunden  wurden  ^  Zum  Theile  wurde  in 
einigen  Abtheilungen,  als  der  Componisten,  der  Organisten,  vor- 
übergehend eine  Ueberzahl  dadurch  herbeigeführt,  dass  befä- 
higte Scholaren  untergebracht  werden  mussten.  Dagegen  trat 
wieder  in  anderen  Zweigen  wirklicher  Mangel  ein ,  wie  bei  den 
Sängern',  wo  im  Jahrel737  zu  Bestreitung  der  Hofdienste  man 
zwei  fremde  Discantisten  und  eben  so  viele  Tenoristen  herbei- 
ziehen musste.  Auch  über  Mangel  an  Altisten  ist  eine  lange  sich 
fortspinnende  Klage  und  die  Ueberzahl  von  7  Organisten  des 
Jahres  1724  war  im  Jahre  1733  auf  zwei  „zum  Dienen  taugliche^ 
herabgesunken. 

•  Ungeachtet  über  die  meisten  Mitglieder  der  Hofkapelle  die 
Gutachten,  welche  später  zusammengestellt  werden,  den  besten, 
ja  in  den  meisten  Fällen  den  einzigen  Einblick  in  die  Leistungs-. 
fähigkeit  der  Einzelnen  gewähren,  so  wird  es  doch  nicht  über- 
flüssig sein,  einige  allgemeine  Betrachtungen  über  den  Stand  der 
Hof  kapelle  unter  Fux  und  ergänzende  Bemerkungen  über  einzelne 
bedeutende  Persönlichkeiten  vorauszuschicken,  welche  in  den 
Gutachten  nicht  erwähnt  sind. 

*Die  Periode  der  Musik,  welche  uns  hier  berührt^,  fällt  mit 
der  Blüthezeit  der  Italiener  zusammen ,.  welche  aber  in  mehreren 

1  Beil.  VI.  193.      ^  £b.  236.      s  Vgl.  K  ö  c  h  e  1 ,  die  kais.  Hof-Muaik- 
kapeile  in  Wien  von  1543  bis  1867.  Wien,  1869. 


F  u  X  als  Hofkapellmeister. .  223 

Zweigen  besonders  der  Instnunentalmasik  in«  den  Deutschen  Ri- 
Talen  fanden.  Die  Oper  blieb  aber  ihren  Texten  ^  Compositoren 
und  Sängern  nach  beinahe  ansBchliessend  italienisch  and  sagte 
dem  Geschmacke  des  Hofes  sichtlich  am  meisten  zu,  wesshalb 
auch  die  deutschen  Compositoren  ^  Fax  nicht  aasgenommen ,  ita- 
lienische Texte  in  Musik  setzen  und  willig  oder  widerwillig  dem 
italienischen  Geschmacke  huldigen  mussten.  Unter  den  italieni- 
schen Componisten  stand  Ant.  Caldara  den  anderen  allerdings 
voran y  ungeachtet  in  einzelnen  Partien  Francesco  Conti 
(1713 — 1732)  trefiniches  leistete ^  und  auch  Carl.  Aug.  Badia 
(1712—1738),  Gius.  Porsile  (1720—1740),  Matt.  Palotta 
(1733—1740)  und  später  Luc.  Antonio  Predieri  (1739— 
1740)  mit  anerkennenswerthen  Leistungen  hervortraten. 

Von  'jüngeren  deutschen  £j-äften  gab  GeorgReutterd.  j. 
(1731_1740)  und  Georg  Christ.  Wagenseil  (1739—1740), 
ein  ausgezeichneter  Schüler  des  Fux,  die  besten  Hoffnungen. 
Dennoch  hat  Fux  1 728  Febr.  Ursache  zu  klagen :  „Dermalen  ist 
ein  Abgang  an  Compositoren,  indem  fast  alle  Arbeit  auf  den  Vice* 
Kapellmeister  Caldara  allein  fällt  ^  ^ 

Unter  den  zahlreichen  Organisten  zeichnet  Fux  vorzüg- 
Uch  seinen  Schüler  Gottlieb  Muffat  (1717—1740)  aus,  zu- 
gleich als  Organist,  als  Componist  und  Informator  im  Cla\der  bei 
den  Erzherzogen;  auch  die  besonders  virtuosen  Dienste  des  Anton 
Karl  Kichter  (1718 — 1740)  werden  von  Fux  hervorgehoben. 

Der  Sänge rchor  bestand  aus  den  gewöhnlichen  Männer- 
stimmen der  Teuere  und  Bässe,  dann  aber  waren  in.frtthester  und 
auch  noch  in  ziemlich  später  Zeit  (bis  1798)  die  Alt-  und  Sopran- 
stimmen zum  Theile  von  Männern  gesungen,  welche  Falsettisten 
Messen,  zwar  nicht  die  völlige  Höhe  der  Knaben-  und  Frauen- 
stimmen erreichten ,  aber  zu  ihrer  Zeit  vocum  miraculä  genannt 
wurden.  Einen  ähnlichen  Namen  wegen  ihrer  Vortrefflichkeit  er- 
hielten in  denselben  Parten  die  Castraten,  welche  ausschliesslich 
Italiener  waren  und  in  der  Hofkapelle  bei  der  Oper  bis  zum 
Jahre  1740  eine  vorzugsweise  Verwendung  fanden.  Allerdings 
ist  bei  jedem  einzelnen  erwachsenen  Sopranisten  und  Altisten 
nicht  mit  Gewissheit  anzugeben,  ob  er  nicht  etwa  Falsettist  war ; 

1  Beü.  VI.  151. 


224  Fnx  als  Hofkapellmeister. 

allein  bei  den  italienischen  Namen  dürfte  die  Annahme  gegen 
einen  Falsettisten  begründet  sein,  während  Niederländer,  Dentsche, 
Spanier  niemals  ein  Contingent  der  Castraten  stellen.  Die  Knaben- 
stimmen waren  in  den  Verzeichnissen  in  der  Regel  nicht  der  Zahl 
nach  angegeben,  sollten  aber  nicht  nnter  der  Zahl  12  gehalten 
werden,  überstiegen  aber  diese  äfter  um  4  bis  7  Individuen  und 
mehr.  Wegen  dieser  Unbestimmtheit  können  sie  bei  der  Verglei- 
chnng  nicht  mitzählen,  dabei  sind  daher  jederzeit  erwachsene 
Sänger  gemeint.    . 

Die  Frauenstimmen  erscheinen  in  grosserer  Zahl  als  Hofsän- 
gerinen  zur  Blüthezeit  der  Oper,  daher  von  1718  bis  1740,  wo 
ihre  Zahl  in  keinem  Jahre  unter  4  herabgieng,  sich  aber  von 
1728  bis  1737  inmier  zwischen  8  und  9  bewegte;  darunter  waren 
2  bis  3  deutsche  gegen  den  Rest  italienischer  Kehlen. 

Die  Stärke  des  ganzen  Chors  erwachsener  Sänger  hob  sich 
in  der  Periode  von  1720  bis  1740  von  30  bis  44,  um  später  nie 
wieder  diese  Zahl  zu  erreichen. 

Unter  den  Namen  von  Sängern  mit  hervorragenden  Leistun- 
gen in  dieser  Periode  sind  hervorzuheben : 

Die  Bässe:  Friedrich  Götzinger  (1711—1735)  mit 
seiner  starken  und  ausgiebigen  Stinune;  Anton  Berti  (1729 — 
1740),  den  Fux  einen  Fundamentalmusicus  nennt;  aber  als  der 
vorzüglichste  Christian  Praun  (1715—1740)  ebensowohl  in 
der  Oper,  im  Kammerdienste,  als  in  der  Kapelle. 

DieTenore:  mehr  der  vorhergehenden  Periode  angehörig 
Silvio  Garghetti  (1702 — 17:^9);  von  Fux  am  höchsten  ge- 
stellt: Christian  Payer  mit  vortrefflicher  Stimme,  auch  in 
welschen  Cantaten  sich  auszeichnend;  Gaetano  Borghi  (1720 
— 1740)  vom  Kaiser  berufen. 

Die'  A-ltisten:  Gaetano  Orsini  (1699—1740),  für 
dessen  vortreffliche  Methode  Fux  nicht  Lobsprüche  genug  findet ; 
Filippo  Anton elli  (1734 — 1740),  von  Loretto  nach  Wien  be- 
rufen; Giuseppe  Appiani  (1739 — 1740)  „ein  Virtuos di prima 
sf era" . 

Die  Soprane:  Domenico  Gen o v es i  (1717 — 1740),  von 
Fux  der  erste  Sopran  der  Hofkapelle  genannt  ;GiuseppeMon- 
teriso  (1716 — 1740),  höchst  verlässlich,  der  beste  Sopran  nach 


Fux  als  Hofkapellmeister.  225 

Genovesi;  Feiice Salimbeni  (17ä3 — 1738),  nach  Wien  beru- 
fen, galt  ftlr  einen  der  edelsten  Opernsänger. 

Die  Sängerinen  Maria  Landini  (Conti)  (1713 — 1732) 
nndM.  A.Loren zoni  (Conti)  (1723—1732),  beide  Sängerinen 
ersten  Banges  mit  Gehalten  von  4000  fl.  —  den  höchsten  üblichen 
—  nach  Wien  berufen  und  angestellt;  Anna  Lisi  Badia 
(1711—1726)  und  Bosa  d'Ambreville  (Borrosini)  (1721— 
1740),  den  vorhergehenden  zurttckstehend;  aus  der  früheren  Pe- 
riode Begina  Scoonians  (1717 — 1740),  — von  Fux  besonders 
hochgestellt  Theresia  Holtzhauser  (Beutter)  (1728 — 1740) 
mit  ihrer  drei  Octaven  umfassenden  gleichen  Stimme  und  selte- 
nen musicalischen  Festigkeit;  Anna  Barbara  Bogenhofer 
(Schnautz)  aus  der  trefflichen  Schule  Gaetano  Orsini's. 

Die  Zahl  der  Instrumentisten  schwoll  von  48  im  Jahre 
1712  —  im  Jahre  1721  auf  73,  welche  in  folgender  Weise  ver- 
theilt  waren : 

6  Organisten,  2  Comettisten, 

23  Violinisten,  4  Fagottisten, 

1  Gambist,  5  Oboisten, 

4  Violoncellisten,  4  Posaunisten, 

3  Contrabassisten,  1  Jägerhomist, 

1  Teorbist,  16  Trompeter, 

1  Lautenist,  2  Pauker. 

Die  Zahl  von  70  und  darüber  hielt  sich  bis  1 740,  hatte  aber 
dabei  mehrere  ganz  oder  theilweise  dienstunfähige  mitgezählt.  — 
Der  Nationalität  nach  treten  aber  in  dieser  Periode  der  Italiener 
immer  mehr  Deutsche  ein,  so  dass  nach  und  nach  die  Italiener 
die  Ausnahme  werden. 

Wir  treffen  in  jener  Zeit  auf  eine  Anzahl  von  Orchester-In- 
strumenten, die  mittlerweile  aus  dem  Gebrauche  geschwunden 
sind,  ohne  einen  eigentlichen  £rsatz  durch  neue  Erfindungen  zu 
erhalten^  sondern  nur  durch  den  zweck-  und  kunstmässigeren 
Gebrauch  der  vorhandenen  überbothen  wurden,  so  beispielsweise 
mehrere  Arten  von  Geigen  u.  dgl.  Von  ganz  neu  erftmdenen 
Orchester-Instrumenten,  die  sich  zugleich  bewährten,  ist  nur  die 
Clarinette  zu  erwähnen;  diese  kam  aber  erst  viel  später 
(1787)  an  der  Hofkapelle  in  Gebrauch. 

Kachel,  J.  J.  Fux.  .  15 


226  Fax  als  Hofkapellmeister. 

• 
Zu  den  später  aufgegebenen  Instrumenten,  welche  in  der 

Hofkapelle  durch  eigene  Individuen  gespielt  wurden  j  gehört  der 

Zinken,  die  Laniie,   die  Teorbe,  die  Viola  da  gamba, 

der  Baryten  und  das  Cymbal.  Die  Componisten  aus  jener 

Zeit  setzten  aber  auch  für  Schalmei ,  Violetta ,  Flute  allemande 

u.  dgl. ,  welche  wahrscheinlich  yon  andern  angestellten  Musikern 

gespielt  wurden,  da  man  früher  sich  nicht  mit  der  Kenntniss  eines 

einzigen  Instrumentes  begnttgte. 

Der  Zinken  (Cometto),  ein  sehr  altes  und  primitives 
Holzblasinstrument,  bestand  aus  einer  geraden  oder  gekrümmten 
Röhre  mit  Löchern  und  einem  trompetenartigen  Mundstück, 
welches  an  das  eine  Ende  der  Röhre  gesteckt  wurde.  Sein  Ton 
soll  ziemlich  scharf  und  rauh  gewesen  sein,  doch  schützte  ihn 
die  lange  Gewohnheit  und  der  Mangel  des  Ersatzes,  welcher  end- 
lich in  der  weiteren  Verbreitung  der  Oboe  gefanden  wurde.  In 
der  Hofkapelle  f&nd  der  Zinken  durch  2  Jahrhunderte  viele  Ver- 
wendung und  war  mit  je  1  bis  3  Bläsern  besetzt.  Der  letzte  Zin- 
kenist starb  1746. 

Die  Läute,  bekanntlich  ein  Saiteninstrument,  dessen  Saiten 
mit  den  Fingern  gerissen  wurden,  ein  wegen  der  endlosen  Ver- 
stimmungen wenig  verlässliches  Werkzeug,  fand  aber  vielfache 
Verwendung  als  Begleitinstnunent  zum  Solo-  und  Chorgesang, 
allein  oder  zugleich  mit  andern  Saiteninstrumenten.  Bei  der  Hof- 
kapelle war  je  ein  Luttinist  seit  dem  Jahre  1566  bis  zum  Jahre 
1728  angestellt.    • 

Die  Teorbe  (Tiorba),  der  Basslaute  nahe  verwandt,  wurde 
in  der  Kirche  und  in  der  Oper  statt  des  Claviers  gebraucht.  Die 
Hofkapelle  besass  in  Francesco  Conti  (1701 — 1732)  den 
ersten  Teorbisten  der  Welt. 

Das  Cymbal,  die  ältere  Form  unseres  jetzigen  Flügels,  wo 
die  Saiten  durch  Stäbe  mit  Rabenkielen  gerissen  wurden,  war 
durch  den  genialen  Max  Hellmann,  einen  Schüler  des 
berühmten  Pantaleon  Hebenstreit  von  1724  bis  1763  besetzt. 

Die  Viola  dagamba,  von  dem  verwandten  Viploncell 
vorzüglich  durch  die  Bünde  auf  dem  Griffbrette  verschieden,  er- 
hielt sich  auch  lange  neben  diesem  und  war  in  der  Hofkapelle 
von  1682  bis  1740  mit  1,  2  bis  4  Gambisten  besetzt,  von  denen 
Franz  Hueffnagel  excellierte. 


Fnx  ala  Hofkapelimeister.  227 

Der  Bary  ton,  der  Viola  da  gamba  ähnlich,  mit  5 — 7  Darm- 
saiten ;  die  mit  dem  Bogen  gestrichen  werden  und  daneben  mit 
8 — 16  Drahtsaiten,  die  mit  der  Spitze  des  Daumens  gerissen 
werden,  fand  in  der  Hofkapelle  nur  zwischen  1721  und  1740  An- 
wendung, ungeachtet  er  von  edlem,  angenehmen  Klange  gewesen 
sein  soll. 

Die  Violine.  So  wie  die  Instrumentalmusik  anfieng  selb- 
ständig anfzutreten,  war  die  Wichtigkeit  der  Violine  im  Orchester 
für  alle  Zeiten  entschieden.  In  der  Hofkapelle  wurden  1712  und 
später  16  Violinisten  zur  Bestreitung  der  Hofdienste  für  unab- 
weislich  nothwendig  befunden ;  man  ttberschritt  diese  Normalzahl 
während  dieser  Periode  bis  27  (1724),  und  dennoch  wurde  1730 
geklagt^,  dass  nur  13,  dann  1732^  dass  gar  nur  12  diensttaug- 
liche darunter  seien,  da  das  Alter  und  körperliche  Gebrechen  be- 
deutende Verheerungen  angerichtet  hatten.  Fux  lobt  beinahe  aus- 
nahmslos die  virtuosen  Dienste  seiner  Violinisten  ^  aber  als  die 
bravsten  unter  den  braven  hebt  er  doch  noch  J.  G.  Hintereder 
(1721—1740),  F.  K.  Pernember  (1727—1740),  Ferdinand 
Grossauer  (1732—1740)  und  Ign.  Stadimann  (1736—1740) 
hervor. 

Das  Violoncell  war  in  der  Hofkapelle  seit  etwa  1680 
neben  der  Viola  da  gamba  in  Verwendung,  brauchte  aber  60  Jahre, 
um  diese  ältere  ßivalin  völlig  zu  verdrängen.  In  der  letzten  Periode 
stieg  die  Zahl  der  Cellisten  bis  4,  aus  denen  Fux  dem  Gio  van  ni 
Perroni  (1721^-1740)  auszeichnendes  Lob  ertheilt.  Den  höheren 
Gehalten  zufolge  mttssen  aber  auch  Pietro  Adö  (1720 — 1740), 
Ant.Rajola(1721— 1740)  und  Franz  Alborea  (1721— 1739) 
virtuose  Leistungen  für  sich  gehabt  haben. 

Der  Contrabass.  Fux  spricht  1722*  „von  den  dermal 
üblichen  so  schweren  Bässen^,  lobt  Andreas  Freitig  (1701  — 
1718),  noch  mehr  aber  Anton  Schnautz  (1721 — 1740),  der  mit 
grösstem  Ruhme  gedient,  „ein  Virtuos,  dergleichen  kaum  mehr  zu 
ho£fen  ist^. 

Die  Posaune  (Trombone)  war  einst  ein  beliebtes  Instrument 
Air  Begleitung  des  Gesanges,  besonders  in  der  Kirche;  man 
componierte  ftir  Alt-,   Tenor-,  Bassposaunen,   auch  noch   ftlr 

1  Beil.  VI.  177.      2  Eb.  193.      »  Eb.  68. 

15* 


228  Fux  ala  Hofkapellmeister. 

eine  vierte.  Fux  hielt  4  Trombonisten  in  der  Hofkapelle  nnam- 
gänglich  nöthig',  erklärt  sich  aber  gegen  die  Quartposanne^ 
welche  der  kais.  Musik  keine  Verbesserung  beitragen  könne  ^, 
sondern  im  Gegentheile  wegen  ihres  unannehmlichen  Klanges  sie 
deteriorieren  würde.  Auf  der  Posaune  excellierte  die  Familie 
Christian  über  ein  Jahrhundert  (1679 — 1783),  Fux  sagte  von 
ihr^,  „dass  dieses  Instrument  denen  Christian  angeboren  sei,  und 
Leopold  christian  sen. (1679 — 1 730)  der  erste  Virtuos  in  der 
Welt  auf  diesem  Instrumente  sei ;  auch  LeopoldChristian  den 
jüngeren  (1712 — 1740)  nennt  er  einen  Virtuosen,  dergleichen 
weder  in  vergangenen  Zeiten,  weder  vielleicht  in  zukilnfligen 
keiner  sich  finden  wird. 

Das  Jägerhorn.  Jägerhomisten,  meint  Fux^,  haben  selten 
und  wenig  Dienst  bei  der  Musik,  und  wusste  von  seinen  2  Horni- 
sten nichts  rühmliches  nachzusagen. 

Die  Tro*mpeter.  Aus  den  *  musicalischen  Trompetern  hebt 
Fux  den  Josef  Holiandt  (1712 — 1740)^  wegen  seiner  raren 
virtü  distinguiert  hervor;  von  Job.  Hainisch  (1730 — 1740)  be- 
hauptet er,  dass  es  ihm  kein  Trompeter  bevorthun  wird,  und  der- 
selbe auch  gewisse  Töne  auf  der  Trompete  erfunden  habe ,  die 
kein  Trompeter  bisher  zuwege  bringen  konnte. 

Der  Fagott.  Von  den  3 — 4  Bläsern  auf  diesem  Instrumente 
wird  von  Fux  Johann  Jacob  Fried erich  (1725 — 1741)®  ein 
ganz  besonderer  Virtuos  genannt,  der  auch  im  Soloblasen  vor- 
züglich ist  ^. 

Die  Oboe.  Die  Vorliebe  für  dieses  Instrument  mnss  zu  An- 
fang des  vorigen  Jahrhundertes  rasch  zugenommen  haben,  da 
dessen  Besetzung  von  1701 — 1711  von  2  auf  6  stieg,  in  den 
Jahren  1712 — 1740  sogar  die  Zahl  9  erreichte.  In  diesem  Instru- 
mente thateu  sich  hervor  als  ausgezeichnete  Virtuosen  aus  der 
Familie  Glätzl  die  drei  Brüder  Franz  (1701—1717),  Roman 
(1701—1727)  und  Xaver  Glätzl  (1705—1726);  femer  An- 
dreas Wittmann  (1721 — 1740);  von  ihm  sagt  Fux ,  derselbe 
sei  auf  seinem  Instrumente  dergestalt  virtuos ,  „als  ich  noch  all- 
Mer  einen  gehört  habe"^  Auch  Johann  Gabrieli  (1705 — 

1  Beil.  VI.  99.  2  Eb.  120.  »  Eb.  102.  *  Eb.  14.  »  Eb.  39. 
6  Eb.  214.        7  Eb.  243.        »  Eb.  57. 


Fux  als  Hofkapellmeister.  229 

1740)  moss  seinem  Gehalte  nach  den  genannten  nicht  nachge- 
standen sein. 


Ausser  diesem  Stamme  virtuoser  Musiker  musste  auch  für 
einen  Ersatz  der  dienstuntauglichen  in  der  kaiserlichen  Hpfka- 
pelle  gesorgt  werden.  Das  BedUrfniss  dazu  stellte  sich  zuvörderst 
bei  den  Knabenstimmen  oder  wie  sie  in  früheren  Zeiten  hiessen 
bei  den  „Cantoreiknaben"  heraus.  Die  erste  Verordnung,  wodurch 
das  Institut  der  Gantoreiknaben  festgestellt  wurde,  wurde 
von  Kaiser  Ferdinand  I.  im  Jahre  1554  erlassen  und  von  seinen 
Nachfolgern  im  Jahre  1567,  1576  und  1612  theils  bestätigt  theils 
modificiert  K  Aus  diesen  Erlässen  geht  hervor,  dass  eine  nach  Be- 
darf wechselnde  Zahl  von  Sängerknaben,  welche  aber  nicht  unter 
die  Zahl  12  herabgehen  dürfte,  unter  Aufsicht  des  Kapellmeisters 
gestellt,  in  allem  beköstigt,  in  der  Musik  ebensowohl  als  in  anderen 
Lehrfächern  unter  eigenen  Meistern  Unterricht  genossen  und  nach 
ihrer  Mutierung  entweder  mit  Reisegeld  in  die  Heimat  geschickt 
wurden,  oder  wens  sie  studieren  wollten ,  noch  einige  Jahre  mit 
einem  Stipendium  versehen  wurden. 

Neben  diesen  Kapellsängerknaben  war  man  auch  bedacht, 
eine  Pflanzschule  fUr  Instrumentisten  und  erwachsene  Sänger  zu 
grtlnden,  welche  Hofscholaren  hiessen  und  ein  Stipendium  von 
360  fl.  bezogen.  Fux  spricht  sich. mehrfach^  über  ihre  Bestim- 
mung und  Beschränkung  aus.  „Scholaren  werden  zu  diesem  Ziel 
und  Ende  gehalten,  dass  Ihro  Majestät  an  guten  Virtuosen  keinen 
Abgang  habe,  und  wenn  selbe  sich  qualiflciert  gemacht  haben,  in 
wirkliche  Dienste  allezeit  ohne  Observation  der  Zahl  angenom- 
men werden.  Anspruch  zu  Hofscholaren  haben ,  welche  an  dem 
kais.  Hofe  entweder  eigene,  oder  von  Vorältern  Meriten  haben." 
Aber  schon  1715  äussert  er^:  „Ich  kann  für  die  Scholaren  nit  ein- 
rathen ,  weil  die  Spesen  bei  der  Musik  immer  höher  steigen  und 
man  nicht  versichert  ist ,  ob  dergleichen  Scholaren  reüssieren 
möchten."  Noch  entschiedener  lautet  ein  Ausspruch  von  1722 
und  1725*:  „Weil  einige  Scholaren,  sich  verlassend  auf  die 
Wirklichkeit  sehr  Übel  bishero  sich  erzeiget,  als  haben  Ihro  kais. 

1  Röchel,  Hofmusikkapelle,  p.  26  f.  124. 126.  »  Beil.  VI.  165.  69. 
79. 105. 191.      8  Eb.  9.      *  Eb.  74. 108. 118. 


230  Fax  als  Hofkapellmeister. 

Majestät  allergnädigst  'resolvieret^  keinen  wirklichen  Scholaren 
*  mehr  zu  halten,  aber  wohl  denjenigen,  welchen  Ihre  Majestät  eine 
Gnad  thun  wollen,  accidentaliter  jährlich  etwas  auszuwerfen.^ 
Durch  diesen  letzten  Ausnahmsfall  war  aber  das  Princip  ziemlich 
erschüttert  und  auch  nach  1725  florierten  die  Hofscholaren  be- 
deutend, denn  ihre  Zahl  war  in  der  nachfolgenden  Zeit  von  5  auf 
7,  9  und  13  gestiegen,  nur  die  letzten  5,  welche  1740  bestanden, 
werden  später  in  immer  verminderter  Zahl  aufgeführt,  bis  sie  um 
1770  ganz  verschwinden.  Die  Gegenstände  des  Unterrichtes 
waren  grösstentheils  Orgelspiel,  daher  auch  Generalbass,  Contra- 
punkt ,  Yiolin ,  Gesang  und  noch  einzelne  Instrumente ,  wie  eben 
ausgezeichnete  Lehrer  und  befähigte  Lehrlinge  sich  zusammenfan- 
den. Unter  den  Meistern  dieser  Epoche  (1715 — 1740)  werden 
genannt:  Joh.  Jos.  Fux  (Gontrapunkt),  Gaet  Orsini,  Chr. 
Praun  (Gesang),  Paul  Alber,  Franz  Reinhard  (Violine), 
Max  Hellmann  (Cymbal),  Franc.  Conti  (Teorbe),  Gottl. 
Muffat  (Ciavier),  Leop.  Christian  sen.  (Posaune).    • 

Den  meisten  der  Hofscholaren  gelang  es ,  Anstellungen 
als  wirkliche  Hofmusiker  zu  erhalten,  allerdings  oft  nach  7,  10, 
12  und  mehr  Jahren;  wie  dies  aus  folgender  Liste  hervorgeht, 
wobei  die  Jahre  ihrer  Lehrzeit  in  Klammem  beig^esetzt  sind : 

Composition:  Christ.  Wagenseil  (1735-.-1739)  — 
Gius.  Bonno  (1738— 1739). 

Orgel:  Gottl.  Mnffat  (1711—1717)  —  Franz  Rn- 
sovsky  (1721—1726)  —  Karl  Math.  Reinhard  (1723— 
1739)  _  Wenzel  Pttrk  (1726— 1739). 

Gesang:  Franz  Timmer  (1709—1728)  —  Anton 
Werndle  (1707—1727)  —  Pietro  Petazzi  (1722—1728)  — 
Jos.  Moser  (1724— 1729). 

Violi-ne:  Joh.  Ign.  Angermayr  (1715?— 1721) —  Fil. 
Salviati  (1718—1727)  —  Franz  Reinhard  (1725—1731) 
—  Jac.Jo8.Wolter(1732— 1736)  — Karl  Jos.  Denk  (1731 
—1737)  —  Ign.  St adl mann  (1734—1741). 

Violon:  Joh.  Ign.  Schnautz  (1735— 1752). 

Posaune:  Leop.  Christian  Sohn  (1725 — 1736).     - 

Aber  nicht  allen  Hofscholaren  wollte  der  Stern  der  „Wirk- 
liohkeit''  aufgehen;  die  Rechenbücher  haben  uns  drei  bemooste 
Häupter  aufbewahrt,  die  nach  einer  langen  Reihe  von  Jahren  als 


F  u  X  als  Hofkapellmeister.  231 

Scholaren  ztir  ewigen  Ruhe  eingehen  mnssten;  diese  waren: 
Jos.  Muffat  (Ciavier),  der  von  1734—1756  dnrch  22  Jahre, 
Joh.  P.  Gumpenhuber  (Cymbal),  ^er  von  1733 — 1767  durch 
34  Jahre,  endlich  Ign.  Conti  (Teorbe),  für  den  Fux  wegen 
kleiner  Compositionen  vergeblich  auf  den  Compositortitel  antrug  \ 
worauf  er  von  1720  bis  1769,  durch  40  Jahre,  als  Scholar  in  den 
Hof  kalendern  paradierte,  bis  ein  milder  Genius  des  Todes  ihm  die 
Augen  schloss. 

Bei  ganz  ungewöhnlichen  Talenten  bewilligten  die  Monar- 
chen auch  fieisestipendien  zu  weiterer  Ausbildung,  besonders 
nach  Rom,  nach  Neapel,  dann  auch  nach  Dresden  zu  dem  berühm- 
ten Cymbalisten  Pantaleon  Hebenstreit.  Allein  die  Referate 
der  Ministerconferenzen  und  des  Fux  selbst  fbhren  nicht  selten 
Klage  darüber,  dass  diese  Stipendisten  auf  Reisen  so  grosse 
Summen  kosten,  um  zuletzt  nur  in  seltenen  Fällen  den  Erwartun- 
gen zu  entsprechen. 


Ungeachtet  im  Vorhergehenden  das  wesentliche  tlber  den 
Bestand  der  Hofkapelle  in  jener  Periode  erwähnt  wurde,  so  dürfte 
doch  durch  die  Aneinanderreihung  der  Gutachten  des  Kapell- 
meisters ,  hervorgegangen  unter  dem  frischen  Eindrucks  der  Ge- 
genwart, ebensowohl  zur  Characteristik  der  einzelnen  Mitglieder 
der  Hofkapelle,  als  auch  ihres  Leiters  und  des  Treibens  hinter 
den  Coulissen  eine  deutlichere  Vorstellung  erzielt  werden,  als 
diess  trockene  Auszüge  vermögen.  Der  endlose  Jammer  über  die 
traurige  Lage  der  Musiker  und  ihrer  Angehörigen  war  wohl  bei 
einem  Theile  derselben  besonders  in  der  üblen  Wirthschaft  und 
der  unregelmässigen  Bezahlung  der  Gehalte  begrtlndet,  wenn  aber 
die  Witwe  Caldara  nach  dem  Tode  ihres  Gatten ,  welcher  3900  fl. 
Gehalt  und  12.000  fl.  Aversionalsumme  ftü*  die  Witwe  bekommen 
hatte,  noch  über  Noth  klagt  und  eine  Pension  anspricht,  dann  wird 
es  wohl  erlaubt  sein  an  der  Stichhältigkeit  solchen  Jammers  zu 
zweifeln. 

1  Beil  VI.  257. 


232  Fux  als  Hofkapellmeister. 


Gutachten  des  Hofkapellmeisters  J.  J.  Fox  ron  171&— 1740. 

Kapellmeister  und  Vice-Kapellmeister. 

Feiice  Sances.  1715.  Ich  weiss  keinen  Kapellmeister, 
welcher  so  viel  geschrieben  hätte ;  als  er  Sances,  massen  mit 
seinen  Compositionen  der  meiste  Theil  der  Kapelle  annoch  ange- 
füllet  sich  befindet.  (VI.  4.) 

1715.  Antonio  Caldara  will  Kapellmeister  oder  erster 
Compositor  di  camera  werden.  „Weil  Ihre  Majestät  von  diesem 
Virtuose;!  vollständige,  ich  aber  wenige  Wissenschaft  habe,  als 
überlasse  dieses  Höchstgedacht  Ihro  kais.  Majestät  a.  g.  Dispo- 
sition". (VI.  16.) 

1730  28.  Jänner.  Derselbe  kommt  ein  um  eine  Zulage  von 
1200  fl.  zn  seiner  Besoldung  von  1600  fl.  und  noch  mit  dem  Bei- 
satze, dass  jene  1200  fl.  seiner  eventuellen  Witwe  zugesichert 
werden.  [Ohne  Gutachten  von  Fux.  Blieb  für  diesesmal  in  sus- 
penso.] (VI.  174.) 

1731  5.  März.  A.  Caldara,  der  bereits  3900  fl.  an  Besol- 
dung und  Adjuta  genoss ,  sprach  nochmals  für  seine  eventuelle 
Witwe  eine  Pension  von  1200  fl.  oder  ein  für  allemal  12.000  fl.  in 
barem  an.  [Obersthofmeister  ist  entsetzt,  der  Kaiser  nicht  sogleich 
entschieden,  aber  später  bewilligt  er  das  Gesuch.]  (VI.  179.) 

1737  2.  Mai.  A.  Caldara's  Witwe  sucht  über  die  seiner  Zeit 
erhaltenen  12.000  fl.  um  die  gewöhnliche  Gnadenpension  an; 

Fux  meint,  ungeachtet möchte  die  Wittib  in  Ansehung  der 

Meriten  ihres  Mannes  mit  einer  jährlichen  Gnadenpension  pr. 
500  fl.  versehen  werden  (erhielt  sie  auch  später).  (VI.  246.) 

Luca  Ant.  Predieri,  wurde  1738  4.  December  von  Bo- 
logna, wo  er  Dom  -  Kapellmeister  war,  berufen,  seine  Befähigung 
zum  Amte  eines  Kapellmeisters  darzuthun.  Fux  sagt:  „Wann 
dieser  Supplicant  alle  hierzu  erforderlichen  Eigenschaften  und  virtü 
besitzet,  auch  sonder  Zweifel  mit  seiner  Composition  Ihro  kais. 
Majestät  ein  sattsames  contento  gibt^,  so  räth  Fux  zu  seiner  An- 
stellung ein.  (VI.  249.)  [Predieri  wurde  6.  Februar  1739  als  Vice- 
Kapellmeister  mit  1600  fl.  Gehalt  und  400  fl.  adjuta  aufgenonmien.] 


Fux  als  HofkapellmeiBter.  233 

Compositoren. 

Francesco  Conti  f  1732.  „Der  kais,  Compositor  und 
Teorbist  hat  durch  33  Jahre  ganz  besondere  virtuose  Dienste  ge- 
leistet". (VI.  205)  1733,  Jänner. 

Giuseppe  Porsile  1715.  Kommt  um  einen  Posten  bei 
der  Hofkapelle  ein.  „Ich  finde  ihn  einen  guten  Virtuosen  von 
gutem  gusto". 

1720  20.  Mai.  Ohne  weiteres  Gutachten  von  Fux  wurde 
Porsile  mit  100  Thlr.  Monatgehalt  als  Compositor  aufgenommen. 
(VI.  53.) 

Georg  Reutter  jun.  1724.  Zum  Hofscholaren  nicht  an- 
genonmien  (VI.  105.)  Ebenso.  (VI.  118.)  1726. 

1728.  „G.  Reutter  jun.,  ein  Jüngling  von  19  bis  21  Jahren 
spielet  nit  allein  fein  die  Orgel,  sondern  gibt  auch  in  der  Compo- 
sition  gute  Hofihung  von  sich."  (VI.  154.) 

1731  12.  Febr.  „Reutter  hat  Oratorien  und  andere  Festinen 
componiert  und  zeigt  damit  in  seiner  Jugend,  was  künftighin 
vermög  des  besonderen  talento  aus  ihm  werden  kann."  [Desshalb 
zum  Compositor  vorgeschlagen  und  angestellt.]  (VI.  182.) 

1733  17.  Jänner.  „Da  diesem  Supplicanten  (R.)  bei  meiner 
dermaligen  ünvermögenheit  nit  wenig  zu  componieren  aufge- 
tragen wird"  so  räth  Fux  ein,  dass  Reutter  600  fl.  als  Compositor 
beziehe.  (VI.  202.) 

1733.  April.  Reutter  begehrt  Gehalterhöhung  bis  1500  fl. 
Fux  sagt:  „Reutter  sollte  wie  vorhin  die  1200  fl.  zugemessen 
haben,  die  300  fl.  betreffend,  weil  es  nur  ein  unzeitiges  Begehren 
scheint,  kann  ich  nit  einrathen.  (VI.  218.) 

Matteo  Palotta,  Priester.  1733  Febr.  zum  Compositor 
vom  Kaiser  berufen  für  die  kais.  Kapelle  „in  einer  Gattung  Com- 
position,  welche  ohne  Orgel  und  Instrumenten  pflegen  abgesungen 
zu  werden".  Fux  sagt:  „Weil  von  dergleichen  Art  Composition  in 
der  kais.  Kapelle  ein  ziemlicher  Abgang  ist  und  hierin  nit  ein  jeder 
Compositor  reüssiert,  dieser  Palotta  aber  vermöge  guten  Funda- 
ments hierzu  „sonderbar  tauglich  wäre,  so  möge  er  mit  600  fl. 
angestellt  werden.  [Wurde  mit  400  fl.  angestellt.]  (VI.  209.) 

Georg  Christ.  Wagenseil  1735.  „Wann  Ihro  kais. 
Majestät  ja  einmal  einen  Scholaren  in  der  Composition  aufzu- 


234  Fux  als  Hofkapdllmeister.  . 

nehmen  a.  g.  beliebten  ^  so  könnte  ich  pflichtmässig  für  diesen 
Snpplicanten  einrathen,  weil  Wagenseil  nit  allein  schon  dermalen 
so  gut  als. andere  Hoforganisten  in  der  Orgel  dienen  könnte^ 
sondern  auch  nach  den  wahren  Grundregeln  des  Contrapunktes 
nit  geringe  Progressen  gemacht  hat,  dergestallt^  dass  von  diesem 
Subjecto  in  beiden ,  sowohl  in  der  Orgel,  als  auch  in  der  Com- 
Position  virtuose  Dienste  zu  hoffen  wären" .  (VI.  234.) 

1738  December.  „Da  dem  alten  Gebrauch  nach  einem 
Scholar,  der  in  seinem  Studium  so  weit  gelanget;  dass  er  sich 
getraue,  virtuose  Dienste  zu  leisten,  und  der  Supplicant  vor 
andern  in  den  Grundregeln  des  Contrapunktes  zu  schreiben  sich 
befleissigt'',  so  räth  Fux  zu  seiner  Anstellung  als  Compositor  „um 
so  mehr,  als  durch  denselben  bei  dermaliger  licentioser  Schreibart 
die  regelmässige  Composition  könnte  erhalten  werden.  (VI.  250.) 
[Wurde  1739  Februar  mit  360  fl.  angestellt.] 

Giuseppe  Bonno,  1737  März,  welcher  mit  allerhöchstem 
Gonsens  nach  Neapel  gereist  ist,  um  dort  in  Musik  und  Composition 
instruiert  zu  werden,  ist  zurückgekommen  und  will  Musices  Com- 
positor werden.  „Weil  ich  nun  aus  des  Supplicanten  Compositionen 
habe  abnehmen  können ,  dass  er  in  den  Giimdregeln  des  Contra- 
punkts noch  nicht  genugsam  unterrichtet  ist,  so  ist  meine  Meinung, 
dass  er  indessen  als  Hofscholar  mit  gewöhnlichem  Gehalt  aufge- 
nommen und  ihm  aufgetragen  werde ,  dass  er  in  dem ,  was  ihm 
noch  ermanglet,  sich  instruieren  lassen  soll".  (VI.  242.) 

1 738  4.  December.  Kommt  um  den  Hofcompösitor-Titel  ein. 
„Da  Ihro  Majestät  durch  3  Jahre  hindurch  verschiedene  Compo- 
sitionen des  Supplicanten  angehört,  dafem  solche  A.  H.  Deroselben 
zu  gefallen  das  Glück  gehabt  haben  möchten"  könnte  ihm  der  Titel 
Compositor  beigelegt  werden.  (VI.  251.) 

Concertmeister. 

KilianReinhard,  1 725  Concert-Dispensator und  Concert- 
meister, „ein  hochmeritierter,  alter  Diener"  (VI.  109)  [braucht 
einen  Gehilfen.] 

1728  April  hat  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  ein  von  ihm  mit 
grosser  Mühe  und  Emsigkeit  verfasstes  Diarium  aller  musicali- 
schen Hofdienste  überreicht.  (VI.  157.)  Fux  empfiehlt  dessen  Ge- 
such um  Berücksichtigung  seiner  eventuellen  Witwe  und  Töchter. 


.  Fux  als  Hofkapellmeister.  235 

Andr.  Amiller,  1722  von  Fux  als  Noten-Copist  empfohlen, 
weil  er  dem  verstorbenen  Salki  in  das  elfte  Jahr  im  Copieren  Bei- 
hilfe geleistet,  beinebens  auch  eine  feine  nnd  correete  Handschrift 
hat  (VI.  81.) 

1729  April.  Fux  räth  ein,  dass  dem  Amiller  die  Stelle  des 
jüngst  abgeleibten  Concertmeisters  Kilian  Beinhard  cum  titulo 
et  vitnlo  verliehen  werde,  jedoch  mit  dem  Beding  „dass  er  mit 
dem  Titel  eines  Concert-Dispensatoris  sich  begnügen  lasse,  indem 
der  Meister-Titel  bei  der  Musik  keinem  mit  Recht  kann  beigelegt 
werden ,  welcher  die  Composition  nit  aus  dem  Grund  versteht" ; 
den  Titel  eines  Musici  möge  er  bekommen.  (VI.  159.) 

« 

Organisten. 

1728  Februar.  „Vor  dem  waren  nit  mehr  als  2  höchstens 
3  Hofbrganisten,  nach  und  nach  ist  aber  die  Zahl  derselben  bis  auf 
7  angewachsen,  deren  5  noch  wirklich  dienen.  Beinebens  haben  mir 
Ihro  kais.  Majestät  aufgegeben,  selbe  möchteii  den  Ueberfluss 
der  Organisten  nach  eines  und  des  andern  Ableben  abgethan  und 
auf  den  alten  Fuss  gesetzt  oder  aufs  meiste  auf  4  stabiliert  haben.^ 
(VI.  154.) 

1733  Juni.  „Dermalen  sind  nur  zwei  zum  dienen  taugliche 
Organisten  bei  Hof«.  (VI.  225.) 

Reutter  Georg  sen.  1715  Juni  kais.  Organist  hat  die 
Essential-Kapellmeisterstelle  neben  dem  schon  vorhin  gehabten 
Gnadenbild  bei  St.  Stephan  angenommen.  (VI.  3.) 

1 738  f.  „hat  allezeit  virtuose  Dienste  geleistet  und  sonder- 
bar mit  Accompagnieren  bei  den  Opern  sich  signalisiert.«  (VI.  252.) 

Gottlieb  Muffat  1717-3.  April  fiofscholar,  hat  sich  durch 
„unermttdeten  Fleiss  und  emsiges  Studium  fähig  gemacht ,  dass 
ihm  nicht  allein  alle  Dienste  können  anvertraut  werden,  sondern 
dass  er  sich  auch  vor  jedermann  mit  grossem  Ruhme  dürfe  hören 
lassen«.  Fux  schlägt  ihn  deshalb  zum  Hof  Organisten  vor,  und 
„möchte  ihm  zu  seiner  bevorstehenden  Reise  eine  erkleckliche 
Besoldung  ausgeworfen  werden.«  (VI.  25.)  ; 

1723  März.  Muffat,  Hof-  und  Kammerorganist  „wircl  vor  an- 
dern wegen  seiner  erworbenen  virttii  mit  Accompagnierung  bei  allen 
Opern  und  Eammerfestinen  verwendet,  beinebens  macht  er  seine 


236  Fux  als  Hofkapellmeister. 

Compositionen  bei  Hof  mit  Vergnügung  Seiner  Majestät  hören." 
(VI.  92.) 

1733  17.  Jänner.  „Hat  schon  in  das  18.  Jahr  nit  allein  in  der 
Kapelle,  sondern  auch  bei  allen  Opern  und  Kanunerfestinen  vir- 
tuose Dienste  prästiert,  und  .  .  .  neben  andern  Meriten  die  Durchl. 
Erzherzogin  schon  in  das  6.  Jahr  in  dem  Ciavier  informieret 
ohne  ein  einziges  anderes  Emolomento,  indem  doch  die  übrigen 
Informatores  desshalben  Besoldung  oder  aber  andere  Ergötzlich- 
keit zu  gemessen  haben."  (VI.  203.) 

Anton  Karl  Richter  1715.  Ich  finde  den  Scolaren  Anton 
Karl  Eichter  noch  nit  qualificiert  genug  zu  einem  Hoforganisten, 
daher  erachte  ich  für  nöthig,  dass  er  vorhero  noch  mehr  studiere 
und  bis  zur  besseren  Perfection  mit  dem  Scolarengeld  sich  zufrie- 
den stellen  möge."  (VI.  6.) 

1718  3.  August.  Fux  findet  ihn  (zum  Organisten)  „capace, 
gestalten  er  auch  schon  etliche  Jahre  dienet,  weshalb  Richter  in 
Ansehung  seines  Vaters  seligen  (Ferd.  Tob.  Richter,  f  1711) 
grossen  Meriten  mit  der  supplicierten  Wirklichkeit  consoliert 
werde."  (VI.  33.)  [Wurde  als  Organist  angestellt.] 

1726.  Gelegentlich  eines  Gesuches  um  Gehalterhöhung  hebt 
Fux  Richter's  eigene  in  das  elfte  und  des  Vaters  in  das  33.  Jahr 
treufleissige  und  besonders  virtuose  Dienste  hervor.  (VI.  126.) 

Joh.  B.  Payer  1721  .„ehmals  Organist  der  verstorbenen 
Kaiserin- Witwe  (Eleonora)  ist  ein  guter  Virtuos,  hat  auch  im 
langwährenden  Dienst  bei  Ihrer  Majestät  sich  Meriten  erworben, 
ausserdem  in  äusserster  Armuth."  Fux  schlägt  ihn  zum  Hoforga- 
nisten vor.  (VI.  67.)  [Wurde  nach  Antrag  angestellt.] 

1727.  leistet  gute  Dienste,  besonders  in  der  Kapelle. 
(VI.  132.)       . 

1733.  ist  „ein  vortrefflicher  Organist,  und  leistet  mithin  in 
der  Kapelle  sonderbar  gute  Dienste."  (VI.  206.) 

1733  f  11.  April,  war  einer  von  den  besten  Hoforganisten. 
(VI.  220.) 

Franz  Rusovsky,  1731,  „etliche  Jahr  wirklicher  Hoforga- 
nist, leistet  gleich  andern  Hoforganisten  gute  und  virtuose  Dienste, 
dergestalt,  dass  niemal  wider  ihn  eine  Klag  vorgekommen  ist"; 
verdient  Gehalterhöhung.  (VI.  183.) 


F  u  X  als  Hofkapellmeister.  237 

Anton  Werndle  1733,  früher  kais.  Bassist,  „aus  Mangel 
der  Stimme  ein  weit  besserer  Organist  als  Singer."  (VI.  225.) 
[Wurde  Organist.] 

Bassisten. 

1731  Februar.  Gelegentlich  zählt  das  Obersthofmeister- Amt 
10  besoldete  und  noch  dienstvermögliche  Bassisten  mit  2  —  4  — 
500  _  1080  —  1300  fl.,  zusammen  6680  fl.  Gehalt  auf.  (VI.  178.) 

Friedr,  Götzinger,  Bassist  1715,  „hat  für  die  Kapelle 
eine  sehr  starke  und  ausgebige  Stimme,  der  die  Last  der  be- 
schwerlichsten Dienste  gar  oft  allein  zu  tragen  hat,  ist  beinebens 
einer  von  den  fleissigsten  Dienern."  (VI.  10.) 

Christ.  Praun,  Bassist  1721,  „vor  allen  distinguiert,  hat 
sich  in  allen  Opern,  Kammerdiensten,  Oratorien  mit  sonderbarem 
Lob  zu  dienen  qualificiert  gemacht."  (VI.  58.) 

1727  „gibt  an  Emsigkeit  und  virtü  keinem  nach."  (VI.  147.) 

1736  „wie  das  erwähnte  jedermann  bekannt  ist."  (VI.  238.) 

Math.  H  nett  er,  1720,  „ehmals  Bassist  der  Kaiserin-Witwe 
Eleonore,  ist  ein  guter  Virtuos^  und  da  von  den  kais.  Bassisten 
theils  wegen  Unpässlichkeit  gar  nicht  mehr  dienen,  theils  Alters 
halber  sehr  abzunehmen  beginnen",  so  empfiehlt  ihn  Fux  zur  kais. 
Anstellung.  (VI.  52.)  [Wurde  angestellt.] 

Ignaz  (Leop.)  Piellacher,  1722  Bassist,  „ehmals  im 
Dienste  der  Kaiserin- Witwe  Eleonore,  jetzt  der  regierenden  kais. 
Majestät  ist  wegen  seiner  starken  und  ausgebigen  Stinune  der 
kaiserl.  Kapelle  sehr  anständig."  [Gehalterhöhung  bis  500  fl.] 
(VL  77.  96.) 

AntonPöck,1724  November  Bassist,  „hat  eine  gute  Stimm 
und  Capacität,  singt  beinebens  auch  manierlich  und  ist  noch  jung 
von  Jahren."  (VI.  103.) 

1733  ist  ein  guter  Bassist.  (VI.  216.) 

1736  leistet  schon  13  Jahre  sowohl  in  der  Kapelle  als  bei 
der  Tafel  emsige  und  virtuose  Dienste.  (VI.  241.) 

JosefMoser.,  1728  kais.  Hof-Scolar  Bassist ,  „hat  gleich 
anfangs  da  er  die  Hofkapelle  zu  frequentieren  angefangen,  die 
Kapell-  und  Tafeldienste  gleich  andern  kais.  Bassisten  emsig  und 
mit  Ihro  kais.  Majestät 'Zufriedenheit  verrichtet  und  seither  immer 
mehr  sich  perfectioniert.  Er  möge  mit  500  fl.  angestellt  werden, 


238  F  u  X  als  Hofkapellmeister. 

doch  dass  er  daneben  das  Cimbalo  erlernte,  damit  er  zu  Haus  bei 
seinem  Studio  sich  selbst  acoompagnieren  lerne,  auch  seinen  Lehr- 
meister Cristoph  Praun  noch  femer  practiciere."  (VI*  153.) 

1729  seit  5  Jahren  Hofscolar  Bassist,  „obwohl  ohne  sonder- 
bare Tiefe  hat  eine  gute  ausgebige  Stimme,  singt  beinebens  sehr 
manierlich  und  dergestalt  fein,  dass,  als  ich  ihn  kürzlich  in  der 
Kirche  habe  singen  hören,  geglaubt  habe,  es  sei  dessen  Meister 
(Chr.  Praun)  selbst,  gestalten  er  auch  seiner  Qualificierung  halber 
mit  Oratorien  und  welschen  Cantaten-Singen  bei  dem  Tafeldienst 
genugsam  Prob  abgelegt  hat,  auch  fest  in  der  Musik  gleich 
anfangs  wie  andere  wirkliche  kais.  Bassisten  hat  angefangen  zu 
dienen.  (VI.  165.) 

'Anton  Ign.  Werndle,  1724,  durch  1 7  Jahre  Hofscolar. 
Fux  räth  nicht  ein  die  erledigte  Bassistenstelle  zu  verleihen,  wohl 
aber  da  er  für  einen  Scolaren  ziemlich  bei  Jahren,  ihm  die 
Wirklichkeit  mit  einer  kleinen  Zulage  zu  bewilligen.  (VI.  104.) 

Marco  An t.  Berti,  Bassist,  1724,  kann  mit  SOThlr.  monat- 
liche Besoldung  nicht  auskommen.  (VI.  97.) 

1729.  „So  viel  kann  ich  bekräiftigen,  dass  Berti  ein  Funda- 
mental-Musicus  ist,  mithin  nit  allein  in  der  Kapelle  bei  den  Con- 
trapunktbttchem,  sondern  auch  vermöge  der  Sprache  bei  der 
Tafel  und  andern  Functionen  gute  Dienste  prästiere."  (VI.  160.) 

1734  „ist  ein  guter  fundamentaler  Musicus,  dient  schon  lange, 
ist  verheuratet  und  sein-  bedtlrftig."  (^^.  229.) 

1 736  „ist  ein  guter  und  fester  Musicus,  leistet  sonderlich  in 
den  Functionen,  welche  ohne  Orgel  abgesungen  werden,  vor 
andern  gute  Dienste,  hat  18  Jahre  allhier  und  eine  Zeitlang  auch 
in  Spanien  gedient."  (VI:  239.) 

Tenoristen. 

1719  die  kais.  Kapelle  hat  an  nichts  mehr,  als  an  Tenoristen 
Abgang.  (VI.  42.) 

1 720  kfein  gei-inger  Abgang  in  Tenoristen.  (VI.  60.) 
TomasoBigelli,  Tenorist  1715  Juni,  „hat  eine  wofalaus- 

gebende  Stimme  für  die  Kapelle."  (VI.  8.) 

Jo^efTimmer,  1719  April,  gew,  kais.  Hofscolar,  kommt 
um  die  Tenoristenstelle  ein.  „Er  ist  nit  allein  ein  sicherer  Singer 
sondern  auch  ein  guter  Violinist."  (VI.  42.)  [Wurde  angestellt.] 


Fux  als  Hofkapellmeister.  239 

1*722  April  y,i8t  ein  guter  nnd  der  kais.  Kapelle  sehr  an- 
ständiger Virtuos.«  (VI.  70.) 

1733.  Tenorist  mit  700  fl.  Gehalt  sucht  um  Gehaltserhöhung 
an.  Wird  von  Fux  nicht  dazu  vorgeschlagen,  weil  ein  anderer 
Tenorist  in  der  kais.  Kapelle  von  gleicher  Besoldung  sich  befindet, 
welcher  ihn  Timmer  an  Gttte  der  Stimme  und  Emsigkeit  weit 
übertrifft.  (VI.  219.) 

Giulio  Cavalletti,  Tenorist  1723  März,  wvxAe  zu  König 
Karl  m.  von  Rom  nach  Barcelona  berufen,  „allwo  er  sowohl  als 
Musicus  so  wie  auch  als  Vice  -  Kapellmeister  zu  Ihro  Majestät 
höchsten  Vergnügung  emsige. Dienste  prästiert  hat",  auch  ,,von 
Ihrer  Majestät  der  regierenden  Kaiserin,  welche  er  in  der  Musik 
zu  informiereil  schon  in  Barcelona  die  höchste  Gnad  gehabt  hat, 
ist  er  hieher  berufen  worden",  —  sucht  Alters  halber  die  Jubilie- 
rungen. (VI.  86.)  [Wurde  gewährt.] 

Christian  Payer,  1731  kais.  Tenorist,  „einer  von  den 
besten  Tenoristen,  ja  ich  darf  sagen  in  der  Kapelle  prästiert  er 
wegen  seiner  vortrefflichen  Stimme  vor  allen  andern  gute  Dienste, 
auch  mit  Singen  welscher  Cantaten  sich  distinguierend."  (VI.  187.) 

Mathias  Oettl,  1720  October  „ehmals  Kapellmeister  der 
f  Kaiserin- Witwe  Eleonore,  will  kais.  Tenorist  werden,  leistete 
auf  kais.  Befehl  schon  ein  halbes  Jahr  Kapellendienste",  wird  von 
Fux  zur  angesuchten  Stelle  empfohlen  [und  angenommen].  (VI.  50.) 

Gaetano  Borghi,  Tenorist  1721  November«,  wurde  vom 
Kaiser  ohne  das  Einvernehmen  von  Fux  angestellt.  (VI.  65.) 

Ignaz  Finsterbusch,  Tenorist  1727  Juni,  hat  seit  dritt- 
halb Jahren  Zutritt  zur  kais.  Hofmusik  aber  ohne  Gehalt,  sucht 
die  Wirklichkeit  und  einen  Gehalt  an.  „Weil  Finsterbusch  damals 
eine  ziemlich  schwache  Stinmi  und  Brust  gehabt,  obwohl  sonst  die 
Art  zu  singen  gut  ist,  ich  aber  seither  meiner  Unpässlichkeit  in 
der  Kapelle  ihn  nicht  habe  singen  hören"  ...  so  enthält  sich  Fux 
des  Bathes  und  compromittiert  auf  den  Kaiser.  (VI.  134.) 

Altisten. 

■ 

1729  Aug.  „Von  keiner  Stimm  ist  ein  grösserer  Abgang  als 
an  Contralten,  indem  kaum  3  oder  4  in  concerto  Dienste  prä- 
stieren können,  die  Übrigen  nur  in  pleno  zu  brauchen  sind." 
(VI.  164.) 


240  Fax  als  Hofkapellmeister. 

1732  Mangel  an  Contralten.  (VI.  194.) 

Gaetano  Orsini,  Contraltist  1727.  Fux  lobt  ausnehmend 
die  „vortreflfliche  Schule  des  Gaetana  Orsini,  welche  heutigen 
Tags  fast  allein  die  wahre  Singkunst  emporhält."  (VI.  131.) 

Lorenzo  Masselli,  1723  15.  December  Altist,  hat 
früher  freiwilUg  auf  seinen  höheren  Gehalt  verzichtet,  als  er 
dienstunfähig  wurde.  Fux  rühmt  deshalb  dessen  zartes  Ge- 
wissen und  fast  niemalen  erhörte  Gutheit.  (VI.  88.) 

Pietro  Galli,  Musico  contralto  1732  April,  kommt  ein 
in  kais.  Dienste  aufgenommen  zu  werden.  „Obwohl  er  Galli  noch 
nit  franco  in  Musica  ist,  doch  weil  er  eine  gute  ergebige  Stimm 
hat  und  Mangel  an  Contraltisten  ist. . .  so  möge  er  aufgenommen 
werden,  doch  dass  ihn  die  Wirklichkeit  nit  hindern,  sondern 
mehr  Anlass  geben  soll ,  sich  zu  perfectionieren."  [Wurde  ange- 
gestellt.] (VI.  194.) 

Filippo  Antonelli,  Contralto  1734  Jänner,  „wurde  von 
seinem  stabilierten  Dienste  von  M.  Loretto*  hieher  berufen,  ist 
auch  für  die  kaiserliche  Kapelle  sehr  nöthig,  auch  tauglich".  Fux 
schlägt  ihn  daher  zur  Anstellung  vor.  [Wurde  angestellt.]  (VI.  237.) 

Giuseppe  Appiani,  Musico  Contralto  1739  December, 
welcher  vor  Ihro  kaiserlichen  Majestät  mit  Dero  gusto  sich  hören 
zu  lassen  die  Gnade  gehabt,  ist  ein  Virtuos  di  prima  sfera  und 
zur  Bestreitung  der  Hofdienste  höchst  nöfliig."  [Nach  Antrag  mit 
150  fl.  monatlich  angestellt.]  (VI.  259.) 

Sopranisten. 

1717  seit  2  Jahren  Mangel  an  Sopranisten.  (VI.  24.) 

1727  ein  merklicher  Abgang  an  Sopranen.  (VI.  135.) 
^  1733  grosser  Mangel  an  Sopranen.  (VI.  222.) 

Domenico  Tollini,  Musico  Soprano  1717  April,  bittet  zu 
wiederholtenmalen  um  Jubilierung,  und  verlangt  „für  seine  Ab- 
fertigung seiner  angebomen  Modestie  nach  nichts  anders  als  den 
speciosen  Titel  eines  kaiserlichen  Musici  behalten  zu  können. 
(VI.  24.) 

Giovanni  Vincenzi,  Soprano  1721,  konunt  um  Gehalt- 
erhöhung bis  80  Thaler  monatlich  ein;  Fux  räth  ein  sie  zu  be- 
willigen, weil  „andere  seines  Gleichen,  die  noch  nit  so  lang  dienen, 
dergleichen  Besoldung  gemessen."  (VI.  59.) 


Fux  als  Hofkapellmeister.  241 

1 726  konunt  um  erneute  Erhöhung  bis  100  Thaler  monatlich 
ein.  Fux  sagt:  „Wenn  nun  dieser  Supplicant  allein  und  ohne 
Familie  sich  befindet,  glaubte  ich,  er  knnnte  mit  80  Thaler 
monatlich  gar  fein  und  ehrlich  leben:  es  wäre  dann,  dass  Ihro 
Majestät  ans  besondem  Ursachen  ihn  auf  angesuchte  Weis  wollten 
consolierter  haben.  ^  (VI.  123.) 

Giuseppe  Monteriso,  Soprano  1721  sucht  eine  Oehalt- 
erhöhungan.  Fuxurtheilt:  „Wann 'dieser  Supplicant  in  den  kais. 
Dienstyerrichtung«n  sehr  emsig,  auch  diesen  mehr  und  mehr  habil 
zu  machen,  eifrigst  sich  lässt  angelegen  sein,  benebens  auch 
andere,  welche  das  zu  prästieren  nit  yermöge|^,  was  er  Monteriso, 
doch  viel  höhere  Provision  geniessen",  so  trägt  Fux  auf  Zulage 
bis  50  Thaler  monatlich  an,  „durch  welche  höchste  Genad  sowohl 
er  als  auch  andere  zu  fernerem  Studio  und  emsigen  Dienstver- 
richtungen würden  angefrischt  werden."  (VI.  66.) 

1724  Juli  als  er  wiederholt  um  die  Erhöhung  einkommt, 
sagt  Fux,  dass  er  „vermög  seiner  Befähigung  und  Emsigkeit  weit 
erspriesslichere  Dienste  leistet,  als  viele  andere,  welche  50  Thlr. 
monatliche  Besoldung  gemessen."  (VI.  100.) 

1733  Apr.  „Monteriso  ist  nach  Domenico  Genuesi  dennalen 
der  beste  Sopran,  auch  treffen  Monteriso  bei  jetzigen  grossen 
Mangel  die  meisten  Dienstfatiguen."  (VI.  222.) 

1734  März  „dient  schon  lange  und  emsig  und  ist  fast  der 
einzige,  auf  den  man  sich  in  der  Kapelle  in  jedem  Falle  zu  ver- 
lassen hat",  daher  Fux  auf  Gehalterhöhung  bis  1400  fl.  anträgt. 
[Erhielt  sie.]  (VI.  231.) 

1718  „Domenico  Genuesi  Soprano  ist  von  einer  sehr 
guten  und  starken,  auch  annehmlichen  Stimme,  beinebens  «icher  in 
der. Musik,  noch  jung  von  Jahren,  also  dass  er  nit  allein  in  der 
KapeUe,  sondern  auch  in  teatro  und  allen  Begebenheiten  gute 
Dienst  leisten  wird."  Fux  räth  zu  seiner  Aufnahme  in  die  kaiser- 
lichen Dienste  mit  80  Thlr.  monatlicher  Besoldung.  [Nach  Antrag 
aufgenommen.]  (VI.  30.) 

1733  April,  Fux  sagt,  er  sei  „der  beste  Sopran  der  Hof  ka- 
peile." (VI.  222.) 

Giovanni  Carestini,  Soprano  1724  wurde  vom  Kaiser 
liieher  berufen.    Fux  findet  ihn   „für  die  kais.  Hofkapelle  und 

Köehei,  J.  J.  Fax.  16 


242  Fux  als  Hofkapellmeister. 

andere  Dienste  branchbar.  ^  [Wurde  mit  80  Thlr.  monatlich  anf> 
genommen.]  (VI.  93.) 

Giacomo  Yitali;  Soprano  1727  nach  Wien  berufen,  um 
mit  1000  Thlr.  Besoldung  aufgenommen  zu  werden.  Fux  findet : 
^er  sei  ein  guter  Virtuos  (wann  er  in  der  Kapelle,  wo  ich  ihn  nit 
hab  hören  können,  eben  so  gut  ist,  als  in  camera  und  teatro.) 
[Wurde  angestellt.]  (VI.  135.) 

Pietro  Petazzi,  Soprano  1 722  sucht  an,  als  Hofscholar 
anzukommen ;  Fux  empfiehlt  ihn  dazu,  „da  der  Supplicant  schon 
ttber  ein  Jahr  die  kaiserliche  Kapelle  frequentiert,  auch  gute 
Hoffiiung  von  siq)i  gibt,  beinebens  ein  Abgang  an  Sopranen 
besteht.«  (VI.  69.) 

Feiice  Salimbeni,  Soprano  1733,  wurde  vom  Kaiser, 
ohne  Fux  darüber  zu  vernehmen,  als  Hofsänger  mit  1000  Thlr. 
Gehalt  angestellt.  (VI.  226.) 

Sängeriueu. 

1731  December  waren  beiHof  besoldete  Sängerinen:  Scon- 
jans  =  2700  fl.,  Schulz  sammt  Mann  1200  fl.,  Borrosini  1800  fl., 
Borrosini  400  fl.,  Contini  4000  fl.,  Schnautz  720  fl.,  Holzhauser- 
Beutter  lOOOfl.  (nächstens  1500fl.),  zusammen  13.440fl.  (IV.  198.) 

Maria  Monica  Hillverding,  1720.  Joh.  B.  Hillverding, 
deutscher  Comicus  kommt  ein,  dass  seine  Tochter  von  11  Jahren, 
Maria  Monica  als  Hofscholarin  in  der  Singkunst  aufgenommen 
werde.  „Weil  nun  die  zwei  gewöhnlichen  Hofcantatrici  schon 
mehr  im  Ab-  als  Aufoehmen  sich  befinden,  und  dergleichen  in 
Italien  dermalen  sehr  rar,  mithin  gar  zu  pretios  sind,  dieses  des 
Supplicanten  Töchterl  aber  eine  gute  Disposition  spttren  lässt, 
auch  in  der  Musik  einen  ziemlichen  Progress  gemacht  hat,  ^uch 
des  theatri  schon  in  etwas  kundig  ist ,  beineben  auch  die  Gnade 
gehabt  hat,  von  Ihro  Majestät  gehört  zu  werden",  so  trägt  Fux 
auf  Bewilligung  des  Ansuchens  an.  (VI.  49.) 

Anna  d'Ambreville,  Cantatrice  1724  JuM,  kommt  ein 
um  Erhöhung  ihres  Gehaltes  von  80  auf  100  Thaler  monatlich. 
,,  Weil  nun  die  meisten  kaiserlichen  Virtuosen  von  der  ersten  Linie 
100  Thlr.  monatlich  geniessen,  die  Sängerinen  aber  jederzeit 
distinguiert  worden  sind  mit  3 — 4000  fl.  jährlicher  Besoldung^ , 
so  ^IH^bpIflMI  Mf  Bewilligung  des  Ansuchens.  (VI.  101.) 


Fux  als  HofkapellineiBter.  243 

1725  A.  kann  unter  100  Thlr.  monatlich  nicht  leben.  Fnx 
stimmt  für  die  angesnchte  GehalterhOhnng^  „weil  sonst  eine 
andere^  welche  vielleicht  auch  nit  viel  virtuoser  sein  würde,  wohl 
mit  doppelten  oder  dreifachen  Spesen  mttsste  unterhalten  wer- 
den.^ (VL  111.) 

Lucrezia  Panizza,  Cantatrice  1723,  des  verstorbenen 
6iov.  Pietro  Panizza,  gewesenen  Burggrafen  zu  Trient  hinter- 
lassene  Tochter  „gibt  an,  dass  sie  in  einer  Oper  gesungen  habe, 
worüber  Ihro  kais.  Majestät  Wohlgefallen  hätte  verspüren  lassen, 
auch  auf  kais.  Befehl  in  Abgang  anderer  Parte  hätte  auswendig 
studieren  müssen.  Sie  kommt  daher  ein,  in  wirkliche  kais.  Dienste 
aufgenommen  zu  werden  mit  einer  geringen  Provision,  dass  selbe 
das  Leben  durchbringen  könne.  Da  es  sich  nun  zum  öftem 
ereignet,  dass  ein  oder  anderer  Sänger  oder  Sängerin  durch 
Katarrh  oder  andere  Umstände  verhindert  die  Parte  zurück- 
schicken ,  mithin  die  Oper  oder  andere  Dienste  ihren  Fortgang 
nit  haben  können,  diese  Supplicantin  aber  capace  ist,  gar  in 
einer  kurzen  Zeit  einen  Parte  auswendig  zu  lernen",  so  räth 
Fux,  dieselbe  mit  400  fl.  jährlich  aufzunehmen.  [Wurde  aufge- 
nommen.] (VI.  91.) 

Anna  Barbara  Bogenhofer,  Sängerin  1727.  Jänner 
„aus  der  vortrefflichen  Schule  GaetanoOrsini,  nachdem  sie  sowohl 
in  Opern,  als  auch  andern  Begebenheiten  bei  dem  kais.  Hofe 
öfters  ihre  Prob  mit  nicht  geringem  Lob  erwiesen,  komtnt  ein, 
als  wirkliche  kais.  Sängerin  aufgenommen  zu  werden.  Wann  nun 
diese  Supplicantin  neben  der  guten  Stimm  und  Capacität  nicht 
eine  geringe  virtü  schon  erworben  hat,  auch  zu  hoffen  ist,  dass 
durch  die  vortreffliche  Anfbhrung  ihres  Lehrmieisters  eine  von 
den  besten  Sängerinen  mit  der  Zeit  werden  wird,  als  ist  meine 
wenige,  doch  zum  kais.  Dienst  erspriessliche  Meinung,  sie  Rogen- 
hofer  möchte  mit  40  Thlr.  monatlich  ad  interim  in  die  Wirklich- 
keit aufgenommen  werden,  zur  Consolation  auch  des  Lehrmeisters, 
welcher  diese  seine  Scholarin  bisher  nit  allein  gratis  informieret, 
sondern  auch  auf  seine  eigenen  Unkosten  mit  aller  Nothdurft 
verpfleget  hat.  (VI.  131.)  [Wurde  mit  400  fl.  jährlich  als  Hof- 
scholarin  aufgenommen.] 

1727  Juni  wiederholt  ihr  Gesuch  um  wirkliche  Anstel- 
lung. Fux  beruft  sich  auf  sein  früheres  Parere,  und  auch  ihr 

16* 


244  Fux  als  Hofkapellmeister. 

Lehnneister  Gaetano  Orsini  findet  sie  „nit  allein  capace,  solche 
Stelle  zu  vertreten,  sondern  auch  zum  kais.  Dienst  nöthig  zn  sein.^ 
Fux  wiederholt  seineu  früheren  Antrag  auf  40  Thaler  monatliche 
Besoldung  mit  dem  Anfang  von  1726.  (VI.  136.)  [Erhielt  das 
Placet  des  Kaisers.] 

1733.  Rogenhofer  -  Schnautz  kommt  um  Erhöhung  des  Gre- 
haltes  bis  1200  fl.  ein.  Fux  stimmt  bei.  (VI.  223.) 

Marianna  Lorenzoni  (Conti),  Cantatriee  1726  August. 
Nachdem  Ihre  kais.  Majestät  sich  belieben  haben  lassen,  selbe 
in  Dero  Dienste  zu  nehmen  mit  4000  fl.  jährlicher  Besoldung, 
kommt  a.  u.  ein  um  ihre  Expedition.  Dass  also  ich  meines  Ortes 
nichts  beizutragen  habe,  als  einer  hohen  Obrigkeit  sdches  ge- 
horsam zu  hinterbringen.  (VI.  119.) 

Theresia  Holtzhauser,  1728  Februar,  „welche  in  Opera 
und  verschiedenen  Begebenheiten  bei  Hof  ihre  Prob  gesungen 
hat,  kommt  ein  als  wirkliche  Sängerin  angestellt  zu  werden. 
Da  nun  diese  Supplicantin  mit  einer  ohne  allen  Mangel  trefflichen 
Stimme  begäbet,  beinebens  auch  in  der  Musik  dergestalt  fest  und 
sicher  ist,  dass  sie  prima  vista, fast  alles  singen  kann,  welches  ihr 
wenige  Sängerinen  nachthun  können,  mithin  zu  der  Musik  geboren 
scheinet,  als  ist  meine  wenige,  doch  zu  Ihro  kais.  Majestät  Dienst- 
beförderung hauptsächlich  zielende  Meinung,  sie  Holtzhauser 
möchte  in  die, wirklichen  Dienste  aufgenommen  werden,  auf  das 
wenigste  mit  40  Thalem  monatlicher  Besoldung.  (VI.  156.) 

1728  10.  December  wiederholt  ihre  Bitte  um  Anstellung. 
Fux  beruft  sich  auf  sein  irttheres  Parere  und  fügt  hinzu ,  „dass 
die  Supplicantin  von  einer  vortrefflichen ,  und  durch  eine  Exten- 
sion von  drei  Octaven  gleichen  Stimme,  guten  Triller  und  beson- 
deren talento,  benebens  auch,  welches  bei  den  Sängerinen  sehr 
ungemein  ist,  vollkommen  fest  in  der  Musik  sei ,  dergestalt ,  dass 
selbe  viel  beitragen  würde  zur  Verbesserung  der  kais.  Theatral- 
und  Kammermusik*,  um  so  viel  mehr,  als  selbe  noch  jung,  mithin 
innner  besser  werden  kann."  [Wurde  mit  750  fl..  angestellt.] 
(VI.  158.) 

1730  September  konunt  um  Erhöhung  ihres  Oehaltes  auf 
1000  fl.  ein.  Fux  stimmt  dem  Gesuche  bei,  „da  fast  keine  von 
den  Sängerinen  ist,  welche  alles  prima  vista  zu  singen  capace  ist, 
gleich  diese  Sängerin  prästieret.  (VI.  171. 172.)  [Wurde  genehmigt.] 


Fux  als  Hofkapellmeister..  245 

1732  Februar  kommt  um  Erhöhung  ihres  .GehalteB  auf 
1500  fl.  ein.  Fux  meint  ^  es  wllrde  für  ihre  Meriten  nit  viel  sein, 
wenn  ihr  Gehali  bis  zu  diesem  Betrage  erhöht  würde.  —  Die 
Cöneertations-Commission  fügt  hinzu,  dass  andere,  die  ihr  in  virtti 
niebt  beikommende  kais.  Sängerinen,  namentlich  die  mit  1800  fl. 
stipendierte  Borrosini  und  die  mit  1620  fl.  jährlichen  Gehaltes 
begnadigte  Perroni  eine  weit  grössere  Besoldung  als  die  Suppli- 
cantin  gemessen.  [Nach  Antrag  genehmigt.]  (VI.  192.) 

1734  December  kommt  ein,  der  Sängerin  Pisani,  die  jünger 
als  sie  im  Dienst  und  3000  fl.  erhalten  habe ,  gleich  gestellt  zu 
werden.  Fux  findet  das  Gesuch  billig,  um  so  viel  mehr  als  die 
Reutter  (Holzhauser)  an  Festigkeit  der  Musik  der  Pisani  weit 
überlegen  ist.  (VI.  233.) 

1737  Mai  dankt  lUr  die  allermildest  geschenkten  4000  fl., 
womit  sie  jedocli«käum  ihre  Schulden  habe  bezahlen  können, 
und  bittet  um  Vermehrung  ifires  bisherigen  Gehaltes  von  1500  fl. 
Fux  meint,  „weil  diese  Supplioantin  nit  allein  alle  kais.  Hofdienste 
gleich  den  vorigen  vornehmsten  Sängerinen,  welche  eine  jähr- 
liche Besoldung  von  4000  fl.  genossen  haben,  verrichtet,  sondern 
auch  selbige  an  Festigkeit  in  der  Musik  weit  übertrifil ,  folgsam 
gleichmässige  Besoldung  anhoffen  könne,  dass  sie  wegen  der 
jetzigen  schweren  Zeiten  sich  mit  der  Besoldung  der  Hofsän- 
gerin Scoonjans  von  2700 fl.  begnügen  werde."  [Der  Kaiser  bewil- 
ligte eine  Erhöhung  bis  2500  fl.]  (VI.  247.) 

Barbara  Pisani,  Sopramsta  1731  December,  kommt  ein 
in  die  kais.  Dienste  aufgenommen  zu  werden.  Fux  meint:  „Weil 
diese  Virtuosin  eine  vortrefBiche  Stimm  und  eine  gute  Art  zu 
singen  habe,  so  habe  sich  Se.  Majestät  dem  Vernehmen  nach 
entschlossen,  sie  in  Ihre  Dienste  aufzunehmen,  lieber  die  Be- 
soldung weigert  sich  Fux  etwas  auszusprechen,  weil  er  nicht 
wisse,  wie -stark  sie  in  der  Musik  sei,  und  wie  sie  sich  auf 
dem  Theater  aufführen  werde.  [Wurde  mit  1500  fl.  angestellt.] 
(VI.  189.) 

1733  Februar  kommt  wegen  Schulden  um  Erhöhung  ihres 
Gehaltes  von  1500  fl.  ein:  Fux  räth  wegen  Kürze  ihrer  Dienst- 
leistung nicht  ein.  (VI.  208.) 

1734  März  konmit  abermals  um  Gehalterhöhung  ein.  Fux 
meint :  „Weil  diese  Supplicantin  mit  einem  ordinari  accresciment 


246  Fux  als  Hofkapellmeister. . 

nit  züirieden  sein  wird^  ihr  auch  nicht  geholfen  würde ,  und  anf 
ein  grosses  Quantum  wegen  der  Folgen  nit  einrathen  könne ,  so 
mtlsse  es  auf  den  Ausspruch  des  Kaisers  ankommen.^  (VI.  228.) 
1734  Juli  erklärt  ohne  3000  fl.  Gehalt  könne  sie  nicht  aus- 
kommen. Fux  meint  mit  Rücksicht  auf  andere  Sängerinen ;  die 
3.1—4000  fl.  genossen  haben  y  möge  man  auch  der  Bittstellerin  ihr 
Verlangen  gewähren.  (VI.  232.) 

Violinisten. 

Peter  Schmelzer,  kais.  Violinist  1729  December,  ist 
wegen  stropierten  Fingers  gar  nicht  mehr  dienstfähig  (VI.  167), 
ebenso  ganz  oder  grösstentheils  unfähig  sind  die  Violinisten: 
Jos.  (Joh.  Jacob?)  Hof  er  wegen  Kränklichkeit,  und  Johann 
(Jos.?)  Franck  altershalber,  Nicolo  Matteis,  Paul  Al- 
ber wegen  hohen  Alters,  Ferdinand  Lemberger  wegen 
geschwundenen  Armes,  Nicola  Angropoli  wegen  Krankheit 
in  Italien,  Karl  Hartmann  wegen  blöden  Gesichts,  Josef 
Fasching  stropiert,  Leo.pold  Libano  ebenso.  (VI.  167.) 

*  Joh.  Alber,  kais.  Violinist  1733  Jänner  sucht  um  Gehalt- 
erhöhung an.  Fux  stimmt  bei ,  „da  des  Supplicanten  grosse  Be- 
scheidenheit in  Consideration  zu  ziehen  ist,  dass  er  durch  so 
viele  Jahre  um  kein  accresciment  eingekommen  ist,  welches  ver- 
mög  seiner  so  emsigen  und  guten  Dienste  er  gar  wohl  hätte  thun 
können."  (VI.  200.)  [Genehmigt.] 

Franz  Eeinhard,  kais.  Violinist  1722,  gegen  22  Jahre, 
ist  ein  distinguierter  Virtuos.  (VI.  74.) 

Ferd.  Woller,  1726  gegen  20  Jahr  kais.  Violinist,  macht 
ein  Ansuchen  um  Gehalterhöhung,  das  Fux  sehr  billig  findet. 
(VI.  124.) 

Johann  Otto  Eosetter,  1727  durch  20  Jabre  kais. 
Violinist  von  besonderer  virtü.  (VI.  145.) 

Karl  Tomaso  Piani  1718  dient  als  kais.  Violinist  emsig 
seit  einem  Jahre,  und  hatte  in  Baiem  weit  mehr  als  30  Thaler 
monatlich.  (VI.  29.)  [Wurde  mit  75  fl.  monatlich  angestellt.] 

1726,  erhielt  gelegentlich  seiner  Verheuratung  vom-Kaiser 
eine  Erhöhung  des  Gehaltes  bis  90  fl.  monatlich.  (VI.  113.) 

Leopold  Libano  1721  durch  drei  Jahre  kais.  Violinist 
ohne  Gehalt ,  war  früher  Hofscholar,  ist  ein  guter  Virtuos  und  in 


Fux  als  Hofkapellmeister.  247 

kaig.  Dienet  gar  wohl  zn  gebrauchen.  Fnx  schlägt  ihn  fhr  die 
wirkliche  Anstellung  mit  30  Thlr.  monatlichem  Gehalt  vor.  [Nach 
Anirag  angestellt.]  (VI.  62.) 

.  1729  wurde  im  Dienst  bei  einer  Fahrt  nach  Laxenburg  ein 
Krüppel,  bittet  um  Erhöhung  seines  Gehaltes  um  sich  eines 
Wagens  bedienen  zu  können.  Fux  räth,  da  Libano  einer  von  den 
besten  und  emsigsten  Violinisten  ist,  auf  eine  jährliche  Gehalt- 
erhöbung  von  100  fl.  (VI.  161.) 

Joh.  Ign.  Angermayer  1722December  Hofscholar,  „hat 
sich  dergestalten  in  der  Violin  qualificiert  gemacht,  dass  er 
schon  durch  etliche  Jahr  gleich  andern  wirklichen  Hof- Violini- 
sten seine  Dienste  prästieret.  ^  Fux  schlägt  ihn  zum  wirklichen 
Hofnolinisten  mit  500 '  fl.  Gehalt  vor.  ptVurde  mit  450  fl.  ange- 
stellt.] (VI.  79.) 

1726  September  bittet  er  aus  Mailand,  wo  er  um  die  Com- 
position  zu  studieren  sich  aufhielt  und  .ausser  seinem  Gehalt  von 
1600  fl.  bis  5000  fl.  Schulden  gemacht  habe,  um  Aushilfe  in 
seiner  bedrängten  Lage.  Fux  nennt  ihn  einen  jungen  verderbten 
Menschen,  der  nicht  um  zu  studieren ,  sondern  von  seinen  Gredi- 
toren  gedrängt  wegen  unntltz  gemachter  Schulden  von  3000  fl. 
sich  von  Wien  geflüchtet  habe,  wesshalb  F.  von  sich  weist  auf 
Unterstützung  anzurathen.  (VI.  123.) 

Franz  Josef  Timmer,  1727  December  „seit  1718  wirk- 
licher Hofviolinist  zugleich  Musicus  der  Kaiserin- Witwe  Eleonore 
ist  einer  von  den  emsigsten  Dienern,  dergestalt,  dass  er  sich 
rühmen  kann,  nie  einen  Dienst  ausgelassen  zu  haben.^  (VI.  149.) 
1730,  wiederholt  sein  Gesuch  um  Gehalterhöhung,  Fux  sein 
Parere.  (VI.  175.) 

1732,  T.  entleibte  sich  aus  Trübsinn.  Fux  rühmt  noch  nach 
seinem  Tode ,  dass  er  dem  kais.  Ofchestro  trefflich  angestanden 
sei.  (VI.  197.) 

Bernhard  Ziller  1736,  17  Jahre  kais.  Hofviolinist  kommt 
um  Gehaltverbesserung  ein.  Wird  auf  spätere  Zeiten  vertröstet. 
(VI.  240.) 

Johann  Georg  Hintereder,  1718  Juni  „Se.  Majestät 
haben  resolviert  den  Violinisten  H.  in  Dero  Dienste  aufzunehmen. 
Als  Gehalt  schlägt  Fux  30  Thlr.  monatlich  vor,  wenn  Ihre  Majestät 


248  Fux  als  HofkapellmeiBter. 

nicht  in  Ansehung  der  virtü  des  Snpplicanten  ihn  mit  etwas  mehr 
begnaden  wollen."  (VI.  31.) 

1723  kommt  um  Gehalterhöhung  ein,  weil  er  heuraten  will. 
Fux  stimmt  bei,  „da  Snpplicant  nit  allein  durch  seine  virtü  und 
emsige  Dienstleistung^  sondern  auch  durch  sein  PriTatstudinm 
sich  distinguieret."  (VI.  83.) 

1731  ein  ähnliches  6esu<;h.  Fux  begutachtet  beisthnmend^ 
„weil  der  Supplikant  einer  von  den  stärksten  in  der  Musik  unter 
allen  kais.  Violinisten  ist,  massen  er  auch  in  der  Composition 
gar  wohl  erfahren  ist."  (VI.  185.) 

1733,  ein  gleiches  Gesuch  befürwortet  Fux  in  gleicherweise. 
(VI.  221.) 

1740  März  H.  ist  in  Schulden  gerathen  und  bittet  um  Au&- 
hilfe.  Fux  empfiehlt  ihn  als  einen  der  virtuosesten  und  in  kais. 
Diensten  emsigsten  Violinisten.  (VI.  260.) 

Franz  Karl  Pernember,  1726  Violinist,  „welcher  wegen 
seiner  virtü  unter  die  ersten  kann  gezählt  werden,  wird  von  Fux 
empfohlen,  dass  auf  ihn  wegen  seiner  virtü  und  eigenen  Ver- 
dienste, auch  wegen  der  meriten  seines  Vaters,  der  über  20  Jahre 
als  kais.  Hoftrompeter  dient ,  bei  Besetzung  eines  Platzes  reflec- 
tiert  werde.  (VI.  117.) 

1727  kommt  um  eine  kais.  Violonisten-Stelle  ein.  Fux  räth 
nicht  dazu  ein,  weil  er  den  Violon  nur  per  accidens  spielt,  denn 
Fux  kann  nicht  verwilligen ,  dass  ein  so  guter  Violinist  in  einen 
schlechten  Violonisten  sollte  verwandelt  werden.  (VI.  140.) 

1731  März  kommt  um  Erhöhung  seine»  Gehaltes  von 
400  fl.  ein.  Fux  schlägt  für  ihn ,  der  einer  von  den  besten  kais. 
Violinisten  und  überhaupt  ein  grosser  Virtuos  auf  seinem  In- 
strumente ist,  wenigstens,  100  fl.  jährliche  Aufbesserung  vor. 
(VI.  184.) 

1732  bittet  neuerdings  um  Gehalterhöhung,  weil  er  in  Schul- 
den bis  über  die  Ohren  stecke.  Ungeachtet  F.  von  den  jüngeren 
Violinisten,  auch  erst  unlängst  ihm  60  fl.  sind  zugelegt  worden, 
so  meint  Fux,  „weilSupplicant  ein  guter  Virtuos  und  in  äusserster 
Noth  ist,  so  könnten  ihm  doch  noch  80  fl.  aus  Gnade  zugewiesen  . 
werden.  (VI.  196.) 

Filippo  Salviati,  1718  December.  „Weil  dieser  Knab 
noch  in  so  jungen  Jahren  ein  sonderbares  Naturell  in  dem  Violin 


Fnx  als  Hofkapellmeister.  249 

spüren  lässt  nnd  Ihre  kais.  Majestät  ihm  ein  allei^ädigstes  con- 
tentö  gezeigt  haben^,  so  schlägt  Fax  denselben  zum  Hofscholaren 
vor.  (VI.  38.) 

1721  April  bittet  als  Hofscholar  zu  seiner  Fortbildung  nach 
Italien  reisen  zu  dürfen.  Fux  stimmt  für  ein  Reisegeld,  da  die 
hiesigen  Meister  keinen  Scholaren  in  Kost  und  Wohnung  nehmen, 
welches  doch  sowohl  zur  Information  als  Education  höchst  noth- 
wendig  ist;  sonderlich  bei  diesem  Supplicanten,  welcher  wegen 
seines  frischen  und  feurigen  Geistes  niemals  aus  des  Lehrmeisters 
wachsamen  Augen  gelassen  werden  solle.  (VI.  54.) 

1727  November  kommt,  „nachdem  er  als  Hofscholar  fast  neun 
Jahr  dem  Studio  in  Violin  und  Contrapunkt  unter  Anführung  der 
berühmtesten  Meister  in  Italien  mit  grosser  Emsigkeit  obgelegen 
sei  und  zur  Bestreitung  der  Unkosten  seine  assignierte  Provision 
nit  zulänglich  gewesen'^  —  um  die  Wirklichkeit  ein.  Fux  schlägt 
ihn  dazu  vor,  „als  einen  Hofscholaren,  der  sich  capace  gemacht, 
virtuose  Dienste  zu  prästieren."  [Wurde  angestellt.]  (VI.  142.) 

Joh.  Ernst  Muffat  1728  Violinist  unter  Kaiser  Josef  I., 
später  (1714)  reduciert,  bittet  um  kais.  Wiederanstellung.  Fux 
empfiehlt  seine  Bitte,  da  er  bereits  seit  14  Jahren  vertröstet  wurde 
und  er  noch  der  einzige  unconsolierte  ist.  (VI.  156.) 

1730  kommt  neuerdings  um  Wiederanstellung  ein,  die  Fux 
warm  befürwortet.  (VI.  169.)  [Wurde  angestellt.] 

Johann  Paul  Hammer,  1729  August  in  das  achte  Jahr  . 
VioUnista  supemumerarius  kommt  um  die  WirkHchkeit  ein.  Fux 
kann  ihn  dazu  nfcht  vorschlagen,  aber  sagt,  dass  er  lange  emsig 
und  fleissig  dient  und  wegen  der  vielen  impotenten  Violinisten 
der  Hofkapelle  sehr  nöthig  .wäre.  (VI.  166.)  [Wurde  1732  an- 
gestellt.] 

Ferd.  Grossauer,  1732  April  Violinist  bittet  in  die  kais. 
Kapelle  aufgenommen  zu  werden.  Fux  sagt  von  ihm:  „Dieser 
Supplicant  ist  «in  sehr  guter  Virtuos,  welcher  eine  treffliche 
areada,  gute  Intonation,  perfectes  Tempo  und  musicalisches  Ge- 
hör hat^,  und  empfiehlt  ihn  zur  Aufnahme.  [Wurde  nach  Antrag 
aufgenommen.]  (VI.  193.) 

IgnazSt«dlmann,  1735  kais.  Hofscholar 4n  Violin  kommt 
um  die  Wirklichkeit  ein.  Fux  räth  dazu,  „weil  der  Supplicant  nit 
allein  genügsame  Fähigkeit  für  einen  wirklichen  Violinisten  hat. 


250  Fux  als  Hofkapellmeister. 

sondern  wohl  auch  ein  Virtuos  kann  genannt  werden.^  [Wurde 
angestellt.]  (VI.  235.) 

1737  kommt  um  Gehalterhöhung  ein^  wozu  Fux  beistimmt, 
^als  derselbe  ein  Virtuos  ist,  so  unter  die  besten  zu  rechnen  ist.^ 
(VI.  244.) 

KarlJos.  Denk,  1731  bisher  Balletspieler  bei  Hofe,  Sohn 
der  Amme  des  Kaisers ,  bittet  Hofscholar  zu  werden.  Fux  befür- 
wortet diess,  ,,da  dieser  Jüngling  schon  alle  Dienste  gleich  andern 
kais.  Violinisten  zu  verrichten  capace  ist."  (VI.  190.) 

Violoncellisten. 

Job.  Gramme r,  1722  October  in  die  22  Jahre  kaiserlicher 
Violoncellist  kommt  um  Vermehrung  seiner  Besoldung  von  460  fl. 
ein.  Fux  trägt  an  auf  Erhöhung  bis  600  fl.,  „weil  er  wegen  Em- 
sigkeit im  Dienen  und  christlichen  Lebenswandels  andern  zum 
Exempel  dienen  kann,  auch  unlängst  durch  eine  kostbare  Krank- 
heit völlig  in  Ruin  kommen  ist."  (VI.  76.) 

Franz  Peter  Schnautz,  1719  will  als  kaiserlicher  Vio- 
loncellist aufgenommen  werden.  Fux  findet  ihn  dazu  geeignet, 
„da  er  sich  bereits  bei  allen  Hofdiensten  mit  seinem  Violoncell 
brauchen  liess  und  er  auch  ein  guter  Virtuos  auf  diesem  Instru- 
ment igt."  [Wurde  angestellt.]  (VI.  43.) 

Giovanni  Ferroni,  1725  bittet  um  Gehalterhöhung,  da 
^r  Freunde  in  Mailand  erhalten  müsse  und  Schulden  habe.  Fux 
begutachtet :  ,,Ich  lasse  dieses  Supplicanten  Schulden  und  Fami- 
lia  an  seinen  Ort  gestellt  sein ;  was  aber  dessen  wtü  und  Dienst- 
verrichtungen  anbelanget,  muss  ich  bekennen,  dass  an  Emsigkeit 
und  unermüdenden  Fleiss  bei  allen  Diensten  er  andern  zu  einem 
Exempel  sein  könne."  (VI.  115.) 

Franz  Karl  Drenger,  1718  hat  als  Flötist  dem  Kaiser 
gefallen,  bittet  um  Scholarengehalt,  um  seine  Studien  fortsetzen 
zu  können.  Fux  bemerkt:  „Weil  ich  jüngst,  da  er  sich  abermals 
bei  der  Tafel  hören  liess  ein  sonderbares  Naturell  hab  abnehmen 
können,  so  möge  der  Supplicant  mit  so  viel  consoliert  werden, 
dass  er  in  Neapel  in  einem  Conservatorio  sein  Studium  fortsetzen, 
und  das  Violoncell,  welches  nöthiger,  als  die  Flöte,  erlernen 
könne."  (VL  28.)  [Wurde  1725  kais.  Violoncellist.] 


Fux  als  Hofkapellmeister.  251 


VioloDisten. 


1722.  „Weil  Supplicant  (K.  J.  Gigl)  den  Violon  nur  per  ac 
cidens  ein  wenig  streichen  kann,  finde  ich  ihn  bei  den  dermal 
Üblichen  so  schweren  Bässen  gar  nicht  tauglich  flir  einen 
kais.  Hof-Violonisten.  (VI.  68.) 

Andreas  Freitig,  1719  f  kais.  Violonist,  „hat  in  die  32 
Jahre  dem  Durchl.  Erzhaus  von  Oesterreich  emsigst  gedient." 
(VI.  45.) 

Anton  SchnautZ;  1720  kais.  Violonist.  Fux  ist  für  seine 
Gehalterhöhung;  weil  er  einer  von  den  emsigsten  Dienern  ist. 
(VI.  48.) 

1727.  „A.  Schnautz,  durch  viele  Jahre  mit  grössten 
Ruhme  kais.  Violonist  ist  in  erbarmungswürdige  Armuth  verfal- 
len, dergestalt,  dass  er  sein  Weib  sanunt  fünf  kleinen  Kindern  aus 
Mangel  nothwendiger  Kleidung  &uf  ein  Dorf  hinauszugeben  ist 
gezwungen  worden,  er  selbst  aber  aus  Furcht  des  Personal- 
Arrestes  mehrentlieils  flttchtig  geht.  Wann  nun  höchst  zu  be- 
dauern ist ,  dass  ein  solcher  Virtuos ,  dergleichen  kaum  mehr  zu 
hoffen  ist  verderben  sollte",  so  räth  und  bittet  Fux  für  ihn  um 
kräftige  Aushilfe.  (VI.  148.) 

Franz  Peter  Schnautz,  kais.  Violoncellist  1722  18.  April, 
sucht  an  Violonist  zu  werden.  Fux  trägt  darauf  an,  „da  der  Sup- 
plicant den  Violon  auch  sehr  wohl  spielet,  und  an  Violoncellisten 
ohnehin  kein  Abgang  ist".  (VI.  72.)  [Wurde  Violonist.] 

1731.  „S.  hat  schon  16  Jahr  die  kais.  Instrumentenkam- 
mer unentgeltlich  verwaltet,  auch  ist  ihm  seit  1722  den  Vio- 
lon zu  spielen  aufgetragen  worden ,  mithin  habe  er  keine  Woche 
frei,  weil  sonst  nur  ein  Violonist  dermalen  beständig  vorhanden 
ist,  indem  der  aus  Spanien  gekommene  Violonist  Domenico 
Apuzzo  wegen  schlechten  Gesichts  wenig  mehr  dienen  kann."  Fux 
findet  daher  sein  Ansuchen  um  Gehalterhöhung  billig.  (VI.  188.) 

Gambist. 

Franz  Hueffnagel,  kais.  Gambist  1717.  Fux  rühmt  ,,die 
unvergleichliche  virtü"  des  bereits  verstorbenen.  (^.  26.) 


252  Fax  als  Hofkapellmeister. 

Teorbist. 

Francesco  Conti  f  tais-  Compositor  und  Teorbist  1733. 
Fux  rühmt  des  Verstorbenen  „durch  33  Jahre  geleisteten  ganz 
besonderen  virtuosen  Dienste."  (VI.  205.) 

Cymbalist. 

• 

MaxHellmann,  1724,  „welcherungefUhrvor  5  Jahren  von 

Ihre  kais.  Majestät  dem  famosen  polnischen  Gymbalisten  (Pan- 
taleon)  als  ein  Scholar  ist  mitgegeben  worden,  dieses  difficultose 
Instri^nent  zu  lernen,  kommt  a.  u.  ein,  nachdem  er  nach 
vollendeten  Lehrjahren  von  Dresden  wieder  zurückberufen  wor- 
den, als  kais.  Cimbalista  aufgenommen  zu  werden.  Weil  nun 
Ihre  kais.  Majestät  den  Supplicanten  mit  Unkosten  zu  dem  Ende 
verschickt  haben ,  folgt  von  sich  selbst  und  ist  auch  meine  Mei- 
nung, dass,  weil  dieser  Scholar  in  diesem  beschwerlichen  Instru- 
ment solche  Progressen  gemacht  hat,  dass,  wo  er  seinen  Meister 
nit  übertrifft ,  aufs  wenigste  nicht  nachgibt,  der  Supplicant  billig 
in  die  kais.  Dienste  soll  aufgenommen  werden,  und  zwar  mit 
1000  fl.  Gehalt."  [Wurde  nach  Antrag  angestellt.]  (VI.  95.) 

1725  Juni  Hellmann  weiss  sich  wegen  Schulden  nicht 
zu  helfen  und  bittet  um  erkleckliche  Aushilfe.  Fux  bemerkt 
darüber:  „Weil  mir  bewusst,  dass  dieses  Supplicanten  elender 
Nothstand  (in  welchen  er  vielleicht  wohl  auch  aus  der  Jugend 
gemeiniglich  angebomen  üblen  Wi^thschaft  theiis  verfallen  mag 
sein)  also  beschaffen  ist,  dass  sofeme  ihm  nit  durch  eine  kais. 
Gnad  geholfen  wird,  er  unfehlbar  verderben  müsste.  Weil  nun 
höchst  schade  wäre  um  dessen  unvergleichliche  und  mit  grossen 
kais.  Unkosten  erlernte  virtü,  so  möge  er  durch  eine  adjuta  von 
wenigstens  400  fl.  vom  Untergang  gerettet  werden."  (VL  112.) 

1727  kommt  wegen  kostbarer  Besaitung  seines  Instru- 
mentes um  Gehaltvermehrung  ein.  Fux  findet  das  Gesuch  billig 
und  trägt  auf  Gehalterhöhung  von  200  fl.  an.  (VI.  133.) 

1732  bittet  aus  demselben  Grunde  um  Erhöhung  seines 
Gehaltes  von  1000  fl.  um  400  fl.  Saitengeld,  wie  der  Teorbist 
geniesset.  Di«s  scheint  Fux  gar  billig  zu  sein.  (VI.  199.) 


Fux  als  Hofkapellmeifiter.  255 

PosauniBten. 

Leopold  Christian^  1715  kais.  Trombonist  kommt  ein 
um  Gehalterhöhung.  Fiix  berichtet:  „Wejg^en  des  Supplicanten^ 
welcher  in  seinem  Instrument  seines  Gleichen  nit  hat,  und  daher 
die  schwer^sten  Executionen  ihn  allein  treffen ,  kann  ich  wegen 
oben  angezogener  Motive  nit  anders  als  einratheu;  dass  ihm  mo- 
natlich noch  10  fl.  allergnädigst  beigelegt  werden."  (VI.  18.) 

1724  derselbe  kommt  ein,  dass  sein  Söhnlein  von  zehn 
Jahren  königl.  Hpfscholar  werde.  „Weil  nun  diese  Familie  das 
durchl.  Haus  von  Oesterreieh  schon  über  50  Jahre  her  in  diesem 
der  Kapelle  so  anständigen  Instrumente  auf  eine  ungemeine  Weise 
bedienet ,  dergestalt ,  dass  offenbar  ist^  dass  dieses  Instrument 
denen  Christian  angeboren  sei;  als  ist  meine  unmassgebliche 
Meinung,  der  Supplieant  möchte  allergnädigst  consoliert  werden, 
doch  dergestalt,  dass  die  Scholarenbesoldung  von  360  fl.  nit  d6m 
Knaben ,  sondern  dem  Vater  beigelegt  werde ,  bis  der  Sohn  im 
Stande  sein  wird,  in  kais.  Dienste  einzutreten,  wodurch  der  Vater, 
welcher  der  erste  Virtuos  in  der  Welt  in  diesem  Instrumente  ist, 
angefrischet  werde,  den  Sohn  dahin  anzuhalten,  damit  dieses  In- 
strument auf  gleiche  Weise  der  kais.  Kapelle  erhalten  werde.'' 
(VI.  102.) 

1727  derselbe  sucht  eine  Gehalterhöhnng  an.  Fux  äus- 
sert sich  hierttber:  „Er,  Supplieant,  stehe  in  Gefahr,  bei  seinem 
ohnehin  beschwerlichen  Instrument  (durch  äusserliche  Dienste) 
sich  zu  ruinieren  oder  aufs  wenigste  die  kais.  Dienste  nit  mit 
solcher  Perfection  wie  dermalen  zu  verrichten ,  und  da  derselbe 
ein  solcher  Virtuos  ist,  der  seines  gleichen  nit  findet,  auch  schwer- 
lich mehr  einer  zu  hoffen  ist,  mithin  an  dessen  längerer  Cou^er- 
vation  nit  wenig  gelegen  ist,  sohlst  meine  zum  kais.  Dienste 
vorträgliche  Meinung,  seine  dermalige  Besoldung  von  750  fl. 
auf  1000  zti  vermehren,  doch  mit  dem  ausdrücklichen  Befehl, 
dass  er  gleich  bei  dem  Antritt  dieses  Genusses  den  Dienst  bei 
St.  Stephan  aufgebe."  (VI.  127.) 

Leopold  Christian  der  jüngere,  1721  bittet  um  Ge- 
haltverbesserung.  „Weil  dieser  Supplieant  ein  solcher  Virtuos  ist, 
dergleichen  weder  in  vergangenen  Zeiten,  weder  vielleicht  in  zu- 


254  Fux  als  Hofkapellmeister. 

künftigen  keiner  sich  finden  wird",  so  trägt  Fux  anf  Vermehrung 
seiner  Besoldung  bis  40  Thaler  monatlich  an.  (VI.  55.) 

1726  bringt  ein  gleiches  Gesuch  ein.  Fux  wiederholt,  dass 
„der  Supplicant  vermög  seiner  besondern  virtfi  weit  ein  mehreres 
ineritierte,  massen  er  in  seinem  Instrument  seines  Gleichen  nit 
hat«.  (VI.  121.) 

Andreas  Boog,  1720  October  gewesener  Eleonorischer 
Trombonist  kommt  um  die  kais.  Anstellung  ein.  „Weil  in  der 
Kapelle  dermalen  ein  einziger  dienstfähiger  Trombonist  sich  be- 
findet, deren  sonst  aQezeit  vier  gewesen  sind,  so  beantragt  Fux 
seine  Anstellung.  [Wurde  angestellt.]  (VI.  51.) 

1721  über  dessen  Gesuch  um  Gehalterhöhnng  begründet 
Fux  seinen  Antrag  auf  Bewilligung  damit ,  dass  „Boog  nit  allein 
ein  guter  Virtuos  sei,  sondern  auch  in  seinen  Dienstverrichtungen 
sonderbar  emsig  sich  au£Ptthre,  benebens  auch  seine  Armuth  be- 
kannt sei.«  (VI.  64.) 

1731  gelegentlich  eines  ähnlichen  Gesuches  bezeichnet  ihn 
Fux  als  einen  sehr  guten  Virtuosen ,  der  emsig  im  Dienen ,  auch 
privatim  auf  seinem  fatigosen  Instrumente  unaufhörlich  sich 
exercieret.  (VI.  186.) 

Anton  Steinbruckner,  1721  kommt  nach  Johann  Chri- 
stian's  Tode  um  die  Stelle  eines  kais.  Posaunisten  ein.  Fux  nennt 
ihn  dazu  sehr  tauglich  und  einen  guten  Virtuosen.  [Wurde  ange- 
stellt.] (VI.  63.) 

Ignaz  Steinbruckner,  1724  kommt  nach  seines  Bruders 
Anton  Tode  um  die  erledigte  Trombonistenstelle  ein.  Fux  schlägt 
ihn  als  guten  Virtuosen  vor.  [Wurde  angestellt.]  (VI.  99.) 

Jägerhornisten. 

Friedrich  Otto  und  . 

Wenzel  Rossi,  Waldhomisten  1715  kommen  um  Erhö- 
hung ihres  Gehaltes  von  20  Thalern  monatlich  ein.  Fux  findet  die- 
sen Gehalt  allerdings  gering,  beinebens  sei  aber  zu  reflectieren, 
dass  selbe  selten  und  wenig  Dienst  bei  der  Musik  haben.  (VI.  14.) 

1725  kommt  Rossi  ein,  als  Oboist  mit  500  fl.  angestellt  zu 
werden.  Fux  findet,  „dass  Rossi  nicht  capace  sei,  als  Oboist  zu 
dienen,  da  er  die  Hautbois  nur  per  accidens  und  für  sein  diver- 
tissement  tractieret  hat.   Auch  würden  ihm  500  fl.  Besoldung  in 


Fux  als  Hofkapellmeister.  255 

seinem  Elend  mit  Weib  nnd  neun  lebendigen  Kindern  wenig  hel- 
fen. Deshalb  ihm  die  von  R.  länger  angesnehte  Licenz  sich  von 
hier  zu  retirieren  zu  ertheilen  sei."  (VI.  107.) 

Trompeter. 

Sebastian  Nassoto,  1719  musicalischer  Trompeter 
kommt  um  eine  Scholarenstelle  für  seinen  Sohn  Josef  ein.  In  An- 
sehung der  so  vieljährig  treu-emsigen  Dienste  des  Vaters  befllr- 
wortet  Fux  das  Gesuch.  (VI.  40.) 

Josef  Hollandt,  1718  musicalischer  Trompeter  wird  von 
Fux  in  dessen  Gesuch  um  Gehalterhöhnng  unterstützt  ^  „weil  H. 
vor  allen  andern  vermöge  seiner  raren  virtü  sich  distinguieret." 
(VI.  34.  39.) 

Ernst  Sessler,  1727  früher  der  Kaiserin- Witwe  Eleonore 
jetzt  kais.  Hof-  und  Feldtrompeter  kommt  um  einen  erledigten 
höheren  Gehalt  ein.  Fux  rühmt  von  ihm,  dass  er  „bei  allen  vor- 
fallenden  Begebenheiten  sehr  gute  musicalische  Dienste  prästie- 
ret habe".  (VI.  138.) 

Johann  Hainisch,  1727  musicalischer  Hoftrompeter 
kommt  um  höheren  Gehalt  ein.  Fux  rühmt  von  ihm,  dass  er  „in 
seiner  virtü  sich  distinguieret  und  treffliche  musicalische  Dienste 
prästieret."  (VI.  137.) 

1732  bei  gleichem  Anlass  berichtet  Fux:  „Obwohl  dermalen 
keine  musicalische  Besoldung  vacant  ist,  jedoch  weil  dieser  Süp- 
plicant  ein  ganz  besonderer  Virtuos  ist,  dergestalt,  dass  es  ihm  nit 
allein  kein  Trompeter  bevorthun  wird,  sondern  er  auch  gewisse 
Töne  auf  der  Trompete  glücklich  erfunden  hat,  welche  die  Kapell- 
meister zwar  bisher  gewünscht,  aber  kein  Trompeter  hat  können 
zuwege  bringen ,  so  ist  meine  pflichtmässige  Meinung,  Hainisch 
möge  wegen  seiner  ungemeinen  virtti  mit  noch  200  fl.  mithin  bis 
400  fl.  jährlich  allergnädigst  accresciert  werden,  wodurch  er  mit 
weniger  Sorg  seinem  Studio  obliegen  könne  und  angefrischt 
werde,  ferner  nachzusinnen."  (VI.  195.  217.) 

Fagottisten. 

Joh.  Franz  Sturmb,  kais.  Fagottist  f  1733  hat  in  das 
42.  Jahr  gute  Dienste  geleistet.  (VI.  215.) 


256  Fux  als  Hofkapellmeister. 

Karl  Maillardy  kaig.  Fagottist  1733  Jänner  „ist  ein- sehr 
alter  nnd  dergestalt  miselsüchtiger  Mann,  dass  er  muthmasslich 
garnit  lang  mehr  leben  wird."  [f  15.  März  1733.]  (VI.  204.) 

Franz  Martin  Sturmb,  1733  in  die  33  Jahr  kais.  Fagot- 
tist (des  obigen  Sohn)  kommt  um  Gehalterhöhnng  ein.  Fux  be- 
fürwortet das  Gesuch,  „weil  der  Supplieant  dermalen  im  Range 
der  älteste  Fagottist,  auch  virtuos  und  emsig  im  Dienen  ist." 
(VI.  215.) 

TobiasWoschitka,  1721  April  fürstl.  Liechtensteini- 
scher Fagottist  kommt  ein,  kais.  Fagottist  zu  werden.  Fux  räth  zur 
Aufnahme,  „obwohl  dermalen  vier  Fagottisten  sich  befinden,  aber 
wenig  zum  dienen  mehr* tauglich  sind,  wodurch  zuvörderst  der 
Tafeldienst  leidet,  ausserdem  ist  der  Supplieant  ein  guter  Virtuos." 
[Wurde  angestellt.]  (VI.  56.) 

Joh.  6.  Schindler,  Fagottist  1722  April,  war  kön.  Fagot- 
tist in  Spanien,  wurde  dann  in  Wien  reformieret  und  vertröstet, 
kommt  ein,  kais.  Fagottist  zu  werden.  Fux  kann  nicht  einrathen, 
weil  er  bereits  einen  andern  in  Vorschlag  gebracht  hat,  „ungeach- 
tet Seh.  auch  seine  Meriten  und  Habilität  hat."  [Wurde  angestellt.] 
(VI.  72.) 

Johann  Jacob  Friedrich,  1727  kais.  Fagottist' kommt 
ein  um  Gehalterhöhung.  Fux  sagt:  „Obwohl  Supplieant  nit  lang 
in  kais.  Diensten  stehet,  weil  er  aber  ein  besonderer  Virtuos  und 
s^hr  gebraucht  wird,  massen  fast  keine  Woche  vorbeigeht,  wo  er 
nit  1  oder  2  Mal  mit  seinem  beschwerlichen  Instrument  mass 
sich  hören  lassen  nit  mit  geringer  Satisfaction  der  allergnädig- 
sten  Herschaften",  so  befllrwortet  Fux  eine  Zulage  von  300  fl. 
(VI.  129.) 

1733  April  kommt  um  Gehalterhöhung  bis  1080  fl.  ein.  Un- 
geachtet Fr.  als  einer  der  jüngsten  Fagottisten  doch  bereits  den 
höchsten  Gehalt  von  1000  fl.  geniesst,  so  ist  doch  Fux  nicht 
gegen  die  letzte  angesuchte  Erhöhung,  weil  Fr.  ein  besonderer 
Virtuos  ist,  (VI.  214.) 

1737  in  der  gleichen  Angelegenheit  rUhmt  Fux,  dass  Sup- 
plieant in  seinem  Instrument  ein  ganz  besonderer  Virtuos  ist  und 
neben  den  ordinari  Diensten  die  aller^ädigsten  Herschaften 
mit  Soloblasen  öfters  divertieret.  (VL  243.) 


Fux  als  HofkapeUmeiBter.  257 

Anton  Maillard;  kais.  Fagottist  1733  wird  wegen  Gehalt- 
vermehrang  auf  den  nahen  Tod  seines  ^miselsttchtigen^  Vaters 
vertröstet.  (VI.  204.) 

Franz  Philipp  Friederich,  1739  December,  ein  Sohn 
des  kais.  Fagottisten  Friederieh  kommt  um  die  erledigte  Stelle  eines 
kais.  Fagottisten  ein.  Fox  schlägt  ihn  dazu  vor  mit  500  fl.  Ge- 
halt, „dieweil  dieser  Snpplieant  nicht  allein  die  kais.  ordinari 
Dienste  zu  versehen  ftlhig  ist,  sondern  aach  vermög  des  annehm- 
lichen nnd  reinen  Tons ,  so  er  aus  seinem  Instramente  hervor- 
bringet, mit  Soloblasen  einen  gnsto  geben  kann^.  []Nach  Antrag 
angestellt.]  (VI.  256.) 

Oboisten. 

Franz  Xav.  Glätzl,  1715  reformierter Hoboist  kommt  ein, 
wieder  in  Dienst  aufgenommen  zu  werden.  „Weil  der  Supplicant 
ein  guter  Virtuos  und  in  drei  Instrumenten ,  als  Hautbois ,  Flute 
allemande  und  Fagott  excelliert;  beinebcns  auch  statt  seines  kran- 
ken Bruders  schon  eine  geraume  Zeit  gedieuet  hat,  auch  sie  drei 
Brüder  als  zusammen  gewohnt  ein  gutes  Concert  machen,  so  ist 
meine  Meinung,  es  möchte  ihm  indessen  bis  zu  einer  Apertur 
noch  femer,  doch  ohne  Besoldung  zu  dienen  allergnädigst  er- 
laubt sein.  (VL  15.) 

1718  August  kommt  um  die  erledigte  Stelle  eines  kais. 
Oboisten  ein.  „Da  Supplicant  seit  zwei  Jahren  anstatt  seines 
kranken  nunmehr  verstorbenen  Bruders  die  kais.  Dienste  mit 
grosser  Emsigkeit  versehen,  so  erachtet  Fux  die  höchste  Billig- 
keit zu  sein,  ihm  die  vacante  Stelle  zu  verleihen,  zumal  er  ein 
guter  Virtuos  in  dreierlei  Instrumenten  ist".  (VI,  37.) 

1726  nach  dessen  Tode  (f  1726)  rUhnat  noch  Fux,  dass 
derselbe  so  wie  seine  andern  zwei  Brüder  (Franz  und  Roman  Gl.) 
dergestalten  gute  Dienste  geleistet  haben,  dass  deren  schon  zwei 
wegen  des  beschwerlichen  Instrumentes  und  der  Fatiguen  in 
jungen  Jahren  ihr  Leben  eingebUsst  haben.  (VI.  122.) 

Josef  Lorber,  1718  vormals  kais.  Hoboist  kommt  ein, 
wieder  in  kais.  Dienste  aufgenommen  zu  werden.  Fux  unterstützt 
sein  Gesuch,  „da  zu  Bestreitung  der  Tafel-  und  anderen  Dienste 
noch  ein  Hoboits  höchst  nöthig,  dieser  Supplicant  aber  nit  allein 
ni  diesem  Instrument,  sondern  auch  in  der  Flflte  allemande  und 

Köehel,J.J.¥nx.  17 


258  Fux  als  HofkapellmeiBter. 

Chalumeau  ein  sehr  guter  Virtuos  ist,  auch  anbei  schon  •  in  vori- 
gen Diensten  sich  Meriten  gemacht  hat^.  (VI.  36.) 

1723  kommt  um  Gehaiterhöhung  ein,  da  er  auf  der  Laxen- 
burger  Reise  aus  Unvorsichtigkeit  des  Lofankutschers  umgewor- 
fen, geschleppt  und  in  Todesgefahr  ein  Ohr  verloren  hat.  (VI.  84.) 

Joh.  Ludwig  Schulz,  1737  kais.  Hoboist  klagt,  dass  er 
durch  unrichtige  Bezahlung  der  Gehaltquartale  in  eine  Schulden- 
last von  3955  fl.  gerathen  sei ,  desswegen  der  grösste  Theil 
seines  Gehaltes  sequestriert  werde  und  bittet  um  Aushilfe.  Fux 
bestätigt  den  Nothstand,  mittelmässige  Hilfe  komme  dem  Snppli- 
canten  wenig  zu  statten,  auf  ein  grosses  Quantum  unterfange  sich 
Fux  nicht  einzurathen,  weshalb  er  des  Supplicanten  Elend  der 
Milde  des  Obersthofmeisters  recommandiere.  (VI.  245.) 

Andreas  Wittmann,  Hoboist  1721  April  kommt  um  die 
Stelle  eines  kais.  Oboisten  ein.  Fux  ist  für  die  Verleihung ,  da 
eine  Stelle  durch  Todfall  vacant  geworden  und  zwei  wegen 
Unpässlichkeit  keine  Dienste  mehr  leisten  können,  „der  Snppli- 
cant  aber  in  der  Hautbois  und  auch  im  Chalumeau  dergestalt 
Virtuos  ist,  als  ich  noch  allhier  einen  gehört  habe.^  [Wurde  an- 
gestellt.] (VI.  57.) 

Zacharias  Gazaroll,  Hoboist  1731  will  als  Oboista 
Supemumerarius  eintreten.  Fux  findet  das  Gesuch  zu  berücksich- 
tigen, „da  er  ein  guter  Virtuos  ist,  auch  vorher  diych  sechs  Jahre 
Hofscholar  war.  Doch  soll  er  bis  auf  den  Todfall  eines  Oboisten 
ohne-  Besoldung  zu  dienen  verbunden ,  und  weder  etwas  zu  be- 
gehren befugt  sein".  (VI.  181.) 


XV. 

Sehfller  des  Fnx  —  Portrftte  —  Wohnnngreii   —  Krankheit  und  Tod 
—  Seine  YerUltnisBe  in  leitgendssisehen  Componisten  —  Ankang. 

Als  Organist  bei  den  Schotten  so  wie  als  Kapellmeister  von 
St.  Stephan  war  Fux  mit  Gesangsunterricht  beschäftigt,  gleich- 
zeitig und  auch  später  als  Hofkapellmeister  hatte  er  Schüler 
im  Contrapünkte.  Er  erwähnt  es  selbst  in  der  Vorrede  zu  seinem 
Gradus,  dass  er  viel  und  lange  über  eine  leichtfas^liche  Methode 
in  der  Compositionslehre  nachgedacht  und  bei  seinen  Schülern 
mit  Erfolg  angewendet  habe.  Sein  methodisch- didactisches  Ta- 
lent ist  auch  gar  nicht  in  Zweifel  zu  ziehen,  eben  so  wenig  dass 
ein  solcher  Lehrer,  der  zugleich  seine  Theorie  mit  einer  glänzen- 
den Praxis  verband,  gesucht  ward.  Es  scheint  auch,  dass  der 
Unterricht  bei  Fux  nicht  blos  eine  Quelle  des  Erwerbes,  sondern 
ein  Gegenstand  innerer  Neigung  ward,  und  das  im  Gradus  geschil- 
derte Verhältniss  des  Schülers  zum  Lehrer  dürfte  nicht  reine  Fic- 
tion  gewesen  sein,  mindestens  in  manchen  Theilen  auf  wirklichen 
Zuständen  beruhet  haben.  Von  den  ausgezeichneten  Schülern  nun, 
die  sich  und  ihrem  Meister  Ehre  biachten,  sollen  hier  nur  von  den 
nachgevriesenen  vorzüglicheren  einige  Lebensumstände  gegeben 
werden.  Diese  waren:  Gottjieb  Muffat,  Johann  Dismas 
Zelenka,  Franz  Thuma  (Tuma),  Ignaz  Prustmanu  und 
Georg  Christoph  Wagenseil. 

Gott  lieb  Muffat,  geboren  um  1690,  gestorben  in  Wien 
10.  Dec.  1770,  80  Jahre  alt.  (Wr.  Zeitg.)  Er  war  1711—1717 
Hofscholar  und  ein  Schüler  von  J.  J.  Fux,  wurde  3.  April  1717 
Hoforganist  und  blieb  es  bis  zu  seiner  Pensionierung  im  Jahre 
1764  durch  47  Jahre.  Er  war  zugleich  Organist  der  Kaiserin- 
Witwe  Amalie  Wilhelmine  und  gab  Unterricht  im  Ciavier  in  der 
Familie  des  Kaisers  Karl  VL  Von  seinen  beliebten  Ciavierwerken 
wurden  Componimenti  nmsicali  per  il  Cembalo  gestochen  (Gerber, 
Künstlerlex.  Alte  Ausg.).  Im  Manuscript  waren  in  Träg's  Catalog 

17* 


260  Schüler  des  Fux. 

ausserdem  6  Clavier-Parthien ,  8  Parthien  Toccaten  und  Fugen, 
72  Versetten,  12  Toccaten  angezeigt  (Gerber,  Neue  Ausg.).  A.  von 
D  0  m  m  e  r  (Musikgeschichte  p.  450)  sagt  von  ihm :  „  In  Deutschland 
waren  die  grossen  Organisten  auch  tüchtige  Ciaviermeister,  Fro- 
b  erger  an  der  Spitze,  nach  ihm  insbesondere  aber  Gott  lieb 
Muffat,  des  alten  Fux  wUrdiger  Schüler,  ein  ausserordentlich 
feiner  und  gewandter  Claviercomponist,  dessen  Componimenti 
musieali  (Wien ,  1 727)  Stücke  enthalten ,  welche  an  Geschmack, 
angenehmer  Erfindung  und  Solidität  mit  den  besten  ihrer  Zeit  ge- 
trost sich  messen  können."  Von  seinen  Compositionen  für  Ciavier 
und  Orgel  werden  sechs  Nummern  in  Ausgaben  der  neuesten 
Zeit  durch  Becker,  Weitzmann,  Schletterer,  Eiegel  in  den  Monats- 
heften für  Musikgeschichte  1871.  Beil.  pag.  141  angegeben. 

Joh.  Dismas  Zelenka,  1681  zu  Launowiß  in  Böhmen 
geboren  (Dlabaö,  Künstlerlexicon  p.  437)  scheint  seine  Erziehung 
im  JesuitencoUegium  in  Prag  erhalten  zu  haben  und  ward  1710  in 
Dresden  als  Contrabassist  angestellt.  Anfangs  1716  war  er  in 
Wien,  wohin  er  wahrscheinlich  schon  früher  mit  Erlaubniss  des 
Königs  gegangen  war,  um  Unterricht  in  der  Composition  beim 
berühmten  Kapellmeister  J.  J.  Fux  zu  nehmen.  Letzterer  soll 
ausserordentlich  zufrieden  mit  ihm  gewesen  sein  und  den  König 
in  einem  Schreiben  gebethen  haben,  Zelenka  nach  Italien  zu 
schicken,  „damit  er  alles  machen  lerne  und  nicht  blos  in  meiner 
maniera".  1716  gieng  er  mit  mehreren  CoUegen  nach  Venedig 
und  soll  dort  bei  Ant.  Lotti  studiert  haben.  1717  kam  er  von 
Venedig  abermals  nach  Wien  um  den  Unterricht  bei  Fux  fortzu- 
setzen. 1718  wurde  er  dem  Gefolge  des  dort  verweilenden  Kron- 
prinzen von  Sachsen  beigesellt.  Ein  Studienband,  den  er  von 
dort  zurückbrachte  {Collectnneorum  Musicorüm  libb.  IV  de  diver  - 
818  Authoribus  in  Dresden)  war  ein  beweis  seines  Fleisses  ^  Nach 
seiner  Eückkehr  von  Wien  1719  benützte  er  in  Dresden  noch 
den  Rath  Lotti's.  Im  Jahre  1 723  war  er  während  der  Krönung 

1  Zelenka  schreibt  darin  nach  dem  Titel:  „16  Magnificat  a  4  del 
Morales". 

„Praesens  Excellentissimi  in  Rebas  Musicis  Magistri  opus  copiandum 
accepi  a  Magno  illo  capellae  Caesareae  Magistro  P.  ac  Generoso  Dno 
Joanne  Joseffo  FUX  meo  tunc  in  compositione  magistro  reverandissimo 
(sie)  Viennae  Austriae  1718." 


Schüler  des  Fux.  261 

Kaiser  Karl  M.  in  Prag,  wo  nach  der  berühmten  Auflführung 
der  Oper  Coatanza  e  fortezza  von  Fux  unter  Caldara's  Leitung, 
Zelenka  die  Musik  zu  dem  Melodrama  de  Sancto  Wenceslno  ge- 
macht hatte.  1735  erhielt  Zelenka  das  Prädicat  „Kirchencompo- 
nist".  Er  starb  unverheuratet  23  Dec.  1745,  64  Jahre  alt.  Seine 
zahlreichen  Compositionen  blieben  in  Dresden :  die  wenigen  Einge- 
weihten sprechen  mit  grosser  Achtung  von  seinen  Compositionen 
(besonders  den  Chören  und  Fugen)  „als  Muster  im  Kirchenstile". 
In  Dresden  befinden  sich  noch  von  ihm  15  Messen,  3  Requiem, 
10  Litaneien,  mehr  als  60  Psalmen  und  kleinere  Kirchencompo- 
sitionen.  An  Instrumental-Compositionen :  Concerte,  Symphonien, 
Ouvertüren,  Capriecio,  Sonaten  u.  dgl.  Abt  Gerbert  (de  Cantu  et 
Musica  Sacra  T.  ü.  p.  371)  sagte:  „Josephus  Fux  insignem  impri- 
mis  discipulum  in  musica  Sacra  reliquit  Joannem  Zelenka,  regis 
Poloniae  musicae  praefectum  Dresda^ ,  tot  aliorum  insignium  ea 
in  arte  magistrum"  ^  Auch  Quantz  erzählt  in  seinem  Lebens- 
lauf*, dass  er  „an  Fugen  immer  ein  gross  Vergnügen  gefunden, 
zumal,  da  er  vormals  in  Wien  von  dem  künstlichen  Kirchencompo- 
nisten  Zelenka,  der  damals  (vor  1720)  unter  Fuxen  studierte, 
darüber  Begriflfe  erhielt". 

Franz  Thuma  (Tuma)  geboren  in  Kostelec  (Böhmen)  um 
1701,  gestorben  4.  Februar  1774,  73  Jahre  alt,  in  Wien».  Nach 
zurückgelegten  philosophischen  Studien  kam  er  nach  Wien  (um 
1720)  wo  der  Fürst  Kinsky  sein  Beschützer  wurde  und  ihn  Fux 
übergab,  um  seine  Studien  im  Contrapunkte  zu  leiten*.  1741 
ward  er  Kapellmeister  der  Kaiserin  Elisabeth  (nach  Kaiser 
Karl  VI.  Tode)  und  blieb  es  bis  zum  Tode  der  Kaiserin  -%  worauf 
er  eine  Pension  aus  diesem  Titel  bezog.  Er  lebte  sechs  Jahre  lang 
im  Stifte  Geras  in  der  Miethe,  kehrte  kränkelnd  nach  Wien  zurück, 
und  starb  da  im  Kloster  zu  den  barmherzigen  Brüdern.  Seine 
classischen  Kirchencompositionen  werden  in  den  Musikarchiven 
als  kostbare  Schätze  bewahrt  und  Böhmen  ist  mit  Becht  stolz  auf 
diesen  würdigen  Sohn®. 


IM.  Fürstenau,  Oesch.  Dresd.  Mus.  II.  71—83.  «Marpurg, 
hist.-krit.  Beitr.  I.  210.  3  Wiener  Zeitung.  *  F^tis.  5  21.  Dec.  1750. 
<<  Schilling.  —  Auch  die  k.  k.  Hofbibliothek  hat  mehrere  Compositionen 
Ton  ihm. 


262  Schüler  des  Fux. 

Ignaz  Prustmann^  ComponiBt.  In  der  k.  k.  Hofbiblio- 
thek befinden  sich  von  seiner  Composition  zwei  Mottette,  welche 
die  Aufschrift  haben:  „Del  Sgr.  Ignazio  Prnstmann,  Scolare 
del  Sgr.  Maestro  Fux",  femer  ein  Stabat  mater  mit  dem 
Datnm  21.  März  1744^  und  ein  Requiem  mit  der  Jahreszahl  1733, 
welche  sämmtlieh  zeigen ,  dass  er  den  Unterricht  seines  Meisters 
mit  Nutzen  genossen  habe.  Von  seinem  Leben  ist  nirgends  eine 
Aufzeichnung  zu  finden :  F6tis,  Gerber,  Schilling  erwähnen  seiner 
nicht,  ebenso  erscheint  er  nicht  in  den  Hofschematismen,  nicht  in 
den  Todtenlisten  von  Wien  —  er  wäre  ganz  verschollen  ohne 
obigen  Beisatz  bei  seinem  Namen. 

Georg  Christoph  Wagenseil,  geboren  zu  Wien  1715, 
gestorben  daselbst  I.März  1777,  62  Jahre  alt^  Nachdem  er 
schon  früher  den  Unterricht  von  Fux  genossen  hatte,  empfahl 
ihn  dieser*  zum  Hofscholar,  „da  von  ihm  in  der  Orgel  und  Compo- 
sition  virtuose  Dienste  zu  erwarten  seien".  Als  er  hierauf  von 
1736  bis  1738  das  Stipendium  als  Hofscholar  erhalten  hatte, 
schlug  ihn  Fux^  zum  Hofcompositor  vor,  „da  er  vor  andern  in 
den  Grundregeln  des  Contrapunktes  zu  sdireiben  sich  befleissigt, 
um  so  mehr,  als  bei  dermaliger  licentioser  Schreibart  die  regel- 
mässige Composition  durch  ihn  könnte  erhalten  werden".  Ueber 
diesen  Vorschlag  wurde  er"  6.  Februar  1739  Hofcompositor  und 
blieb  in  dieser  Stellung  biß  an  sein  Ende.  Neben  diesem  Hof- 
dienste erhielt  er  auch  die  Stelle  als  Organist  in  der  Kapelle  der 
Kaiserin-Witwe  Elisabeth  Christina  (von  1741  bis  1750,  wo  sie 
starb)  und  war  durch  lange  Jahre  Musikmeister  der  Kaiserin 
MariaTheresia,  wofllr  er  lebenslang  eine  Pension  von  1 500  fl. 
bezog.  Als  der  sechsjährige  Mozart  im  Jahre  1762  am  Hofe 
in  Wien  spielen  sollte,  fragte  er:  „Ist  Herr  Wagenseil  nicht 
hier,  der  versteht  es",  und  als  dieser  kam:  „Ich  spiele  ein  Concert 
von  Ihnen,  Sie  müssen  mir  umwenden"*.  Er  besass  in  seinen 
Compositionen  Originalität  und  ist  einer  der  älteren  Lieblings- 
componisten  für  Kenner  und  Liebhaber  gewesen.  Gedruckt  er- 
schienen von  ihm  mehrere  Ciavierwerke ,  wie  der  Suavis  artifi- 

• 

1  Wien.  Zeitg.  —  nicht  92  Jahre  alt,  wie  Gerber  und  Fötis  angeben. 

2  Beil.  VI.  234.      «  Eb.  250.      *  F.  Niemets chek.  Leben  W.  A. 
Mozart's.  p.  7. 


Schiller  des  Fnx.  263 

ciose  elaboraius  concantus  muricus  und  ähnliches;  im  Mannscripte 
hinterliess  er  anch  Orchestersymphonien ,  Kirchensachen  nnd 
einige  Opern  *. 

Ignaz  Holzbaner^  geboren  zn  Wien  1711,  gestorben  zu 
Mannheim  7.  April  1783  als  knrpfälzischer  Kapellmeister  nnd 
Hofkammerrath  y  der  geachtete  Componist  der  seiner  Zeit  be- 
rühmten Oper  Gttnther  von  Schwarzburg  nnd  zahlreicher 
anderer  Opern,  Kirchen-  und  Kammermnsiken,  wird  von  Dlaba6 
(Hist.  Künstlerlex.  für  Böhmen  I.  436)  ein  8chlller  des  J.  J.  Fnx 
genannt.  Das  war  er  nnn  nicht  ^  aber  wie  er  in  seiner  Selbstbio- 
graphie '  erzählt,  verdankte  er  viel  dem  8tndinm  des  Oradus  ad 
pamassnm  und  machte  einen  emzigen  Besnch  bei  Fax.  Holz- 
baner  sagt  darttber  wörtlich:  „Ich  bettelte  endlich  so  lange  bei 
meiner  Schwester,  bis  sie  mir  Geld  gab  das  Faxische  Composi- 
tionsbuch  kaufen  zu  können.  Ich  verstand  die  lateinische  Sprache 
nnd  fieng  also  darin  zu  studieren  an.  Der  Speicher  war  .der  Ort 
dazu ,  denn  auf  meiner  Stube  hätte  es  nicht  sein  können.  Ich 
componierte  bald  Symphonien ,  Concerte  und  allerhand  derglei- 
chen ,  und  diese  meine  Arbeiten  wurden  immer  von  meinen  Mei- 
stern (jungen  Musikern  des  Domes  von  St.  Stephan)  mit  dem 
grössten  Beifalle  aufgenommen.  Einsmals  fiel  mir  ein,  zum  Ka- 
pellmeister Fux  selbst  hinzugehen  und  ihn  zu  bitten  mich 
in  der  Setzung  zu  unterrichten.  Ich  Hess  mich  melden.  Dieser 
gute  Alte,  welcher  beständig  am  Podagra  und  Chiragra  krank 
lag,  fragte  mich,  was  ich  wollte.  Ich  bath  ihn,  mich  als  Schiller 
anzunehmen.  Ja^  sagte  er,  aber  können  Sie  denn  schon  etwas 
Musik?  0  ja,  antwortete  ich,  auch  schon  etwas  schreiben.  — 
Gut,  nehmen  Sie  ein  Blättchen  von  dem  Papier,  das  auf  d^n  Cia- 
vier liegt  und  schreiben  Sie  mir  einige  Zeilen  Kote  gegen  Note. 
—  Ich  that  es  und  überreichte  es  ihm  aufs  Bett;  er  sah  es  an 
und  sagte  ganz  erstaunt :  Das  können  Sie  schon  ?  Nun  so  kann 
ich  Sie  nichts  mehr  lehren.  Wo  und  von  wem  haben  Sie  dieses 
erlernt?  —  Aus  Ihrem  Buche.  —  Gehen  Sie  nach  Italien,  damit 
Ihnen  der  Kopf  von  überflüssigen  Ideen  gereinigt  werde ,  dann 
werden  Sie  ein  grosser  Mann  werden,  Sie  sind  ein  gebomes 

1  F^tis.  Gerber.  ^  MusicaliBche  Correspondenz.  Speyer  1790.  pag. 
107  ff.  132. 


264  Porträte  des  Fax. 

Genie.  —  Nie  gieng  ich  freudiger  nach  Hanse,  als  damals.^  An- 
derweitige Beziehungen  Holzbauer's  zu  Fux  sind  nicht  bekannt. 


Gelungene  Porträte,  welche  nach  dem  Leben  gemahlt  und 
beglaubigt  sind,  gehören,  nachdem  von  dem  Bilde  in  dem  Vater- 
hause des  Fux  keine  Spur  mehr  zu  finden  war ,  zu  den  Selten- 
heiten. Bekannt  ist  nur  ein  einziges ,  in  dessen  Besitz  das  Archiv 
des  Wiener  Musikvereines  sich  befindet. 

Es  ist  dies  ein  gut  gemahltes  Oelbild,  Bruststück  im 
Costümc  der  Zeit.  Die  Beglaubigung  liegt  eben  dort  und  besteht 
in  einem  Briefe ,  den  der  frühere  Besitzer  J(ohann)  Ch(ristoph) 
Westphal  (geb.  zu  Hamburg  1.  April  1773  und  seit  1803  an  der 
dortigen  Nicolaikirche  als  Organist  angestellt  *)  an  einen  Herrn 
Zahl-Commissär  Henk  daselbst  (Hamburg?)  schreibt.  Er  lautet: 

,,Meinem  Versprechen  gemäss  mache  ich  Ew.  Wohlgeboren 
auf  Dero  Anfrage  meine  endliche  Entschliessung  bekannt.  Un- 
gerne  beraube  ich  meiner  musicalischen  Bildniss- Sammlung,  jetzt 
an  Anzahl  518  Stück,  kins  der  seltensten  Stücke,  indem  meines 
Wissens  dies  das  einzige  noch  vorhandene  Porträt  von  dem  alten 
Ober-Kapellmeister  Fux  ist.  Derselbe  hat  es  seinem  lieben 
Freunde  dem  Kapellmeister  H  e  r  t  e  P  eigenhändig  zum  Andenken 
verehrt ,  und  von  dem  letzten  dieser  Familie ,  der  hier  starb ,  ist 
es  seit  30  Jahren  in  meinen  Händen.  Kann  ich  indessen  für  dieses 
Porträt  20  Fdor.  erhalten,  nun  so  will  ich  es  fllr  diesen  Preis  ab- 
stehen. Es  hat  eine  Höhe  von  circa  2V2  Euss  und  eine  Breite  von. 
1^4  Fuss  und  ist  unbeschädigt. 

V.  H.  den  30.  Juni  1819.  J.  H.  Westphal. 

Josef  Sonnleithner  hatte  dasselbe  bei  Westphal  gesehen  und 
kaufte  es  1827  aus  dessen  Nachlasse  für  den  Musikverein. 

Dieses  ausdrucksvolle  Porträt  wurde  von  einem  sehr  geschick- 
ten Künstler  zum  Behufe  der  Photographie  in  natürlicher  Grösse 
mit  Kreide  gezeichnet  und  liegt  dem  Titelkupfer  zum  Grunde. 

Die  übrigen  bekannten  Abbildungen  sind  von  untergeord- 
netem Werthe  und  dürfen  schwerlich  einen  Anspruch  auf  Aehn- 

1  Gerber  und  Fötiß.  ^joh.  Christ.  Hertel,  meklenburg-stre- 
litzischer  Concertmeißter,  geb.  1699,  gest.  1754.  (Gerb.) 


Wohnungen  des  Fnx.  265 

lichkeit    machen.    Es    sind    dies    sämmtlich    Brustbilder    und 
zwar: 

1.  Aquarell  in  der  Privatbibliothek  Sr.  Majestät  des  Kaisers. 

2.  Lithographie  mit  der  Unterschrift  „Fnx"  ohne  weitere  An- 
gabe; nach  W.  E.  Drngulin  (allg.  Portr.  Catalog  p.  258)  soll 
sie  von  Winther  1821  lithographiert  worden  sein. 

3.  Eapferstieh.  Auf  einem  grossen  Tablean^  42  meistens 
italienische  Tonkünstler  in  Medaillons  gruppiert  darstellend ,  ge- 
zeichnet YonLuigi  Scotti,  gestochen  in  Florenz  im  Studio  Raimondi. 
In  dem  einen  Medaillon  y  beinahe  in  der  Mitte  des  Bildes  ist  das 
Profil  von  J.  J.  Fux  neben  dem  von  Piccinni,  Jomelli  und  Sacchini. 
(In  der  Porträtsammlung  Sr.  Majestät  des  Kaisers.  Tonkttnstler^ 
Blatt  112.) 


Fux  wohnte  in  Wien  1696  nach  der  Trauungsmatrikel  als 
Organist  des  Stiftes  im  Schottenhofe  in  der  Städte 

7.  December  1702  wurde  ihm,  als  Hofcompositor,  ein 
Quartier  in  des  Paul  Kautz  Barbierer  Haus  auf  dem  Neuenmarkt 
angewiesen*.  (Dieses  Haus  des  Barbierers  Paul  Kautz  zu  den 
7  Körben  genannt,  ist  ein  Eckhaus  mit  der  jetzigen  Nummer  17, 
alt  Nr.  1067.) 

20.  Juli  1715  erhielt  er  als  Hofkapellmeister  eine  an- 
dere Wohnung  „in  der  Weinburg  in  weil.  Martins  gewesten  Schnei- 
dermeisters Haus  ^.  (Weil.  „Johann  Martin,  Hoff-Befreiten  Schnei- 
dermeisters Hans,  ein  Eck"  ist  nun  Nr.  5,  alt  Nr.  907  in  der 
Weihburggasse.) 

23.  Oct.  1719  wurde  ihm  sein  letztes  Hofquartier  zuerkannt, 
worin  er  auch  starb  „in  dem  sogenannten  goldenen  Bern  an  alten 
Fleischmarkht*''  (d.  i.  Fleischmarkt  neu  Nr.  6,  alt  Nr.  697^). 


Schon  in  seinem  sechzigsten  Jahre,  vielleicht  selbst  noch 
früher  war  Fnx  von  einer  schmerzlichen  chronischen  Fussgicht 
gequält,  die  ihn  bis  an  sein  Ende  nicht  mehr  verlassen  zu  haben 
scheint.  Im  Jahre  1723  Hess  ihn  der  Kaiser  in  einer  Sänfte,  wie 
erwähnt,  zur  Krönung  nach  Prag  bringen,  um  dort  der  Aufführung 

1  Beil.  1. 1. 2.  2  BeU.  IL  18.  »  Beil.  II.  19.  *  Beil.  II.  20.  *  Die 
Ennittlung  dieser  Häuser  mit  ihren  gegenwärtigen  Nummern  verdanke  ich 
dem  verehrten  Freunde  Dr.  Th.  G.  von  Karajan. 


266  Kränklichkeit  and  Tod  des  F  n  x. 

seiner  grossen  Oper  Costanza  e  Foriezza  beizuwohnen.  Vielfach 
klagt  er  darüber  in  seinen  amtlichen  Berichten;,  im  Jahre  1725 
sagt  er  im  Vorberichte  des  Gradns^  „er  sei  dnrch  häufige  Kränk- 
lichkeit, manchmal  durch  mehrere  Monate ,  ja  sogar  durch  ein 
ganzes  Jahr  in  seiner  Arbeit  unterbrochen  worden  und  jetzt  kaum 
genesen" ;  femer  wiederholt  er  am  Schlüsse  des  Werkes  (p.  279) 
auf  die  Frage  des  Schülers,  ob  er  jetzt  sein  Werk  schon  ab- 
schliessen  wolle?  „Bemerkst  du  nicht  die  Steifheit  und  Mattigkeit 
meiner  Gelenke,  die  Vorbothen  meines  drohenden  Leidens,  der 
Fussgicht?  Du  weisst  überdies,  dass  ich  sowohl  durch  meine 
Jahre  und  mein  fast  nie  ganz  aussetzendes  Uebelbefinden,  schon 
so  gebrochen  bin ,  dass  wenn  jene  Krankheit  mit  ihrer  gewöhn- 
lichen Heftigkeit  mich  anfiele  und  nach  ihrer  Gewohnheit  dnrch 
sechs  Monate  festhielte,  mein  Gemüth  die  nicht  grundlose  Furcht 
befallen  mttsste,  dass  ich  dieses  Mal  nicht  wieder  an  ein  Aufkom- 
men denken  könnte.  .  .  Bin  ich  doch  jetzt  schon  an  das  Ruhbett 
gefesselt."  —  Auch  an  den  Schriftzügen  der  amtlichen  Gutachten 
wird  seine  zunehmende  Schwäche  ersichtlich:  nach  dem  Tode 
seiner  Frau  (1731),  besonders  seit  1732  wird  seine  sonst  feste 
Hand  oft  zitternd,  von  1737  bis  1740  muss  er  sich  einer  fremden 
Hand  bedienen,  die  auch  seinen  Namen  unterfertigt.  Vom  10.  März 
1 740  ist  sein  letztes  Gutachten.  Nachdem  er  noch  den  Schmerz 
erleben  musste,  an  dem  Sarge  seines  kaiserlichen  Gönners^  und 
Freundes  zu  stehen  und  ihm  mit  dem  grossen  Requiem  seine 
letzte  Huldigung  zu  bringen,  unterlag  kaum  vier  Monate  später, 
am  13.  Februar  1741*  seine  eigene  körperliche  HttUc  einem 
„hektischen  Fieber".  Am  15.  Februar  wurde  er  am  Freithofe  von 
St.  Stephan  in  der  Gruft  bei  seiner  vorangegangenen  Gattin  bei- 
gesetzt. Bei  seinem  letzten  Kampfe  waren  seine  treue  Nichte 
Maria  Eva  und  der  NeflFe  Matthäus,  ihr  Bruder  um  ihn.  Er 
endete  damit  als  ein  Mann ,  der  lange  siegreich  durch  die  Kraft 
des  Geistes  über  die  Gebröchen  des  Körpers,  zuletzt  überwunden 
von  dem  Drude  seiner  Jahre  und  erschöpft  an  Lebenskraft  erlag 
im  Alter  von  81  Jahren^.  —  Konnte  er  doch  beruhigt  zurücksehen 
auf  eine  Reihe  schöner  Werke  der  Kunst  und  eine  reiche  Saat, 

1  Kaiser  Karl  VI.  starb  20.  Oet.  1740.  s  Gestorben  den  13.)  beschaut 
den  14.,  bestattet  den  15.  Febr.  1741.  (Wr.  Diar.  und  Beil.  I.  6—9.) 
3  Wiener  Diar.  15.  Febr.  und  Beil.  I.  6. 


Characterzüg^e  deß  Fax.  267 

die  befruchtet  und  genährt  durch  seine  Ftihmng  Beinen  Namen 
anf  eine  späte  Nachwelt  zu  tragen  bestimmt  war. 

Am  Tage  nach  seiner  Beerdigung  (16.  Februar)  gaben  die 
Hofinusiker  in  der  Hofkapelle  seine  schöne  Messe:  In  fletu 
solatium. 

Fassen  wir  die  im  Vorausgegangenen  zerstreuten  Character- 
Züge  unseres  Fux  zusammen,  so  geben  sie  uns  das  Bild  eines 
Ehrenmannes,  dem  seine  Kunst  und  sein  Amt  das  höchste  im 
Leben  galten,  und  der  zugleich  als  Mensch  sich  allseitiger  Achtung 
und  Anerkennung  erfreute.  Ausser  den  Bemühungen,  seine  Frau 
und  seine  nächsten  Verwandten  versorgt  zu  wissen,  erwarb  ihm 
sein  Wohlwollen  auch  Freunde  durch  sein  ganzes  Leben,  ja  selbst 
über  dieses  hinaus,  wie  sich  diess  in  dem  nahen  Verhältnisse 
seiner  Erben  zu  den  Verwandten  seiner  Frau  in  der  Familie 
Schnitzenbanm  noch  in  späten  Jahren  kundgab.  Sein  Haushalt 
mnsste  durchaus  geordnet  gewesen  sein,  da  ungeachtet  seiner 
kostspieligen  Krankheiten  sein  Nachlass  beträchtlich  gewesen 
war,  indem  der  Neffe  und  Legatar  Matthäus  Fux  allein  10.000  fl. 
erhielt.  Sein  humanes  Benehmen  sprach  sich  auch  in  seinem  Ver- 
hältnisse zu  den  ihm  unterstehenden  Mitgliedern  der  Hofkapelle 
besonders  in  jenen  Fällen  aus ,  wo  er  hilfebereit  eintritt,  wenn  er 
auch  durch  seine  Amtspflicht  dazu  nicht  veranlasst  war.  —  Dass 
er  im  Bewusstsein  seines  mnsicalischen  Verdienstes  auf  den  Bang 
des  ersten  Kapellmeisters  des  ersten  Kaisers  der  Christenheit 
grossen  Werth  legte,  und  gelegentlich  den  Meistertitel  nur  jenem 
zuerkannt  wissen  will ,  welcher  die  Composition  aus  dem  Funda- 
ment versteht,  darf  wohl  bei  einem  Manne  nicht  befremden,  der 
sich  sagen  musste,  dass  er  seine  Stellung  und  sein  Ansehen  in 
der  musicalisehen  Welt  nur  seinem  Talente ,  seinen  Kenntnissen 
und  seiner  Thätigkeit  verdanke.  Seinem  Herrn  und  Kaiser  gegen- 
über genoss  er  zwar  ein  besonderes  Vertrauen ,  allein  er  überhob 
sich  dessen  nie  und  liess  darum  die  Rücksicht  gegen  seine  un- 
mittelbaren Vorgesetzten,  besonders  den  Obersthofmeister  niemals 
aus  dem  Auge.  Wenn  er  sich,  wie  bei  der  Beschwerde  gegen  den 
Principe  Pio,  dem  kaiserlichen  Ausspruche  zu  unterwerfen  erklärt, 
so  geschieht  es  doch  nicht ,  ohne  die  Rechte  des  Kapellmeisters 
ftir  sich  und  seine  Amtsnachfolger  zu  wahren.  In  seinen  schrift- 
lichen Aeusserungen ,  besonders  den  Gutachten,  ist  neben  der 


268  Characterzüge  des  F  u  x. 

veralteten  Form  des  Ausdrucks  die  klare  Ansicht  des  Sach- 
verhaltes und  bei  manchen  hochgespannten  Forderungen  der 
Bittsteller  die  kluge  Corabinierung  aller  Umstände  und  ein  inrnier 
volles  Mass  der  Billigkeit  niemals  zu  verkennen.  Indessen,  wo  es 
gebothen  erscheint ,  tritt  er  auch  fest  und  entschieden  auf^  zur 
Strenge  erhebt  er  sich  nur  in  den  seltenen  Fällen,  wo  er  in  der 
Handhabung  seiner  Amtsbefugnisse  angegriffen  wird,  oder  offen- 
bare Böswilligkeit  zu  Tage  tritt*.  Nicht  ganz  selten  ergeht  er 
sich  auch  bei  ämtlichen  Berichten  in  einem  harmlosen  Humor.  So 
sagt  er,  als  der  Violinist  Hintereder  wegen  bedeutender  Schulden 
um  Gehalterhöhung  ansucht,  dass  „noch  mehrere  in  eben  diesem 
Spital  krank  liegen,  welche  noch  weniger  Besoldung  haben,  als 
der  Bittsteller 3".  —  Dann  meint  er:  „da  der  Supplicant,  der  So- 
pranist Vincenzi  ohne  Familie  sich  befindet,  so  könnte  er  mit 
80  Thalern  monatlich  gar  fein  und  ehrlich  leben*".  Den  Thomas 
Sandtner,  kais.  Einspänner,  der  für  seinen  Sohn  um  eine  Hof- 
paukerstelle ansuchte,  beschied  Fux:  „als  wird  dieser  Suppli- 
cant die  Unterhaltung  fllr  seinen  Sohn  in  dem  Futteramt  zu  suchen 
haben"*.  Endlich  als  Vincenzo  Losara,  der  13  Jahre  auf  einem 
KriegsschiflFe  als  Schreiber  gedient  hatte,  cassiert  wurde  und  ein- 
kam, Hofmusiker  zu  werden,  formulierte  Fux  den  abweislichen 
Bescheid  in  folgender  Weise:  „Weil  nun  L.  in  seinem  Memoriale 
frei  bekennt,  dass  er  zur  Musik  untüchtig  sei,  als  erhellt  von 
selbst,  weil  zur  Musik  Vocalisten  und  Instrumentisten,  aber  keine 
Matelotten  nöthig  sind,  dass  ich  für  den  Supplicanten  nit  ein- 
rathen  kann*." 

Da  Fux  durch  mehr  als  zwanzig  Jahre  bei  heftigen  Gichtan- 
fällen sein  Amt  versehen  hatte,  konnte  er  mit  Recht  von  sich 
sagen:  „UnterSchmerzen  habe  ich  meine  Pflicht  erfüllt."  Wieviele 
hätten  sich  unter  ähnlichen  Verhältnissen  längst  von  allen  Ge- 
schäften zurückgezogen.  Das  zeichnet  aber  den  starken  Character 
des  Mannes  und  Künstlers,  der  auch  von  schweren  körperlichen 
Leiden  sich  nicht  übermannen  lässt. 

Wie  es  von  seiner  früh  erworbenen  Berühmtheit  kaum  ander» 
zu  erwarten  war,  wurde  seine  Kunst  in  weitesten  Kreisen  aner- 

1  Beil.  VI.  1.  94.  «  Eb.  125.  141.  146.  »  Eb.  98.  *  Eb.  123. 
»  Eb.  170.      «  Eb.  237. 


YerhältniBse  zu  gleicfazeitigen  KUnstleni.  269 

kannt  und  seine  persönliche  Bekanntschaft  von  reisenden 
Künstlern  gesucht.  Im  Jahre  1702  kam  Maxmilian  Zeidler^ 
Kapellmeister  in  Nürnberg  nach  Wien,  „allwo  er  das  Glück  hatte 
mit  dem  itzigen  (1740)  Ober-Kapellmeister  Johann  Josef  Fux  be- 
kannt zu  werden,  dessen  Gewogenheit  und  Treu«  er  lebens- 
lang zu  rühmen  hat'^.  Graf  Franz  Losy,  einer  der  grössten 
Lautenspieler  in  Böhmen  (geb.  1638)  bezeigte  nach  dem  Zeug- 
nisse des  verdienstvollen  Kapellmeisters  Gottfried  Heinrich 
Stölzel  (1690 — 1749)  über  nichts  ein  grösseres  Vergnügen,  „als 
wenn  ein  Gang  ungefähr  in  den  Lulli'schen  oder  Fuxi'schen  Gusto 
einschlug,  deim  diese  zwei  Meister  Lulli  und  Fux  hatten  bei  ihm 
vor  allen  den  Vorzug*.  Auch  Johann  Francisci  (geb.  1691), 
Cantor  und  Chordirector  in  Neusohl  hebt  besonders  hervor ,  dass 
er  auf  einer  Keise  nach  Wien  Bekanntschaft  mit  den  kaiserlichen 
Virtuosen  gemacht  habe,  absonderlich  mit  dem  Herrn  Ober- 
Kapellmeister  Joh.  Jos.  Fux^.  In  seinem  Testament  erwähnt  Fux 
einer  goldenen  Medaille  mit  Kette,  die  er  entweder  von  seinem 
Monarchen  oder  einem  fremden  grossen  Herrn  erhalten  haben 
mochte.  —  In  Dresden  befindet  sich  in  der  Hofbibliothek  von  der 
Hand  des  Joh.  Dismas  Zelenka  ein  fllnfstimmiger  Canon,  welcher 
den  Concertmeister  Angelo  Ragazzi,  zugleich  Violinspieler 
in  der  kais.  Hofkapelle  zum  Verfasser  hat  und  über  die  Worte 
gesetzt  ist :  Inveni  hominem  aecundum  cor  meum »  während  zwei 
Stimmen  singen:  Joannes  Josef  Fux,  excellens  musicus. 

Ungeachtet  es  an  Anerkennung  der  Verdienste  des  Fux 
durch  gleichzeitige  italienische  und  deutsche  Tonkünstler  nicht 
fehlte ,  wie  dies  bei  der  Besprechung  des  Gradus  und  seines 
Kapellmeisteramtes  erwähnt  wurde ,  so  war  es  bei  der  Richtung 
der  Musik  am  Hofe  zu  Wien  natüriich,  dass  die  Augen  auch  der 
bedeutendsten  Componisten  mehr  nach  Italien  als  nach  Deutsch- 
land gerichtet  waren ,  da  neben  Fux  grösstentheils  nur  Italiener 
als  Componisten  auftraten,  von  denen  einige,  wie  M.  A.  Ziani, 
A.  Caldara,  Fr.  Porsile,  Fr.  Conti  bleibend,  einige,  wie  die 
beiden  Bononcini,  der  Singmeister  Tosi  vorübergehend  neben 
Fux  an  der  Hofkapelle  angestellt  waren,  andere  wie  Legrenzi, 

1  Mattheson,  Ehrenpforte,  p.  401.  *  Mattheson,  eb.  p.  171  f. 
345.      3  Mattheson,  eb.  p.  79. 


270  Verhältnisse  zu  gleichzeitigen  Künstleni.  —  Anhang. 

A.  Lotti,  Ariosti,  Porpora  u.  s.  w.  hatten  Compositionen 
eingeschickt  und  konnten  keinen  Falls  den  dortigen  Hofkapell- 
meister ignoriert  haben.  —  Von  Interesse  ist,  zu  erwägen,  in 
welchem  Verhältnisse  Fux  zu  den  um  25  Jahre  jüngeren  Johann 
Seb.  Bach^  und  Georg  Friedrich  Händel*  gestanden  habe. 
Von  persönlichen  Beziehungen  derselben  ist  durchaus  nichts  be- 
kannt: Bach  kam  nicht  aus  seinen  sächsischen  Kreisen,  Händel 
hatte  auf  seinen  Reisen  niemals  Wien  bertthrt;  Fux  machte 
niemals  Reisen.  Als  beide  anfiengen ,  durch  ihre  Compositionen 
grösseres  Aufsehen  zu  erregen,  etwa  nach  1725,  war  Fux  bereits 
über  65  Jahre  alt  und  hatte  mit  dem  Gradus  und  seinen  Haupt- 
werken der  Composition  den  Höhenpunkt  seines  Ruhmes  er- 
reicht und  es  wäre  naturgemäss  an  den  jüngeren  gewesen,  an 
den  älteren  Kunstgenossen  heranzukommen.  Wenn  dies  aber 
auch  nicht  geschah ,  so  konnte  doch  Bach ,  der  die  Werke  von 
Froberger,  Kerl,  Pachelbel  eifrig  studierte,  den  Werken  des  Fux 
nicht  fremd  geblieben  sein,  und  Händel,  dem  neben  Fux  von 
Mattheson  das  beschützte  Orchester  dediciert  wurde,  konnte  un- 
möglich von  Fux  keine  Notiz  genommen  haben.  Die  Richtungen 
dieser  drei  Tonmeister  giengen  allerdings  auseinander,  allein  dem 
eifrig  Strebenden  kann  das  Verdienst  eines  älteren,  und  diesem 
das  Auftauchen  so  grosser  jüngerer  Talente  nicht  ganz  fremd  ge- 
blieben sein.  Mehr  jedoch  als  die  Wahrscheinlichkeit  dieser  all- 
gemeinen Beziehungen  ist  aus  dem  Leben  dieser  drei  Korj^Dhäen 
der  Tonkunst  nicht  nachzuweisen. 


Da  die  Hoffnung,  irgend  welche  schriftliche  Aufzeichnungen 
über  das  Leben  des  Hofkapellmeisters  Fux  entweder  von  ihm 

1  Johann  Sebastian  Bach,  geb.  21.  März  1685  zu  Eisenach, 
1714  Concertmeister  zu  Weimar,  von  1723  Cantor  und  Musikdirector  an 
der  Thomasschule  zu  Leipzig  bis  an  seinen  Tod  am  28.  Juli  1750. 

«  Georg  Friedrich  Händel,  geb.  zu  Halle  23.  Febr.  1685,  war 
von  1703  bis  1706  bei  der  Oper  in  Hamburg  angestellt,  machte  hierauf 
Studien  in  Italien,  kam  1710  das  erste  Mal  nach  London,  wurde  1712  Ka- 
pellmeister in  Hannover,  von  17 J 7  bis  1720  Musikdirector  des  Herzogs  von 
Chandos  in  Cannons,  1720  bis  1740  bei  der  Londner  italienischen  Oper 
thätig ;  seit  1732  kamen  seine  ersten  Oratorien  zur  Aufführung.  Er  starb 
13.  April  1759. 


Matthäus  und  Maria  Eva  Fux.  271 

selbst  oder  seinen  Angehörigen  herrührend  aufzufinden ,  lange 
nicht  aufgegeben  wurde,  so  wurden  wiederholte  und  mtthsame 
Forschungen  angesteUt,  ob  nicht  bei  seinen  Erben,  der  Nichte 
Maria  Eva  Fux  unddemNeffen  Matthäus  Fux  und  deren  Erben 
und  Bechtsnachfolgem  sich  etwas  dahin  einschlägiges  erhalten 
habe.  Die  bisherigen  Bemtthungen  erwiesen  sich  erfolglos.  Allein 
um  etwa  spätere,  glücklichere  Forscher  in  Kenntniss  zu  setzen, 
was  bisher  über  die  Rechtsnachfolge  in  dem  Erbe  des  J.  J.  Fux 
an  den  Tag  zu  bringen  gelang,  mögen  folgende  Notizen  dienen. 

Matthäus  Theophilus  Fux,  Sohn  des  Bruders  des 
Kapellmeisters  *  geboren  16.  September  1719,  ward  bei  dem  Tode 
seines  Oheims  1741  Candidatus  juris  genannt*,  erhielt  durch 
Legat  seiner  Muhme  (Mämb)  der  Schwägerin  seines  Oheims,  Fi*äu- 
lein  Maria  Theresia  Schnitzenbaum  1000  fl.  In  der  Quittung  darüber 
aus  Klagenfurt  vom  6.  Juni  1749  nennt  er  sich  „Einleitungs- 
Rectifications- Actuarins  Registrator  und  Protocollista  in  Kämthen^^ . 
Von  da  ab  war  weder  in  Klagenfurt  noch  anderswo  etwas  über 
seinen  Tod  und  seine  letztwillige  Verfügung  zu  erfahren.  In  der 
Quittung  verzichtet  er  auf  eine  Sicherstellung  jener  weiteren 
1000  fl.,  die  ihm  seine  Schwester,  falls  sie  heuraten  sollte,  nach 
demselben  Testamente  zu  leisten  verpflichtet  war.  Daraus  lägst 
sich  auf  ein  gutes  Einvernehmen  der  beiden  Geschwister  schliessen. 
Da  aber  die  Schwester  Eva  Maria  Fux  in  ihrem  Testamente  vom 
5.  März  1771  ihres  Bruders  Matthäus  weder  als  Erben  noch  als 
Legatars  erwähnt,  während  sie  allen  noch  lebenden  Geschwistern 
und  den  nachgelassenen  Kindern  der  verstorbenen  Geschwister 
Vermächtnisse  aussetzt,  so  ist  anzunehmen,  dass  Matthäus  Fux 
im  Jahre  1771  bereits  verstorben  gewesen  sei. 

Maria  (Eva)  Fux*,  geboren  18.  November  1696  zu  Hirten- 
feld in  Steiermark,  gestorben  unvermählt  in  Wien  6  April  1773 
daher  76  Jahre  alt,  nicht  73  Jahre,  wie  das  Wiener  Diarium  vom 
10.  April  1773  angibt.  Sie  war  nicht  nur  durch  das  Erbe  ihres 
Oheims,  sondern  auch  die  weitere,  nicht  unbedeutende  Erbschaft 
der  erwähnten  Maria  Theresia  Schnitzenbaum  (f.  19.  Mai  1749) 
in  die  Lage  versetzt,  unabhängig  und  behaglich  ihre  Tage  zu  be- 

1  Stammbaum  n.  16.  ^  Beil.  I.  12.  3  Eine  von  Maria  Theresia  auf- 
gestellte Steuer-Commission.      *  Stammbaum  n.  5. 


272  SchluBS. 

8chliessen  ^  Sie  muss  mit  den  Verwandten  der  Familie  Schnitzen- 
banm  in  bestem  Vernehmen  gelebt  haben  und  nach  den  Legataren 
nnd  Zeugen  ihres  eigenen  Testamentes  zu  schliessen  mit  Personen 
der  höheren  Beamtenwelt  verkehrt  haben*.  Dartiber  hat  sie  aber 
die  Verwandten  ihrer  eigenen  Familie  Fux  in  Steiermark  nicht 
vergessen,  denen  sie  testamentarisch  bei  8000  fl.  legierte^,  woher 
sich  wohl  der  verbesserte  Vermögensstand  derselben  bis  in  die 
neueren  Zeiten  schreiben  mag.  Ihre  Stiftung  einer  wöchentlichen 
Messe,  die  in  St.  Marein  bei  Pickelbach  zum  Andenken  der  Familie 
Fux  gelesen  werden  muss,  besteht  noch  heutzutage :  die  Urkunde 
darüber  befindet  sich  im  dortigen  Pfarrarchive*.  —  Da  Maria 
Fux  die  unvermählte  Josefa Perger ^  zur  üniversalerbin  einsetzte, 
diese  sich  später  vermählte  und  ihren  Gatten  Johann  Elias  Link 
zum  Erben  einsetzte,  auch  in  der  Folge  mehrfache  ähnliche  Ver- 
hältnisse eintraten,  so  zersplitterte  sich  der  Nachlass  des  Johann 
Josef  Fux  in  einer  Weise,  dass  kein  l'heil  davon  mehr  nachweis- 
bar ist^.  Ein  einziges  Recht  aus  dem  Nachlasse  hat  sich  bis  auf 
unsere  Zeit  erhalten.  Maria  Theresia  Schnitzenbaum  hat  eine 
Stiftung  fdr  eine  PfrUndnerin  des  St.  Johannsspitals  in  Wien  ge- 
macht und  zur  Präsentantin  ihre  Erbin  Eva  Maria  Fux  und  ihre 
Bechtsnachfolger  testamentarisch  berufen.  Dieses  Präsentations- 
recht kam  durch  Vererbung  an  Jungfrau  Anna  Nimpfling  in  Gratz, 
welche  im  Jänner  1867  noch  lebte  ^ 

1  Ihr  Vermögen  belief  sich  bei  ihrem  Tode  auf  25.100  fl.  (Beil.  I.  16.) 
2  BeU.  I.  15.  3  Eb.  17.  *  Eb.  18.  *  Eb.  15.  «  Vgl.  Vererbung  des 
Vermögens  des  Fux.  Beil.  I.  19.      '  Beil.  I.  19. 


Register. 

Die  beigesetzien  Zahlen  keziehen  sich  auf  die  Seiten. 


Abbatia  Ant.  Mar.  45. 

Abraham  a  S.  Clara  14. 

Addimari  Cav.  Dichter  41. 

Add  Pletro  Violoncellist  227. 

Alber  Job.  yiolinist  230.  246. 

Albers  Paul  246. 

Alborea  Franc.,  Violoncellist  227. 

Aibrechttberger  Job.  G.  71. 163. 

Allegri  Gregorio  120. 

Amalia  Wilhelmina,  Kaiserin  63.  77. 

AmaKeo  Aarelio  24.  40. 

Amatori,  Sänger  29. 

d'AmbrevIlle  Anna  148.  242  f. 

d'Ambrevllle  (Borretlnl)  Reta  148.  225. 

Amiller  Andreas  235. 

AncionI  Glov.  Batt.,  Dichter  42.  202. 

AnclonI  P.  192. 

Angellco  Michelangelo,  Dichter  41. 

Angermayer  Job.  Ign.,  Violinist  230. 

247. 
Angropoli  Nie.  246. 
Animuccia  Glov.  35. 
Antonelii  Fll.,  Altist  224.  240. 
Apolloni  Apollonio  24.  41. 
Apoilonl  Glus.  41. 
Appiani  Glus.,  Altist  224.  240. 
Apremont  Karl  Graf  151. 
Apriie  Bern^  218. 
Ariosti  Attillo  64.  270. 
Arrlgoni  G.  Giacomo,  Comp.  45. 

Bach  Job.  Seb.  36.  163.  270. 
Badia  Anna  Lisi,  Sängerin  225. 
Badia  Carlo  Agost.  49.  64.  65  f.  — 
215.  223. 

Köckeli  J.  J.  Fux. 


Bartolaia  Luigi,  Tenorist  29. 
Baryten,  Saiteninstrument  226. 
BassanI  34. 

B«ttbyani  (SiraHmann)  Gräfin  83. 
Bellermann  Heinr.  Urtheil  über  den 

Gradns  163  f. 
Benevoli  Grazie  120. 
Berg  Josefa  Gräfin  150. 
Bernarbei  Giamb.  46.  • 

Bernabei  Gius.  Erc.  120. 
Bernachi  Ant.  28.  29. 
Bernardoni  Pier  AnL  40.  f.  64.  192  f. 

198.  f. 
Bernini  Glov.  41. 
Bertali  Anton.,  7.  17.  42  f.  Oper  In- 

ganno  d'amore  17. 
Berti  Antonio,  Bassist  224.  238. 
Bianeccbia  Glus.,  Sopran  29. 
de  Bicilly  Benigne  45. 
Bigelii  Tomaso,  Tenor.  238. 
Bodoaro  Giac,  Dichter  41. 
Bonarelli  Prosp.,  Dichter  41. 
Bonaventura  Qiov.,  Comp.  45. 
Bonni  Stoff.,  Tenor  29. 
Benno  Gius.,  Hofcomp.  188.  215.  230. 

234. 
Bononcini  Giovanni  Maria,  Vater  der 

beiden  Componjsten  Marc  Antonio 

und  GioY.  Bononcini  66. 
Bononcini  Marc  Antonio  und  Giovanni 

64.  66  f.  269. 
Bononcini  Giovanni  34  f.  49.  64.  67  if. 

75.  114.  269. 
Bontempi  Glov.  Andr.,  Sänger  27. 
Boog  Andr.,  Posaunist  254. 

18 


274 


Register. 


Boreiti  G.  A.,  Comp.  45. 

Borghi  Gaet.,  Tenor  171.  224.  239. 

Borrosini  Franc,  Sänger  148.   171. 

178. 
Borrosini  Rosa  s.  Ambreville. 
Brown«  Dr.  Eduard,  Reisen  21  f. 
Burnacini  Ludov.,  Architect  19.  42. 
ButUtett  J.  H.  102.  107.    . 

Caccini  Glul.,  Sänger  27  f. 
Cftcilienbruderscliaft  169  f. 
Caldano  Conte,  Dichter  41. 
Caldara  Antonio  35.  79.  86.  91  f.  114. 

148.  150.  170.  172.  188.  215.  218. 

220.  223.  232.  269. 
Camilla,  Op.  von  M.  A.  Boncini  67. 
Cantoreil(naben  229. 
Cappellini  0.<  Comp.  45. 
Caproli  Carlo,  Comp.  46. 
Carestini  Giov.,  Sänger  28.  148.  241. 
Carissimi  Glacomo  27.  28.  34. 
Cassati  Pietro  148.  171. 177. 
Castelii  Paoio,  Altist  29.  Dichter  41. 

Comp..  46. 
Castlieti  ioli.  23. 
Cavalli  Franc.  33.  45. 
Cavalietti  Giui.,  Tenor  239. 
CavellA  Conte  114. 
Cavriani  Friedr.  Graf  150. 
Cesti  Marc.  Ant.  19.  34.  40.  43  f. 
Clierubini  M.  L.  163. 
Cliristian,  Familie  86.  126.  CKrittian 

und   Leopold,    Posaunisten   228. 

Leopold  sen.  230.  253.  Leopold  |un. 

230.  253  f. 
Ciallls  Rinaldo,  Dichter  41  f. 
Cianci  Franc,  Bassist  29. 
CicogninI  Giac  Andr.,  Dichter  41. 
CiinI  Lib.  Nie,  Dichter  42.    . 
Cobentzel  Graf  114. 
Cocchi  Lor^,  Sopr.  29. 
Collälto  Graf  114. 

Concentus  muslco-instrumentalis.  54. 
La  Contesa  doli'  aria,  Caroussel  20. 

39. 


Conti  Francetco  35.  64.  86.  91.  94  f. 

114.  149.  170.  173.  188.  215.  223.. 

226.  230  f.  233.  252.  269. 
Conti  Ignazio  95.  231. 
Contilli  Aless.,  Altist  29. 
Corradi  Giul.  Ces.,  Dichter  41. 
Corvo  Gasp.  178. 
Costa  Carlo  178. 

Crammer  Job.,  Violoncellist  250. 
Cupeda  Oonato  24.  40.  192.  199  f. 
Cymbal,  Tasteninstr.  226. 

Dafne,  erste  Oper  des  Perl  32. 

Dario  Franc  M.,  Dicjiter  42. 

Denis  Pietro.  159. 

Denk  Karl  Jos.,  Violinist  230.  250. 

Olabaö ,  Fabeln  über  J.  J.  Fux  5.  6. 

Donati  Gius.  Cos.,  Sopran  .29. 

Oonati  Gius.  Mar.,  Tenor  29. 

Donner  Raphaei  13. 

Draghi  Ant.  7. 44. 49. 145.  Dichter  41. 

Drenger  Franz.,  Violoncellist  250. 

Ebner  Marcas,  Organist  7. 
Ebner  Woifg.,  Organist  16. 
Elisabetb  (von  WolffenbflHel)  Kaiserin 

84. 
Eugen  Prinz  von  Savoyen  63. '82  f.  97. 

216. 
Eumaschl  A.,  Dichter  41. 
Eurldice,  zweite  Oper  des  J.  Pen  32. 

Fasching  Jos.  246. 

Faustina  Bordoni-ÜMse  in  Wien  172. 
205. 

Faustini  Giov.,  Dichter  41. 

Federlci  Domen.,  Dichter  41. 

Feo,  Sänger  29. 

Ferdinand  IL  Kaiser  16.  23.  36. 

Ferdinand  ill.  Kaiser,  Pflege  der  Mu- 
sik 16.  36.  Oomponist  36.  erste 
Oper  36. 

Ferrari  Bened.,  Dichter  41. 

Ferrari  Jac  Fll.,  Altist  29. 

Ferri  Baldass,  Sänger  28  f.  Dichter  41. 


Hegrister. 


275 


Ficiani  Pier  Uigi,  Dichter  41. 

Figher  Bar.  Consi.  151. 

Filipeschi  Domen.,  Dichter  41. 

Finsierbusch  Ign  ,  Tenorifit  239. 

Fischer  von  Erlacli,  Joh.  Bernli.,  Archi- 
tect  12  f. 

Foggia  Franc.  120. . 

Francitci  Joli.,  Cantor  269. 

Franck  Jos.  24. 

Fretchl  Domen.,  Comp.  46. 

Freiiig  Andr.,  Contrabass.  ^27.  251. 

Friedericli  Franz  Phli.,  Fagottist  257. 

Fried  ericli  Joli.  Jac,   Fagotüst  228. 
256. 

Froberger  Joh.  Jac.  16. 

II  Fuoco  Vestale,  Oper  18. 

Fux  Andrea«,  Vater  des  J.  J.  Fux  2.  4. 

Fux  Jacob,  Neffe  des  J.  J.  Fux  3. 

Fux  /ohann,  Grossneffe  des  J.  J. 
Fux  3. 

Fux  Johann  Josef,  Hofkapellmeister. 

Persönliches: 
Heimatland  und  Geburtsort  1.  — 
Geburtsjahr  2.  ~  Abstammung 
und  Vei'wandtschaft.  2.  —  Stamm- 
baum 2  f.  —  Bildungszeit  3 'ff.  — 
Vermählung  9.  —  Organist  bei 
den  Schotten  9.  —  seine  Ehe 
kinderlos  10.  —  er  wird  kais. 
Hofcompositor  47  f.  —  sein  Gehalt 
wiederholt  erhöht  50.  —  nimmt  die 
Tochter  seines  Bruders  an  Kindes- 
statt an  60.  —  gibt  (1702)  den  Orga- 
nistendienst  bei  den  Schotten  auf 
60  f.  —  neue.  Gehalterhöhung  bei 
Hofe  60.  —  Hofquartier  auf  dem 
Neuen  Markte  61.  —  wiederholte 
Gehalterhöhung  65.  —  wird  Ka- 
pellmeister am  Dome  von  St. 
Stephan  71.  — -  wird  kais.  Vice- 
Hofkapellmeister  75.  —  zugleich 
Kapellmeister  der  Kaiserin- Witwe 
Wilhelmina  Amalia  76.  —  wird* 
Hofkapellmeister  des  Kaisers  86  f. 
—  erhält  eine  Aversionalsumme 


iiir  seine  eventuelle  Witwe  144  f. 
bei  .der  Krönung  in  Prag  seine 
Oper  Costanza  e  Fortezza  146  f. 

—  der  Gradus  ad  Pamassum  er- 
scheint 153.  —  F.  vertheidigt  die 
Bechte  des  Hofkapellmelsters  ge- 
gen Principe  Pio  165  f.  —  Vird 
Mitglied  der  Cäcilienbruderschaft 
169.  —  Faustina  singt  in  seiner 
Oper  172.  «-«  seine  musicalische 
Thätigkeit  (1726—1728)  172  f.  — 
seine  jOper  Elisa  erscheint  ge- 
druckt 186  f.  —  Kaiser  Karl  VI. 
dirigiert  seine  Oper  Elisa  187.  — 
seine  letzte  Oper  191.  —  seine 
Gatän  Clara  Juliana  stirbt  212.  — • 
er  macht  sein  Testament  212.  — 
erhält  vom  Kaiser  einen  Erzie- 
hungsbeitrag für  seinen  Neffen 
Matthäus  213  f.  —  Fux  als  Hofka- 
pellmeister 215  ff.  —  Caldara  stirbt 
215.  —  Schüler  des  Fux  259  f.  — 
seine  Porträte  264  f.  —  Wohnun- 
gen 265.  —  Kränklichkeit  und  Tod 
265  f.  —  Characterztige  218—267. 
— .  Verhältnisse  zu  Zeitgenossen 
268  f.  —  Anhang :  Matth.  Teoph. 
Fux,  Neffe  271.  —  Maria  Eva  Fux, 
Nichte  von  J.  J.  Fux  271  f.  —  und 

*  seine  Erben  272. 

Fux  als  Künstler: 
Seine  Instrumental-Composi- 
tionen  50.  —  Geschichtliches  50  f. 

—  seine  Partite  a  tre  54. 57.  —  der 
Concentus  musico-instrumentalis 
51. 54. 57.  —  Ouvertüren  55.  —  So- 
nate a  tre  58.  —  Kirchensonaten 
58  f.  —  Sonaten  für  Ciavier  60.  — 
Ouvertüre  für  Giov.  Bononcini 
60.  —  Mus.  Chronik  (1702—1703) 
60.  —  Mus.  Chronik  (1708—1709) 
65.  —  Singfundament  73.  —  mus. 
Chronik  (1714—1716)  89.  —  Oper 
Angelica  vincitrice  eb.  f.  —  Chro- 
nik (1717)  97.  ^  Solmiaationstreit 

18* 


276 


Register. 


mit  J.  J.  Mattheson  97  ff.  —  seine 
Kirchenmusik:  Geschichtli- 
ches: Palestrinastil  117  f.  —  Stel- 
lung des  Fux  darin  120  f.  —  Sing- 
Btimmen  und  ihre  Führung  123.  ~ 
Stilo  a  cappella  und  concertante 
123  f.  —  Instrumtiemng  124  f.  — 
Messen  126  f.  ~  Missa  canonica 
128  ff.  —  Requiem  131  f.  —  Ves- 
pern 132  ff.  —  Litaneien  136  f.  — 
Gradualien  137.  —  Offertorien  eb. 
ff.— Mottette  140.  —  Hymnen  141  f. 
Te  Deum  143.  —  mus.  Chronik 
(1719—1723)  144.  —  Aufführung 
der  Oper  Costanza  e  Fortezza  in 
Prag  146  ff.  —  sein  Gradus  ad 
PamasBum  erscheint  153.  —  Ver- 
anlassung und  Zweck  desselben 
eb.  f.  —  Methode  154  f.  —  Ueber- 
setzungen  159  f.  Urtheile  ausge- 
zeichneter Musiker  dartlber :  Lor. 
Mitzier  160.  Jos.  Riepel  160.  G.  Pa- 
sterwitz  160  f.  Nie.  Piccinni  160  f. 
Padre  Martini  162.  G.  Paolucci 
162.  Abt  Gerber  eb.  Ad;  Scheibe 
eb.  Kimberger  163.  Heinr.  Beller- 
mann .163  f.  —  mus.  Chronik 
(1726—1728)  173.  —  Oratorien 
von  Fux  174  ff.  —  Textverfasser 
dazu  174  f.  —  Allgemeines  über 
Oratorienmusik  175.  —  Sänger 
darin  177  f.  —  die  Oratorien:  La 
Fede  sacrilega  89.  178.  —  La 
Donna  forte  89.  179.  —  H  Fönte 
della  Salute  89.  180.  —  H  Tri- 
onfo  della  fede  89.  181.  —  II 
Disfacimento  di  Sisara  97.  181.  — 
Cristo  neir  orto  97.  146.  182.  — 
Gesti  negato  da  Pietro  144.  183. 

—  La  Cena  del  Signore  144. 184. 

—  H  Testamento  di  N.  S.  172. 
185.  —  LaDeposizione  della  Croce 
173.  185  f.  —  Seine  letzte  Oper 
191.  —  üebersicht  seiner  sämmt- 
lichen  Opern  192.  —  Texte  dazu 


192.  —  die  grossen  Opern  194.  — 
Operetten  194.  —  Behandlung  der 
Opern  194  ff.  —  ihre  Instrumentie- 
rung 194  f.  —  Gesangstücke  195  ff. 

—  Die  Operetten:  La  Clemen- 
za  d'Augusto  60.  198.  —  Offen- 
dere  per  amave  60.  199.  —  Pul- 
cheria  65.  199.  —  Julo  Ascanio 
65.  200.  —  Gli  Ossequi  della  Notte 
65.  200  f.  —  n  Mese  dl  Marzo  65. 

201.  —  La  Decima  fatica  d'Ercole 
65.  202.  —  Dafhe  in  Lauro  89. 

202.  —  Orfeo  ed  Euridice  89.  203. 

—  Diana  placata  97.  203.  —  Psiche 
144. 146.  204.  —  Opern:  Giunone 

•  placata  172.  205.  —  Angelica  vin- 
citrice  89  f.  206.  —  Elisa  144.  207. 

—  Le  Nozze  di  Aurora  146.  208. 

—  Costanza  e  Fortezza  146  f. 
209.  —  La  Corona  d'Arianna  173. 
211.  Enea  negli  Elisj  191.  212.  — 
Fux  als  Hofkapellmeister  215  ff. 

Fux  Katharina,  Schwester  des  J.  J. 

Fux  3. 
Fux  Clara  Jullana,  Gattin  des  J.  J. 

Fux  9.  212. 
Fux  Maria  Eva,  Nichte  des  J.  J.  Fux 

2.  4.  10.  60.  213.  266. 
Fux  Matthftus   Theophil.,    Neffe  des 

J.  J.  Fux  2.  4.  10.  213  f.  266. 
Fux  Peter,  Bruder  des  J.  J.  Fux  2.  4. 
Fux  Sebastian,  Neffe  des  J.  J.  Fux  2. 
Fux  Ursula,  Mutter  des  J.  J.  Fux  2. 4. 

Gabbrini  Gius.,  Comp.  45. 

Gabriell  Joh.,  Oboist  228  f. 

Gabrlelll  Oiamante,  Dichter  41. 

Gallerate  Marchese  150. 

Galli  Pietro,  Contralt  240. 

Garghetti  Pietro  Santi,  Tenor  29. 

Garghetti  Silvio,  Tenor  178.  224. 

Gaucquier  Alard,  23. 

Gazaroll  Zach.,  Oboist  258. 

GenovesI  Domen.,  Sänger  148.  171 
224.  241. 


^ 


RegiBter. 


277 


Cl«rb«rt  Abt,  ttber  den  Gradus  162. 

aet angtkunst  in  ItaliM  27.  —  Wien  28. 

CMaaettino  Anton.,  Compon.  46. 

Gigl  K.  219. 

Qiordnni  Torquato,  Sopran  29. 

Glltzi  Franz,  Roman  und  Xaver,  Oboi- 
sten 86.  228.  257. 

Gtttzin^er  Fried.,  Bassist  170.  224. 
237. 

Qradiis  ad  Parnaeeum  153  ff. 

araun  K..  Heinr.,  Kapellm.  147.  149. 

areil  A.  E.  163. 

GrimanI  Vinc,  Dieliter  42. 

Qrossauer  Ferd.,  Violinist  227.  249. 

Guadagnl  P.,  Dieliter  41. 

Guido  von  Arezzo  100.  112. 

Gumpenliuber  J.  B.  Gymb.  231. 

Hainisch  Job.,  Trompeter  228.  255. 
Hammer  leb.  Paul,  Violinist  249. 
Hammer  M.  Jos.  219. 
Hlndel  Georg  Fr.  36.  98.  109.  163. 

270. 
Hardedt  Job.  Karl  Graf  151. 
Harraob  Ferd.  Graf  150. 
Hartmann  Karl  246. 
Hartner  Jos.,  Besitzer  des  Greburto- 

hauses  des  J.  J.  Fux  1. 
Haue  114. 172. 188. 
Haidn  Josef  163. 
Hayda  Miebael  130. 163. 
Hellmann  Max,  Cymbalist.  86.  218. 

226.  230.  252. 
Henkel  Jos.  Gräfin  151. 
Herberstein  Sigm.  Graf  151. 
von  Hlldebrandt  Lucas,  Arohitect  18. 
Hillverding  M.  Anna,  Sängerin  242. 
Hintoreder  Georg,  Violinist.  171.  227. 

247  f. 
Hirtenfeld,  Geburtsort  des  J.  J.  Fux  1. 
Hofeompoeitoron,  ihr  Ursprung  und 

ihre  Bestimmung  49  f. 
Hoffer  lac.  170.  246. 
Hofkapeilo  dos  Kaisers.  —  Beformie- 

rung  nach  Josef  I.  Tode  74  f. 


221.  —  unter  dem  Hofkapell- 
meister J.  J.  Fux.  216.  ff.  Compo- 
nisten  223.  —  Organisten  223.  — 
Sängerchor  223.  —  Bassisten,  Te- 
noristen, Altisten,  Soprane,  Sän- 
gerinen 224  £  —  Instrumentisten 
225  f.  -^  Violinisten  227.  —  Vio- 
loncellisten 227.  -^  Contrabässe 

227.  —  Posaunisten  227  f.  -* 
Waldhomisten  228.  -^  Trompeter 

228.  —  Fagottbten  228.  —  Oboi- 
sten 228. 

Hofscholaren  86. 229  f.  —  Lehrer  der- 
selben 230.  —  Anstellung  von 
Zöglingen  230. 

Hollandt  Jos.,  Trompeter  228.  255. 

Holzbauer  Ign.,  Componist,  iLcin 
Schüler  des  J.  J.  Fux  263  f. 

Heizhäuser  Heinr.  77. 

Holzhäuser  (Reutter)  Theresia,  Sänge- 
rin 177.  219.  225.  244.  f. 

Hueffnagel  Franz,  Gambist  226.  251. 

HueHer  Matth.,  Bassist  237. 

Instrumental-ComposiUoaen.  Geschicht- 
liches 50.  —  Fux,  Partite  52.  — 
Suite  52.  —  Symphonien,  Ouver- 
türen 52.  —  Tanzrhythmen  der 
Suite  52. 

isaak  Heinrioh  23. 

losof  I.,  Kaiser  62.  —  sein  Character 
62.  —  versucht  sich  in  Composition 
62.  ~  sein  glänaender  Hofstaat 

62.  —  Förderer  der  Musik  63  f.  — 
Bau  des  prächtigen  Opernhauses 

63.  —  nimmt  die  Widmung  des 
Concentus  an  51. 

Die  Kaiserllcbo  Famiiis    wirkt    bei 

^dramatischen  Darstellungen   mit 

22  f. 
Karl  VI.,  Kaiser.  —  Character  80.  — 

Urtheil  des  Ap.  Zeno  über  ihn  80. 

—  Förderer  der  Wissenschaft  81. 


278 


Register. 


—  Leibnitz,  Petz,  Bernhard  82.  — 
Hofstaat  82.  —  Jagd  —  Scheiben- 
schiessen  83.  —  musikfördemd 
84.  —  Theilnahme  des  Hofes 
daran  85.  —  seine  Hofkapelle  85  f. 

—  dirigiert  Caldara's  Oper  Euri- 
steo  150  —  ebenso  die  Oper  Elisa 
von  Pux  187. 

Karl  Josef,  Erzherzog  21. 
Kerl  Kaspar,  Organist  8. 
Keysof  Reinhard  98. 109. 
Kircher  Athanaslut  15. 
KIrnberger  loh.  Phli.  163. 
Kuhnau  Joh.  109. 

Lambeck  Pet.,  Bibliothecar  14. 

Lamberg  Ford.  Graf  150.  215. 

Undini<Conti)Marla,  Sängerin  177.225. 

dl  Lasso  Orlando  28. 

LaudI  spirituall  36. 

Laute,  Saiteninstrament  226. 

Lazzari  Mich.  Baron  151. 

Legrenzi  269. 

Leibnitz  14.  62. 

Lomberger  Ford.  246. 

Lomeno  F.,  Dichter  41. 

Longhoim  Frfodr.  Graf  151. 

Loo,  Sänger' 29. 

Leopold  I.,  Kaiser.  -^  Character  13  — 
Pflege  der  Wissenschaft  18  f.  — 
der  Musik :  eigene  Compositionen 
17.  42.  —  Liebe  zur  Musik  18  f. 
—  zur  Oper  18.  —  Theilnahme 
der  kaiserlichen  Familie  daran 
22.  —  die  italienische  Oper  87.  — 
Kaiser  Leopold  stirbt  61. 

Lotma  Ang.  Maria,  Bassist  29. 

LIbano  Loop.  Violinist  246. 

Liechtenstein  Ant.  Flor.  Fürst,  Oberst- 
hofineister  installiert  J.  J.  Fux  88. 

Liochtonstein  Hans  Adam  Fürst  63.  • 

Limplacabii  gelotia,  *2weistimmige 
Composition  (nachMattheson)  von 
Fux,  erscheint  in  der  Oper  Poli- 
femo  von  G.  Bononcini  69. 


LobkowHz  Christ.  Fürst  150. 

Lorber  los.,  Oboist  257. 

Loronzoni  (Conti)  M.  Anna,  Sängerin 

225.  244. 
Losy  Anton  Phil.  Graf  151. 
Losy  Franz  Graf  269. 
Lotti  Antonio  77  f.  114.  270. 
Luti  Glamb.,  Dichter  41. 

Maccioni   Glov.    Batt.,-  Dichter  41. 

Compon.  45. 
Maddali  Bern.  174. 
Maossanus  Petrus  23. 
Malliard  Ant.,  Fagottist  257. 
Maillard  Karl,  Fagottist  256. 
Malvezzi  Ottav.,  Dichter  41. 
Mancini  Qiamb.,  Sänger  29. 
Manfred!    Aiess.,     Uebersetzer    des 

Gradus  159. 161. 
Marcollo  F.  Giov.,  Dichter  41. 
Maria  Anna,  Erzherzogin  85.  150  f. 
Maria  Theresia,  Erzherzogin  84  f.  97. 

150  flF.  :216. 
Martinolii  Domen.,  Architect.  13. 
Martini  Padre,  über  den  Gradus  162. 
Masselti  Lorenzo,  Contralt  240. 
MassuccI  Ant.,  Tenor  29. 
Mattel  Lor.,  Dichter  41. 
MaHeis,  Violin  86.  246. 
Mattheson  Joh.  über  die  Partite  des 

Fux  59.  —  Fehde  mit  Fux  wegen 

Solmisation  98  ff.  —  mit  Fr.  Conti 

95.  das  beschützte  Orchester  99  f. 

104  f.    —   Critica   Musica    109. 

160. 
Mazza  Domen.,  Dichter  42. 
Mazzeila  Nie,  Tenor  29. 
Mazzocchi  VIrg.,  Singmethode  27. 
Medolago  Ant.,  Dichter  42. 
Melani  Aless.,  Componist  45. 
Metastasio  P.,  kais.  Hofpoet  115. 165. 

187  f.  192. 212. 
Minato  Conte  Nie,  k.  Hofpoet  24.  40. 
Mizler  Lorenz,  Uebersetzer  des  Gra> 

dus  159  f. 


Register. 


279 


Mollart  Fenl.  Ernst  Graf ,  Hoftnusik- 
Oberdirector  74  f. 

U  MosarcfaU  Utina,  Oper  18.  20. 24. 

Monsella  Giov.  Andrea,  Dichter  41. 

MontaiHis  Laily  Mary,  über  die  Oper 
Alcina  von  Fux  84.  89  f. 

de  Monte  Phillppiis  23. 

Monterlso  Gins.,  Sopran  224  241. 

Monteverde  Claudio  33. 119. 

Moreto  Agost.,  Dichter  41. 

Morselli  Adr.,  Dichter,  41. 

Moser  Jos.,  Bassist  230.  237  f. 

Mozart  W.  A.  163  f.  262. 

Mnffat  Amad.  (Gottl.),  Organist  86. 126. 
171.  223.  230.  235.  259. 

Multet  Joh.  Ernst,  yioUnist  249. 

Miiflat  Jos.,  Clav.  231. 

MDIIer  Jeach.,  Staatscabinet  20. 

Musik  am  Vsterr.  Hofe  vor  Kaiser  Leo- 
pold L  unter  Ferdinand  Ol.  16.  die 
Niederlande!:  28.  die  Italiener  50  f. 
—  Sprache  der  Deutschen  nnd 
der  Italiener  an  der  Oper  24  f. 

NaninI  Giov.  M.  119. 

Nassotto  8ob.,  Trompeter  255. 

del  Negro  Ant.,  Dichter  42. 

Nerl  HHppo  35  f. 

Neri  Qlanbatt.,  Dichter  42. 

Neubauer,  Organ.  86. 

Noris  Matt.,  Dichter  41. 

Oper,  italienische.  —  Ursprung  29  f.-* 
Giacoppo  Peri31  f.-*  Claudio  Mon- 
teverde 33.  —  Franc.  Cavalli  33.  -* 
Giac.  Carissimi  34.  —  Marc.  Ant. 
Cestl  34.  —  Alessandro  Scarlatti 
34.  —  Verbreitung  in  Deutschland 
36.  -^  Opemtextbücher  37. 

Operncomponisten  ausser  den  Hof- 
componisten  45  f. 

Operntextdichtor  37.  ^  ausser  den 
Hofpoeten  41  f. 

Oratorium  Entstehung  aus  der  Kam- 
mer-Cantate  35  f. 


Oriandini  L,  Dichter  41. 

Orsini    Gaetano,    Opernsänger   148. 

170. 177.  224.  250.  240: 
Oottl  Matli.,  Tenorist  239. 
Otto  Friedr.,  Hornist  254. 

Paobta  Franz  Graf  151. 

Pacieri  Gius.,  Comp.  46. 

Paggioli  Baldassaro,  Altist  29. 

PagiiardI  G.  M.,  Comp.  45. 

Palestrina  Pier  Luigi  35  f.  118  f. 

Paiotta  Matteo,  HofkapeUmeister  215. 
223.  233. 

Pamfiii  Bened.,  Dichter  41. 

Pancotti  Ant.,  Altist  29.  Hofkapell- 
meister 50.  61.  75. 

dei  Pane  Domen.,  Sopran  29. 

Panizza  Lucrezia,  SKngerin  243. 

Paolucci  6.,  über  den  Gradus  162. 

ParlatI  Piotro,  Hofpoet  114. 116. 146. 
172  f.  174.  189.  192.  202  f.  206  f. 
208  ir.  211. 

Pasquinl  Bern.,  Comp.  46. 

Pasquini  Giov.  Claudio,  Hofpoet  174. 
189.  —  sein  Opemtext  zu  Don  Chi- 
Bciotte  in  corte  della  duch^ssa, 
fälschlich  dem  P.  Pariati  zuge- 
schrieben 190. 

Passerini  Franc,  Dichter  41.  Comp.46. 

Pasterwitz  G.,  über  den  Gradus  160  f. 

Payer  Cliristian,  Tenor  171.  224.  239. 

Payer  Job.  Bapt., Hoforganist  126. 236. 

Pederzttoli  J.  P.,  Comp.  45. 

Porgen  Ford.  Graf  151. 

Pergen  Joh.  Bapt.  Graf  151. 

Pari  Jaooppo,  £rfinder  der  Oper  31  f. 

Pernember  F.  K.,  Violinist  227.  248. 

Perroni  Giov.,  Violoncellist  86.  148. 
227.  250. 

PertusaU  Cbrist  Graf  151. 

Petazzi  Pletro,  Sopran  230.  242. 

Piani  Giov.  AnL  86. 149. 178. 

Piani  Tomaso,  Violinist  246. 

PIccinni  Nie,  über  den  Gradus  160  f. 

Piccoiomini  Ottav.  Graf  151. 


280 


Register. 


Pieliacher  Ign.,  Bassist  237. 

von  Pilati  Joh.  Ant.  63. 

Pio  di  Savoia,    fiiDcipe  Luigi   114. 

150.  Conflict  mit  Fux  165  f.  —  187. 

215.  217.  219. 
Pitani  Barbara,  Sängerin  245  f. 
Pistocchi  Franc.  Ant.,  Gesangschale 

27flf. 
Pistorini  Baldatt.,  Bassist  29. 
Piakai  (Blagai)  Gräfin  150. 
Platzer  Joh.  Alb.,  Organist  16. 
Pdck  Ant.,  Bassist  237. 
Pttllnitz  Ludw.  Baron,  m^moires  82  f. 
II  Pomo  d'oro,  Oper  19.  38. 
Porpora  N.  29. 114.  270. 
Porsilo  Gius.,  Hofcompositor  96. 114. 

144. 170. 172.  188.  223.  233.  269. 
Praun  Christoph,  Bassist.  148.  171. 

178.  224.  230.  237. 
Prodiori  Luc  Antonio,  Hofkapellmeist. 

188.  215.  220.  223.  232. 
do  Pris  Josquin  23. 
Preyor  Gottfr. ,  DomlEapellmeister  71. 
Proglio  Domen,,  Sopr.  29. 
Proskau  Christ.  Graf  151. 
Protoo  sui  Rone,  Oper  von  G.  Bonon- 

cini,  Ouvertüre  dazu  von  Fax  60. 
de  Prugkh  Arnold  23. 
Priistmann  Ign.,  Scliüler  des  Fux  262. 
POrk  Wenzel,  Org.  230. 
Puttoanus  Erycius  102. 

Quantz  Joh.  Joach.,  über  die  Darstel- 
lung der  OperCostanza  eFortesza 
in  Prag  147  ff.  149. 172. 

Quellen  der  Forschung  über  Fux 
im  Vorworte. 

Questenborg  Adam  Graf  150. 

Rabutln  Gräfin  s.  Sinzendorf. 
Ragazzi  Ang.,  Canon  Fax  zu  Ehren  269. 
Rajoia  Ant.,  Violoncellist  227. 
Ranucci  Ott.  32. 
Ratazzi  Ang.  86. 
Regnart  Jacob  23. 


Reinhard  Franz,  Violinist.  171.  230. 
246. 

Reinhard  Georg  166  f.  170. 

Reinhard  Karl  Math.  230. 

Rotnhard  Kilian,  Concenmeister  74. 
171.  234. 

Remigio  Don,  Dichter  41. 

Reutter  Georg  sen.,  Kapellmeister  am 
Dome  von  St.  Stephan  71.  235. 

Reutter  Georg  Jun.  188.  215.  219. 
^23.  233. 

Reutter  Theresia  s.  Holzhauser. 

RIccioni  Ben.,  Bassist  29. 

Richter  Ant.  Karl,  Organist  223.  236. 

Richter  Ford. Tobias,  Ho.forganist  45. 

Riopei  Jos.,  über  den  Gradus  160. 

Renk  Euch.  Gottl.,  Leopold  des  Gros- 
sen Leben  17  f. 

Rodrano  Riccardo,  Dichter  41. 

Rogenhofer  (Schnautz)  Anna  Barb. 
Sängerin  225.  243  f. 

de  Rore  Clpriano  119. 

Rosetter  Joh.  Otto,  Violinist  246. 

de  Rossi  Camilla  64. 

ROssl  Rocco,  Dichter  42. 

Rossi  Wenzel,  Hornist  254  f. 

Rotal  Karl  Graf  151. 

Rupprecht  Hans  Albr.,  Dichter  41. 

Rusovsky  Franz,  Organist  230.  236. 

Sabatini  Pompeo,  Sopran  29. 

Salaburg  Ludw.  Graf  150. 

Salimboni  Fei.,  Sopran  225.  242. 

Salm  Kari  Theodor.Fttrst.63. 

Salm  Karl  Graf  151. 

Salm  Christiana  Gräfin  151. 

Salviati  FIlippo,   Violinist   219.  230. 

248  f. 
Sances  Fellce,  Kapellmeister  7.  16. 

43.  232. 
Sarti  Domen.,  Sopran  29. 
Sartorio  Ant.,  Comp.  45. 
de  Sayve  Lambert  23. 
Sbarra  Francesco,  Dichter  24.  über 

Pomo  d'  oro  38.  40.  ^ 


Register. 


281 


Searlatti  Alett.  27.  29.  34  f.  46. 

Scheibe  Ad.^  über  Cavalli  33.  -*  ttber 
Fuz  und  Caldara  93.  —  über  den 
Gradus  162. 

Schindler  Geerg,  Fagottist  256. 

Schiegel,  die  Vermeinte  Brüder  25 f. 

Schmelzer  Andr.  Ant.  8. 

Sehmeizer  Jeh.  Heinrich  7  f.  21.  44. 

Schmelzer  Pet.  246. 

Schnautz  Anna  Barb.  b.  Rogenhefer. 

Schnautz  Anton,  Contrabassist  227. 
•251. 

Schnautz  Franz  Peter,  Vioioncelßst 
250.  251. 

Schnautz  Joh.  ign.  230. 

Schnitzenbaum  Joh.  Joe.,  Schwieger- 
vater des  J.  J.  Fux  9. 

Schnitzenbaum  Clara  Juliana,  Braut 
und  Frau  des  J.  J.  Fux  9.  212. 

Scfanitzenbaum  Maria  Anna,  Schw&ge- 
rin  des  J.  J.  Fux  10. 

Schnitzenbaum  Maria  Theresia,  Schwä- 
gerin des  J.  J.  Fux  10. 

Schnitzenbaum  Paul  Ant.,  Schwager 
des  Fux  10. 

Schnitzenbaum  Ursula,  Schwiegermut- 
ter des  J.  J.  Fux  10. 

SchSnborn  Friedr.  Karl  Graf  83. 

SchOler  des  J.  J.  Fux  259  ff. 

Schulz  Joh.  Ludw.,  Oboist  258. 

Scirtonlano  Alindo,  Dichter  42. 

Scooniant  Regina,  Sängerin  177.  225. 

Seilern  Graf  63. 

Senetino,  Sänger  28. 

Sennfn  Ludw.  23. 

Serano  Camilio,  Dichter  41. 

Serini  Glut.,  Comp.  46. 

Settier  Erntt,  Trompeter  255. 

SInzendorf  Sigm.  Graf  166. 

SinzendoH  (Rabutin)  Elitabeth  Gräfin 
63. 

Solmisation  und  KirchentSne,  Streit 
darüber  mit  Joh.  Mattheson  97  ff. 

Stadimann ,  Viotin.  227.  230.  249  f. 

Stampiglia  Nunzio,  Dichter  42. 


Stampiglia  Silvio,  Ho^oct  41.  64. 192. 
201. 

Starhemberg  Judith  Gräfin  150. 

Starhemberg  ROdiger  Graf  63. 

Starhemberg  Thomas,  Graf  63. 

Steffani  Agott,  Comp.  46. 

Steinbrucicner  Anton  und  Ignaz,  Po- 
saunisten 254. 

Stella  Pletro  Marchese  150. 

Stubenberg  Jotef  Graf  151. 

Stradella,  Sänger  27. 

Stratoldo  Anton  Graf  151. 

Sturmb  Joh.  Franz,  Fagottist  255. 

Sturmb  Franz  Mart.  256. 

SutinI  P.,  Dichter  41. 

Tartini  Glut,  in  Prag  146. 

Telemann  G.  Ph.  98. 109.  159  f. 

Teorbe,  Saiteninstrument  226. 

Thalmann  Franz  Dan.  50.  75. 

Thurn  Rota  Gräfin  151. 

Timmer  Franz  Jet.,  Violinist  247.  Te- 
norist 230.  238  f. 

Tollini  Domen.,  Sopran  117.  240. 

Toti  Pletro  Franc,  Sänger  28.  Hof- 
compos. 70.  75. 

Tricarico  Glut.,  Comp.  45. 

Truchtett  von  Zeil  Karl  Robert  Graf 
151. 

Tuma  Franz ,  .Schüler  des  J.  J.  Fux 
261. 

Tychian,  Comp.  45. 

Utienghl  C.  M.,  Dichter  42. 

Vaet  Jacob  23. 

Valentin!  Giov.,  Eapellm.  16. 

Vanadin!  D.  Ant.  140. 

Ventura  Domen.,  Balletmeister  42. 

Verdina  Pletro,  Kapellmeister  16. 

Vernio  Giov.  Bardi  30. 

Vincenzi  Joh.,  Sopran  171.  240  f. 

Viola  da  gamba,  Streichinstniment226. 

VItali  Giac,  Sopran  242. 

Vogler  Abt,  über  den  Gradus  162. 


282 


Register. 


Wagenseii  Georg  Christ.,  Hofcomp. 
215.  218.  223.  230.  233  f.  Schüler 
des  Fux  262. 

Weist  8llv.  Leop.  147.  149. 

Werdenberg  Caeimir  ßraf  151. 

Wemdie  Ant.,  Organist  237.  Bassist 
230.  238. 

Westenrad  Christ.  Bar.  151. 

Wien  am  £Dde  des  XVII.  Jahrhun- 
derts —  sein  Umfang  —  Architec- 
tur  —  Sculptur  12  ff. 

Wittmann  Andr.,  Oboist  228.  258. 

Weiler  Ferd.,  Violinist  246. 

Woller  Jac.  Jos.  230. 

Woechitka  Tob.,  Fagottist  256. 

Ximenee  Caval.,  Dichter  41. 


Zacher  J.  Mich.,  Comp.  46.  71  i. 

Zamponl  Gins.,  Comp.  45. 

Zarabeia  Andr.,  Diehter  41.  Comp.  46. 

Zarlino  119. 

Zeidier  Max,  Kapellmeister  269. 

Zeitlinger  8eb.  170. 

Zeienica  Joh.  Diem.  149.  260. 

Zeno  Apoetoio,  Hofpoet  80  f.  113  f. 
150. 152. 165. 172.  187.  f.  192;  204. 

Zlani  Marc  Anton.,  Vice  -  Hofkapell- 
meister 50.  64.  74  f.  77  f.  86.  145, 
269. 

Zlani  P.  Ant.,  Comp.  45. 

Ziiler  Bernfa.,  Violinist  247. 

Zinicen,  Blasinstrument  226. 

Zineendori  Ant.  Gräfin  151. 

Zobur  Jos.  Graf  151. 


j±. 


Beilagen. 


Beilage  I. 

Urkunden:  Familien-  and  VermögensTerhftltnisse  des  i.  i.  Fux. 

!•  Trannngpsmatrikel  der  Pfarre  zu  den  Schotten  in  Wien  vom  Jahre 
1606.  „Copulationen<*  (vorhergeht  „4.  Juni«), 

„Der  Edle  nndt  Kunstreiche  Herr  Johann  Joseph  Fux,  dessen 
Grottshauss  wohlbestellter  Organist,  wohnhafft  in  Schottenhoff,  gebührtig  in 
Steyermark  nimbt  zu  der  Ehe  die  Edle  Ehr-  und  Tugentreiche  Jungfrau 
Juliana  Clara  Schnitzenbaumin,  gebührtig  allhier  wohnhafft  in  den 
Winklerischen  Hauss  auff  den  alten  Fleischmark,  weyl.  des  Wohledlen  undt. 
Gestrengen  Herrn  Johann  Joseph  Schnitzenbaum  N.  Oe.  Regierungs-Secre- 
tarii  undt  Maria  Vrsula  dessen  Ehefrau,  so  noch  am  Leben  eheleibliche 
Jungfr.  Tochter. 

Test.  Hr.  Andreas  Anton  Schmelzer, 

Köm.  Kays.  Kammer-Musicus. 

Hr.  Bernardinus  Tschuk, 

Unter-Steyerhandler  u.  örundschreiber. 

Hr.  Paul  Schmuderer, 

des  Innern  Rathes  und  bilrgerl.  Eisenhändler. 

Hr.  Conrad  Scheffer, 

Controlor  in  Kriegsrath. 

■ 

t«  Trauungsmatrikel  der  Dompfarre  St.  Stephan  in  Wien. 

nCopnlatus  5.  Juni  1696. 

Der  Wohl  Edle  vnd  Kunstreiche  Hr.  Johann  Joseph  Fux,  Orga- 
nist bein  Schotten  Zu  Hürtenfeldt  in  Steüermarkh  gebürtig,  mit  der  Edlen 
Ehr  vnd  tugendsamen  Jungfr.  Clara  Juliana  Schnitzenbaumin  weyl. 
Hm.  Johann  Joseph  Schnitzenbaum  gewesten  N.  Oe.  Regierungs-Secretarii 
vndt  Maria  Ursula  seiner  Haussfrau  Ehiiche  Dochter.  *< 

Testes.  Hr.  Antoni  Schmelzer,  Hr.  Bernardin  Tschukh,  Hr. 
Paul  Schmudterer,  Hr.  Conrad  Scheffer. 

Tax.  a  Scotensibus. 

* 

S«  Aus  dem  Archive  des  k.  k.  Landesgerichtes  in  Wien. 

„Wir  Endtsgefertigte  Bekennen  Craft  gegenwärtigen  hiemit  öffentlich, 
wassmassen  wir  von  wegen  wayl.  der  Frauen  Clara  Juliana  Fuxin, 
gebomen  Schnitzenbaumin,  des  Herrn  Johann  Joseph  Fux  Kay.  Hof-Capell- 
meisters  Ehe-Consortin  und  unserer  Frauen  Schwester  seel.  betreffenden 


286  Beil.  I.    4.5. 

Verlassenschaft  zu  ewigen  Zeiten  keine  anfordemng  stellen  wollen*,  £rclä- 
ren  uns  hiemit  gerichtlich  demnach ,  das8  die  diessfÜUige  angelegte  Spörr 
hinwidemm  ohne  einzigen  Bedenkhen  hinweggenommen  und  obgedachten 
Herrn  Fux,  als  unsem  Herrn  Schwägern  die  Verlassenschaft  gerichtlich  ein- 
geantwortet werden  könne.  Zu  .Ifrkunde  dessen  unsere  hierunter  gestellte 
Fertigung.  Actum  Wienn  den  14.  Augusti  1731." 

(L.  S.)  Maria  Anna  Schnitzenbaumin, 
Ihro  Durchleicht  Erzherzogin  Maria  Magdalena  Camer- 

dienerin. 

(L.  S.)  MariaTheresiaSchnitzenbaumin, 

bei  Weyl.  Ihro  Höh.  Elisabetha  kön.  Princessin  von 

Polen  seel.  Cammerdienerin. 

(L.  S.)  Paul  Anton  Schnitzenbaum  m./p. 

Kay.  Hof  Cammer  Concipist. 

%•  Erbserklärung  des  Joh.  Jos.  Fux  nach  dem  Tode  seiner  Frau. 
Archiv  des  k.  k.  Landesgerichtes  in  Wien. 

Hoch,  und  Wohlgebohmer  Reichss  GraflF  etc. 

Gnädiger  Herr  0.  H.  M. 

Zufolge  der  nebenkommenden  Auffleg  vnd  Verbscheidung  A  hab  ich 
mich  auff  die  darinne  mit  lit.  A  hiebei  B  anliegenden  Repudiation  für  uni- 
versal Erben  ab  intestato  zu  meiner  verstorbenen  Ehewürthin  Clara 
Juliana  Fuxin  seel.  Verlassenschaft  sine  beneficio  legis  et  inventarii  hie- 
mit ordentlich  erclären  beynebens  bitten  sollen. 

Euer  E:(cel]enz  geruhen  diese  Meine  hiemit  Thuende  Erbs-Erklärung 
gnädig  zu  acceptiren  derselben  protocoUando  zu  gedenkhen  und  Nunmehro 
wegen  eröffnung  der  Spörr  auch  Einantwortung  der  Verlassenschafift  die  be- 
hörige Verwilligung  abstö  ergehen  zu  lassen,  mich  gehors.  empfehlend 

Euer  Excellenz 

gehors. 

2048  Johann  Joseph  Fux  m./p. 

praes.  29.  August  1731.  Kay.  Hof  Capell  Maister. 

Bescheid. 

Diese  ErbserClärung  bey  der  Oantzley  aufzubehalten  und  denen  In- 
teressirten  auf  anlangen  abschrifften  zu  ertheillen;  annebenss  will  Hr.  Oberst 
Hof  Marschall  über  die  von  deme  ab  intestato  kommenden  Erben  beyge- 
brachte  schriftliche  gefertigte  repudiations  erklärnng  ddo.  14.  Aug.  inste- 
henden Jahrs,  so  bey  der  Kantzley  in  origin.  aufzubehalten  in  Eröffnung 
der  Spörr  und  Einandtwortung  der  Verlassenschaft  gegen  revers  bewilligt 
haben.  Wien,  den  29.  Aug.  1731. 

E.  Martinitz  m./p. 

&•  Nach  dem  im  Archive  des  k.  k.  Landesgerichtes  in  Wien  aufbe- 
wahrten eigenhändig  geschriebenen  Originale. 

,^prae8. 13.  Februar  1741. 


Beil.  I.    5.  287 


Letzter  Wille. 

Meines  Bruders  Petters  hinterlassenen  Sohn,  alss  meinem  lieben 
Vettern  Matthaeo,  welchen  ich  von  kindheit  auferzogen ,  legire  ich  die 
güldene  ketten  sambt  daran  hangender  Hedalia :  Item  alle  meine  Bücher, 
Musicalisch-  und  ändere:  femer  alle  musicalische  Instrumenta,  und  dass 
wenige  gewehr.  An  Geld  vermache  Ihme  Matthaeo  Zehen  Tausend  Gulden 
id  est  10.000  fl.  mit  dem  geding,  dass  er  Matthaeus  in  seinem  angefangenen 
fltudio  so  wohl  in  litteris  alss  auch  Musica  sich  embsig  zu  üeben  fortfahre 
und  sich  qualificirt  zu  machen  trachte.  Und  weillen  der  knab  annoch  Mi- 
norenis  ist,  so  ernenne  ich  für  dessen  Gerhab  qider  Tutom  der  Rom.  Kay. 
May.  Hof  Cammer  Concipisten  Herrn  Paul  Anton  Schnizenbaumb, 
alss  meinen  liebsten  H.  Schwägern ,  dessen  Integritet  und  Wohlgewogen- 
heit gegen  meine  Famili  von  villen  jähren  Hero  mir  sattsamb  bekant  ist. 
Wird  derwegen  ein  Hochlöbl.  Hof  Marschallisch  Gericht  gehorsamb  gebeten 
Ihme  Herrn  Schnizenbaumb  qua  talem  zu  confirmiren.  Meine  Dienstbotten 
-zu  betreuen ,'  überlasse  der  aequitet  meinr  bald  Hernach  zu  declarenden 
Universal  Erbin,  alss  welche  ermessen  wird,  was  einem  ieden  neben  der 
gewändlichen  klag  nach  proportion  der  Zeit  und  embsigkeit  ihrer  Dienste 
ohne  nachthail  der  Massae  haereditariae  und  eignen  Subsistenz  könne  ge- 
reichet werden.  Denen  armen  Häusern  vermache  ich  dreissig  Gulden,  in 
gleiche  theil  aus  zu  theilen. 

Mein  totter  cörper  solle  nach  Christlichem  gebrauch  auf  St.  Stephans 
Freydhof  doch  ohne  gepräng  begraben ,  und  zu  meiner  allerliebsten  Ehe 
Consortin  beygeleget  werden.  Die  anzahl  deren  Heiligen  Messen  für  meine 
arme  Seelle ,  überlasse  abermallen  der  Pietet  meiner  Universal -Erbin ;  als 
welche  zwischen  ihrer  Schuldigkeit,  gewissen  und  nptturfb  zu  ihrer  ehr- 
lichen Unterhaltung  dass  mitel  zu  ergreifen  wissen  wird. 

Welches  ich  auch  von  dennen  almusen,  fUr  andere  arme  ausser 
-dennen  armen  Häusern  wil  verstandten  Haben.  Endlich  setze  ich  zu  meiner 
Universal  Erbin  ein,  von  allen  meinen  übrigen  vermögen,  wie  selbes  Namen 
Haben  mage,  nicht  ausgenomen,  meine  liebe  Maimb  Eva  Maria,  des  an- 
fangs gesetzten  legatarii  Matthaei  leibliche  Schwester,  ihres  wohlverhaltens 
Halber,  lieb  und  trey,  so  selbe  forderist  nach  ableiben  meiner  liebsten  Ehe 
Oonsortin  seel.  mir  erwiesen  Hat ,  doch  mit  dem  beding ,  dass  selbe  ihren 
Brueder  Matthaeum ,  so  lange  es  die  Zeit  leyden  würd ,  bei  sich  behalten, 
und  sorg  tragen,  damit  er  Christlich  erlich  mit  guten  Siten  erzogen  werde, 
auch  sich  erinnern  ^olle ,  dass  gleich  wie  Sie  Eva  Maria  mit  virthalb  iahren 
ihres  alters  an  kindsstat  von  mir  ist  angenomen  mit  vätterlicher  obsorg, 
lieb  und  treu  bis  auf  diese  Stundt  versorget  worden,  Sie  auch  dess  sich  er- 
innernd Ihren  Bruedem  dergleichen  thue,  und  ihme  die  Schwesterliche  lieb 
und  treu  solle  lassen  angedeyen. 

In  fahl  aber  mein  Vetter  Matthaeus  wider  ver  Hoffen  in  der  Minorenitet 
mit  Tott  abgehen  möchte,  solle  von  dessen  legat  drey  Tausend  Gulden  dessen 


288  Beil.  I.    6-9. 

älteren  Bruedern  Sebastian  oder  in  abgang  dess  seinen  Bruedern, 
welcher  alssdann  in  rechtsamben  besitz  des  Fuchsischen  Haas  zn  HUrten- 
feld  in  Steyer  Markh  in  St.  Mareyner  Pfar  gelegen ,  sein  wurde,  zuefallen : 
dass  übrige  aber  der  Universal  Erbin  Eva  Maria  zu  guten  kommen  solle. 

Dass  ist  mein  letzter  Wille  mit  meiner  aignen  Hand  aufgezeichnet, 
deme  in  allen  stucken  solle  naehgelebet  werden. 

Meine  arme  Seile  endlich  in  die  grundlose  Barmherzigkeit  Gottes 
empfehlend  übergibe  Selbe  in  die  Hände  meines  Erlesers.  Den  5.  Januarij 
1732.« 

(L.  S.)  Johann  Joseph  Fux, 
Kay.  Hof  Capel  Maister  m/p. 
Auf  dem  Umschlag: 

„Lester  Wille 

mein 

Johann  Joseph  Fux, 

Kay.  Hof  Capel  Maister  m/p.« 

••  WieÄer  Diarium  1741  pag.  149. 

„Den  14.  Februarii«.  Verstorbene. 

^Der  Wol-Edel-gestrenge  Hr.  Johann  Joseph  Fux,  weil,  der  Rom. 
Kays.  Majest.  Hof-Capellmeister,  bei  dem  goldenen  Bäm  am  alten  Fleisch- 
markt, alt  81  J.« 

1.  Commune  von  Wien,  Todtenbeschaueramtsprotokoll  174.  fol.  207. 

„14.  Februar.  Der  Wohl  Edlgestrenge  Herr  Johann  Joseph  Fux, 
Weyl.  der  Rom.  Kay.  Maytt.  Hoff-  Capellmeister  ist  beim  golden  Bäm  am 
alten  Fleischmarkt  an  Hectica-fieber  bscht.  (beschaut)  alt  81  Jahre." 

9*  Dom  von  St  Stephan  in  Wien,  Todtenprotokoll  1741  fol.  12  [be- 
graben]. 

„15.  Februar.  Der  fititl:]  Herr  Johann  Joseph  Fux,  weyl.  der 
R.  K.  M.  Hof-Capel  Maister  zu  St.  Stephan  in  die  Kru£ften,  grossgleuth  0  fl.  | 
1  Requiem  6  fl.« 

O*  Nach  den  Acten  des  k.  k.  Landesgerichtes  in  Wien  erklärt  sich 
Eva  Maria  Fux  auf  Grund  des  Testamentes  vom  7.  Jänner  1732  unbedingt 
zu  Erbe  des  Nachlasses  ihres  Oheims  des  am  13.  Februar  1741  verstorbe- 
nen Joh.  Jos.  Fux. 

Femer  steht  auf  dem  Original -Umschlag  des  Testamentes- von  J.  J. 
Fux  mit  Bleistift  geschrieben:  „gestorben  13.  Februar  1741«,  ebenso  auf 
dem  Originale  des  Testamentes:  „praes.  13.  Febraar  1741«. 

Damit  ist  der  Todestag  des  13.  Febraar  1741  vGllig  sichergestellt 
Aus  allen  diesen  Angaben  geht  übereinstimmend  hervor : 
Joh.  Jos.  Fux  ist  gestorben  13.  Februar  1741 
.,        „       „      „  beschaut   14.       ., 
„„.,.,  beerdigt    15.        .,  ., 


Beil.l.    10.  U.  289 

Fin.-Ministeriums- Archiv. 

A,  „Dem  Capellmeister  Hrn.  Job.  JosefFux  an  jährlichen  600  fl. 
(adjuta)  die  4.  Quartalsgebühr  1737  laut  Quittung  IM)  fl.  (Anmerkung) 
„Fernere  Gebühr  nemblich  vom  1.  J&nner  1738  bis  Ende  Juni  1740  ist  der 
Stadt-Banco  verwiesen  worden. 

Vide  die  Lista  fol.  101.  << 
Bancalitats-Caineral-Zahlamts-Rechnung  1740  fol.  138. 

B,  „Aussgaab  auf  Claag- Gelder  Ihro  May.  des  Kaysers  Hinterbliebenen 
Hofstaatsbedienten. 

„Herr  JohannJosefFux  Capellmeister  laut  Quittung  40  fl.*' 
Banc.  Cameral-Zahlamts-Reohnung  1743  fol.  317. 

C,  Fuxische  Erben:  „Int.  dd.  25.  Mai  1741  an  die  Minister.-Banco-De- 
putation:  mit  des  verstorbenen  Hofkapellmeisters  Joh.  JosefFux  nach- 
gelassenen Erben  seiner  gehabten  Hofbesoldnng  und  adjuta  pr.  jfihrl.  3100  fl. 
bis  den  14.  Februar  1741  die  Abrechnung  zu  pflegen. 

An  die  Univ.  Banco  — ." 

General  Assign^tionsbuch  von  1741  fol.  245. 

Da  Fux  (in  C)  im  Mai  1741  „verstorbener  (nicht  pensionierter)  Hof- 
kapellmeister'' genannt  wird ,  und  von  seiner  gehabten  Hofbesoldung 
und  adjuta  mit  den  Erben  Abrechnung  gepflogen  werden  soll ;  da  femer 
noch  im  Jahre  1743  (nach  B)  den  Erben  die  dem  J.  J.  Fux  für  „Claag-Geld'< 
40  Gulden  ausbezahlt  wird,  als  einem  Ihro  May.  des  Kaisers  (Karl  VI. 
1 20.0ctober  1740)  „hinterbliebenen  Hofstaats-Bedienten •*;  so  scheint  daraus 
hervorzugehen ,  dass  Fux  nicht  nur  beim  Tode  des  Kaisers  als  wirklich  an- 
gestellter galt)  sondern  auch  später  bis  zu  seinem  Todestage  23.  Fe- 
bniar  1741)  im  Genüsse  seiner  Besoldung  und  seines  Characters  geblie- 
ben ist. 

tfl«  Aus  den  Acten  des  Obersthofmarschallamtes,  unadelige  Abhand- 
lungen Ur.  5006  im  Archive  des  k.  k.  Landesgerichtes  in  Wien. 

• 

Erbserklärung  der  Eva  Maria  Fux  nach  Johann  JosefFux' 
Ableben. 

Gnädigster  Herr  Obristhofmarschall  etc. 

„Nachdeme  mein  vielgeliebter  Vetter  Herr  Johann  Joseph  Fux  als 
Weyl.  Sr.  Rom.  Kay.  und  Kön.  Cath.  Maytt.  glorwürdigster  Gedächtnus 
Seel.  n^ichgelassene  Hoff  Capell  Maister  seel.  den  13  diess  M.  dieses  Zeitliche 
mit  dem  Ewigen  Leben  verwechsslet  und  lauth  seiner  hier  anliegenden 
untern  5.  Jenner  1732  verfasst  letztwilligen  Disposition  A  de  puplicato  13 
diess  Monath  mich  als  universal-Erbin  eingesezet  und  benenet  hat,  als  will 
dann  diese  meines  Vetters  per  Testamentum  auf  mich  gediehene  Verlassen- 
schaft simpliciter  et  absque  beneficio  legis  et  Inventarij  vergreifen  und 
solcher  Gestalten  mich  als  Erbin  erclfiren. 

Solchemnach  Gelangt  an  Euer  HochfUrstl.  Durehleucht  etc.  mein  De- 
müthiges  Anlangen  und  Bitten, 

KbchtJ,  J.  J.  Fax.  19 


290  Beil.l.    12.13. 

Dieselbe  geruhen  I*"  diese  meine  ErbserclSrung  gnädig  zu  aoceptiren 
und  dessen  prothocollando  zu  gedenken,  dann  II*  wegen  Abthunng  der 
Spörr  und  Einantworthung  der  Verfassenschaft  das  behörige  ergehii  zu 
lassen. 

Mich  empfehlend 

Euer  HochfÜrstl.  Durchlaucht 
praes.  21.  Februar  1741.  demttthige 

Eua  Maria  Euxin."" 

i  %m  Abhandlungs-Verlass. 

„Bei  der,  von  der  zu  Hungam  und  Böheimb  Königl.  May.  Erzherzogin 
zu  Osterreich  obristen  Hofmarschall  Ambt,  zu  Abhandlung  Weyl.  Johann 
Joseph  Fux,  gewesten  Kay.  Hof-Capell  Meisters  seel.  Verlassenschaft 
angeordneten  Bemittirung  seynd  auf  beschehene  Erfordenmg  in  der  Ambts 
Canzley  erschienen :  die  in  Testament  eingesetzt  —  auch  erclSrte  Universal- 
Erbin  Eva  Maria  Fuxin  durch  ihren  Bestellten  D"!*"  Ziegler  aines:  dann 
Matthaeus  Fux ,  U-  J-  Candidatüs  andern  TheiLls :  Und  ist  in  puncto  ange- 
Buohter  Einantwortung  der  Verlassenschaft  über  die  von  beeden  Theillen 
vemohmen  und  von  Weyssen  Rath  ad  plenum  referirte  Nothdurften  verao- 
lasst  worden : 

Dass  die  von  der  Impetrantin  eingelegte  Quittungen  wegen  deren 
abgestattete  Legaten  nebst  des  Mathaei  Fux  beigebrachten  TaufPschein  bei 
der  Canzley  aufbehalten,  Und  Nachdeme  derselbe  wegen-  des  ihme  per 
Zehen  Tausend  Gulden  angefallenen  vetterlichen  Erbtheiles  mit  seiner 
Schwester  verstanden  zu  seyn  sich  mündlich  erkläret,  solche  Erklärung 
schri£ftlich  zur  Canzley  erleget;  nach  dessen  Befolgung  gegen  Einlegung 
des  gewöhnlichen  Revers,  der  Impetrantin  ihres  Vetters  sei.  Verlassenschaft 
vermittels  Eröfnung  der  Sperr  eingeantwortet  werden  solle. 

Wienn  den  19.  September  1741. 

IS«  Nach  dem  Urbar  des  Amtes  Langegg ,  welches  1850*  von  der 
Herschaft  Stadel  an  das  Bezirksgericht  Weitz  gelangte  bestand  1797  die 
Besitzung  der  ehmaLs  Fuxischen  Familie  in  Hirtenfeld  aus  einem 
Viertel  Bauemgrund  sammt  Wohn-  und  Wirthschafts-  und  Nebengebau 
(Haus  Nr.  50)  und  nachstehenden  Grundstücken : 


Aecker 

16  Joch  9270  Klafter 

Wiesen 

3     „        0        .  „ 

Hutweiden 

1     .     629 

Wald 

12     „     171 

Weingärten 

1     .     184 

zusammen      34  Joch  311 Q  Klafter 
und  wurde  im  Jahre  1798  auf  500  fl.,  im  Jahre  1838  auf  1000  fl.  C.  M.,  offen- 
bar sehr  niedrig,  geschätzt. 

Jacob  Fuchs  (Stammbaum  14)  hinterliess  bei  seinem  Tode  (1797) 
ausserdem  ein  Vermögen  von  1017  fl.  C.  M. 


Beil.  I.    14.15.  291 

Die  Witwe  desselben,  Maria  Fux  geborne  Griesl,  heuratete  1799 
den  Bauer  Jos.  Hartner  nnd  Übertrug  mit  Ehevertrag  die  Hälfte  des  ihr 
angefallenen  Nachlasses  nach  ihrem  ersten  Gatten  Jacob  Fux ,  dabei  auch 
das  Haus  Nr.  50  in  Hirtenfeld.  In  die  andere  Hälfte  des  Nachlasses  theilten 
sich  die  beiden  Kinder  des  Jacob  Fux ,  nämlich  Johann  Fux  (Stammbaum 
24)  und  Maria  Fax  (Stammbaum  25). 

Im  Jahre  1866  waren  die  Rechtsnachfolger  Hartner  noch  im  Besitze 
des  Hansses  Nr.  50. 

1 «»  Wien.  Diar.  10.  April  1773. 
Verstorbene  den  6.  April. 

„Die  wohledle  Jgf.  M.  Josepha  Fuchsin  n.  455  bei  St. Salrator  alt 
73  Jahre.« 

[Sie  war  aber  77  Jahre  alt,  da  sie  1696  geboren  ist.] 

iA«  Aaszüge  aus  den  Verlassenschaftsacten  nach  Jgfr.  Maria  Jo- 
«ephaFu^in  (f  6.  April  1773)  im  Archive  des  k.  k.  Landesgerichtes  in 
Wien. 

Aus  dem  Testamente  derselben  vom  5.  März  1771. 

„§.  5.  für  eine  wöchentliche  Stiftmesse  in  der  Pfarre  St.  Marein  für  die 
Faxische  Freundschaft 

§.  6.  Legate  den  Geschwistern  in  Steiermark :  Josefpux,  Jacob 
Fax,  Elisabeth  PuchmtUler  geborne  Fux,  Katharina  Leopoldin  ge- 
borne Fux,  Magdalena  Wolffin  geborne  Fux,  und  Anna  Greimlin 
geborne  Fux,  jedem  500  fl.,  zusammen  3000  fl.  Im  Substitutionsfalle  deren 
Kinder. 

Des  älteren  verstorbenen  Bruders  Sebastian  Fux  hinterlassenen 
4  Kindern  folgende  Legate:  Dem  Sebastian  Fax  und  Andre  Fux 
jedem  1500  fl. ;  ihren  2  Schwestern,  deren  Namen  unbekannt,  jeder  500  fl. ; 
ihrer  Mutter  jetzt  verehlichten  Fleischhackerin  100  fl. 

Meiner  Freundschaft  zu  Hirtenfeld  noch  besonders  800  fl.  diese  bin  ich 
ihnen  als  ein  Yermächtniss  von  meiner  seel.  Freile  Maimb  schuldig.  Das  In- 
teresse habe  ich  immer  richtig  gesendet. 

§.  12.  Will  ich  die  (Jungfrau;  Josepham  Pergerin  (meine  Firm- 
godel) ,  welche  ich  von  ihrer  Kindheit  an  erzogen  habe,  und  weil  sie  sich 
jederzeit  wohl  aufgeführt  hat,  zu  meiner  wahren  Universalerbin  eingesetzt 
haben. 

Sie  hat  auch  das  Jus  praesentandi  für  eine  Weibsperson  im  S.  Joann. 
Nepomuceni-Spital  hier,  welches  Recht  ich  und  meine  Freundschaft  hatte, 
diese  aber  weit  abwesend  ist. 

Wien  am  5.  Merzen  1771. 

Ignaz  Stöckl  von  Gerburger  m./p.  Maria  Fux  m./p. 

k.  k.  Hofrath,  als  Zeuge.  Fran^Pachner  m./p. 

Phil,  et  Med.  Dr.  als  Zeuge. 

19* 


292  Beil.  I.    16—18. 

!•«  Im  VennGgensbekenntnisde  ist  das  Vermögen  der  Maria  Fax 

mit 25.138  fl. 

angegeben ;  die  Legate  nnd  Steuern  betrugen 14.988  y, 

demnach  blieben  der  Erbin 10.149  fl. 

19«  Empfangsbestätigung  der  Legatare  nach  dem  Testa- 
mente der  Eva  Maria  Fux. 

„Dass  wir  Endesbenannte  diejenigen  800  fl.,  welche  uns  unsere  geHeb- 
teste  Jungfrau  Schwester  und  resp.  Mume  Maria  Fuxin  seel.  zu  Wien  in  ihrem 
unterm  5.  März  1771  errichteten  und  den  6.  April  1773  bei  einem  löblichen 
Wienerischen  Stadt  Magistrat  publ.  Testament  §.  6**  der  Fachsischen 
Freundschaft,  mithin  uns  insgesammt  als  eine  Vermächtniss  von  unserer 
Fraule  Mume ,  noch  besonders  legirt  hat  aus  Händen  der  instituirten  Uni- 
versalerbin Jungfrau  Josepha  Pergerin  baar,  richtig  und  ohne  Abzug  em- 
pfangen haben,  solches  bezeugen  wür  kraflt  dieser  Quittung,  weilen  wir  aber 
des  Lesens  und  Schreibens  unkundig  sind,  haben  wir  nachstehende 
Herrn  Zeugen  gebethen  statt  unser  zu  unterschreiben  und  zu  fertigen.  Graz 
den  20.  May  1774. 

X  Joseph  Fux.  X  Magdalena  Wolfin,  gebome 

X  KatharinaLeopoldin,  geb.  Fuxin  hft.   Oberflfiding.  ün- 

Fuxin.  terth.  in  der  Hinterleiten,  Gley- 

X  Sebastian  Fux.  storf.  Pfan*. 

XAndreeFux.  X  M*ria  Nostin,  geb.  Fuxin, 

XElisabethFuxin.  hft.  Kieggerspurg  unteith.  zu 

X  Anna  Greimlin,  geb.  Fuch-  Prifing  Sumereiner  Pfarr. 

sin  herrsch.  Herberstein.  Un-      X^l^^^^^th     PuchmüUerin, 

terth.  zu  Prunn.  gebome  Fuxin,  hft.  Mossen- 

XJacobFux,  hft.  Stadl.  unter-  dorfunterthJ  zu  Langegg.  ^ 

than  und  Bauer  zu  Hirtenfeld. 

19*  Stift brief  über  eine  wöchentliche  Messe  in  St.  Marein  nach 
Bestimmung  des  Testamentes  der  Eva  Maria  Fux. 

„Wir  Joseph  Georg  Hörl  Bürgermeister,  wie  auch  der  gesammte  Bath 
der  k.  k.  Haupt-  und  Residenzstadt  Wien  geben  hiemit  jedermmanniglich 
zu  vernehmen,  was  maasen  weil.  Maria  Fuxin  seel.  in  ihrem  den  6.  Apr. 
1773  bei  uns  als  derselben  rechtmässigen  Abhandlungsinstanz  eröffneten 
Testament  im  5.  Abschnitt  der  Pfarre  St.  Marein  in  Steiermark  beiläufig 
2  Stunden  ausser  Graz  zu  einer  wöchentlichen  Heil.  Mess  auf  einem  priv. 
Altar  alle  Montag  für  die  sämmtliche  verstorbene  Fuxische  Freundschaft  xa 
lesen  1000  fl.  mit  dem  Beisatz  vermachet  habe ,  dass  wenn  diese  Stiftmess 
nicht  angenommen,  und  für  solches  Quantum  gar  nicht  gelesen  werden 
könnte  deroselben  Universal  Erb  (J ose fa  Pergerin,  bischöfl.  Stiftbrief) 
den  Abgang  und  nöthigen  Betrag  daraufzuzahlen  schuldig  sein  solle.''  Diese 
Aufzahlung  fand  mit  300  fl.  statt  und  die  Stiftung  wurde  und  blieb  bis  heute 
(1866)  wirksam. 


Beil.  I.    19.20.  293 

„Solchemnach  sind  und  zu  ewiger  Gedächtniss  und  Festhaltung  dieser 
gottgefälligen  Stiftung  3  gleichlautende  Ex.  errichtet . .  .  eines  davon  der 
milden  Stiftungs-Comission ,  das  2**  dem  erwähnten  Gotteshaus ,  das  dritte 
bei  obgesagten  Grundbuch  zu  den  Stiftacten  hinterlegt  worden.  Wien, 
28.  August  1774.« 

10.  Vererbung  des  Vermögens  des  Joh.  Jos.  Fux». 

1.  Joh.  Jos.  Fux  (t  13.  Februar  1741)  setzt  mit  Testament  vom 
&.  Jänner  1732  seine  Nichte  Eva  Maria  Fux  zur  üniversalerbin  ein. 

2.  £vaMariaFux(t6.  April  1 773  unverm&hlt)  setzt  mit  Testament 
vom  5.  März  1771  die  Jungfrau  Josef a  Perger  zur  Üniversalerbin  und 
Präsentantin  der  Stiftung  Schnitzenbaum  ein.  (Der  Stiftbrief  Schnitzenbaum 
ist  vom  26.  Juni  1750.) 

3.  Josefa  Perger  (f  17.  October  1789  kinderlos)  beuratet  Sept. 
1774  den  gräfl.  Kolowrath'soheu Koch  später  kOn.  Hausinspeetor  Johann 
EliaerLink,  und  macht  mit  ihm  28.  August  1774  einen  Heuratsvertrag  mit 
wechselseitiger  Erbseinsetzung,  wodurch  dieser  nach  dem  Tode  seiner 
Frau  ihr  Vermögen  erhält. 

4.  Joh.  Elias  Link  (f  24.  März  1792  kinderlos)  henratet  in  zweiter 
Ehe  eine  Jungfrau  Maria  Theresia  Nimbfling  (geb.  1761)  28.  Juni 
1790  und  setzt  diese  mit  Testament  vom  2.  November  1791  zur  Universal- 
erbin ein. 

5.  Maria  Theresia  Link,  geb.  Nimpfling  (f  in  Gratz  1841  am 
3.  Februar),  aus  St.  Peter  in  Steiermark,  Tochter  eines  Tabakofficiers.  Heu- 
ratet 17  August  1793  in  zweiter  Ehe  den  Kaufinann  Michael  Anton 
Constantin  in  Wien.  Nach  ihrem  Tode  (Februar  1841)  erbt  von  ihr  das 
Präsentationsrecht 

6.  Josefa  Jacklitsch,  geb.  Nimpfling,  Schwester  der  vorigen  und 
Gattin  des  Primarwundarztes  Dr.  Andreas  Jacklitsch  in  Gratz.  Nach  ihrem 
Tode  kam  das  Präsentationsrecht  durch  Testament  an 

7.  Maria  Josefa  Nimpfling  (fälschlich  Jacklit  seh  genannt),  un- 
ehliche Tochter  der  vorigen.  Nach  deren  Tode  gelangt  das  ganze  Erbe  an 

8.  Jungfrau  An-na  Nimpfling,  deren  Cousine,  Tochter  eines 
Gontrolors  in  St.  Lamprecht  (lebte  noch  Jänner  1867).  Bei  dieser  letzten 
ist  noch  das  Präsentationsrecht  zur  Stiftung  Schnitzenbaum. 

%0.  In  den  Urkunden,  welche  von  Mitgliedern  der  FamllieSchniz- 
zenbaum  entweder  ausgestellt  und  von  denselben  unterzeichnet  wurden, 
ebenso  wenn  sie  in  den  Urkunden  sich  auf  Verwandte  ihrer  Familie  berufen, 
bedienen  sie  sich  niemals  des  Adelswortejs  ,^y  o  n^ ;  auch  ist  das  Siegel,  da& 
sie  ihrer  Fertigung  beidrttcken,  kein  adeliges,  sondern  eine  Phantasiedevise, 
einen  Baum  vorstellend  ohne  weitere  adelige  Embleme.  Auffallend  ist 
jedoch,  dass  Gabr.  Bucelinus  in  seiner  Germania  topo-chrono- 

^  Die  Daten  tiad  •immtlich  nui  Urkunde ii  dea  k.  k.  Landeag'erichti  and  der 
Pfarre  St.  Stephan  in  Wien;  yon  Nr.  S — 8  durch  Organisten  Sejdler  in  Gratz  erhoben. 


294 


.  Beil.  I.    20.  31. 


stemmatographica.  fol.  Ulmae  1678  pag.  525  in  ^Leopold!  I  Imp. 
Aulicorum  Ministrorum  Catalogo''  „Joannes  Josephns  de  Schnitzenpaum*'^ 
als  ersten  Concipista  des  Niederösterreich.  Kegimentes  aufführt.  Es  ist  der- 
selbe Johann  Joseph,  der  später  Regier angssecretär  wurde,  1683  starb  und 
der  Vater  der  Frau  des  ELapellmeister  J.  J.  Fux  war.  Noch  mehr  fallt  es 
auf,  dass  eine  Schwester  der  letzten,  MariaTheresiaSchnitzenbaum, 
die  eine  Kammerdienerin  einer  Prinzessin  von  Polen  war,  1749  starb,  ihre 
Verwandten  Eva  Maria  Fux  zur  Erbin,  deren  Bruder  Math.  Theophilus  Fux 
mit  einem  Legat  von  1000  fl.  bedachte  und  eine  Stiftung  im  Johannsspital 
errichtete,  in  den  amtlichen  Acten,  im  Stiftbriefe,  in  der  Todesanzeige 
und  in  der  Quittung  des  Math.  Theophilus  Fux,  Fräulein  MariaTheresia. 
von  Schnitzenbaum  genannt  wird.  Nicht  überall,  aber  je  zuweilen  wird 
auch  den  Geschwistern  derselben  das  Prädicat  von  beigelegt.  Es  fragt 
sich  daher:  war  die  hier  gemeinte  Familie  wirklich  von  Adel?  —  Die 
Matrikel  des  öaterreicMschen  Adels  kennen  den  I^amen  Schnitzenbaom 
nicht :  in  Krain  war  nach  Valvasor  (Topogr.  von  Krain  III.  p.  112)  ein  schon 
1679  erloschenes  Rittergeschlecht  dieses  Namens,  das  von  Kaiser  Ferdi- 
nand I.  1561  in  den  Freihermstand  als  „Schnitzenbaum  Freiherm  von 
Sonegg'^  erhoben  ward.  Das  passt  durchaus  nicht  auf  unsek-e  Schnitzen- 
baum, und  wenn  man  femer  erwägt,  dass  die  Mehrzahl  der  letzten  Schnit- 
zenbaum Hofanstellungen  hatten  und  sich  des  Adels  gewiss  bedient  hätten, 
wenn  er  ihnen  de  jure  zugekommen  wäre ;  wenn  femer  das  Höflichkeitswort 
„von<<  in  Oesterreich  im  ganzen  XIX.  Jahrhundert  (bis  heute)  und  mehr  als 
wahrscheinlich  schon  im  XVIII.  Jahrhunderte  allen  Honoratioren  beigelegt 
wurde;  so  dürfte  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  die  Ansicht  sein,, 
dass  das  Adelswort  „von''  der  Familie  Schnitzenbaum  nur  als  ein  Act 
der  Höflichkeit,  selbst  in  amtlichen  Ausfertigungen,  zu  betrachten  sei. 


Itl.  Stammbaum  der  Familie-Schnitzenbaum. 

1.  Josef, 

n.    o.  Regierniig8~ 

t  19*  Sept.  166.1. 
Kinder  erster  EJlic. 


2.  Johann  Josef, 

Regier. -Secretär, 

geb.  1«8], 

t  5.  Oet.  1683, 

Term.  mit  MeriA 

Ursula. 


3.  Joh.  Gfeorg. 


4.  Anna  Maria. 


5.  Clara  Juliana, 

geb.  1671, 

t  8.  Jiuai  1731, 

verm.  Fux 

(kinderlos). 


6.  Maria  Anna, 

Kemzoerd.  der 

Erzh.  Maria  H&gd., 

t  16.  Febr.  1736 

(uDvermäiiU). 


7.  M.  Theresia, 

Kunmerd.  der 

Prinz,  yon  Polen, 

geb.  1681, 

t  19.  Mai  1749 

(unvermählt). 


8.  Paul  Anton, 

Hofkanun.  •  Oonelp.y 

geb.  1676, 

1 16.  Märe  1740. 


Beil.1.    22.83.  295 

% 

Commune  von  Wien,  TodtenbeBchauunts-Protocoll  (Vol.  49.  Fol 
245.  V.)  1683.  5.  October. 

[2.]  „Der  Wohledelgestrenge  Hr.  Johann  Joseph  Schnitzen- 
baum b,  N.  Oe.  Regierungg  Sepretarius  ins  Hm.  Martin  Todtenriederfaaus 
in  der  Wohl  Zeyl  i»t  an  Rother  Ruhr  beBch.(aut)  alt  52  J.*^ 

[5.]  Wiener  Diarium  1731  Nr.  46. 

„1731,  8.  Juni.  Verstorbene." 

„Dem  Wohledel  -  Gestrengen  Herrn  Johann  Joseph  Fnx,  Kais. 
Hof- Capell- Meistern,  s:  Fr.  Clara  Jnliana,  gebome  Schntttzenbau^ 
merin  bei  dem  goldenen  Bäm  am  alten  Fleischmark  alt  60  J.*' 

[6.J  „Maria  Anna  Schnitzenbaum,  Kammerdienerin  der  Erzher- 
zogin Maria  Magdalena ,  gestorben  am  16.  Febr.  1736.*'  (Verlassenschafts- 
acten  im  Archiv  des  k.  k.  Landesgerichtes  in  Wien.) 

[7.]  Wiener  Diarium,  21.  Mai  1749. 

„Verstorbene  den  19.  Mai." 

„Die  Wol-£dle  Frle.  Maria  Theres  von  Schnitze-nbaum  im 
Adelsburg  H.  bey  unserm  Herrn,  alt  68  J." 

[8.]  Wiener  Diarium,  19.  M&rz  1740. 

„Verstorbene  den  17.  Martii"  (eigentlich:  beschaut  17.,  gestorben 
16.  März.  Verl.  Acten). 

„Der  Woj-Edel-Gestrenge  Hr.  Paul  Anton  Schntttzenbaum, 
Kais.  Hofkammer-Concipist  bey  dem  goldenen  Bäm  am  alten  Fleischmarkt, 
alt  65  J.« 

%%.  Aus  dem  Testamente  der  Maria  Theresia  von  Schnit- 
zenbaumin  (Stammb.  Nr.  7),  Wien  16.  Sept.  1743. 

„12**"  Dem  St.  Joannis  Nepomuc.  Spittal  zur  Stifftung  einer  Weibsper- 
sohn (vermache  ich)  1500  fl.,  jedoch  dass  das  Jus  praesentandi  oder  das 
Recht  eine  Persohn  vorzustellen  und  hineinzubringen  bey  meiner  Universal 
Erbin  und  dessen  anverwandten  und  befreunten  zu  allen  Zeiten  verbleiben. 

13'"**  meinen  lieben  Heren  Vettern  Matthaeo  Theophilo  Fux 
1000  fl.  sollte  aber  meine  Universalerbin  mit  Tod  abgehen  (welches  Grott 
auf  lang-  und  ville  Jahre  verschieben  möge)  od.  mittels  einer  Heurath  ihren 
Standt  verändern,  so  hat  dieser  obbemeldter  mein  Herr  Vetter  noch  1000  fl. 
alss  ein  Ihme  von  mir  gemachtes  Legatum  zu  fordem. 

16*'"*  setze  und  ordne  ich  zur  Universal  Erbin  meines  zeitlichen  Vermö- 
gens meine  liebe  Jungfrau  Maimb  EvamMariamFuxin  sage  zur  Uni- 
versalerbin ein. 

Wien  den  16.  Septembris  1743. 

Maria  Theresia  schnitenzbaum.*' 

Anmerkung.  Nach  dem  Vermögensbekenntnisse  belief  sich  der  Nach- 
lasB  auf  12000  fl.  Banco  Obl. ,  davon  die  Legate  abgezogen  mit  8920  fl. 
erübrigte  für  die  Erbin  ein  Rest  von  3080  fl. 

ItS.  Erklämng  des  Matthäus  Theophil  Fux  in  Klagenfurt,  das 
Legat  der  M.  Theresia  Schnitzenbaum  betreffend.  (Acten  des  Nachlasses 
derselben  im  Archive  des  k.  k.  Landesgerichtes  in  Wien.) 


296  Beil.  I.    24. 

„Ich  zu  Ende  Gefertigter  bekenne  hiemit,  dass  ich  nicht  nur  diejenige 
1000  fl.  welche  meine  Mämb  Fräule  Maria  Theresia  von  Sohnitzenbaum 
Boel.  in  Ihrem  Testamente  ddo.  16.  September  1743  et  pnbl.  19.  Mai  1749 
§.  13**"  mir  legirt  hat  richtig  und  bar  empfangen  habe ,  sondern  ich  erkläre 
mich  auch,  dass  die  von  vorgedacht  meiner  Frln.  Mfimb.  eingesetzte  Univer- 
salerbin und  respective  meine  Schwester  Eva  Maria  Fuxin  wegen  deren  in 
den  bemelten  Testament  in  praefato  §.  13  in  jenen  Fall,  wenn  besagt  meine 
Schwester  mit  Tod  abginge  oder  mittels  heurath  ihren  Stand  verändern 
wurde,  mir  vermachten  weiteren  1000  fl.  eine  Sicherstellung  keineswegs  mir 

leisten  dürfe So  beschehen  Olagenfurth  den  6.  Juny  1749.** 

L.  S.  Matthaeus  Theophilus  Fux  m./p. 

Einleithnngs  Rectifications  Actuarius  Registrator 

und  Protocollista  in  Kärnthen. 

1t%.  Stiftung  der  Maria  Theresia  von  Schnitzenbaum  (in  den 
Acten  der  k.  k.  Statthalterei  in  Wien). 

Laut  S  tiftbrief  es  vom  26.  Juni  1750  hat  Frln.  Maria  Theresia  Von 
Schnitzenbaum  in  ihrem  Testamente  vom  16.  September  1743  eine  Stiftung 
für  eine  erannte  Weibsperson  mit  1500  fl.  in  das  St.  Joannis-Nepomuceni- 
Spital  auf  der  Landstrasse  in  Wien  mit  täglich  9  kr.  gemacht.  Zur  Präsen- 
tation zn  diesem  Stiftungsplatze  hat  sie  ihre  eingesetzte  Universalerbin  Eva 
Maria  Fuxin  und  nach  derselben  hintritte  ihre  nächsten  Anverwandten  und 
Befreundten  zu  allen  Zeiten  berufen. 

Anmerkung.  Nach  Aufhebung  des  Klosters  wurde  die  Stiftung. in  eine 
Betheilung  auf  die  Hand  umgestaltet,  diese  betrug  (1866)  24V2  Kreuzer 
täglich,  und  Präsentantin  dazu  war  (1867)  Jungfrau  Anna  Nimpfling 
in  Gratz,  Tochter  eines  Controlors  in  St.  Lamprecht. 


Beilage  II. 

Urkunden :  Anstellungen  —  Beförderungen  —  Beschwerden  des  J.  J.  Fux 

—  Reorganisierung  der  Hofkapelle. 

t.  1698, 16.  April.  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 

(„Vnterthftnigst  geborsambstes  Referat  Hoffsachen  betreffend  in  Wien 
den  16.  Aprilis  1698.) 

„JoannesJosephus  Fux  Husicus  Bringt  gehorsambst  ahn ,  dass 
Ewer  Kay.  Maytt.  iim  wegen  seiner  compositionen  in  die  Dienst  aufgenohmen 
haben,  Bittet  dahero  Vnterthenigst  in  der  Hoffstatt  mit  einer  solchen  Besol- 
dung, wie  es  £wer  Kay.  Maytt.  gdgst.  gefallig  sein  wirdt,  einzuverleiben. 

Der  Capelmaister  berichtet ,  dass  er  auf  dieses  petitum  Kein  anderes 
parere  geben  könne ,  als  dass  Ewer  Kay.  Maytt  den  Supplicanten  wegen 
seiner  guetten  Qualiteten  Bereits  in  Dero  Dienst  mit  40  Thaler  monathlicher 
Besoldung  aufgenohmen  hetten. 

Man  wirdt  Ewer  Maytt.  Befelch  diessfalls  erwartt«n,  Ob,  wieuill,  Vnd 
Von  welcher  Zeit  man  ihme  seine  Besoldung  ausferttigen  solle  ?'^ 

(Eigenhändige  Resolution  des  Kaisers :) 

„„Weillen  ich  diesen  Supplicanten  als  einen  guetten 
Virtuoso  aus  gewissen  Yrsachen  Zu  meiner  Musik  auffzu- 
nehmen  resoluirt  habe,  als  sollen  Ihme  Zur  Besoldung 
Monatlich  40  thaler  oder  60  fl.  von  Anfang  dieses  Jahres 
angewiesen  werden.**** 

Bescheid : 

„pro  JanneJosephoFux.  Ihro  Kay.  Mtt.  haben  den  Supplicanten 
alss  einen  guetten  Virtuoso',  auss  gewissen  Yrsachen  zu  dero  Music  mit 
monatlicher  60  fi.  Besoldung  aufzunehmen  gnädigst  resoluirt,  Welche  das 
Hoff-Controlorambt  durch  eine  gewöhnliche  Ordinanz  von  Anfang  dieses 
Jahres  ihme  an  das  Hoff-Zahlambt  ausfertigen  solle.  Wien  16.  Aprilis  1698.** 

%.  1701.  27  Jan.  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 

Vortrag: 

„Euer  Kay.  May.  compositore.  in  musica  JohanJacob  (sie)  F  u  c  h  s  s 
bittet  allerunterthänigst,  ihme  seine  Besoldung  monatlicher  vierzig  Thaller, 
mit  zwanzig  allergnädigst  zu  Verbesseren,  auff  dass  er  denen  anderen 
compositoribus  gleich  sey.** 

„Der  Capellmeister  berichtet,  dass  der  SuppUcant  ein  meritiertes 
Subjectum  Von  gar  guetten  Qualitäten  „„Vundt  einer  sonderbahrer  Ge- 


298  Beil.  II.    2.3. 

Hchicklichkeit  sey,  alles  das  jenige  zu  verrichten,  was  ihm  au£fgetragen 
wird,  Vermeinet  dahero,  Wann  Ewer  Kay.  May.  es  also  allergnädigst  gefällig 
sey ,  dass  die  begerte  20  Thaller  monatlich  seiner  Besoldung  von  An£Euig 
Aprilis  Vorigen  Jahres  zugelegt  werden  könnten,  damit  er  dasienige,  was 
andere  in  seiner  Sphaera  haben,  geniesse.** 

Der  Obrist  HoflFmeister  remittirt  dieses  Begehren  zu  Ewer.  Kay.  Maytt 
resolution,  Vnd  wan  deroselben  gnädigst  beliebig,  den  Supplicanten  mit 
einer  Verbesserung  zu  Begnaden,  von  Wass  für  einer  Zeit  —  Vundt  ob  mit 
—  oder  ohne  abbrach  des  ersten  Quartals  ihme  die  Besoldungs-Ordinanz 
ausgefertigt  werden  solle?** 

Res*.  Caes'.  (Eigenhändige  Resolution  des  Kaisers.) 
„„Weillen  dieser  Supplicant  ein  gutes  Subjeotum  ist, 
Vnd  wohl  dienet,  also  solle  Ihme  die  Besoldung  monatlich 
biss  60  Thaler  in  allem  vermehrt  werden."*^ 

Leopoldus  m./p. 

Bescheid : 

„Dem  hJupplicanten  ist  seine  Besoldung  mit  20  Thaler  monatlich  ver- 
mehrt worden ,  dass  er  also  60  Thaler  in  allem  zu  geniessen  haben  solle, 
dahero.  der  Hoff- Contralor  darüber  die  Ordinanz  Vom  ersten  Januari 
vorigen  Jahrs  mit  Abbruch  des  Quartals  ausszufertigen  hat.  Den  27.  Jan. 
1701." 

S.  1702,  19.  August.  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 
Vortrag. 

„JohannJosephFnx  Compositore  in  musica  hat  seinen  Vorgeben 
nach  Vmb  Ewer  Kay.  Maytt.  besser  vnd  ohne  Verhindernus  zu  bedienen 
seinen  Posto  bey  den  Scotten  allhier  quittirt,  Wordurch  ihme  jährlichen 
bis  400  fl.  abgiengen,  bittet  dahero  Aller- Vnterthänigst  Ewer  Kay.  Maytt. 
Wollen  diesen  seinen  Verlust  mit  einer  Besoldungs  Verbesserung  gnädigst 
ersezen. 

Hierauf  vermeldet  der  Capelmaister,  dass  dieses  Virtuos!  talenta  der- 
gestidt  bekannt  vnd  das  motivum,  so  er  anfihret  so  billig  sey,  dass  er  nicht 
zweiflet,  Ewer  Kay.  Maytt.  werden  sein  aller  Vnterthenigstes  Ktten  er- 
hören ,  vnd  seine  Besoldung  bis  auf  80  Thaler  vnd  zwar  Von  anfang  dieses 
iahrs  Monatlich  vermehren. 

Auss  angefihrter  Vrsach  conformirt  sich  der  Obrist  Hoffinaister  mit 
dem  Capelmaister,  dass  dem  Supplicanten  sein  dermahlen  geniessende  Be- 
soldung der  60  Thaler  mit  20  Thaler  Monatlich  Vermehrt  —  Vnd  dardurch, 
wasB  Ihme  bei  den  Scotten  abgehet,  ersetzt  werde,  zumalen  etwelche  andere 
musici  auch  so  vüll  geniessen,  es  Beruehet  aber  bey  Ewer  Kay.  Maytt.  Wass 
Sie  wegen  der  Verbesserung,  alss  Von  Welcher  Zeit  solche  anfangen  solle, 
allergnädigst  befehlen  werden.*' 

(Eigenhändige  Resolution  des  Kaisers :) 


BeiLli.    4—6.  299 

„„plaeet  in  Ansehung  der  verlasBenen  400  fl.  vnd  zwar 
von  anfang  diese«  iahres^  ''. 

„Referat  in  Hoffsachen. 
Wien  den  19.  Auguati  1702.« 

%.  1711.  22.  März.  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 

Hofresoltttiou.  „Soiis  22.  Martii  1711. 

„  Johan  Joseph  Fuchs,  Compositore  in  musica. 

Ihre  Kay.  Mtt.  haben  vermög  zurückstehender  allergnädigster  decre- 
tirung,  den  Supplicanten  die  gnad  gethan,  vnd  dessen  Besoldung  jälurlichen 
biss  2000  fl.  vermehret  Weilen  er  nun  anizo  1440  fl.  hat  y  so  bestehet  die 
Verbesserung  in  560  fl. ,  welche  der  Hoff-Contralor  dessen  Besoldung  zu* 
schreiben  ~  Vnd  darüber  die  Ordinanz  an  das  Hoff  Zahlambt  vom  ersten 
dieses  lauffenden  jahrs  ausfertigen  solle.« 

ft.  1713  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 

,Hoff-Prothocol  in  Parthey  Sachen  de  Anno  1713. 

Jovis  26.  Januarij  1713.  Joseph  Fux. 

Ihre  Kay.  May.  haben  den  Joseph  Fux  alss  Vice-Capelmaisteren 
resolvirt  vnd  Ihme  zur  jährl.  Besoldung  Sechszeihnhundert  Gulden 
zugelegt,  welche  Ihme  durch  eine  ordinanz  an  das  Hoff  Zahlambt  vom 
1.  October  des  VIII.  Jahrs  (also  1708)  ohne  Abbruch  des  ersten  Quartals 
ausszufertigen  seynd.« 

6.  1715,  7.  Febr.  Arch.  des  Obersthofmeister-Amtes. 

„Allerunterthenigst  gehoraambs'tes  Referat.  Euer  Kay.  May.  Vice 
Capellmaister  Johann  JosephFuz  allerunterthenigstes  Begehren  Vmb 
die  Erlangung  der  durch  absterben  de8S.Ziani  erledigte  Capellmeistersstelle 
betr.  Wienn  den  7.  Febr.  1715. 

^Euer  Kay.  May.  Vice  Capellmeister  Johann  Joseph  Fux  (dessen 
allerunterthenigstes  Memoriale  mit  dem  allergnädigsten  Befehl  darüber 
gehörsambst  zu  referiren ,  mir  Deroselben  gehorsambsten  Ob.  Hoünaister 
durch  den  Secretari  Imbsen  zugeschickt  worden)  bittet  allerunterthenigst, 
anstatt  des  Verstorbenen  Marco  Antonio  Ziani  für  Ewr  Kay.  May.  würkh- 
liehen  Capellmaister  aufgenohmen  zu  werden,-  mit  dieser  besonder  aller- 
höchster Kay.  Gnad,  dass  wie  Er  jezo  von  Ewr  Kay.  May.  alss  Vice  Capell- 
maister Jährl.  1600  fl.  vnd  annebens  alss  Ihrer  May.  der  Verwittibten  Kay- 
serin  Amalia  Capellmeister  andere  1500  fl.  —  also  in  allem  zu  würkhhcher 
Hoffbesoldung  3100  fl.  angewisen  hat,  also  Ihme  solche  bey  der  allergnä- 
di^st  gefalligster  aufnähme  für  Ewr  Kay.  May.  Capellmaister  allermildist 
placidirt  werden  mügten. 

Nun  seynd  Ewr  Kay.  Mtt.  dess  allerunterthenigsten  Supplicanten 
Persohn,  capacität  und  merita  also  allergnädigst  bekandt,  das  man  derent- 
wegen auch  das  geringste  femer  zu  allegiren  für  überflüssig  haltet,  dahero 
es  bey  dessen  allergnädigst  resolvierender  Aufnehmung  blosshin  auf  die 


300  Beil.  II.    6—8. 

Ihme  darbe!  zuzulegen  seyende  Hoffbesoldnug  ankommet,  in  disem  Be- 
tracht ,  daBS  derselb  bey  jez  von  Ewr  Kay.  May.  zu  einer  seither  alss  Vice- 
Capellmaister  ynd  zur  anderer  als  Capellmaister  von  vor  allerhöchst ged. 
Verwittibter  Kay.  May.  in  allem  Zu  3100  fl.  genüssender  doppelter  Hoffbe- 
soldung, Ymb  jährl.  600  fl.  mehreres ,  alss  nit  die  alleinige  Euer  Kay.  May. 
ordinari  Capellmaisters  Besoldung  von  Jährl.  2500  fl.  austraget,  angewisen 
hat,  vnd  solcher  gstalten  bey  der  Ihme  widerfahrender  Kay.  Gnad  der 
wtlrkhlichen  Anfhehmung  mit  besagter  ordinari-Capellmeisters  Besoldung 
Ihme  in  utili  Jährl.  600  fl.  entgehen  thätten,  welch,  besonderen  Umbstand 
man  Ewr  Kay.  May.  zur  allermildesten  Beherzigung  gehorsambst  anheimb 
stellen  solle ,  Vnd  nur  so  vill ,  jedoch  ohne  Vnterthenigster  Vorschreibung 
darbey  zu  erinneren  für  Nöthig  erachtet,  dass  im  fall  Ewr  Kay.  Mtt.  dem 
Supplicanten  die  jetzt  obenerwehntermassen  gnüssende  3100  fl.  femer  zu 
uerwilligen  allergnädigst  geruhen,  Ihme  nur  2500  fl.  alss  dess  Capellmaisters 
ordinari  Hoffbesoldung  aussgeworffen ,  die  übrige  600  fl.  aber  alss  eine 
neue  adjuta  nit  auf  den  Dienst ,  sondern  vor  die  Persohn  in  besonder  Vmb 
dadurch  denen  üblen  Consequenzen  vors  Künfftig  vorzubiegen,  angewiesen 
werden  möge,  alss  warüber  der  allergnädigster  Kay.  Befehl  gehorsambst 
Erwartet  wirdt" 

(Eigenhändige  Resolution  des  Kaisers.) 

„Placet 
Carlm./p.<* 

•».  Wiener  Diarium  Nr.  1205,  16.  Homung  1715. 

„Samstag,  den  16.  Homung.  Nachdeme,  bekanntermassen,  derKidser- 
liehe  Capell-Maister,  Herr  Marco  Antonio  Ziani,  dahier  mit  Tod  abgegangen-, 
Als  haben  Ihre  Römisch-Kaiserlich-  und  Catholische  Majestät,  dero  Vice- 
Capellmaister ,  dann  Ihrer  Majestät  der  letzt  -  Verwittibten  Kaiserin, 
Wilhelmina  Amalia,  Capellmaister,  Herm  Johann  Joseph  Fuchs,  die 
erledigte  Capellmaister-Stell,  in  allermildester  Ansehung  seiner  langwirrig- 
und  unermttdet- treugehorsamst -geleisteten  Diensten,  wie  nicht  weniger 
in  der  Music-Kunst  erlangt-förtrefflicher  Erfahrenheit ,  allergnädigst  aufge- 
tragen ;  welchemnach  heut  allerhöchst-gedacht-Kaiserlich-  und  Catholischer 
Majestät  wtirklich  geheimer  Raht,  und  Obrist-Hof -Maister,  Ihre  Durchleucht 
Herr  Anton  Florian,  des  heil.  Rom.  Reichs  Fürst  von  und  zu  Liechtenstein, 
Herzog  zu  Troppau  und  Jägeradorff  etc ,  Ritter  des  goldenen  Vliesses  und 
Grand  von  Spannien  der  ersten  Class,  den  neuen  Herrn  Capellmaister,  nach 
zuvor  abgelegter  Eyds-Pflicht,  den  gesammten  Herren  Hofmnsicanten 
gewöhnlichermassen  vorgestellet.*' 

9. 1715,  8.  März.  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 
Decret. 

„Johann  Joseph  Fux,  gewesener  Vice-  nunmehr  Neu-aufgenoh- 
mener  Capellmeister  Besoldung  und  adjuta. 


Beil.  II.    9.10.  301 

Ihro  Kay.  May.  Vnser  allergaMigster  Herr  haben  den  Supplicanten 
an  Statt  ües  jüngst  Verstorbenen  Ziani  filr  Dero  Capelbneister  nit  allein 
auff-  und  angenohmen,  sondern  demselben  auch  in  ansehung  der  Innwerths 
angezogener  besonderer  Vmbständen  über  die  sonst  gewohnliche  Capell- 
meisters  Besoldung  und  Papiergeld  von  Jährl.  2500  fl. ,  annoch  eine  beson- 
dere Adjuta  von  Jährl.  600  fl.  (welche  Jedoch  ins  Künftige  zu  keinem 
£xempel  vor  andere  angezogen  werden  solle)  vom  1.  April  dises  lauffenden 
Jahrs  allergnädigst  placidirt,  dass  Er  also  von  solchem  dato  vor  Besoldung 
Papier  und  adjuta  in  allem  3100  fl.  zu  geniessen  habe,  und  der  Hoff-Con- 
tralor  derentwegen  ans  Kay.  Hoff-Zahlambt  die  gewöhnliche  Ho£f-Ordouance 
von  gedachten  2500  fl.  ohne  —  mit  Abbruch  des  ersten  Quartals  aber  über 
die  600  fl.  Adjuta  vor  selbigen  aussfertigen  solle. 

p.  Imprm. 
Wien  den  8.  Martii  1715." 

9.  1715,  18.  März. 

„Aller  Vnthgst  ghbstes  Referat.  Lunae  18.  Martij  1715. 

Capellmeister  Johann  Joseph  Fnx  Nachsehung  des  ersten  Quar- 
tals von  der  Adjuta  von  600  fl. 

In  diesen  besonderen  Betracht,  dass  des  Verstorbenen  Capellmeisters 
Ziani  hinterlassene  Wittib  und  £rben  das  Sterb-Quartal  placidirt,  und 
derentwegen  dem  Supplicanten,  ob  Er  schon  vorhin  an  dessen  Stelle  auff- 
genohmen  worden,  die  darzu  gehörige  Besoldung  mit  benebens  placidirten 
Adjuta  erst  (?)  vom  1.  des  zukünftigen  monaths  Aprilis  aussgefertigt 
worden ,  sollen  demselben  die  gewöhnliche  Hoifordonance  von  der  Adjuta 
sowohl  alss  Hoffbesoldung  ohne  abbruch  des  ersten  Quartals  aus  Kay.  Hoff 
Zahlampt  ausgefertigt  werden. 

Vom  Kay.  Obhfmstramte." 

lO«  1721,  6.  März.  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 

„Allerunterthänigst  gehorsambstes  Bitten  Johann  Joseph  Fux 
Hoff-Capellmaistem  pr.  Allergnädigste  ausswerffung  inberührter  Kay. 
Gnade  betr. 

Allerdurchleuchtigst-Grossmächtigst-  und  vnnberwündlichster  Römi- 
scher Kaysser,  auch  zu  Hispanien,  Hungam  und  Böheimb  König,  Ertzherzog 
zu  Gestenreich  etc. 

Allergnädigster  Kaysser,  König  und  Herr  Herr  etc. 

Ich  habe  .die  Gnade,  Euer  Kay.  und  Königl.  Cath.  May.  und  Dero 
Durchleuchtigsten  Ertzhause  in  das  sechs  und  zweinzigste  Jahr  zu  dienen, 
in  denen  führgew^irten  schweren  Zeiten  aber  und  bey  meinen  vielfaltigen 
dispendiosen  Krankheiten  nicht  allein  keine  Mitteln,  zu  dem  nach  meinem 
ableiben  benöthigten  unterhalt  der  meinigen  zusammen  zu  setzen,  vermöget, 
sondern  auch  mich  in  schulden  stecken  müssen;  zumahlen  nun  bisshero 
ausser  der  besoldung  einige  adjuta,  wie  vielle  ander,  ich  niemahls  genos- 
sen habe  und  der  zustandt  meiner  Krankheit  solchergestalten  zu  nimbt, 


302  Beil.  II.    10.11. 

dasB  bei  ohne  deme  erschöpiften  Kräfften,  dem  Allerhöchsten  es  etwa  ge- 
fallig, meine  tage  in  ktirtzen  zu  endigen. 

Diesemnach  Euer  Kay.  und  Königl.  C'ath.  May.  mich  zu  Füssen  lege 
mit  der  allerunterthftnigst  gehoreambsten  Bitte  Selbde  in  Mildester  ansehnng 
meiner  langjährig  geleisteten  Diensten ,  da  auch  mein  Weib  nach  meinem 
Todt  einige  Pension  allerdemüthigst  anzuhoffen  hette,  ein  Capital,  welches 
80  viel  Interesse,  alss  eine  Pension  jährlich  betragen  wurde,  für  ihre  Subsi- 
stenz  äbwerffe,  zu  einer  Kay.  Gnade  und  abfertigung  ausszuwerfen,  und  das 
behörige  darfiberhin  aussfertigen  zu  lassen ,  Allergnädigst  geruhen  wollen, 
womit  ich  gedacht  mein  armes  Weib,  so  mir  iederzeit  mit  sonderbahrer 
Liebe  und  Treue  alle  Httlffe  erzeiget  hat,  sambt  der  von  meinem  auch  un- 
bemittelten Bruder  auferziehenden  Tochter  versorget  zu  wissen,  in  Lebzeit 
annoch  die  consolation  haben  möge.  Zu  Allergnädigster  Gewehrung  dessen 
mich  allerunterthönigst-gehorsambst  empfehle.  Euer  Kay.  Kön.  Oathol. 
Maytt. 

allerunterthänigst  gehorsambster 

Johann  Joseph  Fux 

Hoff-Capellmaister.« 

««•1721,  6.  März. 

Referat. 

„Allerunterthänist  gehorsambstes ,  mit  Euer  Kay.  May.  Hoff-Cammer 
Pi'äsidenten ,  über  verschiedene  HoflF-Partheyen ,  Pensionen-  und  anderer 
Extragnadengesuech  concertirtes  Referat. 

Wien  den  6.  Martii  1721.  Herunt.  kommen  d.  20.  Martii 

Expd.  23.  Martii.« 

„Wegen  Ew.  Kay.  May.  Hoff-Capellmeistem  Johann  JosephFux 
welcher  sich  zu  einer  specialen  Kay.  Gnadt  allerunterthänigst  ausgebetten 
hat,  dass  anstatt  derjenigen  nach  dessen  Todt  vor  seine  nachlassende 
Wittib  gewöhnliche  Gnadenpension  Ihme  noch  bei  Lebzeiten  derselben 
ertragnus  in  Capitali  zur  Kay.  Gnadt  und  Abferttigung  alleimildest  auss- 
geworffen  werden  möge,  umb  darmit  sein  Weib  sowohl,  alss  die  von 
seinem  leiblichen  mittellosen  Bruedern  aulTerziehende  Tochter  consoliren 
und  versorgen  zu  können. 

Von  dieses  »Supplicanten  allerunterthänigsten  Ansuchen  findt  sich  ein 
fast  gleiches  Exenipel  vom  Domenico  Ventura  gewest :  Kay.  HoflFtanzmei- 
stern,  bei  dessen  Lebzeiten  vor  die  hinterlassende  Wittib-  und  Tochter 
von  Wayl.  Kay.  Mtt.  Leopoldo  glorwürdigsten  andenckens  die  gewöhnliche 
gnadenpension  wie  aussgebetten ,  also ,  vnd  zwar  vor  eine  jede  300  fl, ;  erst 
nach  dessen  Todt  den  Anfang  zu  nehmen ,  ao.  1695  allergnädigst  ausge- 
worffen  worden  ist. 

Seiner  im  Dienst  letztgewesten  zweyen  Vorfahren  alss  des  Dragfai 
hinterlassener  Wittib  seynd  zur  Gnadenpension  von  Waylandt  vor  Aller- 
höchst-Emannt-Kay.  May.  Leopoldo  vor  pension  und  Quartiergeld  ad  dies 
vitae  jährlich  800  fl.  A*  1700  und  des  Ziani  seinigen  von  Ew.  Kay.  Mtt.  nit 


Beil.  II.    11.13.  303 

allein  500  —  sondern  benebens  seinem  Bruedern  Jährl.  300  fl.  zu  derglei- 
chen Pension  allermildest  verwilligt ,  mithin  des  ein-  wie  andern  geleistete 
Dienste  mit  Jfihrl.  800  fl.  post  mortem  recompensirt  worden ;  In  welchen 
gleichwie  dieser  Supplicant  es  üien  beeden,  in  der  Capacität  und  Fleiss 
wo  nit  bevor,  wenigst  gleich  gethan,  also  in  deren  Ansehung  von  £w.  Kay. 
Maj.  allerhöchsten  milde  wegen  seiner  man  eine  gleiche  gnaden  Bezeugung 
vor  seine  nachlassende  Wittib  in  casum  mortis  fast  zu  vermuethen ,  dahero 
in  diesem  betracht ,  dass  die  Wittib  solche  Jährl.  800  fl.  auf  10  wo  nitmehr 
Jahren  hinaus  leicht  gemessen  könnte ,  kein  Bedencken  getragen  hat ,  Ew. 
Kay.  May.  vor  den  Supplicanten,  als  seiner  langj&hrig  und  fleissiger  Dienste 
halber  besonders  meritierten  Hoff-Oapellmeister  dahin  gehorsambst  einzu- 
rathen ,  dass  Dirne  ein  vor  allemahl  ein  Capital  von  8000  fl. ,  Jedoch  erst  in 
denen  4  ersteren  Jahren ,  in  Quartalsfristen  zu  bezahlen ,  eben  so  vill  alss 
die  Pension  von  800  fl.  in  10  Jahren  austragendt  zur  Kay.  Gnadt  und  Ab- 
fertigung allergnSdigst  ausgeworfen  werden  möge.*' 

(Resolution  des  Kaisers) : 

„Placet" 

Decret. 

„Nachdeme  Ihro  Kay.  und  Königl.  Cathol.  May.  Vnser  Allergnfidigster 
Herr  etc.  deroselben  wttrkhlichem  Hoff-Capell  Meistern  Johann  Joseph 
Fux  in  Ansehung  solch  seiner  sowohl  alss  vorherig  Vice-Hoff  Capell-Meister 
Trey-Eyffrig  zu  Dero  Allergnfidigster  Satisfaction  geleisteter  Dienste, 
diese  Allerhöchste  Kay.  Gnade  verwilliget  haben,  dass  selbigen  anstatt  der 
nach  dessen  ableiben  vor  die  hinterlassende  Wittib  sonst  gewöhnlichen 
Jährlichen  Gnadenpension  zur  Gnad  und  Abfertigung,  Ein  vor  allemal 
8000  fl.  in  denen  4  ersten  Jahren  mit  Jährl.  2000  fl.  zahlbar  gereicht  werden 
sollen ,  hat  der  Hoff-Contralor  Ihme  darflber  die  gebräuchige  anweissung 
also  an  seine  Behörde  ausszufertigen. 

Per  Imperatorem 
Wien  den  23  Martii  1721.« 

i«.  Finanz.-Min.-Arch.  Erl.  27.  Juni  1721. 

„Demnach  Ihro  Rom.  Kay.  auch  in  Hispanien,  Hungam  vnd  Bäheimb 
Königl.  May.  Vnser  Allergnädigster  Herr  etc.  Deroselben  würklichem  Hof- 
Capelhneistem  Johann  Joseph  Fux,  in  ansehung  solch  seiner  sowohl 
alss  vorherig  Vice-Hof-Capellmaister  Treu  Eyifrig  zu  Dero  Allergnädigsten 
Satisfaction  geleisteten  Diensten  diese  Allerhöchste  Kay.  Gnade  Verwilli- 
get haben,  dass  selbigem,  anstat  der,  nach  dessen  Ableiben  vor  die  Hinter- 
lassende Wittib  sonst  gewöhnlichen  Gnaden  Pension,  Zur  Gnad  und 
Abförttigung,  Ein  Vor  allemahl  Acht  Tausend  Gulden,  in  Dennen  Vier 
Erstem  Jahren  mit  Jährlichen  Zwey  Tausend  Gulden  Zahlbar  gereicht 
werden  sollen  —  Alss  würdet  solches  Einer  Löbl.  Kay.  Hof  Cammer  hiemit 
in  Frenndschafit  intimiret ,  Dieselbe  belieben  möge  ermelte  8000  fl.  Vorbe- 
riehrter  Massen  fflr  besagten  Fux  gehörigen  Orts  anzuweissen ,  Inmassen 
hieran  beschichet  Ihr.  Rom.  Kay.  und  Königl.  Catholischen  Mayestät  Aller- 


304  Beil.  II.    13.14. 

gnädigster  Will  vnnd  Meinung.  Actum  Wien  den  Sechs  und  Zwainzigsten 
Martii  Anno  Sibenzähenhundert  Ein  und  Zwainzig.'^ 
Ant.  Floh  (?) 

13«  1727.  3.  Jänner.  Arch.  des  Obersthofineister- Amtes. 

„  Allerunterthanigst  gehorsamstes  Bitten  Dero  Hof  -  Capelmaisters 
JohannJosephFux  pr.  Allergnädigste  Verwilligung  einer  Gnadengabe 
und  derer  abreichung  ohne  Tax  betreffd. 

£uer  Kay.  und  Kön.  Cath.  May.  haben  in  Anno  1721  über  mein  Aller- 
unterthänigstes  Bitten  Allergnadigst  zu  resolviren  geruhet,  dass  mir  anstatt 
der  sonst  gewöhnlich  Jährlichen  Gnaden-Pension,  die  meine  Ehewürthin 
nach  meinem  Ableiben  anzuhoffen  haben  wurde  Achttausend  Gulden  ge- 
reichet werden  sollten,  welche  ich  auch  in  denen  ausgesetzten  vierjährigen 
Terminen  empfangen  habe  und  fUr  solche  Allerhöchste  Gnade  mich  aller- 
unterthänigst  gehorsamst  bedanke  •,  Ob  nun  wohl  mir  zu  grosser  consolation 
gereichet,  dass  besagt  meine  Ehewürthin  hierunter  nach  meinem  Todt  ihres 
Unterhalts  versicheret  seye,  so  liegt  mir  iedennoch  ob,  dahin  furzudenken, 
dass  nachdeme  ich  von  meinem  verstorbenen  unbemittelten  Bruder  einen 
Sohn  und  eine  Tochter  als  meine  eigene  Kinder  angenommen  habe ,  die-« 
selbe  nicht  unversorget  bleiben  \  und  zumahlen  bey  den  Knaben  ein  solches 
talentum  vorscheinet,  dass  zu  hoffen  stehet,  er  werde  durch  die  Studia  und 
andere  nützliche  exercitien  die  fahigkeit  erlangen,  hinkönftig  zu  Kay. 
Diensten  employeret  werden  zu  können,  weillen  er  aber  erst  das  siebente 
Jahr  erreichet  hat,  folgsam  ich  bey  meinem  hohen  alter  mich  nicht  getrösten 
kann,  ihne  selbst  zu  erziehen  —  wo  hingegen  nach  meinem  ableiben  meine 
geringe  mittein  zur  education  gedachten  Knabens  uixd  zur  Versorgung  ob- 
bemelter  meines  Bruders  Tochter  nicht  auslangen  wurden;  Solchemnach 
und  auf  dass  meine  langjährige  Dienste  auch  meinen  Freunden  mit  ange- 
deyen  mögen. 

Euer  Kay.  und  Königl.  Cathol.  May.  mich  zu  Füssen  lege  mit  der  aller- 
unterthänigsten  Bitte ,  Dieselbe  geruhen  in  allermildester  ansehung  meiner 
Deroselben  und  Dero  Durchleuchtigsten  Erz  Hauss  von  32  Jahren  hero 
leistender  allerunterthänigst-Treu-gehorsamsten  Diensten  mir  eine  Gnaden 
Gabe  allergnadigst  zu  verwiiligen  und  ohne  Tax  abreichen  zu  lassen.  Zu 
AUergnädigster  Gewährung  mich  Allerunterthänigst  gehorsamst  empfehle 
Euer  Kay.  und  Königl.  Cathol.  May. 

allerunterthänigst-gehorsamster 

Johann  Joseph  Fux 

Hoff-Capelmaister.  *" 

t«.  Referat.  Wien  den  29.  Aprilis  1727.  exp.  10.  Mai  1727. 

„12"  hat  Euer  Kay.  May.  Hoff-Ci^ellmeister  Johann  Joseph  Fux 
für  die  anstatt  der  Pension,  so  seine  zukünfftige  Wittib  nach  seinem  Todt 
zu  hoffen  gehabt  haben  würde,  Ihme  a*^  1721  mit  8000  fl.  in  ausgesetzten 
4jährigen  Terminen  allermildest  angeschaffte  und  bereits  abgeführte  Gnad 


Bell.  II.    14.  305 

sich  alleninterth&ugBt  bedanket,  anbey  aber  gehorsambst  gebetten,  weilleii 
er  seinea  Veratorbenen  ohnbemittelten  Bmders  hinterlaaaene  zwey  Kinder, 
einen  Sohn  und  eine  Tochter  an  Kindesstatt  anffgenohmen  bey  aeinen  albe- 
reits  habenden  hohen  alter  aelbige  -aelbst  zu  erziehen  nicht  Hoffen  könne, 
bevorab  den  Sohn ,  alss  der  erat  7  Jahr  alt  wäre ,  jedoch  ein  eolchea  talen- 
tum  hätte,  daaa  aUerdinga  zu  hoffen,  £r  werde  aich  durch  excolimng  deren 
Studien  und  anderen  nützlichen  ezercitien  zu  Kay.  Dienaten  mit  der  Zeit 
fähig  machen;  nach  aeinen  dea Supplicanten  Todt  aber  zur  education  dieaea 
Knabens  und  Veraorgung  deaaen  obgedachter  Schweater  aeine  geringe  Mit- 
tel nicht  aualangen  wtirden,  daaa  Ihme  in  anaehung  32jährigen  Dienaten  eine 
Gnadengab  allergnädigat  verwilligt,  und  ohne  Cameral-Tax  und  Abzug 
abgereicht  werden  mögte  damit  aeine  langjährige  Dienate  auch  aeinen 
Freunden  mit  angedeyen  mögen. 

Die  gehorsbate  Concertationa  Ooon  hat  zwar  dea  Supplicanten  be- 
aondere,  ganz  offen  kündige  yirtü,  nebet  aeinen  aeither  a*  1698  (da  Er  alaa 
ein  guter  Virtuoao  und  Compoaitore  vom  Anfang  aelUgen  Jahrea  aufge- 
nohmen  worden)  zu  voUatändigfer  Satiafaction  geleiateten  guten  Dienaten 
und  andurch  erworbenen  Meriten  gar  wohl  erkannt,  wie  auch,  daaa  zuweillen 
deren   veratorbenen    Capellmeiaterdienate   und   meriten   bey.  und  ihren 
Wittiben ,  Kindern  und  angehörigen  mit  einer  gröaaeren  penaion  allergnä- 
digat  erkant  und  belohnt  worden,  alaa  nicht  daa  intereaae  von  obigem, 
dem  Supplicanten  bereite  a**  1721  allermildeat  angewieaenen  quanto  deren 
8000  fl.  auatraget,  alaa  welchea  auch  gar  zu  6  per  100  gerechnete  mehrer 
nicht  alaa  nur  480  fl.  jährlicha  abwirffet;   maaaen  1*  der  Capellmeiater 
a**  1674  in  Anaehung  aeiner  dSjähr.  Dienaten  noch  bey  aeinen  Lebzeiten 
dieae  Gnad  erhalten,  daaa  die  mit  60  fl.  monatliche  fltr  2  aeiner  Söhne  ge- 
noaaenen  Scholarengelter  nach  aeinen  Todt  für  5  aeinige  Söhne  dergeatalt 
continüirt  werden  aollen,  daaa  4  darvon  jeder  monatliche  10  fl.,  der  fünfte 
aber  20  fl.  haben  aollen,  ao  720  fl.  jährl.  auaagetragen.  2*  deaaen  Succea- 
aoria  Johann  Heinrich  Schmelzer'a  Wittib  a*  1680  in  Anaehung  dea  Ver- 
atorbenen langwieriger  guter  Dienaten,  für  aich  und  ihre  drey  Kinder  eben- 
falla  720  fl.  penaion  zwar  zu  gleichen  Theilen ,  jedoch  dergeatalt  auaage- 
worffen  worden,  daaa  einea  etwa  aterbenden  Theill  dem  aerario  gleich 
wieder  zurückfallen  aollen ;  3*  deaaen  Nachfolgera  Draghi  Wittib  a*  1700 
wegen  dea  Veratorbenen  42jährigen  Dienaten  anatatt  einea  Quartiere  200  fl. 
und  pro  penaione  600  fl.  jährlicha  ad  diea  vitae  angewieaen,  darvon  auch 
a*  1710  poat  mortem  matria  der  Tochter,  die  Halbacheid  mit  400  fl.  biaa  zur 
Standea  Veränderung  continüirt,  alao  auch  von  Ew.  Kay.  May.  unterm 
14.  Febr.  1713  allergnädigat  conflmiret;    4*  aber  dea  letztveratorbenen 
Capellmeiatera  Ziani  Dfenat,  die  doch  nur  15  Jahr,  daa  iat  a  1*  Aprilia  1700 
biaa  gegen  aelbige  Zeit  1715  gedauret,  nach  deaaen  Todt  in  der  Wittib  mit 
500  fl.  und  in  aeinen  Hinterlaaa^nen  mittelloaen  Bruder  mit  400  fl.,  alao  in 
totum  mit  900  fl.  penaion  Jährlicha  recompenairet  worden. 

Jedoch  aber  weilen  1"  dem  Supplicanten  wegen  aeiner  langwierigen 
guten  Dienat  nicht  allein  zur  Veraorgung  aeiner  zukünfftigen  Wittib ,  aon- 

Köehel,  J.  J.  Fax.  20 


306  Beil.  II.    14. 

dern  auch  eben  dieser  seines  mittelloss  verstorbenen  Brjiders  aufferziehen- 
den,  anietzo  dem  Vernehmen  nach  schon  genugsam  erwachsenen,  und  bereits 
heyrathsmässigen  Tochter  anff  sein  in  Abschrifft  anverwahrtes  selbsteige- 
nes  Supplicatum  sub  D  und  das  extractive  anliegendes  Concertations-Com- 
mission^-Gutachten  sub  E  eine  so  namhaffte  Gnad  und  Abffertigung  von 
8000  fl.  durch  das  sub  dieta  lit.  £  ebenfalls  befindliche  Decretum  bereits  a' 
1721  allergnüdigst  verwilliget,  angewiesen,  und  zu  seinen  bissherigen  Ge- 
nuss  auch  aussgezahlt  worden,  ohnerachtet  es  gleichwohl  annoch  ohngewiss 
wäre,  und  auch  noch  zu  dato  ist,  ob  nach  Gottes  Willen  Er,  oder  aber 
seine  Ehe-Consortin  und  Bruders  Tochter  vorauss  sterben  werde,  weich- 
letztem  fallss  der  pensions  Last  auf  Ew.  Kay.  May.  nicht  hätte  kommen 
können.  2*  aber  zu  consideriren ,  dass  die ,  auss  diesem  nach  des  supplici- 
renden  Capelhneisters  selbst  eigenem  Verlangen,  Ihme  respectu  seiner  zu- 
künfftigen  Wittib-  und  Mahm  zur  Gnad  vnd  Abfertigung,  wegen  seiner  lang- 
wierigen Diensten  bereits  a*  1721  mit  8000  fl.  angewiesenen  Capitals,  biss 
anhero  schon  genossene ,  vnd  annoch  künfftighin  biss  zu  seinem  erfolgten 
Todt,  weiters  ziehende  Interesse  von  Jahr  zu  Jahr  mehrers  vergrössem, 
3'  aber  dass ,  wann  schon  auch  bey  dem  ktUifftigen  Todesfall  die  Interesse 
dieses  Capitals  das  quantum  deren,  anderen  Capellmeisters  Wittiben  und  Er- 
ben mit  800  fl.  oder  gar  900  fl.  ehedessen  allergnädigst  placidirten  pension, 
noch  nicht  eiTeichen  sollten,  die  Capitals  Summ  gleichwohl  des  Capellmei- 
sters Erben,  es  möge  bei  seinem  Todt  eine  Wittib  vorhanden  sein  oder  nicht, 
ewig  verbleibe,  wo  hingegen  die  pensiones  bey  deren  Wittiben  Absterbung, 
oder  jedoch  sonst  intra/^ertum  tempus  dem  aerario  wieder  zurück-  und  an 
heim  fallen ;  4"  der  Supplicant  seither  a*  1715  da  Er  würcklicher  Capellmeister 
mit  3100  fl.  jährlichen  Genusses  worden,  jährl.  600  fl.  mehrer,  alss  jemahls 
ein  seiniger  Vorfahrer  genossen ,  so  in  dieser  12jährigen  Zeit  mit  znschla- 
gung  des  Interesse  wiederumb  gegen  8000  fl.  austraget;  5*  diese  neue 
Gnadengab  vbn  dem  Supplicanten  pur  allein  zur  Erziehung-  und  Versorgung 
seines  verstorbenen  Bruders  hinterlassener,  von  Ihme  adoptirter  zweyer 
Kinder  anbegehret  wird,  da  doch  die  Tochter  aniezo  nicht  mehr  in  consi- 
deration  kommen  kann,  weillen  zu  ihrer  und  der  zukUnfftigen  Wittib  Ver- 
sorgung bereits  a*  1721  die  8000  fl.  Gnad-  und  Abfertigung  verwilliget  wor- 
den, wegen  des  adoptirten  Knaben  aber,  alss  welcher  noch  jüngst  Todts 
gefahrlich  krank  darnieder  gelegen,  es  noch,  dessen  Jugend  ohngehindert, 
eben  so  wenig,  alss  wegen  des  Capellmeisters  Ehe-Consortin  und  adoptirten 
Tochter  gewiss  ist,  ob  und  wer  einer  den  andern  überleben  oder  aber 
vorsterben  werde, 

Abs  hat  bey  solchen  umbständen-  und  gegenwärtigen  schweren  con- 
juncturen  die  gehbste  concertations-Conmiission  sich  keineswegs  getrauet, 
zu  des  supplicirenden  Capellmeisters  allerunterth&nigst  augesnchten,  Ew. 
Kuy.  May.  AUergnädigster  Beurtheilung  und  Willkühr  jedoch ,  tam  ratione 
temporis,  quam  quanti  et  modi,  lediglich  überlassender  weiteren  oder  neuen 
Gnaden  Gaab  allerunterthänigst  einzurathen. 

(Ohne  Resolution  des  Kaisers.) 


Beil.  II.    15. 16.  307 

t6.  1733,  9.  April.  Arch.  des  Obersthofmeister- Amtes. 

„Alleranterthänigst  gehorsambst  bitten  Dero  Hoff-Capelbneisters 
Johann  Joseph  Fnx. 

Ener  Kay.  und  Königl.  Cathol.  May.  geprisene  Milde  veranlasset  mich, 
Deroselben  allemnterthfinigst  vorzutragen,  wassgestalten,  nachdeme  durch 
den  mittellosen  Stand  meines  in  Nieder  Steyermark  zu  Hirtenfeld  haussässig 
gewesten  Bruders  bewogen  worden  bin,  von  dessen  nachgelassenen  Sieben 
Kindern  zweye,  nemlich  einen  unmtlndigen  Sohn  und  eine  Tochter  als  meine 
eigene  Kinder  anzunehmen ,  ich  zu  dererselben  guten  erziehung,  insonder- 
heitlich  um  den  Knaben,  forderist  in  dem  Studio  latinitatis,  dann  auch  in 
der  Musik  auf  dem  Cymbalo  zu  unterrichten,  bisshero  nicht  geringe  Unkosten 
aufgewendet  habe ;  wie  zumahlen  nun  sotiianer  Knab,  nahmens  Matthaeus, 
bei  welchen  ein  besonderes  talentum  hervorscheinet,  erst  das  dreyzehente 
jähr  erreichet  hat,  mithin  ich  in  betracht  meines  hohen  alters ,  und  allschon 
sehr  geschwächten  leibskräfften,  ihne  selbst  gänzlich  zu  erziehen,  auch 
keineswegs  getrosten  mag:  nach  meinem  ableiben  aber  meine  übrig  blei- 
bende, und  durch  die  bekostung  der  erlittenen  vielfältigen  Krankheiten  um 
ein  namhaftes  geminderte  mittein  dahin  nicht  auslangen  wurden,  dass  hier 
von  sowohl  die  von  mir  angenommene  und  annoch  unversorgte  obgedacht 
meines  verstorbenen  Bruders  Tochter  ihren  nOthigen  unterhalt  haben ,  als 
auch  der  Knab  Matthaeus  seine  Studia  dergestalten,  wie  er  darinfalls 
biss  hieher  mit  gutem  progress  angeführet  worden  ist ,  fortsetzen  könnte ; 
Solchemnach 

Euer  Kay.  und  König.  Cath.  May.  mich  zu  ftissen  lege ,  mit  der  aller- 
unterthänigsten  bitte,  Dieselbe  in  allermildester  ansehung  meiner  Ihroselben 
und  Dero  Durchleuchtigsten  Erzhaus  als  Musices  Compositor,  Vice-  und 
würklicher  Capellmeister  in  das  vierzigste  Jahr  leistenden  allerunterthänigst 
treugehorsamsten  Diensten ,  mir  zur  letzten  Gnade  (massen  Ew.  Kay.  und 
Königl.  Catholische  May.  nach  meinem  Tod  niemand  der  meinigen  um  einige 
Gnaden-gab  mehr  behelligen  wirdet)  ermelten  von  mir  an  ^indesstatt  ange- 
nommenen meines  Bruders  Sohn  Matthaeo  Fux ,  zu  desto  besserer  prose- 
quirung  deren  Studien ,  biss  er  sich  zu  einer  Dienstelle  fähig  machen  und 
andurch  aus  höchster  Kay.  Clemenz  zu  seiner  Versorgung  gelangen  möge, 
jährlich  etwas  auszuwerfen,  allergnädigst  geruhen  wollen.  Zu  allergnädig- 
^ter  Grewährung  mich  allerunterthänigst 

gehorsamst  empfehle 
Johann  Joseph  Fux, 
Hof-Capellmeister.  ^ 

te«  1733,  29.  Juli  exp.  18.  August. 

Keferat  des  Obersthofmeister- Amtes  und  kaiserliche  Resolution 
29.  Juli  1733.  exp.  18.  August. 

„32'*  hat  mehr  und  ofTt  wiederholter  Hoff- Capell- Meister  Johann 
Joseph  Fux,  mittels  einer  allerunt.  Bittschrifft  angebracht,  wie  dass 
er  wegen  MitUosen  Stands   seines   in    nieder  Steur  Marck  behaust  ge- 

20* 


308  Beil.  II.    16—18. 

we8t«n  Bruders  bewogen  worden  seye,  von  seinen  nachgelassenen  7  Pu- 
pillen einen  ohnmQndigen  Sohn  Matthaeum  und  eine  Tochter  an  Kindesstatt 
aufzunehmen,  und  selbte  alss  seine  eigene  Kinder  zu  erziehen.  Zumahlen  er 
nun  auff  Sie  y  forderist  aber  auff  den  Knaben ,  wegen  seines  guten  Studij 
latinitatis  und  zeigender  progressen  in  cymbalo  solche  Unkosten  auffge- 
wendet  hätte ,  dass  Er  die  billige  Beysorge  tragen  könte :  es  wurde  nach 
seinem  bald  bevorstehenden  Todt ,  die  durch  solche  unterweiss-  und  erzie- 
hungstkosten  und  zuforderist  durch  alstäts  erleidende  ohnpasslichkeiten 
sehr  erschöpfte  Mittel  zu  dieser  seiner  adoptirten  Kindern  benöthigten  unter- 
halt nicht  hinlfinglich  seyn;  alss  wollte  Er  Euer  Kay.  May.  allerunterthanigst 
gebetten  haben;  dass  Allerhöchst  Selbte,  clementissimo  intuitu,  seiner  alss 
compositore ,  Vice  -  und  würkl.  Capellmeister  in  die  40  Jahr  lang  leisten- 
der Diensten,  wie  auch  dass  nach  seinem  Tod  niemand  deren  seinigen 
Euer  Kay.  May.  umb  etwas  behelligen  werde ,  Ihme  zur  letzten  gnad  für 
erdeuten  (sie)  seinen  Sohn  Mathaeum  zu  besserer  prosequirung  seiner 
Studien  eine  jährL  Gnadens  Provision  in  so  lang  allergnädigst  verwilligen 
möchten  biss  selbter  sich  in  stand,  sein  eignes  Brod  gewinnen  zu  können 
auss  allerhöchsten  Kay.  gnaden  gesezet  zu  seyn  sehen  wurde. 

Da  dieses  Snpplicantens  aufhabende  merita  ohne  deme  sattsamb  be- 
kant  seynd ,  hat  die  treu  gehorsamste  Concertations-Commision  occasione 
dieses  seines  petiti  Euer  Kay.  May.  nur  so  viel  in  unterthänigkeit  zu  erin- 
nern :  dass  er  A*  1715  einen  Jährl.  gehalt  von  2500  fl.,  dann  eine  jährliche 
Adjuta  von  600  fl.  sine  consequentia  pro  successoribus  und  A*  1723  auss 
£u.  Kay.  May.  allerhöchsten  Gnaden  ein  Capital  von  8000  fl.  auff  einmal 
überkommen,  und  anmit  besagt:  gehorsambst  Commission  zu  glauben 
ursach  gegeben  habe,  dass  Ihme  Supplicanten  gnad  genug  seyn  könnte 
wan  Euer  Kay.  May.  seinen  adoptirten  13jährigen  Sohn  Matthaeo  nicht 
iezo  gleich ,  sondern  a  die  des  Supplicirenden  Capellmeisters  erfolgenden 
Todtfahls  biss  zu  dess  Knabens  sich  ergebender  Yogtbahrkeit  jährl.  400  fl. 
allermildest  zu  verwilligen,  ein  allergnädigstes  Belieben  tragen  würden." 

(Eigenhändige  Resolution  des  Kaisers:) 

„„Soll  ihm,  was  ein  Scholar  gehalt  erhält  geben  wer- 
den«^ 

1 ».  Fin.-Min.-Hofprotokoll  1700.  fol.  78. 

„Fux  Johann  Joseph  Kay.  Musicus  Compositor,  remonstrirt 
seine  Etlich  jährl.  treu  Eyffrige  Hoffdienst,  Mit  gehors.  Bitte  Ihme  einstens 
mit  einem  Kay.  Hoffqnartier  in  Gnaden  anzusehen. 

Bschaidt : 

Wan  der  Supplicant  auf  ein  würkl.  vacirend,  und  seinen  Dienst  gezie- 
mendes quartier  künfftig  zaigen  würd,  solle  seiner  vor  auch  gedacht  wer- 
den .dt.  Wien  den  29.  Martii  ao.  1700.« 

19.  Fin.-Min.-Hofprotokoll  1702.  fol.  163. 

„Fux  Johann  Joseph  Kay.  Musices  Compositor  sagt,  dass  er 
schon  einige  Zeit  ohne  Quartier  seye ,  mit  gehors.  Bitte ,  weillen  er  Ver- 


Beir.ll.    19—21.  309 

standten,  dass  in  des  Paul  Kauz,  Barbierer  Hauss  auf  dem  Neumarkht  die 
Frey  Jahr  negstens  expiriren,  Ihme  hierinnea  sein  Quartier  gnädig  zu 
assigniren. 

Bschaidt : 

Fiat  y  nach  verflossenen  Kay.  Bau  Frey  Jahren ,  dem  Kay.  Hoffquar- 
tiermaister  Vnd  hoffourier,  hiemit  auflfzulegen ,  wie  gebetten  etc.  Wien  den 
7.  Dec.  So.  1702. 

!••  Fin.-Min.-Hofprotokoll  1715.  fol.  129. 

Fux  Johann  Joseph  Kay.  Hoff  Kappelmaister  meldet ,  was  ge- 
stalten der  Von  Imbsen  mit  einen  andern  Hoff  Qttier  Versehen,  undt  ihme 
sein  vorheriges  in  der  Weinburg  in  des  Weyl.  Martins  gewesten  Schnei- 
dermeisters Hauss  anständig  wäre  er  also  gehors.  bittet ,  solches  gdgst.  zu 
conferiren. 

Beschaidt: 

Fiat  y  den  Kay.  Hoff  Qtiermeister  und  Hoffouriren  auferlegt  wie  ge- 
betten. Wien  20.  Juli  1715. 

AFz.  Schwarzenberg." 


Fin.-Min.-Hofprotokoll  1719.  fol.  123. 
,,Fux  Johann  Joseph  Kay.  Capelmaister  bringet  gehorsambst  bey, 
dass  durch  zeitliches  Hinscheiden  des  Kay.  Hoff  Cammer  -  Rathes  Hr.  v. 
Hayne  sein  Hoffquatier  in  den  sogenannten  goldenen  Bern  an  alten  Fleisch- 
markht  erledigt  worden,  und  zumalen  er  in  seinen  in  den  Pockischen  Hauss 
in  der  Weihenburggassen  nicht  subsistiren  kann ,  umb  Weilen  durch  des 
Nachbarn  Gebau  in  den  Eingang  dass  Liecht  entzogen  worden  ist.  Gelangt 
des  Supplicanten  Vnterthänige  Bitte  ihme  das  obbenannt  eröffnete  Hoff- 
quartier Vor  andern  gnädigst  zu  conferiren. 

Beschaidt : 

Den  Kay.  Hoffquatiermcister  und  Hofffourieren  aufgelegen  wie  ge- 
betten. Dat.  Wien  v.  23.  October  1719. 

AFz.  Schwarzenberg." 

■ 

«I.  Fin.-Min.-Hofprotokoll  1741.  fol.  22. 

»Fux  Joseph  Hoff  Capellmeisters  Seel.  Erben ,  bitten  in  Ansehung 
ihres  abgelebten  Vetters  seel.  langjähr,  treugeleisten  Diensten  ihnen  den 
Kön.  Hoff.  Qtiers-Genuss  bis  kiinfftigen  Michaely  zu  verleyhen  und  gemes- 
sen zu  lassen. 

Beschaidt : 

Denen  Supplicanten  wird  der  ingebettene  Kön.  Hoff  Qtiers  Genus 
(wegen  übel  entstehenden  Cansequentien)  bis  ktinfitigen  Greorgy  instehen- 
den Jahres  hiemit  gnädigst  verwilligt.  Act.  Wienn,  8.  Martii  1741. 

HF.  Auersperg.« 


310  Beil.  II.    33.33. 

SS.  Fin..Min.-£rl.  29.  April  1741. 

„Demnach  Ihrer  Rom..  Kay.  aach  in  Hispanien,  Hungam  umd  Bö- 
heimb  König.  Cathol.  May.  Caroli  6*'  unsersAllergnädigsten  Herrn  etc.  Christ- 
mildesten angedenckhens  gewesten  Hoff  Capellmaister  Johann  Joseph 
Fux  dieses  zeitliche  geseegnet,  Alss  würdet  solches  Einer  Löbl.  Kay.  Hin- 
terlassenenHoff  Cammer  hiemit  in  Freundschafft  intimirct.  Dieselbe  Belieben 
möge  mit  Ermelten  Fux  nachgelassenen  Erben  seiner  Jährlich  per  3100  fl.  ge- 
habten Hoff  Besoldung  und  Adjuta  halber  Bis  den  Vierzöhenden  Februarij 
inclusive  gegenwärtigen  Jahrs  die  gewöhnliche  Abrechnung  zu  pflegen 
gehörigen  Orths  anzudeutten ,  Massen  hieran  Beschichet  Ihrer  Kön.  May. 
unser  Allergnädigsten  Frauen  Willen  und  Mainung^  Actum  Wien  den 
Achtzöhenden  Februarij  Sibenzöhenhundert  Ein  und  Vierzig." 

Rudolph  Gf.  Zinzendorf  m./p. 

• 

SS.  1725,  30.  October  (Copia). 

Aussen :        ^  An 

Ihro  Hochgräffi.  Excellenz,  den  Hochgebohmen  Herrn  Sigmund 
Rudolph  des  heil.  Rom.  Reichs  Erb-Schatzmeister  und  G raffen  von 
Sinzendorff,  Burggraffen  zu  Rheineck,  ErbsQhenken  in  Österreich  ob 
der  Enns  etc.  der  Rom.  Kay.  May.  Geheimben  Rath,  General-Feldmarsch^ill- 
Lieutn.  und  Obristen  Hoffineistem,  grand  d'Espagne  und  Ritter  des  gülde- 
nen Yliesses  vnterth.  gehorsambstes  Bitten 

Johann  Joseph  Fux  Kay.  Hoff-Capellmeisters 
pr.  inberührt  Gdge.  protection  betreff.* 

Innen ; 

„Hochgebohrner  Reichs  Graff.  Gnädig  Hochgebiettender  Herr. 

Obwohl  Euer  hochgräffl.  Excellenz  mit  Klagen  ungern  behellige, 
gleich  dessen  ungehindert  verschiedener  hierzu  gehabten  beweglichen  Yr- 
Sachen  mich  bisshero  entschlagen  habe,  so  kann  jedoch,  nachdeme  mir 
immer  grössere  Beeinträchtigung  zugefÜget  wird,  nicht  länger,  und  umb 
so  weniger  an  mich  halten,  Deroselben  dasjenige,  wormit  mich  beschweret 
befinde,  gehorsambst  vorzustellen,  alss  auch  dissfalls  durch  die  hiebey- 
liegende  Instruction  */.  veranlasset  werde,  worinen  articulo  13*  enthalten  ist: 
dass  wan  der  Capellmeister  in  einem  oder  anderen  aggraviret  wäre,  den 
Kay.  Herrn  Obrist-Hoff  Meister  umb  abhelffliche  Maass  angehen  solte, 
Dahero  der  unterthänig.  Zuuersicht  bin,  Ew.  Hochgräffi.  Excellenz  diessen 
Gehorsambsten  Vortrag  nachfolgend  meiner  Beschwerden  Gnädig  an- 
gesehen werden.  t 

Von  der  Zeit  an,  dass  des  Herrn  Principe  Pio  Ex'  die  Carica  alss 
Protector  der  Kay.  Musique  angetretten  haben,  wäre  auss  dem,  von  Der- 
selben öfftermahlen  gethanen  Versuch,  und  allerhand  eingriffen,  die  mit 
stillschweigen  übergehe,  sattsamb  abzunehmen,  dass  Ihre  Absicht  dahin 
gerichtet,  den  Capellmeister  zu  unterdrucken,  und  dessen  von  verschiedenen 
Kay.  Majestäten  befestigte,  und  in  ruhigen  Besiz  hergebrachte  Gerechtig- 
keiten über  den  hauffen  zu  werffen ;  wie  den  Hochgedacht  Herrn  Principe 


Beil.  II.    33.  311 

Pio  £z'  mit  der  Ihro  zuständigen  Protection,  und  Besorgung  des  Ka^. 
Theatri  nicht  znfriden,  auch  die  direction  der  völligen  Musique ,  die  von 
Niemand  alss  einem  in  arte  perito  der  gebühr  nach  versehen  werden  kann, 
wider  den  gebrauch  an  Sich  zu  ziehen  trachten,  und  lauth  hieran  verwahr- 
ter abschrifft  eines  mir  iüngsthin  zugeschickten  bigliets  Sich  alss  ein  Capo 
der  ganzen  Kay.  Musique  benennen,  wohin  gegen  in  obbemelter  von  Ihro 
ELay.  May.  Leopolde  Glorwtlrdigsten  angedenkens  herabgegebenen  und  von 
der  jetzt  glorreichest  Begierenden  Kay.  May.  auff  Mein  einsmals  besche- 
hene  allerunterth.  anfrage,  allergdst  gutgeheissene  Instruction  eodem  arti- 
culo  13®  die  Capellmeister  für  Capi  der  Musique  erkläret  seynd,  welcher 
Ihnen  zugeeigneter  Character  umb  so  mehr  bekräftiget  wird,  als  Sie  Capell- 
meister der  gesambten  Musique  vorgestellet  worden  und  der  erstere  beay- 
diget  ist:  in  dem  ganzen  enthalt  aber  iet^t  besagter  Instruction  von  dem 
jeweiligen  alss  Protector  der  Musique  angestellten  CavaUer  keine  Meldung 
gemacht  ist.  Allein  zur  Abfassung  sothanen  bigliets  ist  der  anlass  genom- 
men worden,  umb  willen  Ich  dem  Kay.  Organisten  Georg  Reinhardt  eine 
Reisse  nacher  Prag  zu  thun,  umb  allda  bey  den  heil.  Joanne  Nepomuceno 
seine  Andacht  verrichten  zu  können,  die  bey  mir  angesuchte  erlaubniss 
gegeben  h9be;.wie  dan  des  Hm.  Principe  Pio  £z*  daiüber  hin  Ihre  Andung 
dergestalten  bezeiget,  dass  Sie  dem  benannten  Organisten  dessentwegen 
mit  dem  arrest  gedroht  haben,  nicht  zwar  auss  Eyffer  für  die  Kay.  Dienste, 
die  durch  solche  ab  Wesenheit,  indeme  ein  überfluss  an  Organisten  dermals 
vorhanden  ist,  nicht  gelitten,  sondern  allein  umb  den  Capellmeister  hier- 
unter zu  kränken,  alss  ob  derselbe  derlei  erlaubnuss  zu  ertheilen  nicht  be- 
fugt wäre;  da  doch  nicht  allein  ich  alss  30jähriger  Diener  sondern  noch 
ältere  Musici  bei  ihren  gewissen  bezeugen  mögen,  dass  der  Capellmeister, 
oder  in  abgang  dessen  der  YicerCapellnieister  einem  Musico  auff  eine  kurze 
Zeit  zu  verreissen,  hat  erlauben  können,  alss  welchen  am  besten  die  Zeit 
und  gelegenheit  bewusst  ist,  wie  und  wann  solches  ohne  Nachtheil  der  Kay. 
Dienste  sich  thun  lasse.  Ohne  .Zweiffei  auch  auss  dieser  Vrsache,  damit  Ihro 
Kay.  May.  mit  dergleichen  Kleinigkeiten  nicht  beunruhiget  werden,  und  auff 
das  derienige,  so  die  Musicos  zur  Schuldigkeit  anhalten  mus,  ihnen  auch 
eine  ergözlichkeit  zu  verstatten  beuollmächtiget  seye.  Es  möchte  vielleicht 
eingewendet  werden,  alle  derley  Vor-  und  eingriffe  geschehen  darumben, 
weilen  der  Capellmeister  nicht  ieder  zeit  im  stand  seye,  dem  Dienst  vor- 
zustehen, welches  Ich  zwai*  bekenne,  und  höchstens  betaure,  zu  diessem 
Zill  imd  ende  aber  und  dessen  Stelle  zu  vertretten  ist  derVice-Capellmeister 
ein  Mann  von  grosser  Virtü  und  Capacität  angestellet.  Bey  diesser  der 
Sache  mir  billig  zu  gemüth  steigej^den  Bewantnuss : 

Gelangt  an  £w.  Hochgräffl.  Excellenz  alss  hoche  Instanz  mein  unter- 
thänig,  gehorsamb-  und  angelegenstes  Bitten,  dieselbe  geruehen  die  ge- 
druckte Capellmeister  in  Dero  hochen  Schutz  zu  nehmen,  und  bey  Ihro  Kay. 
May.  ausszuwürcken,  d<amit  Sie  Capellmeister  bey  Ihren  alten  zu  Besorgung 
des  Kay.  Dienstes  so  nothwendigen  gerechtigkeiten  gehandhabet  werden, 
und  ich  meines  geringen  orths  von  denen  mir  nachkommenden  den  üblen 


^^^  Beil.  II.    23.24. 

nachklMg,  d«.  unter  meinem  M^^terio  ein-  so  anderes  abgebracht  wor- 
den, mcht  z«  be&hren  habe.  Solte  aber  Ihrer  Kay.  May.  aUergdpit^ri^l 
und  wiUe  seyn,  d««  diese  umbgekehrte  administition  ihren  forSTn*  haS 
so  unterwerflfe  mich  mit  Tieffester  Demuth  Dero  allergdgBten  ^olun^' 

;^e  riSen'el;^  ''''""  ^^^'^  "'^'"«'  Vorfahren  fthigkeir^iÄ 
«ze  die  Ihnen  ertheilte  praerogatiyen  zu  geniessen  unwürdig  seye-  ob- 

^^^l^^^'.'^T  •'*"'*'  -»'^««fe»-»  -  haben  erachtl  iTJch 
Ätft  f:  h"*;  ""^  ^^-  "*^-  «««""»^^rtb^rBt-  «rehbst  bittet«, 
STh  znlh  f "'  "^  ^'  Gereehtiglceiten  dem  Capellmeiste; 
h^lh  w  r   1  ""'^  «•»«re««met  bleiben  wurden,  auff  dass  ich  mich 

J^^e TorTc,«"  rr*';'"'^"  "•""'■"  "*"'^'*«"'«  ''«^^'>*«"  Zustand  nicht 
«ne  morbhca  ,on  über  die  andere  leyden  mttsste,  sondern  die  noch  flbrigc 
wenige  Tage  m  gewünschter  Ruhe  beschliessen  möge 

Zu  GnSdiger  Gewehrung  mich  unterth.  gehbst.  empfehle 
Euer  HochgrSflI.  Excellenz 

unterth.  gehorsambster 
Johann  Joseph  Pux, 

1 7QR  an  n  .  V       „  ..  ^"y-  Hoff-Capellmeister. 

1725.  30.  Ootober.  (Beil.  zu  ts.) 

nCopia. 

II  Ppe  Pio  riy.  dio".  il  Sig".  M'~.  di  Cap".  Gio".  Gius-.  Pux  e  le  fa 
«apere,  come  1'  Aug»-.  Imp".  commanda,  che  di  qui  avanti  ninno  dipendente 
aeiia  tes«.  Musica  possa  assentarsi  dal  Ces«.  Serviggio  senza  consaputa  di 
cm  «crive,  il  quäle  come  Capo  della  Musica  deve  rendere  conto  all'  Ang~  de 
suoi  subordinati,  non  avendo  egli  mai  concesso  il  permesso  ad  alcuno  di 
pemottare  faori,  senza  preventira  consaputa  e  beneplacito  della  M".  8na  il 
dl  cm  ordine  avendo  adempito  ecc/« 

»«.  Verhaltbefehle  für  die  kais.  Hofkapelle.  (Abschrift  in 
dem  InstrucHonsbuch  des  k.  k.  Obersthofmeister-Amtes.) 

»?««>«,  che  voglio.  siano  sempre  dal  mio  Maestro,  o  vice -Maestro 
dl  Cappella,  e  da'  miei  Musici  inviolabilmente  osservati. 

l*.  Che  il  Maestro,  o  vero  in  sua  vece,  o  mancanza  U  vice-Maestro  di 
Cappella  debba  procurare  in  ogni  miglior  forma  il  mio  buon  servizio  eon 
insmuare  la  dovuta  diligenza  e  pontualit*  a'  Musici. 

2«.  Che  abbiano  a  cuore  i  di  loro  interessi  et  utili,  con  sollecitare  ge- 
neralmente  le  loro  provisloni,  e  procurare  particolarmente  ancora  quelle 
grazie,  che  suol  concedere  la  mia  Clemenza  a  chi  le  merita  o  per  distinzione 
dl  talento  o  per  diligenza  di  servire  senz»  lasciarsi  trasportare  da  parzialiti 
m  favore,  o  vero  da  passione  verso  di  chi  sia,  accioche  il  mio  servizio  non 
venga  pregiudicato  e  la  loro  coscienza  non  resti  aggravata. 

3*.  Che  mantenghino  bnona,  sincera  e  cordiale  amicizia  con  tutti  li 
Musici,  onorando  e  rispettando  ogn'  uno. 

4*.  Che  nascendo  qualche  disparere  fra  essi,  o  vero  fra  questi,  e  l'uno 
e  l'altro,  debbano  procurare,  di  componere  tutto  amichevolmente  con 


Beil.  II.    34.  313 

Cristiana  eqniti,  cercando,  che  resti  pienamente  soddisfatto,  chi  fosse 
offeso. 

5*.  Che  sia  lor  cura  particolare  11  disporre  delle  composizioni,  che  si 
devono  produrre  tanto  in  chiesa  quanto  in  camera  in  conformitii  del  tempo 
e  del  luogo,  oome  lo  stimeranno  piü  a  proposito  p'er  il  mio  Cesareo  Servizio^ 

6*.  Che  ciaschednno  de  Musici  debba  pontualmente  venire  al  buo  Ser- 
vizio  ed  a  quell'  ora,  che  gli  sarä  intimata,  aspettando  (come  loro  dovere) 
il  mio  commodo ,  e  che  niuno  di  essi  parta  avanti  che  sia  intieramente  ter- 
minata  qua!  si  na  funzione  senza  saputa  del  Maestro  o  vice -Maestro  di 
Cappella. 

7*.  Che  quandof  alcuno  di  essi  fosse  legitimamente  impedito  di  venire 
al  suo  servizio,  debba  farlo  sapere  al  Maestro  di  Cappella,  e  -quello  al  vice- 
Maestro,  acciö  possa  V  uno  e  V  altro  disponere  le  cose  e  rimediare  alle  man- 
canze,  che  occorressero. 

8*.  Che  ognuno  de  Musici  debba  senza  contradizione  accettare  e  can- 
tare  quella  parte,  che  gli  verrA  data,  senza  riflettere  a  primo  o  secondo, 
che  cosi  richiede  il  mio  servizio  e  che  lo  commando  assolutamente. 

9*.  Che  tutti  li  Musici  debbano  cantare  ne'  ripieni  ed  al  libro  grande 
di  Cappella,  acciochö  il  Servizio  Divino  (per  quäle  fb  principalmente  da' 
miei  Augnstissimi  Antecessori  instituita  la  Musica  e  da  me  mantenuta) 
venga  osservato  col  debito  decore  e  possa  meglio  impraticarsi,  chi  non  fosse 
per  il  passato  applicato  a  tale  esercizio. 

10*.  Che  debbuno  li  Musici  in  tutte  le  funzionl  stare  col  debito  ris- 
pettD,  ma  particolarmente  u  quelle  della  Chiesa,  con  osservare  la  piü 
profonda  riverenza  al  Sacro  hiogo  e  stare  ben  attenti,  per  rispondere  pon- 
tualmente al  sacerdote  celebrante  quello  che  occoire,  n6  divertirsi  con  dis- 
corsi  inutili,  acciochö  non  succedatio  scandali  nel  tanto  importante  servizio 
di  Dio. 

11*.  Che  non  sia  lecito  a  veruno  de'  Musici  mancare  a  Servizij  ordinarij 
Bul  pretesto  delle  recite ;  riserbando  a  me  solo  1'  arbitrio  di  dispensarli  da 
medemi  alcuni  giomi  avanti  1'  operazione,  acciochö  possano  finire  d'imparar 
la  parte  e  mettersi  in  ordine  per  tal  funzione. 

12*.  Che  gli  Btromentisti  tutti  risarcischano  la  passata  negligenza  con 
una  esatta  pontualitü  nell'  awenire  e  siano  obligati  a  richiesta  del  Maestro 
o  vice-Maestro  di  Cappella  impiegarsi  in  Cesareo  servizio  con  ogni  sorti  di 
stromenti,  de'  quali  hanno  prattica ;  aneorche  la  loro  ordinanza  non  esplichi, 
che  una  sorte  di  stromento. 

13*.  Che  coltivino  fra  essi  una  buona  sincera  cordialiti  ed  unione,  col 
portarsi  vicendevolmente  il  dovuto  rispetto  e  pratticar  1'  istesso  col  Maestro 
e  vice-Maestro  di  Cappella  come  loro  Capi  da  me  istitiiitigli ,  e  se  acca- 
desse  mai  alcun  disgusto  o  mala  sodisfazione  fra  essi,  ed  il  Maestro  o  Vice- 
Maestro  di  Cappella,  debba,  chi  si  trovasse  aggravato,  ricorrere  al  mio  Mag- 
giordomo  Maggiore,  che  come  loro  Superiore  havrä  la  piena  autoritä  di 
componere  le  loro  differenze  e  far  ragione  ad  ogn'  uno. 


314  Beil.  II.    25.  36. 

14*.  Che  tutti  qnesti  punti  vengano  inviolabilmente  osservati  essendo 
tale  ü  mio  ordioe  positivo  ed  espresso. 

LeopolduB  (I.;^ 

Sft.  1729,  23.  Juni. 

„Berichterstattung,  Auf  die  Frag,  ob  für  die  Capellen  ein  Calcanten- 
Adjunct  nötig  seye. 

Weillen  vor  diesem  die  Dienste  durch  zwei  Calcanten  allein  verrichtet 
and  erst  1717  Ihnen  ein  Adjunct,  nemblich  Ferdinand  .Römer,  ieziger 
anderter  Calcant  mit  120  fl.  zugegeben  worden  ist ,  scheinet  dieser  Dienst 
unnötig  zu  sein. 

Worauf  gehorsambst  geantwortet  wird ,  dass  dieser  Calcanten  Dienst 
niemallen  durch  die  Calcanten  allein  hat  können  verrichtet  werden,  sondern 
iederzeit  mit  beyhilf  ihrer  geseelen. 

Nun  ist  bekant  dass  die  gesöllen  nit  immer  bey  einem  Maister  ver- 
bleiben, sondern  von  einem  zum  andern  wandern,  mithin  öffters  neue  leyt, 
so  keinen  brauch  wissen  können,  in  die  Capellen  kommen  seind ;  auch,  wie 
bekant,  die  gesöllen  gemeiniglich  liederlich,  und  nachlässig  seind.  Ist  fiir 
gut  und  nöttig  befunden  worden,  dass  ein  Orgimacher  Adjunct  mit  der  Or- 
dinanz  und  geringer  besoldung  aufgenommen  wurde,  welcher,  da  indessen 
der  Calcant  zum  Tafeldienst  zu  richtet,  und  das  Cimbalo  stimmet,  beständig 
bey  der  Orgel  bleibe,  die  blassbälge  aufziehe,  und,  so  ungefehr  an  der  Orgel 
etwas  fellete ,  gleich  es  in  meiner  gegenwarth  geschehen,  er  adjunct  in  in- 
stant! gleich  zu  helffen  wisse ,  und  also  nach  und  nach  den  Dienst  und  die 
breuch  lehre,  damit  er  bey  sich  erreigneten  fahl  in  die  würkhliche  Cal- 
canten Steelle  einrukhen  könne :  aus  welchen  dan  auch  abzunehmen  ist, 
dass  zu  Vertrettung  der  Calcanten-Adjuncten  Steelle  unumbgänglich  em 
Orgl  Macher  erfordert  werde. 

Und  weillen  das  Sistema  modernum  musices  von  etlichen  iahren  her 
sich  fast  verändert  hat,  und  hirzue  mehrere  Musici  erfordert  werden,  ist  nit 
zu  bewundern ,  dass  auch  mehre  Dienner  für  die  Capellen  nöttig  befunden 
worden;  welches  auch  von  dem  Instrum enten-Diener  und  Lautenmacher- 
Adjuncten  zu  verstehen  ist. 

Und  dieses  zu  gehors.  berichts  erstattung 

J.  J.  F.  C.  M.« 

«e.  1733,  6.  März. 

(An  Ferd.  Graf  Lamberg,  Cavaglier  Direttore  della  Ces.  Musica.) 

„An  Ihro  Hochgräfliche  Excellenz ! 

Zufolg  von  £ur  Hochgräfl.  Excellenz  in  genaden  an  mich  ergangenes 
Decrets  die  Contraltisten  Navetschanin  und  den  Orgimacher  Giovanni 
Moy BÖ  betreffend  erstatte  femer  gehorsamben  bericht,  dass  1" mir  wohl  be- 
wust  seyn ,  dass  er  Moyse  2  Cimbala  zu  dem  Prinz  Pio  habe  hingestellet, 
welche  eine  Zeit  lang  biss  zu  Deroselben  abreiss  von  hir  aldorten  stehen 
verbliben,  nachgehends  aber  von  Ihme  Moyse  widerumb  abgehoUet,  und 


Beil.  II.    37.28.  315 

mithin  niemahlen  nach  Hof  gekommen  seind  nnd  weillen  dennallen  bey  Hof 
an  Cimbaln  kein  abgang  ist;  wan  sich  auch  mitler  Zeit  einer  eussero  solte, 
linde  ich  nicht ,  warumb  die  Hoforglmacher ,  welche  weit  feiner  und  besser 
arbeiten,  solten  praeteriret  werden,  alss  erachte  unnöttig  zu  sein  solchen 
Cimbaln  ferner  nachforschen.  2"  Die  Navetshanin  belangend  habe  selbe 
abermahl  angehöret  und  befunden,  dass  selbe  nit  allein  eine  ausgebige, 
pastose  und  wohlkh'ngende  stimbe  habe,  sondern  auch  bereits  mit  feiner 
arth  singe ,  dergestalten ,  dass  sofern  Ihro  Kay.  May.  eine  Scolarin  aufzu- 
nemen  a.  g.  gesinet  seind ;  ist  meine  wenige  mainung,  es  möchte  diese  Na- 
vetshanin vor  allen  cindern  umb  so  vil  mehr  a.  g.  erküsen  werden ,  alss  an 
Altistinen  ein  merklicher  Abgang  sich  befindet.  So  vil  zu  Vollziehung  £ur 
Hochgräfl.  Excellenz  befelch  habe  ich  zu  berichten  nöttig  befunden.  Im 
übrigen  zu  dero  hohen  genaden  und  prottection  mich  empfehlend 
Euer  Hochgräfl.  Ezcellenz 

unterthänig-gehorsamber 

J.  J.  Fux 

Capel  Maister.^ 

S9.  1711,  3.  Sept.  Arch.  des  Obersthoüneistet-Amtes. 

Die  Königliche  Majestät  hatte  befohlen,  „dass  man  die  Kay.  HofsUtt 
reduciren  solle«  und  die  Hof-Conferenz  referirt  an  die  Kaiserin-Regentin,  in 
welcher  Weise  diese  Reducirung  statthaben  könnte  und  sagt  in  Hinsicht 
der  Hofmusiker: 

„Denen  Mosicis  weren  nur  dieienigen  zu  behalten,  welche  die  besten 
seint,  und  allein  zu  dem  Capeldienst  erfordert  werden,  die  übrige,  wie  auch 
die  Cantatricinen,  Compositori,  Vnd  wass  zu  denen  Theatris  gehöret, 
zu  licentiiren." 

«9.  1711,  11.  Sept. 

In  dessen  Folge  ergieng  folgender  Auftrag  an  den  Vice-Kapellmeister 
Ziani. 

„Dero  auch  hinterlassenen  Vice-Capelmaisteren  Marco-Antonio 
Ziani  hiemit  anzudeuten,  dass  Er  seiner  biss  dahero  wohlgeleister  Diensten, 
Vie  ingleichen  die  gesambte  Kay.  Musici,  wie  sie  namen  haben,  vorderst  die 
Compositori,  Cantatrici,  Poeten  und  was  zu  denen  theatris  gebraucht 
worden,  hiemit  in  gnaden  entlassen  werden,  dergestalt  jedoch,  dass  Er  Vnd 
dieselbe  Ihre  Besoldungen ,  Adjuten  und  Pensionen  biss  end  dieses  lauffen- 
den  Monats  7^"'  annoch  zu  gemessen  haben  „alssdann  aber  solche  völlig 
aufgebebt  sein  sollen ,  welches  Ihme,  Vice-Capelmeistem,  vnd  zugleich  mit 
dem  beygebracht  wird,  auff  dass  er  es  gesambter  Music  vndt  obspecificirten 
darzu  gehörigen  Persohnen  zu  ihrer  nac bricht  ebenfallss  intimire.  Ueber 
dieses  da  Ihro  Kön.  Mtt.  Vnser  Allergnädigster  Herr  dennoch  mit  einer 
guter,  wohleingerichter  Music  werden  versehen  sein  müssen,  so  solle  Er,  von 
iezgewesten  entlassenen  Musicis  die  beste,  diensttauglichste  vnd  fleissigste 
aufimerken  iedoch  nur  allein  so  viel  deren  an  vocalisten  vnd  instrumentisten 


316  Beil.  II.    29.30. 

zur  versehung  des  Capel-  oder  Eirchendiensts  nothnrflftig  vnd  nit  übeiflüssig 
Tonnöthen  seint,  ynd  solche  beim  Obristhoflfmeisterambt  specificirter  ein- 
geben fUr  uns. 

Fürs  änderte  hinzusetzen ,  was  einem  ieden  für  eine  zulängliche  com- 
petente  Besoldung  auszuwerffen  were,  wobey  nicht  anff  die  iez  genossenen 
theilss  grosse ,  theils  excessive,  sonderen  auff  die  bey  vorigen  Kaiseren  ge- 
nossenen Besoldung  zu  reflectiren.  worzu  fürs  dritte  zu  diesser  überleg-  vnd 
einrichtung  er  Vice  Capelmaister  einen  bey  der  Music  lang  dienenden  er- 
fahrnen Mann,  alss  etwa  den  dispensatore  delli  concerti  mnsicali  Kilian 
Rheinhard  sich  acyungiren  kann. 

£x  o£f!cio 
Wien  den  11.  7^"  1711.« 

US«  31.  Dee.  Archiv  des  Obersthofmeister- Amtes. 

„Anfrag  die  Kay.  Musieos  betr.  Wien  den  31.  Dec.  1712. 

„Vber  den  von  Ewer  Kay.  May tt.  dero  gehorsam bsten  Obrist-Hoff- 
maister-Ambt  zugestehen  Statum  oder  Specification  derienigen  Musicorum, 
welche  in  Kay.  Dienste  \(ieder  aufgenohmen  worden.  Hat  man  dero  Capel- 
maister die  Lista  zugeschickt,  damit  er  wisse,  welchen  er  künfftig  femer 
zum  dienen-  vnd  welchen  er  nicht  ansagen  lassen  solle. 

Sonsten  hat  man  auf  erhaltenen  allergnädigsten  Befelch  gleich  ange- 
fangen die  Verordnung  an  das  Hoff-Contralorambt  wegen  der  einem  ieden 
allergnädigst  ausgeworffenen  Besoldung  ergehen  zu  lassen,  vnd  ao  fort  die 
Bezahlung  an  das  Hoff  Zahlambt,  wie  gewöhnlich  anzuschaffen. 

Weillen  man  nun  bey  ein  vnd  anderen  noch  einen  anstandt  gehabt,  so 
hat  man  sich  über  die  von  Ewer  Kay.  Ma3rtt.  herausgegebene  und  wieder 
hierbey  ligende  Lista  mit  Ewer  Kay.  Maytt.  Obristen  Kuchenmaistern 
wegen  der  erläutterung  vernohmen,  der  dan  erkleret:  1"  dass  der  Joseph 
F  u  X  Vice-Capelmeister  mit  der  für  denselben  aussgesetzter  Besoldung  der 
1600  fl.  resolvirt  worden,  consequenter  in  der  Lista  alss  Compositore  aus- 
zulöschen seye.«  u.  s.  f. 

SO«  1712.  Von  aussen:  „Lista  der  Musicorum  mit  des  Hm.  Grafen 
von  Molart  Gutachten. 

„Vnmassgebig  allerunterthänigster  Vorschlag.  Wie  Ew.  Kay.  und 
König.  Maytt.  Hoff-Music  eingerichtet  und  stabilirt  werden  könnte. 

„Gleichwie  nicht  allein  die  grosse  confusion,  in  welcher  Ew.  Kay.  imd 
König.  Maytt.  Hoff-Music  bis  heuntigen  tag  stehet ,  und  die  daraus  erfolgte 
üble  Bedienung  Dero  Allerhöchsten  Person,  sondem  auch  die  diese  Jahr 
hero  allzuhoch  gestiegene  Salarimng  Dero  Musicorum  den  billigen  Anlas 
geben,  dass  man  bei  Deroselben  eine  solche  Einrichtung  vor  die  Handt 
nembe,  damit  ainerseits  Ew.  Kay.  und  Kön.  Maytt.  mit  aller  Ordnung  und 
Punctualitet  alleranterthäüigist-  bedienet  anderseits  aber  die  bisherige  con- 
fusion verhtiettet ,  und  die  so  grosse  Besoldungen  restringirt  werden ,  Also 
hab  ich  auch  an  meinem  Allerunterthänigsten  orth  für  nöthig  zu  sein  be- 


B«ll.  II.    30.  317 

fanden,  dass  bey  sothaner  Einrichtung  nachstehende  puncta  in  AUergnä- 
digste  reflexion  gezogen  werden  möchten ,  und  zwar  weillen  1*  das  Funda- 
ment aller  guetten  Bedienung  die  Bichtige  Bezahlung  der  Besoldungen  ist, 
ohne  welcher  kheiner  zu  seinem  Dienst  rechtschaffen  angehalten  werden 
kann,  allermassen  dann  bei  zurückh  gebliebener  Bezahlung  die  Unordnun- 
gen von  Zeit  zu  Zeit  dergestalten  zuegenomben  haben,  dass  man  gleich- 
samb  gezwungen  worden ,  unter  der  glorwUrdigisten  Regierung  Ihro  Kay. 
May.  Leopoldi  primi  höchstseeligsten  angedenckhens  die  Besoldung  deren 
Musicanten  zu  vergrösseren ,  oder  mit  adjuten  das  Gral  Hpffzahl  Ambt  und 
die  geheime  Kammer  zu  oneriren,  dass  weder  eines  noch  das  andere  wegen 
solch  über  die  Maass  erhöchten  Besoldungen  vnd  Adjuten  mit  deren  Be- 
zahlungen mehr  gefolgen  khönnen ,  Alss  wäre  meines  aller  unterthänigsten 
Dafürhaltens  ftir  Euer  Kay.  und  König.  May.  Hoff.  Music  fürohin  ein  ge- 
wisser fundus,  aus  welchem  dieselbe  quartaliter  Richtig  bezahlt  werden 
khönnte  zu  stabilim  und  zugleich 

2*.  allergäst  zu  verordnen,  dass  die  völlige  Music,  und  was  darunter 
gehörig  ist,  ins  Khönfftig  ihre  Bezahlung  bloss  und  allein  anss  Euer  Kay. 
und  König.  May.  gral  Hoffzahl  ambt,  und  sonsten  aus  kheinem  anderen 
Ambt  oder  Cassa  zu  empfangen  haben  solle,  als  wordurch  nicht  allein  die 
Leichtlich  sich  ereignende  doppelte-  sondern  auch  in  der  Zeit  die  ungleiche 
Bezahlungen  verhiiettet  und  abgeschnitten  werden  khönnen,  gestalten  dan 
öffteH  geschechen  ist,  dass  eben  diejenige  Musici,  welche  zum  wenigsten  ge- 
diennet,  aintweders  umb  ihrer  importunitet  willen ,  oder  auch  intüitu  eines 
regals  vor  allen  andern  und  zuweillen  wohl  gahr  anticipato  bezahlt  worden 
seynt,  die  Jenige  hingegen,  welche  ihre  Dienste  mit  all-  Schuldigsten  Fleyss 
und  Eyfer  praestirt,  viell  zeit  lang  haben  zuewarthen  miessen,  welche 
zahlungs-  partialiteten  aber  mit  deme  von  Selbsten  cessim  werden ,  wann 
die  Salarirung  deren  Musicanten  aus  dem  gral.  Hoff  Zahl  Ambt  alleinig  pri- 
vadve  bestritten  =  und  von  daraus  einem  ieden  seine  quartals  Betragnus 
zu  gleicher  Zeit,  gleichwie  es  bishero  die  übliche  observantz  gewesen,  ab- 
gefUhret  werden  mues.  Vnd  dieses  seynd  die  zwey  Haubt-puncta,  worauf 
sowohl  die  reduction  deren  grossen  Besoldungen,  alss  die  khönfftige  Ein- 
richtung Selbsten  i^othwendig  ankhomben  thuet:  Und  obwohlen 

3'.  Bey  denen  jenigen,  welchen  man  Ihre  grosse  Besoldungen  Schmöl- 
lem  und  au  deren  statt  ein  wenigeres  pro  salario  auswerffen  wirdet  /(so 
zwar  in  der  Wahrheit  auch  nicht  unempfindlich  ist)  Verschiedene  Ciagen  und 
lamentationes  entstehen  werden.  So  seynd  doch  all-solche  Besoldungen  von 
etwelchen  Musicis  also  Hoch  getriben  worden ,  dass  Sie  nicht  allein  unpro- 
portionirt,  sondern,  wan  Mir  zu  sagen  allergnadigst  erlaubt  ist ,  wohlgahr 
spropositirt  gewesen;  gestallten  dan  viell  von  denen  Musicis  Jährlich  4  bis 
6000  fl.  genossen,  wohingegen  andere  Cavaglieri  oder  würkhliche  Räthe 
denen  es  doch  mehr,  alss  einem  Musico  gebühret  hätte,  derley  ergäbige  Sa- 
laria  carim,  und  sich  mit  viell  weniger  begniegen  lassen  miessen,  dahero 
umb  allem  diesem  abzuhelffen,  denen  Musicis  bowohl  Vocalisten,  als  Instru- 
mentisten,  welche  Euer  Kay.  und  König.  May.  aufs  Neue  aufzunehmben  ent- 


318  Beil.  II.    30. 

schlössen  seynd,  die  Besoldungen  gegen  Cassier-  und  Aufhebung  aller  vor- 
hin auss  dem  geheimben  Cammer  Zahl  Ambt  oder  sonsten  gehabten  extra 
adjuten  nach  jnhalt  des  zueligenden  Status  A  allergnädigst  determinirt,  und 
aussgeworfTen ,  annebens  auch  denen  Altmeritirten  Musicis  Jubilatis  und 
Pensionarijs,  deren  ein-  oder  anderer  noch  bey  Weyl.  Kaysem  Ferdinando 
8*  glorwürdigsten  angedenckhens  in  Diensten  gestanden  ist,  wie  nicht  weniger 
denen  armmen  Wittwen  und  Kindern  sowohl  in  ansehung  ihrer  respective 
Männer  und  Vätter  geleisten  langwührigen  Diensten,  als  zu  forderist  aus 
angebohnier  Clementz  dieses  Allerdurchleuchtigsten  Erzhauses  ihre  pensio- 
nes  ad£xemplum  beeder  letztabgeleübtenKay.Mayttcn.  Leopoldi  et  Josephi 
glorwürdig^ter  Gedächtnussen  allermildreichist  connnnirt  werden  khönten. 
Mit  welchem  ausgeworffenen  Salario  dan  bey  Richtig  fahlender  Bezahlung 
ein  jedwederer  gahr  wohl  zufrieden  seyen ,  und  davon  auch  Ehrlich  leben 
khan.  Alles  dieses  nun  wäre  durch  Euer  Kay.  und  K^^nig.  May.  Obristen 
Hoff  Maister  Ambt  dem  Capell  Maister  per  Decretum  zu  notificiren,  umb 
damit  sowohl  diese ,  So  in  diensten  behalten-  als  auch  die  jenige ,  welche 
würkhlich  licentzieret  werden,  sich  darnach  zu  richten  wissen,  und  solchem 
Decreto  unter  ainsten  zu  inserim,  dass  man  die  Ausständte  deren  confirmirt- 
und  reformirten  (umb  das  currens  mit  dem  praeterito  nicht  zu  vermischen) 
auf  einen  sicheren  fundum ,  gleichwie  es  nach  dem  zeittlichen  Hintritt  Ihro 
Kay.  May.  Leopoldi  Höchst  Seligister  gedächtnus  beschechen  ist,  anweisen 
wolle,  auss  welchem  Fundo  Sie  mit  gewissen  Jährlichen  ratis  sucd^ssive 
ihre  völlige  Consentirung  überkhomben  werden ,  Massen  dan  nicht  billich, 
ja  wieder  Euer  Kay.  und  König.  May.  Allerhöchsten  decoro  wäre ,  wan  die 
Leuthe  abgedankhet  werden,  und  zugleich  nicht  auch  ihren  ausständigen 
Lidlohn ,  welcher  in  allen  geist-  und  Weltlichen  Rechten  vor  allen  anderen 
Creditoribus  die  praecedentz  hat ,  angewisener  bekhomben  sollten,  zu  des- 
sen mehrerer  Sicherheit  aber  sehr  guett  und  Nutzlich  wäre,  wann  Eur.  Kay. 
und  König.  May.  Hoff-Cammer  diesen  fundum ,  wohin  die  Music  mit  ihrem 
ansstandt  assignirt  werden  khönte,  Ehedessen  denominim  und  ausfindig 
machen  thätte.  Es  entstehet  aber  occasione  dieser  Einrichtung 

4*.  die  frag,  wass  filr  einem  termino  erstlich  diese  Neue  Einrichtung  zu 
nemben  ?  und  wäre  Ich  disfahls  der  allemnterthänigisten  meinung,  dass  man 
die  Besoldungen,  wie  nicht  weniger  auch  die  Pensiones  nach  dem  Neuen 
Fuess  mit  1  October  1711  bis  dahin  die  Völlige  Music  licentzirt  worden  ist, 
anfangen  solle.  Im  änderten  aber,  wass  denen  jenigen,  welche  nicht  wieder- 
umben  aufgenomben,  sondern  völlig  cassirt  werden,  für  Ihre  bishero  geleiste 
dienste  ausszuwerffen  seye  ?  glaubete  ich  unmassgebig,  dass  weillen  die  re- 
forma  nur  auf  etliche  wenige  Compositores,  Vocalisten,  Instrumentisten  vnd 
Tantzmeister  ankhombet,  denenselben  ihre  Besoldung  vom  1  October  1711 
bis  auf  diese  Zeit  der  Reformation  (jedoch  dem  neuen  Grehalt  nach)  aller- 
gnädigist  khönte  vergönnet,  und  in  dem  Decret  an  den  Capell  Maister  bey- 
genickhet  werden,  gestalten  so  gahr  bey  einem  jeden  Particular  Herrn  nach 
seinem  Todt  denen  Bedienten  ein  Halb-  oder  ganz  Jährige  Besoldung  ge- 
reichet zu  werden  pfleget. 


Beil.  II.    30.  319 

5'.  In  was  fhr  einem  Numero  personarum  aber  die  Mnsic  sowohl  von 
Vocalisten  als  Instmmentisten  znforderist  zu  der  Ehre  Gottes,  zum  decoro 
Euer  Kay.  und  König.  May.  und  dero  ergötzlichkeit  in  operen  und  derglei- 
chen Mnsicalischen  Festivitäten  bestehen  solle  V  zeiget  ebenfalls  der  zueli- 
gende  Status  individuaUter,  und  obwohlen  zwar  zu  Bestreittung  deren  Kür- 
chen-Diensten ,  wie  selbe  Euer  Kay.  und  König.  May.  nach  dem  Stylo  Ro- 
mano des  Canto  fermo  zu  introducim  allergnädigst  intentioniret  seyen,  acht 
Stimben  per  parte,  absonderlich  aber  Sopran!  und  Bassi  gahr  wohl  von- 
nöthen  wären,  weillen  öffters  aintweders  unpäs&lichkeit  halber,  oder  aus 
negligenz  und  Nachlässigkeit  nicht  alle  zusamben  khomben,  und  dahero,  zu- 
mahlen  die  Erste  Stimb  die  voce  acuta,  die  änderte  aber  das  fnndament  der 
Music  ist ,  Es  sehr  übel  lautten  wurdte ,  wan  Sie  von  denen  Mittl  Stimben 
überstigen  werden  sollte,  allermassen  dan  Euer  Kay.  und  König.  Maytt, 
wass  zu  dieser  Arth  deren  Kürchen  Diensten  gehörig  seye  ?  vom  Selbsten 
am  allerbesten  erkhennen,  So  khönte  es  nichts  desto  weniger  doch  mit 
Sechs  per  parte  und  also  zusamben  mit  24  Stimben  indessen  bestritten  wer- 
den, wo  vielleicht  mit  der  Zeit  ein  paar  Soprani  und  Bassi  anfgenomben 
werden,  welche,  wan  Sie  anch  schon  nicht  die  Beste  wären,  der  Stimb  nach 
in  dem  ripieno  dannoch  viell  ausgeben  wurden. 

Die  Instmmentisten  belangend,  weillen  in  der  Haubtsach  wenig  daran 
gelegen  ist,  ob  Einer  mehr  oder  weniger  gehalten  wirdet,  khönten  ebener- 
massen  nach  jnhalt  des  Status  stehen  verbleiben.  Und  zumahlen  nun  auch 
unter  diese  Einrichtung  der  Mnsic  die  Scholam  gehörig  seynd,  so  habe 
derenthalben  Euer  Kay.  und  König.  May.  allerunterthänigist  ein  rathen 
wollen,  dass  ins  Khönfftig  khein  Scholar  anfgenomben  werde.  Er  seye  dan 
ein  solches  Subjectnm  vnd  embsiger  Knab ,  auss  welchem  Mittler  Zeit  ein 
Stattlicher  Virtuos  zu  hoffen,  welches  alles  aber  bishero  wenig  observirt 
worden,  und  dahero  auch  geschechen  ist,  dass  einige  20  Jahr  lang  Scholam 
verbliben  und  unterdessen  aintweders  ihre  Stimb  mutirt,  oder  in  der  Instm- 
mental  Music  also  übel  reussirt,  dass  Sie  ihr  Instmment  stimben  zu  khönnen, 
sich  nicht  einmal  föhig  gemachet  haben.  Bei  Restabiliemng  deren  Tantz- 
maistem,  welche  ebenfahls  zu  der  Music  gehören ,  wäre  alleinig  auf  dieses 
allergnädig^st  zu  reflectira,  dass,  weillen  Inhalt  der  Specification  oder  Lista 
Ihrer  so  viell  vorhandten  seynd  und  Selten  etwas  zu  thuen  haben,  zwey  aus 
denenselben  Euer  Kay.  und  König.  May.  Knaben  die  lectiones  geben,  und 
dieselbe  also  wohl  und  fleissig  instruirn  sollen,  damit  Sie  Ejiaben  auf  denen 
operen,  gleichwie  vorhin  gewöhnlich  wäre,  auch  Selbsten  mit  Dantzen 
khönnen  für  eines,  für  das  andere  aber  ist  denen  Dantz  Maistem  zuforderist 
anzubefelchen ,  dass  Sie ,  wan  ein  Ballet  zu  machen,  sich  der  alten  obser- 
vantz  halten,  und  nicht,  wie  bisshero  beschechen,  der  Jenige,  so  den  Ballet 
machet,  prätendiren  solle,  dass  alle  übrige ,  umb  die  lectiones  zu  nemben, 
zu  Ihm  in  sein  Hauss  khomben,  als  woraus  nur  unnöthige  Competentzen 
entstehen,  in  effectu  aber  Euer  Kay.  und  König.  May.  bey  allergnädigst 
verlangender  exhibirang  deren  operen  in  deren  gusto  gehembet  werden 
khönten.  So  viell  nun  Schliesslichen  die  Singerinnen  und  übrige  Theatral- 


320 


Beil.  IL    3L 


Persohnen,  welche  in  dem  Statu  speeifice  benennet  seynd,  anlanget,  benie- 
het  bey  Euer  Kay.  und  König.  May.  allergnädigister  resolution,  ob  Sie  diese 
speeificirte  Persohnen ,  sowohl  in  der  Anzahl ,  alss  auch  dem  Besoldung» 
auswurff  nach,  allergnädigist  zu  confirmim  auch  sonsten  dieses  Allerunter- 
thänigste  £inrichtung8-  project  in  einem  und  anderem  zu  approbim  belie- 
ben wollen.  £s  wirdet  sich  aber  mittler  Zeit  von  selbsten  eysseren,  wie  in 
einem  und  anderen  vielleicht  noch  eine  bessere  Einrichtung  gemachet  wer- 
den khönne.  Vnd  dieses  ist ,  wass  Ich  hierinfahls  zu  Euer  Kay.  und  König. 
May.  allerhöchsten  Dienste  derzeit  in  aller  unterthänigisten  devotion  bey- 
zubringen  für  nöttig  erachtet  habe,  wobey  mich  dan  auch  allerunterthäni- 
gist  gehorsambst  empfehle. 

(Graf  V.  Molart.)" 


81*  1712.  Status,  wie  Euer  Kay.  und  König.  May.  Ho 
Sambt  denen  darzu  gehörigen  Partheyen  und  Pensionisten  der 
gnädigst  stabilirt  werden  khönte. 

fl, 
Ceremoniarius: 

N 400 

Capellani: 

6  zu  200  fl 1200 


Capelldiener      ....      240 
Jung 36 

Oratori-Diener: 
N 120 

Beicht-Vatter: 
Sambt  dessen  Diener    .    .      336 

Prediger: 
N 100 

Capell  Maister: 
Ziani  ordinari  Besoldung  .    2000 
Vor  den  Waagen  und  Pap- 
pier 500 

Vice  Capellmaister: 
Joseph  Fux 1600 

Compositores: 
Carlo  Badia 1440 

Sopranisten: 
Vicenzo  Brutti     ....    1800 
Gio  Batt.  Vergelli     .    .    .    1440 
Dominico  Tollini       .    .     .     1800 
Giovanni  Vincenzi    .    .    .      600 

Altisten: 

Salvator  Mellini    ....    1800 


Gaetano  Orsini 

Loren zino  (Masselli) 
Tenoristen: 

Silvio  Garghetti   . 

Carlo  Costa     .    . 

Seb.  Seydlinger    . 

Tomaso  Bighelli  . 

Franc.  Borosini 

Tenor  aus  Catalonien 
Bassisten: 

Gio.  Batt.  Cativelli 

Fr.  Götzinger  .    . 

Casp.  Liedmayr    . 
Organisten: 

Georg  Reitter 

Leopold  Rommer 

Georg  Reinhardt 
Theorbisten: 

Francesco  Contini 
Cornetisten: 

Leopold  Promayr 

Joh.  Griessbacher 
Concert-Maister: 

Kilian  Reinhardt  . 

dessen  Adjunct    . 
Singerinen: 

Lisi  Badia    .    .    . 


ff-Music 
Zeit  aller- 

fl. 
.     1800 
.     1080 

.  1800 

.  1440 

.  900 

.  720 

,  1080 

.  900 

.  1080 

.   780 

900 

.  900 
.  540 
.   900 

.  1440 

.  720 
.   360 


900 
300 


1800 


BULII.    Sl. 


321 


Cathar.  Kapp- /sollen  ab- 
lerin    .    .   <  gedankt 

Fmhewürthin  (  werden 

Maria  Landim      .    .    . 
Violinisten: 

Niclas  Mattheis 

Jacob  Hofer 

Andr.  Abendt 

Job.  Frankb 

Pet.  Scbmelzer 

Ferd.  Peyer 

Ferd.  Lemberger 

Jos.  Frankh 

Paul  Alber 

Franz  Reinhardt 

Job.  Rosseder 

Martin  Woller 

Karl  Hartmann 

Job.  Alber  .    . 

Seb.  Gigl.    .    . 

Jos.  Fasching 

Frz.  Hintereder 

Hamb     .    .    . 
Violonisten: 

Andr.  Freydig 

Fichtl      .    .    . 

1  ans  Catalonien. 

Violon  anss  Catalonien 
Violoncelli: 

Jos.  Malagadi  .    .    . 

Ant.  Schnauz  .    .    . 

Job.  Knunmer      .    . 

Violoncello  ans  Catalonien 
(jrambisten: 

Frz.  Schmidtbauer 

Frz.  Hueffnagel    . 
Fagottisten: 

Frz.  Sturmb     .    . 

Carl  Maillard    .    . 

Martin  Sturmb 
Hauboisten: 

l!>z.Gl&zl    .    .    . 

Rom.  Gläzl      .    . 

Job.  Gabrieli    .    . 

Köehel,  J.  J.  Fox. 


fl.  fl. 

Ludw.  Schönn      ....  500 

400         2  Jkgerhormsten       •    -    {  ^^0 

4000      Posaunisten: 

Leopold  Christian    .    .    .  900 

1440                „              ^        jqn«  .    .  600 

900          Hanss  Georg  Christian  .    .  540 

900          Christ.  Chrisäan  (Claudia)  540 

720      Lautenist: 

540          Bohr 210 

720      Instrument-Diener: 

720         Job.  Schnautz  u.  Adjunet  690 

540      Calcanten: 

810          Ferd.  Römer 360 

900          Frz.  Walter 360 

900      Lautenmacher: 

720          Ant.  Rosch 400 

540      Adjunet: 

360          Johann  Fux 180 

360      Musicalische     Trompe- 

360  ter: 

360          Seb.  Nasotto 720 

360          Thom.Bon 270 

Reichh.E»gl 270 

900         Tob.  Andr.  Perember   .    .  165 

480         J.  Georg  Gortschek      .    .  135 

N.  Gessorka 135 

Frz.  Fomufsky     ....  360 

Frz.  Jos.  Holland      .    .    .  540 

900      Scholarn: 

480         Karl  Richter 360 

360          Gottl.  Mu£fat 360 

Ant.  Werndl 360 

Wenger 360 

720         Haan 360 

720      Tanzmeister: 

Claud.  J.  Apelshoffer    .    .  1200 

900          Sim.  P.  La  Motte       ...  600 

1080          Fz.  Lang 500 

540          Tob.  Gumppenhueber  .    .  360 

Frz.  Jos.  Selliers      ...  360 

720         Pet.  Rigler 500 

720         Aless.  Pbillebois       .    .    .  1500 

540          Andr.  Bruno 400 

21 


322 


Theatral-Persohnen: 

Gius.  Briccio,  Machin.  .    . 

Secret.  delle  cose  theatrali 
Poeten: 

Wällißcher  Poet   .    .    .    . 

Teutscher  Poet  TruUer  . 
Copist: 

Mc.  Ant.  Maccarinelli  .  . 
Musici  Jubilati  u.  Pen- 
sionisten: 

P.  Santi  Garghetti 

Gio.  Batt.  BonelH 

Med.  Bronzetti 

Ran.  Borrini     .    . 

Georg  Lautter 

Fillö 

Math.  Decklmann 

Oliviciani     .    .    . 

Gius.  Galloni    .    . 

Nie.  Gelmini     .    . 

Ant.  Ferrini     .    . 


Beil.  II. 

33. 

fi. 

fl. 

Pel.  Marcheselli    .    .    . 

300 

400 

Ant.  Borosini  sen.    .    . 

440 

500 

G.  Batt.  Barbaretti  .    . 

600 

Hammer       ..... 

540 

1500 

Jos.  Hueffiiagel  sen. 

540 

600 

Ant.  Salchi      .    .    .    , 

780 

Mich.  Ruckh    .... 

540 

400 

K.  Schmidtbauer 

540 

Dom.  Pera  .... 

240 

Magi 

.      360 

1320 

Manna     

300 

1440 

Colm.  Bamberger 

100 

600 

Niederhausser  . 

60 

1440 

Witwen    u.  Kinder, 

8€ 

540 

Pensiones  geniessen 

300 

16  Kinder  von      .    . 

100—400 

900. 

Summa: 

600 

Vorstehender  Besoldungeii 

i 

1440 

und  Pensionen  von 

dei 

• 

900 

Music  und  darzue  gehöri- 

600 

gen  Partheyen 

• 

.  99.227 

Aus  den  Kirchenmeisteramts- Rechnungen  der  Dompi'arre 
vonSt.  Stephan  in  Wien,  von  den  Jahren  1709  (älteste  Rechnung).  1712. 
1713. 1714. 1715. 

1709.  „Nicht  weniger  zalte  ich  Hrn.  Fuxen  auf  erstge- 
meltes  1709  Jahr  solche  Gebtthr  vor  seine  3  Knaben      .    .    .  600 11.  —  kr. 

„Dann  habe  ich  auch  dem  Hm.  Capelmaister  Fux  sein 
Zimmer  beyhilflf  bezahlt 60  „  —  . 

Letztlich  bezalte  ich  dem  Hm.  Capelmaister  Fux  das 
vom  15.  April  bis  15.  Oct.  1709  vor  die  Capelknaben  vermög 
Rathsverwilligung  auf  Vs  J^i*  gebührende  InstractionsgebUr    37  „  30  ., 

(Mich.  Zacher  war  in  diesem  Jahr  Kapellmeister  von  St. 
Stephan.) 

[Die  Rechnungen  von  1710  und  1711  fehlen.]- 

1712.  „Entrichte  die  ordinäre  Capelmaister  Besoldung 

und  Kleydgelt  pro  anno  1712  (der  Name  nicht  genannt)     .    .  324  „  —  r 
Verpflegung  der  3  Knaben  in  das  Capelhauss    ....  600  „  —  r 

1713.  „Bezalte  dem  Hrn.  Capelmaister  Fux  umb  Willen 
der  anno  1713  an  den  6  Frauentagen  gehaltenen  Litaneyen 

beim  alten  Gnadenbilde  in  der  Kirchen  die  Gebühr  mit      .     .    36  „  —  ., 

„Dem  Hm.  Capelmaister  Fux  wegen  der  Frau  Salome 
Siglbaum,  Elisabett  Millnerin,  Veronica  Kalchin  und  Caspar 
Frankhen  seel.  quatcrabrischen  Requiem  pro  anno  1713     .     .    26  -  —  ^ 


Beil.  II.    33.  323 

„Hrn.  Joh.  Jos.  Fax  Capelmaister  sein  ordinari Besol- 
dung und  Kleydgelt  pro  1713 324  fl.  —  kr. 

„Mehr  wegen  den  drey  Capelknaben  für  dasselbe  Jahr    600  „  —  »  . 
(Georg  Rentier  war  1713  Organist  bei  St.  Stephan.) 

1714.  „Entrichte  dem  Hm.  Capelmaister  Joh.  Jos. 

Fux  seine  Besoldung  und  Kleydgelt  pro  anno  1714  mit  .    .    324  „  —  n 

„Mehr  wegen  den  3  Knaben  Verpflegungs  Geld  auf  die- 
ses Jahr 600  „  —  „ 

„Dem  Capelmaister  Fux  wegen  der  quatemberlichen 
Kirchenmaister  Requiem  durch  das  ganze  Jahr  1714    ...      26  „  - 

1715.  „Dem Hm. GeorgReiter  Capellmeister Besol- 
dung und  Kleydgelt 324  „  - 

Demselben  die  jährliche  Verpflegsgebühr  f^  6  Knaben  1200  „  - 
Demselben  Instractionsgeld      75  „  - 


T» 


n 
n 


I.  Aus  dem  „Sambier  über  Empfang  und  Ausgab^  (im  Archiv  der 
Commune  von  Wien)  1696  bis  1715  ununterbrochen. 

1696  bis  1711  gleiclüautend : 
28.  Febr.  Hm.  Mich.  Zächeri,  Capellmeister  bei  St.  Ste- 
phan für  Salvatordienst 37  fl.    4  kr. 

31.  Aug.  Demselben  fttr  dasselbe * .    37  „    4  „ 

13.  Nov.  Demselben  für  Requiem 20„  —  „ 

20.  „      Demselben  für  Anniversarien 10  „  —  „ 

24.  Dec.  Demselben  für  Rorate       33  „  —  „ 

1712  dagegen : 
28.  Febr.  Hm.  Mich.  Zacher,  Capellmeister  bei  St.  Stephan 

für  Salvatordienst       . 37  „    4  „ 

30.  Juli.  Demselben  für  die  Musik 20  „  —  „ 

27.  Aug.  Demselben  für  verfallenen  Salvatordienst    ....    37  „    4  „ 
NB.  23.  Nov.  Hm.  Joh.  Jos.  Fux,  Capellmeister  bei  St.  Ste- 
phan für  Anniversarien 10  „  —  „ 

24.  Dec.  Demselben  für  Rorate 33  „  —  „ 

1713. 

28.  Febr.  Hm.  Joh.  Jos.  Fux,  Capellmeister  bei  St.  Stephan 

für  Salvatordienst       37  „     4  ,, 

19.  Aug.  Demselben  für  Seel-  und  Lobämter   .    .             .    .    20  „  —  ,, 
eod.     Demselben  für  Salvatordienst 37  „    4  ,, 

21.  Oct.   Demselben  tilr  1  Requiem 40  „  —  „ 

24.  Nov.  Demselben  für  Anniversarien 10  „  —  ,. 

20.  Dec.  Demselben  für  Rorate 33  „  —  ^ 

1714. 
27.  Febr.  Hrn.  Joh.  Jos.  Fux,  Capellmeister  bei  St.  Stephan 
filr  Salvatordienst       37  „    4  ., 

1  Mich.  ZXcher.  f  30.  Sept.  1712,  68  Jahr  alt. 

21* 


324  Beil.  IL    34. 

31.  Aug.  Demselben  für  dasselbe 37  fl.    4  kr. 

19.     „      Demselben  für  Anniversarien 10  „  —  „ 

29.  Dec.    Demselben  für  Rorate       33  „  —  „ 

1715. 
28.  Febr.  Hm.  Job.  Jos.  Fux,  Capellmeister  bei  St.  Stephan 
für  Salvatordienst 37  „     4  „ 

30.  März.  Hm.  Job.  Jos.  Fux,  Capellmeistem  (sie)  für  1 
Requiem 40„  —  „ 

NB.  31.  Aug.  Hm.  Capellmeister  bei  St.  Stephan  (ungenannt) 
für  Salvatordienst       37  „    4  „ 

NB.  16.  Nov.  Hm.  Georg  Reitter,  Capellmeister  bei  St. 
Stephan  für  Anniversarien 10  „  —  „ 

NB.  28.  Dec.  Hm.  Georg  Reitter,  Capellmeister  bei  St. 
Stephan  für  Rorate 33  „  —  „ 

8tt«  Aus  den  Acten  des  Bürgermeisteramtes  der  Stadt  Wien. 
„Decret  an  Hm.  Kirchenmaister  bei  St.  Stephan  wegen  Separirung  der 

Capell  Knaben  und  deren  Verpflegung  betreffend  (Alt.  Reg.  =-r^ 

Vom  Burgermaister  vnd  Rath  der  Statt  Wienn  wegen  dem  Herrn 
Johann  Georg  Schmidt  des  aussem  Rathss  vnd  verordneten  Kürchenmaister 
bei  St.  Stephan  hiemit  anzufügen.  Vnd  ist  dem  Selben  ohne  dem  vorhin  be- 
kannt, wie  dass  der  H.  Michael  Zacher  Capellmaister  allda  auss  vorhin 
angebrachten  Ursachen  die  tägliche  Andacht  MubIc  bey  dem  Hung.  Gnaden 
bildt  Vnser  lieben  Frawen  beraits  voriges  Jahr  schrifftlich  resigniret 
vnd  solche  hierauf  dem  H.  Johann  Joseph  Fux  Kays.  Hoff-Musico  und 
Componisten  von  Anfang  des  Monaths  Octob.  zu  versehen  überlassen, 
worüber  danii  verer  veranlass  und  geschlossen  worden,  dass  von  denen 
7  ordinary  Cantorey  Knaben  der  Hr.  Zacher  4  behalten  und  die  übrigen 
drey  der  Hr.  Fux  zu  sich  nemben  hingegen  die  untauglichen  zuvolge  der 
negsthin  den  21  Juny  dis  Jahrs  ergangenen  Verordnung  aussgemustert  und 
an  statt  deren  ainig  andere  von  denen  Sachsen,  welche  in  dem  Burgerspital 
instmirt  werden ,  heraussgenomben,  und  solches  auch  in  das  künftig  in  all- 
weeg  observirt  werden  solle.  Wienn  den  1.  Juli  1706." 

„Vom  Burgermaister  und  Rath  der  Stadt  Wien  Erlass  an  den  Kirchen- 
maister  bey  St.  Stephans  Thumb. 

Hiemit  anzufügen,  es  habe  eimelter  Statt  Rath  geschlossen,  dass  bee- 
den  Herrn  Capellenmaistem  in  erstbesagter  Thumbkirchen,  alss  Herrn  Jo- 
hann Michael  Zacher,  und  Herm  Joh.  JosephFux  von  d^nen  alda  aufge- 
nohmenen  oder  vorhandenen  sechs  Capellknaben  jeden  drey  in  die  kost 
gegeben,  und  denenselben  wegen  jeden  Knaben  vor  Kost,  jährl.  zwey  khlay- 
der,  zuebuess  Doctor,  Medicamenten,  Barbirer,  Präceptor,  Composition  und 
Instruction,  wie  auch  Saiten  und  Spartitur  geldt,  wasch,  Schueh,  Strimpf, 


Beil.  II.    34.  325 

hnt  Leingewand  und  all  andere  Notturften ,  wie  sie  nahmen  haben  mögen 
jährl.  zwey  hundert  Gulden  bezalt  werden  sollen. 

Wirdt  demnach  Ihme  Herrn  Eirchenmaister  hiemit  anbefohlen ,  dass 
er  Eingangs  ermelten  beeden  Hm.  Capellmaistem  solch  aecordirtes  kost- 
gelt,  wie  auch  dem  Hrn.  Fuxen  wegen  der  drey  Gapellknaben  Zimmer  bey 
hilf  Sechzig  Gulden  jährlich  und  zwar  die  Yert»flegung  der  jährl.  austragen- 
den 1200  fl.  vom  1.  April  d.  J.  an,  das  Zimmergeld  aber  vom  1.  Juli  1706  an 
zu  rechnen.  Wien  1.  Aug.  1707.'' 

„Vom  Burgermaister  und  Rath  der  Statt  Wien  wegen  dem  Herrn  Joh. 
Joseph  Fux  Kays.  Hoffund  Capellmaister  bei  St.  StephansThumb 

und  Pfarrkirchen  allhier  anzuzeigen*' (dass  einige  nachlässige 

Instrumentalisten,  „sowohl  denen  gewöhnlichen  ordinary  und  extraordinary 
Kürchendiensten  und  bey  den  Marianischen  Gnadenbildt  von  Petsch^  zu 
grösserem  Fleisse  vermahnt  werden  sollen.)  —  Wien  24.  Oct.  1714.« 

(Ein  gleiches  Decret  erhielt  auch  „Capellmaister  Reitter 
Georg**.) 


Beilage  III. 

J.  Hattheson :  Solmisationsstreit  mit  Fax  —  Beschuldigung  des  Fran- 
cesco Conti. 

Aus  J.  Mattheson,  CriticaMusica  U. Bd.  pag.  185— 206  werden 
hier  die  Briefe  über  Solmisation  und  Kirchentonarten  mitgetheilt^ 
2  von  J.  J.  Fox,  ebensoviele  von  J.  Mattheson,  nebst  des  letzten  Randglossen 
zu  den  Briefen  des  ersten. 

(xn.) 

« 

1«  Die  Ordnung,  so  im  Orch.  II.  (d.  i.  dem  „beschützten  Orchester'') 
mit  AnfUhrung  der  Namen,  nach  dem  Alphabet,  gehalten  worden,  soll  auch 
hier  beobachtet  werden ,  und  also  haben  wir  nun  zu  sehen ,  was  der  S.  T. 
Eayserliche  erste  Kapellmeister  dazu  saget. 

Monsieur.i 

„Dass  meinem  Herrn  hat  belieben  wollen,  mich  vndter  diejenigen  zu 
„ setzen,  dennen  das  beschützteOrchestrelst  dedicirt worden,  erstatte 
„hiemit  schuldigsten  Danckh :  weiUen  aber  weder  das  Orchestre,  noch 
„die  Erfurterische  Refutation  mir  iemahlen  ins  Gresicht  gekommen,  als  kann 
„ich  auch  mein  Sentiment  hürüber  nit  eröffnen;  aber  wohl  mich  höchst  ver- 
„wundem,  das  der  arme ,  doch  niemallen  sattsamb  gepriasene  Guido  Areti- 
„nus ,  als  deme  Musica  practica  mehr  schuldig  als  keinem  Authori  in  der 
„Welt,  so  lästerlich  durch  die  Hächl  gezogen  wirdt,  ich  muss  bekhennen, 
„das  ich  mich  hürüber  nit  ein  wenige  geörgert  habe;  indeme  gewiss  ist, 
„das,  wenn  diese  methode  niehemallen  erfunden  worden  wäre,  die  Musique, 
„aufs  wenigst  die  Singkunst ^,  mit  nichten  so  weit  hätte  können  gebracht 
„werden.  Dan  wo  vor  diesem  Leute  mit  reufen  ludicio  durch  uil  Jahr,  wegen 
„der  Beschwerlichkeit  deren  damallen  üblichen  Caracteren  und  obscuren 
„Zeichen,  nit  haben  hinkommen  können,  haben  hernach  durch  die  erfundene 
„Scalam  und  das  Edle  ut,  re,  mi,  fa,  sol,  la,  die  kleine  Knaben  durch  etUche 

^  In  teuUchen  Briefen  weiset  ein  folchet  Monsieur  gar  schlechten  Respect,  und 
ist  nur  für  inferiores. 

^  Das  ist,  nach  meinem  Begriff,  er  habe  sich  gar  nicht,  auch  nicht  ein  bisgeo, 
gefirgert.  Es  soll  aber  wohl  heissen:  nicht  wenig,  non  parum,  i.  e.  multum:  denn, 
nicht  ein  wenig,  bedeutet:  ne  panlulum  quidem,  i.  e^  nihil. 

^  Eine  gute  distinciion :  denn  die  Singekunst  ist  nicht  die  ganse  Music. 


^ 


Beil.  III.    1.  327 


„Monat  prestiren  können,  gleich  es  bim  auf  die  heuntige  stnndt  die  tagliche 
„experienz  lehret.  Es  ist  nit  in  Abredt  zn  stellen,  das  successu  temporis 
„durch  Vermischung  des  generis  Diatonioi  mit  dem  genere  Cromatico, 
„wegen  zu  folg  dessen  so  vill  sich  eraignenden  Semitonia,  die  mutation  in 
„etwass  schwfir  fallt,  so  gilt  doch  gleichwohl  auch  in  diesem  Fahl  die  Solmi- 
„sation,  weiUen  alldort,  wo  die  Semitonia  nur  per  accidenz  kommen,  kein 
„mutation  gemacht,  sondern  durch  die  Stimme  allein  durch  erhöher-  oder 
„emiedemng  derselben  geholfen  wirdt.  Durch  Hinzusetzung  eines  Si  zu 
„dennen  Aretinischen  6  Sylben,  ist  ia  die  Solmisation  nit  aufgehoben, 
„(welches  Ericio  Puteano  niehmallen  in  Willen  wird  gehabt  haben)  sondern 
„wohl  vermehret  worden.  Und  wurde  gedachter  Puteanus  an  sein  Si  nim- 
„mermehr  gedacht  haben,  wan  nit  die  Aretinische  Sylben  lehn  darzu  veran- 
„lasset  hätten;  bleibt  also  dem  ersten  Erfinder  allezeit  sein  gebierender 
„Ruhm.  Dass  aber  der  Erfinder  weiter  criticirt  wirdt,  er  hätte  seine  ezten- 
„sion  nit  in  Hexachordon,  sondern  in  Heptachordon  machen  sollen,  geschieht 
„ihm  auch  meines  Erachtenss,  sehr  Unrecht:  indeme  Pr  Guido  hierdurch  nit 
„so  wohl  die  6  intervalla  musices  ascendendo  &  descendendo  hat  lernen, 
„als  auch  zuforderist  die  6  Vocales,  A,  e,  i,  o,  u,  (als  an  welchen  alles  gele- 
ngen ist)  recht  gut  auszusprechen,  vorstellen  wollen.  Auss  diesem  ist  zu- 
„schlüssen,  das  die  alphabetischen  Buchstaben  A,  be,  ce,  de,  e,  f ,  ge  &  c  an- 
„statt,  ut,  re,  mi,  fa,  sol,  la,  in  der  Singkunst  mit  schlechten  Grundt  Kunten 
„gebraucht  werden.  Deme  der  Numerus  senarius  zu  wider  ist  der  setze  zwei 
„Tetrachorda  nach  einander,  so  wird  er  eine  ganze  Octav  aossmachen,  e,  g: 

c       defgaho 

„Ut,  re,  mi,  fa,  ut,  re,  mi  fa.  Auss  bishero  angezogenen  Ursachen  ist  Arentini 
„Erfindung  an  allen  Orten  und  Enden ,  alwo  die  Musique  und  Singkunst  am 
„meisten  floriret,  bis  auf  den  heuntigen  Tag  allezeit  behalten  worden,  und 
„wirdt  auch  ins  künfftig  nimmermehr  in  Abschlag  kommen  weillen  dessen 
„gute  Würkhung  nit  kan  in  Abredt  gestellet  werden.  Man  lese  hiettber,  wass 
„Baronius  von  ihme  schreibet.  Kan  also  meiner  Mainung  nach  auch  einer, 
„der  die  Musique  durch  das  ut,  re,  mi,  fa,  sol,  la,  erlernet  hat,  gleichwohl 
„ein  Galant -homme  sein.  Ich  bin  gar  kein  Anbetter  der  superstitieusen 
„ Antiquitet,  doch  wass  durch  so  ville  s«ßcula  von  vomembsten  Maistem  für 
„gutt  und  recht  behalten  worden,  biss  nit  wass  bessers  erfunden  wirdt  vene- 
„rire  ich  auf  alle  weiss.  Die  24.  neue  Modi  haben  auch  gar  keinen  Grundt 
„dann  weillen  Tonus  oder  modus  nichts  ist,  als  eine  circolirende  modulation 
„intra  limites  octavsB ,  als  folg^  notwendig ,  das  so  uill  toni  und  nit  mehr 
„sein  können,  als  offt  gedachte  modulation  vermög  dess  Semitonii  kan  ver- 
„ändert  werden,  welches  nur  6.  mahl  geschehen  kan.  Und  weillen  eine  jede 
„Octave  aus  diesen  Gen  kan  diuidiret  werden  Harmonicö  und  Aritmetic6; 
„Harmonie^  mit  der  4t  in  acuto;  aritmetic6  mit  der  4t  in  parte  gr^ii,  e.  g: 
„2,  3,  4.  4,  3,  2.  alss  das  auss  einer  ieden  Octau  2.  toni  entspringen,  Auten- 
„ticus  und  plagalis,  müssen  selbe  also  in  12.  erwachsen:  Die  übrigen  sind 
„alle  transpositi  und  müssen  zu  einem  auss  diesen  12.  reduzirt  werden.  Da- 
„hero  ist  in  dess  mir  überschickhten  Buchss  Tabella  linkher  seits,  1.  2.  3.  & 


328  Beil.  III.    8. 

„c.  de.  modiB  &c.  nur  ein  einziger  Ton  Nr.  1  die  andern  Nr.  2.  3.  4.  5.  6.  7. 

„8.  9. 10. 11. 12.  seind  alle  von  dem  ersten  tranaponirt,  weillen  das  semito- 

„niam  (ml  fa  darf  ich  nit  sagen)  allezeit  die  dritte  vnd  7te  stOll  oocupirt.  ein 

„transponirter  ton  ist  weder  genere  weder  speoie  diversus  ab  iUo  a  quo 

„transponitur.  Juxta  Axioma  Aristot.  omne  tale  est  semper  taie,  ubicunque 

„ponatur.  Dieses  habe  ich  meinen  Herrn  wohlmainend  übeschreibdn,  vnd 

„zu  ferneren  nachdenkhen  tiberlassen,  und  anbey  so  wohl  wegen  dess  mir 

„Überschikhten  Buchs  als  auch  Dedication  schuldiger  massen  mich  bedankhen 

„wohlen,  als  der  ich  bleibe 

Meines  Hochgeehrten  Herrn 

Dienst^gebnister 

Johan  Joseph  Fux. 

Wien  den  4.  Dec.  1717. 

Aufschrift : 

A  Monsieur  Monsieur  J.  Mattheson.  Secr.  du  MinL  Brit.  &  Vicair  au 

Chapitre  d'Hambourgue  present 

ä 

Hambourgue 

an  der  Elbe  ^ 

(xra.) 

]i«  Das  erste,  so  wir  hieraus  zu  lernen  haben,  ist  die  Wahrheit  jenes 
französischen  Satzes :  La  colere  &  la  prevention  derangent  terriblement  la 
Dialectique.  D.  i.  der  Zorn,  (da  man  sich  ärgert)  bringt  dieV  ernunfft- 
Lehre  in  eine  abscheuliche  Unordnung.  Das  andere  ist  die  Kraft 
des  praetjudicii,  dafür  sich  niemand  genug  hüten  kan.  Denn  wenn  das  Vor-Ur- 
theil  bey  uns  veraltet,  so  ist  keine  Httlffe  mehr.  Da  hält  man  nichts  fttr 
recht,  als  was  uns  ehmals  gefallen  hat.  Da  meynet  man,  es  sey  schimpflich, 
jungem  Leuten  Gehör  zu  geben ,  und  was  ohne  Bart  erlernet  worden,  im 
Alter  zu  verwerfen : 

Vel  quia  nil  rectum,  nisi  quod  placuit  sibi,  ducunt: 
Yel  quia  turpe  putant  parere  minoribus :  &  qu», 
Imberbes  didicere,  senes  perdenda  fateri  3. 

Daher  ist  es  kein  Wunder,  dass  wir  die  zierlichere,  galantere  Musik  um- 
sonst solchen  Personen  anbieten,  die  alle  Zierlichkeit  und  auserlesene 
HUlffs-Mittel  von  sich  werffen,  massen  sie  sich  in  der  gemeinen  und  lausich- 
ten Lehrart  schon  alzu  lange  Zeit  herumgeweltzet  habe.  Sie  wollen  sich 
auch  keines  bessern  berichten  lassen,  von  denen  die  es  nicht  mit  ihren 
Künsten  halten,  insonderheit  leiden  sie  es  nicht  von  jungem.  Es  gehet  ihnen 
schwer  ein ,  dasjenige ,  so  sie  als  Knaben  in  der  Schule ,  mit  vieler  Mühe  er- 

^  Wir  haben  die  gantze  Schreib-Art  hier  beybehalten ,  so  wie  sie  im  Original 
stehet. 

^  Don,  de  Praest,  Vet.  Mus.  p.  111. 


Beil.  IN.    3.  329 

lernet,  im  Alter  auf  die  Seite  zu  setzen,  und  zu  bekennen,  daM  sie  ihre  Zeit 
übel  angewandt  habend 

(XIV.) 

S*  Inzwischen  theile  ich  dem  geneigten  Leser  meine,  auf  obigen, 
den  15.  December  erhaltenen  Brief,  am  18.  ejusd.  ergangene  Antwort  von 
Wort  zu  Wort  allhie  mit: 

Hoch-£dler,  insonders  Hochgeehrter  Herr  Ober-Capellmeister. 

„Zuförderst  bin  schuldig  mich  zu  bedanken,  dass  £w.  Hoch-£dl.  sich 
„die  Mühe  haben  nehmen  wollen,  so  hurtig  auf  meine  depeche  zu  antworten : 
„immassen  mir  mit  deroselben  dissensu  mehr  Ehre^  widerfiUirt,  als  mit  dem 
„consensn  aller  andern.  Will  mir  aber  die  Erlaubniss  ausbitten,  etwas  weni- 
„ges  darauf  zu  antworten. 

„Ihren  nie -sattsam- gepriesenen  Aretinum,  dem  freylioh  Musica  illa 
„quondam  practica  &  puerilis  vor  700  Jahren  mehr  schuldig  war,  als  allen 
„heutigen  solmisatoribus  insgesamt,  hat  niemand  lästerlich  dnreb  die  Hechel 
„ziehen  wollen,  wie  es  meinem  Hochgeehrten  Herrn  etwan  im  beschützten 
„Orchester  mag  vorgekommen  sein,  und  wie  mich  dessen  Dero  sonst  ge- 
kehrtes Schreiben  vom  4.  December  mit  etwas  Verwunderung  vergewissert. 

„Es  ist  freylich  an  dem,  dass  diesem  ehrlichen  Patri  die  damals  ver- 
„grabene  Singkunst  (welche  ich  doch  mit  dem  generalen  Namen  der  Music«ß 
„practioae  nicht  beehren  mOgte)  eine  grosse  Verpflichtung  gehabt  hat,  weil 
„er  sie  hervorgezogen ,  und  ein  wenig  aus  dem  gröbsten  gebracht  haben 
„mag 3;  allein  ich  will  hoffen,  es  sei  auch  dem  sogenannten  Erfinder  seine 
„ehmalige  billige  Forderung  und  Schuld  in  d^n  gantzen  sieben  Seculis 
„siebenhundeitfaltig,  ja  dermassen  redlich  bezahlt  und  abgetragen  worden, 
^dass  sich  einer  vergebens  bemühen  dürfte,  hac  luce  die  vorgebene  Bestau- 
nten einzufordern;  welche  auch,  wenn  sie  annoch  illiquide  vorhanden  sein 
„sollten,  lange  schon  verjähret  oder  pnescribirt  sein  würden. 

„Wenn  denn  nun  meine  Absicht  eben  nicht  gewesen  ist,  den  Aretinum 
„eigentlich  durch  die  Hechel  zu  ziehen  (nam  de  mortuis  bene)  sondern  viel- 
„mehr  zu  weisen,  dass  er  mit  seiner  Kunst  und  Erfindung,  ein  monumentum 
„publicum  verdienet  habe,  so  sehe  nicht,  wie  sich  Ew.  Hoch-Edl.  davon  so 
„sonderlich  haben  ärgern  mögen ;  welches  jedoch  mit  rechtem  Leydwesen 

^  ita  miriuD  est;  elegaotioreni  Muficam  frustn  üs  oMrudinus,  qui  omnem  ele- 
gaotUni  reapuoiit :  qui  in  hac  vnlg'ari  ae  aordkt«  tamdiu  Toloteti  aunt.  Nolunt  etiam  ab 
ii«  doc0ri,  qui  noB  eandem  quam  sibi  artem  profitentut':  praMertim  ab  juniorfbua.  No- 
lunt quae  magno  labore  diutinoque  tempore  in  ludls  pueri  «Hdicerant,  ea  provectiore« 
dediseere,  atque  operam  ae  perdidiase  confiteri.  Id.  ibid. 

^  Wir  baben  dennoch  vorhin,  p.  85.  de  59.  veracbiedene  Zeugniaee  Ton  gelehrten 
Minnem  wider  des  Aretinf  ao  sehr  beacbriebene  Verdienste  angefUhret;  abaonderlich 
erinnere  man  eich,  dass  es  beim  lo  Vossio  heisse;  Multa  Guidoni  perperam  tribuuntur, 
d.  i.  dem  Aretino  werden  viele  Erfindung  mit  Unrecht  lugescbrieben.  vid.  pag.  157.  b.  T. 


330  Beil.  III.    3. 

^vernehmen  muss,  da  ich  sonst  gedacht  habe,  Deroselben  alle  Ehre  und 
^plaisir,  mit  Vorstellung  der  Wahrheit^  (nach  meinem  Begriff)  und  Beseu- 
ffgung  meiner  Hochachtung  zu  erweisen. 

„Dass  solches  meine  wahre  intention  gewesen  und  noch  sey,  betheure 
^höchlich. 

„Es  mag  auch  wohl  seyn,  wie  Ew.  Hoch-£dl.  schreiben,  dass,  wenn  es 
n  Aretinus  nicht  gethan  hätte ,  die  Singekunst  (seiner  Zeiten)  schwerlich  so 
^weit  gekommen  seyn  würde.  Aber  es  steht  doch  nicht  zu  läugnen ,  dass, 
„wenn  es  eben  Aretinus  nicht  gethan  hätte,  es  wohl  ein  anderer  auch  so 
„gut,  wo  nicht  besser,  hätte  verrichten  kOnnen,  ja,  dass  es,  aller  Wahr- 
„scheinlichkeit  nach,  von  Dunstan^  lange  vorher  geschehen  sey. 

Ich  lasse  nun  so  wohl  diesem ,  als  jenem ,  und  einem  jedem  seine  ver- 
„diente  Ehre  gar  gerne,  nur  die  Sache  an  ihr  selbst,  mit  den  sechs  Silben, 
„hat  so  viel  Unruhe  und  Verwirrung  gestifftet,  und  ist  so  wenig  hinreichend, 
„bey  heutigem  genere  Diatono-chromatico-enhannonio,  dass  es  ein  Jammer 
„anzusehen  ist,  wenn  sonst  vemttnfftige  und  ansehnliche  Leute  sie  treiben^ 
„ihr  noch  das  Wort  reden,  und  die  Welt  irre  machen  wollen. 

„Dieses  hat  mich  bewogen,  das  Ding  ein  wenig  ridicul  zu  machen, 
„und  satyrisch  abznmahlen,  nicht  denkend,  dass  dadurch  das  geringste 
„Kind,  geschweige  weltberühmte  Virtuosen,  sollten  noch  könten  geärgert 
„werden;  ich  kan  es  auch  unmüglich  glauben,  dass,  was  Ew.  Hoch- Edl. 
„deswegen  an  mich  haben  schreiben  wollen ,  deroselben  rechter  Ernst  sey; 
„sondern  stelle  mir  vielmehr  vor,  dass  sie  nur  ihren  Scherz,-  unter  einer 
„ernsthaften  Maske,  mit  ihrem  Diener  getrieben  haben. 

^  Ob  ft  benu  montrer  la  veriU;  si  on  ne  preiid  pas  bien  sou  tems,  eile  sera  i-e* 
jet^e :  il  faut  atteodre  que  lea  hommea  aoient  degont^s  de  leur  erreur.  Mem.  HUt.  et 
Grit.  Octob.  1722.  p.  05.  Das  beisst:  Mhii  möge  mit  der  Wahrheit  ipiten  Tag:  haben» 
wenn  die  Zeit,  solche  zv  sagen,  nicht  wohl  in  acht  genommen  wird,  muss  sie  doch  Ter- 
worlTen  bleiben.  Man  sollte  warten,  biss  die  Leute  einen  Eckel  vor  ihren  Irrthfimem 
bekfimen.  (Da  hätte  man  fein  lange  zu  warten !) 

^  Was  halten  wir  uns  aber  noch  beim  D  uns  tan  und  dem  zehnten  Seculo  auf,  da 
Zeugnisse  vorhanden ,  dass  schon  in  der  Mitte  des  siebenden  Jahrhunderts  vom  Pabst 
Vitaliano  ein  Erz-Bischoif  und  ein  Abt,  gelehrte  Musici,'ausdrilcklich  nach  England  ge* 
sandt  worden ,  dass  sie  die  Christen  daselbst  im  Glauben  stärkten ,  und  die  bereits  in 
Italien  eingeftihrten  Orgeln,  samt  vielen  andern  musicnlischen  Instrumenten  in  den  Kir- 
chen bekannt  machten,  welches  ad  p.  85.  big.  T.  zu  mercken  dienlich  ist.  Die  Worte 
meines  Auctoris  lauten  ao:  Hmc  circa  tempora,  nimirum  Annum  645.  Papa  Vitalianus, 
natione  Signinas  ex  oppido  Volscorum,  Tbeodoruni  Archiepiscopum,  &  fladrianum  Abba- 
tem,  viros  omnis  scienti«  et  eruditionis  expertissimos,  in  Magnam  Britanniam  misit,  nt 
eo»  (seil.  Britannos)  in  fide  Christiana  perseverandos  informarent.  Is  (Papa)  OrguBU, 
aliaque  Instrumenta  musicalia  in  ßcciesiis  (Briiannicis)  ad  divinorum,  sacrorumque  cul- 
tum  primus  ihstituit.  Tho.  Carve,  Lyra  Hibernica,  p.  29.  edit.  2.  Sulzbaci.  Das  war  400 
Jahr  vor  Aretino. 


Beil.  III.    3.  331 

„Gesetzt  aber  es  sei  Enust;  so  ist  wohl  unstreitig,  dass  durcli  die  Pu- 
nteanische  Hinzusetzung  der  Sylbe  Si  zu  des  Aretini  sechsen  das  ganze 
^Sohnisations-Systema,  wo  nicht  aufgehoben,  doch  auf  solche  Art  verändert 
„und  verbessert  worden,  als  etwan  ein  neu-aufgebautes  Haus,  dazu  man  von 
„einem  alten,  niedergerissenem  Gebäude  noch  einige  Uiberbleibsel  gebraucht 
„und  beibehalten.  Dieses  hat  Erycius  allerdings  nicht  nur  im  Sinn  gehabt, 
„sondern  würklich  und  in  der  That  pnestirt,  wie  seine  Schrifften  es  klärlich 
„bezeugen  i. 

„Wieder  diese  siebensylbichte  Solmisation  nun  habe  ich  nicht  nöthig  er- 
nachtet etwas  einzuwenden;  mein  ganzer  Discurs  war  nur  auf  die  Marter-volle 
^sechssylbiehte,  und  die  daraus  entspringende  ungeheure  Mutation,  gerich- 
„tet:  Denselben  habe  das  Valet  Herzlich  gerne  ertheilen,  und  sie  um  desto 
„lieber  zur  Buhe  begleiten  wollen,  weil  die  tägliche  Erfahrung,  und  eines 
„jeden  gesunde  Vemunfft,  hierin  mit  mir  ttbereinstimmen  müssen. 

„Dass  aber  Aretin  mit  seinen  6  Sylben  nicht  so  wohl  die  intervalla 
„musica,  als  die  6.  vocales  (bei  uns  sind  sie  nur  5.  im  Gebrauch)  hat  recht 
„aussprechen  lehren  wollen,  wie  M.  H.  Hr.  schreibet,  solches  kan  man  sich 
„gerne  gefallen  lassen;  allein  diese  Sachen  gehören  zum  Lesen,  nicht  zum 
„Singen,  und  wäre  gänzlich  airpo^iov*j9ov,  wenn  einer  daher  argomentiren 
„wollte.  Ich  mag  den  Syllogismum  nur  nicht  in  die  Form  bringen :  der  defect 
„verräth  sich  so  genug. 

Sollte  inzwischen  diese  Pronunciation  die  Hauptabsicht  unsers  Aretins 
„gewesen  seyn,  so  hätte  derselbe  ja  nicht  6  Sylben  nöthig  gehabt ,  sondern 
„das  eine  a  mOgte  immer  ersparet  worden  seyn.  Allein  ich  lasse  es  passiren, 
„und  frage  nur,  mit  Erlaubniss:  warum  der  Sylben  nicht  so  wohl  7.  als  6. 
„haben  seyn  mögen?  Da  ja  7.  diatonische  intervalla  in  der  Octave  nicht 
„geiäugnet  werden  können.  Die  Antwort  wird  ungezweifelt  (wenn  ich  den 
„Senarium  nicht  berühre)  darauf  hinauslauffen :  weil  der  siebende  sonus 
„noch  nicht  Mode  gewesen ,  und  auf  den  Instrumenten  noch  keine  rechte 
„volle  quintam  gehabt. 

„Da  aber  nunmehro,  nicht  nur  dieser  siebende  diatonische  Klang,  son- 
„dem  auch  ein  jeder  chi-omantischer,  seine  reine  Quintam  feUciter  gefunden, 
„und  völlig  in  Mode  gekommen,  so  fallen  ja  die  6.  zu  kurz,  und  ist  viel  be- 
„quemer,  jedem  Klange  seinen  eigenen  Namen  bey zulegen,  als  12.  Tone 
„mit  6.  oder  gar  mit  4.  abgelöseten  Sylben,  zu  benennen. 

„Für  so  einfältig  wird  man  mich  ja  wohl  nicht  halten,  dass  ich  nicht 
„wissen  sollte,  wie  aus  zweyen  Tetrachordis  eine  Octava  zu  machen  sey. 
„Ob  solches  aber  mit  den  abgewechselten  und  wiederholten  ut,  re,  mi.  fa, 
„oder  mit  einem  anderen  zulänglichen  Hülffs-Mittel,  geschehen  müsse, 
„darüber  mögen  die  Schüler  den  Ausschlag  geben.  Es  ist  Sünde,  Schande 
„und  Schade ,  dass  verständige  Komponisten  ein  Wört'gen  solcher  Possen 
„halber  verliehren  sollen.  Ich  hätte  nimmer  daran  gedacht,  wenn  man  sich 

^  Vid.  cj.  MusMlheniiiii,  Cap.  IX,  p.  34.  32».  &  ex  illa  Oreh.  11.  p.  325.  s^. 


332  Beil.  III.    3. 

„nicht  zu  mir  gedrungen,  und  mit  dem  Ut  an  mir  zum  Ritter  werden 
„wollen. 

„Aus  den  im  beschützten  Orchester  sattsam -angezogen  Ursachen  aber 
„ist  es  des  Aretini  Erfindung  schon  vor  hundert  Jahren ,  ob  gleich  nicht 
„aller  Ort  und  Enden,  wo  die  prätendirte  Musik  auf  solche  Bttttelhaffte 
„Weise  getrieben,  dennoch  bey  klugen  und  nachdenkenden  Leuten,  nach 
„und  nach,  biss  auf  den  heutigen  Tag,  gänzlich  abgeschaffet  worden,  wird 
„auch  ganz  gewiss  ins  künfftige  immer  mehr  und  mehr  ins  Abnehmen  ge- 
„rathen;  weil  man  die  Sache  viel  wohlfeiler  haben  kan,  und  die  alte  Leiter 
„bei  weitem  nicht  mehr  zureichen  will. 

„Sonst  kan  M.  H.  Hm.  versichern,  dass  ich  seiner  Ermahnung,  den  Ba- 
„roniumi  hierüber  zu  lesen,  augenblicklich  Folge  leisten  würde,  wenn 
„solches  nicht  schon  längst  zuvor  geschehen  wäre,  so  dass  ich  nicht  nur 
„diesen  Auctorem,  sondern  wohl  hundert  dergleichen,  darüber  zu  Rathe 
„gezogen  habe,  ehe  meine  Feder  einen  einigen  Strich  gethan.  Ich  fahre 
„auch  noch  in  dieser  lecture  so  munter^  eifrig  und  vorsichtig  fort,  als  ob  ich 
„nichts  anders  zu  thun  hätte ,  und  noch  nicht  das  grosse  A  von  der  Music 
„kennte ;  wie  es  denn  wohl  eben  nicht  viel  weiter  mit  mir  gekommen  sein 
„mag,  indem  ich  Je  länger  je  mehr  finde,  was  mir  fehlet. 

„£w.  Hoch-Edl.  Meynung,  dass  einer,  der  die  Musik  durch  das  Ut  er- 
„lernet  hat,  gleichwohl  ein  galant  homme  seyn  könne,  kan  kein  galant- 
„homme  in  der  Welt  vernüniftig  wiedersprechen.  GOtt  behüte  mich,  dass  ich 
„jemals  sowas  abgeschmacktes  denke,  vielweniger  schreibe.  Nein,  mein  Hoch- 
„  geehrter  Herr  Ober-Capellmeieter,  dahin  gehen  ja  gar  meine  Gedancken 
„nicht.  Es  mag  einer  durch  ein  Glass  Wein,  oder  durch  eine  Pfeiffe  Toback, 
„zu  seiner  Kunst  gelangen,  das  gilt  mir  gleich;  wenn  er  nur  was  rechtes 
„kan,  ist  er  schon  in  diesem  Stück  ein  braver  Mann.  Seimus,  &  hanc  veniam 
„damus,  petimusque  vicissim.  Wenn  nur  ändern  Theils  zugestanden  wird, 
„dass  einer,  der  weder  sein  Singen,  noch  sein  Componiren,  (Spieleu  geht 
„ohne  dem  nicht  an)  mittelst  der  Solmisation  erlernet,  eben  so  wohl  ein 
„guter  Kerl  seyn  könne ,  als  jener :  so  ist  die  Sache  schon  richtig.  Dieses 
„wird  aber  gleichfalls  kein  galant  homme  bestreiten  wollen;  ob  es  schon 
„andre  thnn  und  gethan  haben.  So  lange  behalten  wir  hier  zu  Lande 
„auch,  was  die  vornehmsten  Meister,  von  so  vielen  Seculis  her,  für  gut  und 
„recht  gehalten  haben,  biss  nns  etwas  bessers  vorf&llt:  und  wenn  dieses 
„bessere  ankömmt,  wie  es  denn,  GOtt  Lob!  alle  Tage  aufstösset,  so  lassen 
„wir  das  alte  immer  fahren,  wenns  auch,  von  der  SUndfluth  her,  durch  Noam 
„selbst,  für  gut  und  recht  wäre  erkennet,  und  eingeführet  worden.  Darnach 
„fragen  wir  nichts. 

„Wegen  der  Modorum  mögte  die  Sache  ein  wenig  wichtiger  und 
„emsthafftiger  aussehen,  als  wegen  der  Solmisation.  M.  H.  Hr.  sagt  schlecht 
„weg:  die  24.  im  Orchester  angeführten  Modi  hätten  gar  keinen  Grund.  Ew. 

1  Wer  seine  Anoal.  ficclesiast.  lesen  will,  vergesse  des  P.  Psgi.  Criticain  nicht, 
so  wird  er  nutzen  heben. 


Beil.  III.    8.  333 

„Hoch-EdL  beweisen  es  aber  nicht;  hingegen  will  und  kann  ich  das  Gegen- 
„spiel  ad  ocnlom  demonstriren ,  weil  mir  alle  proportiones  temperatae  voll- 
„ kommen  bekannt  sind,  und  ich  nichts  ohne  Grund  setze.  Ich  kOnte  wohl 
^mit  eben  der  Leichtigkeit  sagen ,  der  Stephan-Thurn  zu  Wien  hätte  auch 
„gar  keinen  Grund;  allein  wir  wollen,  mit  ihrer  Erlaubniss,  die  Argumente 
„ein  wenig  untersuchen  und  beleuchten.  Mein  Grund  ist  mathematisch,  und 
„soll  zu  seiner  Zeit  öffentlich  erscheinen  i,  hier  ist  der  Raum  zu  enge. 

„Modus  ist  ein  circulirende  Modulation  intra  limites  Octavse.  So  lautet 
„M.  H.  Hm.  definitio ,  Daraus  soll  folgen,  und  zwar  nothwendig,  wie  gesagt 
„wird,  dass  so  viel  toni,  und  nicht  mehr,  seyu  können,  als  offtgedachte  Mo- 
„dulation,  vermöge  des  semitonii,  kann  ver&ndert  werden:  welches,  Dero 
„Meynung  nach,  nur  sechs  mahl  geschehen  kan. 

„Diese  Folge  vermag  keine  Vemunfft  zu  begpreiffen  und  ist  ganz  me- 
„taphysisch.  So  weiss  ich  auch  noch  nicht,  womit  die  infallibilitas  desjenigen 
„musikalischen  Lycurgi  sich  legitimiren  könne,  der  da  gesagt,  dass  die 
„yerSndung  der  Stelle  des  semitonii  auch  die  Veränderung  der  Modorum 
„mache.  Ich  weiss  wohl,  dass  es  per  traditionem,  von  des  Boethi^  Zeiten 
„her,  so  geglaubet  worden,  dass  es  sich  auch  damals  hat  hören  lassen.  Aber 
„dieser  Glaube  und  dieses  Mährlein  geben  mir  gar  kein  Grenügen:  ich  will 
„rationes  in  experientia  hodierna  fundatast  &  approbatas  haben;  sonst  ist 
„alles  nur  Wind. 

„Wolte  man  auch  gleich  obigen  Vorsatz,  oder  die  definitionem  Modi, 
„hingehen  lassen,  so  kann  doch  weiter  nichts  daraus  folgen,  als  etwan 
„dieses,  dass  so  viel  Modi  als  Octaven  sind.  Und  das  ist  auch  nicht  so  gar 
„unrecht;  wenn  nur  die  Terzien  mit  ins  Spiel  kommen,  als  an  welchen  fast 
„alles  gelegen ,  und  wodurch  die  Zahl  der  Modorum  hauptsächlich  verdop- 
„pelt  wird. 

^  Das  ist  in  der  Organisten-Probe  xum  UeberAuss  geschehen,  und  kan  in 
der  Vorbereitung  gelesen  werden. 

^  Boethitts  hat  gleichwohl  nie  an  die  locationem  semitonii  gedacht:  wer  mirs 
ans  seinen  Schrifllen  welatfn  kann,  «oll  ein  gntes  Triuck-Geld  haben.  Von  Glareano 
aber,  lese  man  den  Donium  de  Pr.  Vet.  Mus.  p.  £3.  allwo  er  dessen  Arbeit  inntiles  Gla- 
reani  Incnbrationea  nennet  nnd  hinan  aetset,  in  quibas  doleo  sane,  totos  Tiginti  annos 
ab  eo  oonsnntos.  D.  i.  die  Muhe  sey  gar  annnts  gewesen  und  an  beklagen ,  dass  der 
Mann  20  Jahr  daran  gewendet,  im  Anfange  des  Trattato  de  Generi  e  Modi  lieset  Donius 
diesem  Glareano  ebenfalls  den  Text.  Salinas  aber  sagt  ausdrücklich :  Ks  habe  Giareanus 
falsche  Gründe  gehabt,  und  sey  mit  dem  Pranckimo  in  gleichen  irrthnm  verfallen,  da  sie 
nehmiieb  beyde  gewihnet ,  man  misse  die  Tone  nach  den  Speciebns  der  7.  Octaven  be- 
trachten, umd  nur  nach  der  verschiedenen  Stelle  der  hemltoniorum  benrtheilen;  da  doch 
alle  Alten  öffentlich  .gesagt  haben,  dass  der  Unterschied  nicht  darin,  sondern  allein  in 
der  flöhe  nnd  Tiefe,  stecke.  Des  Salini»  eigne  Worte,  die  er  L.  IV.  cap.  31.  p.  %2S 
ffihret,  stehen  avf  der  allerletsten  Seite  der  Organisten  Probe  und  verdienen  hiebey 
nachgeschlagen  «i  werden.- 


334  Beil.  III.    3. 


„Derowegen  mögte  jemand  (con  licenza)  mit  bessrem  Fortgang  seine 
y^definitionem  Modi  solcher  Grestalt  einrichten :  Modus  est  modulatio  intra 
^limites  Octav» ,  mediante  vel  Ditono  vel  Semiditono.  Und  darauf  wäre 
„diese  Schhiss-Rede  zu  bauen: 

„Major:  Quot  Ditoni,  tot  Modi  majores:  quot  vero  Semiditoni,  tot 

sunt  Modi  minores. 
„Minor:  Atqui  in  Genere  chromatico  duodeeim  sunt  Ditoni  in  speeie, 

totidemque  Semiditoni. 
„Conclusio:  Ergo  sunt  viginti  quatuor  Modi  in  specie. 

„Das  schliesset  richtig  und  ist  einer  von  den  Gründen,  darauf  die  24 
„Modi  wohl  ruhen  können,  so  lange  die  Scala  nicht  verbessert  oder  vermeh- 
„ret  wird;  welches,  weil  es  unnOthig  ist,  nimmer  in  dieser  Welt  mit  succes 
„geschehen  wird.  Weswegen  nun  solten  meine  Terzien  nicht  so  viel  gelten, 
„als  der  alten  ihr  omnipotens-vermeyntes  semitonium?  anerwogeu  jene  bey 
„aller  heutigen  modulation  das  factotum  sind;  dieses  aber  nicht  mehr,  als 
„andere  intervalla,  zu  sagen  hat.  Welches  kein  erfahrener  Mensch  streiten 
„wird.  Et  hoc  probat  majorem ;  minorem  natura  &  instrumenta. 

„Hiemächst  setzet  M.  H.  Hr.  weil  eine  jede  seiner  sechs  Oktaven  har- 
„monice&arithmetice  kOnne  dividirt  werden,  so  erwtlchsen  ans  den  6.  tonis 
„Zwölffe,  nemlich  6.  authentici,  und  so  viel  plagales.  0!  ich  kan  meine  24. 
„eben  also  harmonice  und  arithmetice  theilen,  und  wenn  das  was  helffen 
„soll,  so  werden  ihrer  gar  48  herauskommen.  Allein,  es  thut  wahrlich  nichts 
„zur  Sache.  Und  mein!  warum  sollten  auch  nur  6  Oktaven  also  kOnnen 
„dividirt  werden?  Wir  leben  ja,  GOtt  sei  Dank  I  nicht  mehr  in  der  diatoni- 
„ sehen  Armuth,  sondern  haben  ein  chromatisches,  temperirtes  Basta  vor 
„uns,  darin  wir  alle  12.  intervalla  Oktaven  weiss  so  herrlich  arithmetice  und 
„harmonice  theilen  können,  dass  es  eine  Lust  ist.  Welches  keiner  läugnen 
„wird,  der  nur  ein  Ciavier  oder  monochordum  von  ferne  erblicket. 

„Ich  setze  Z.  E.  d  e  f  g  a  h  eis  d.  (re  mi  fa  hätte  ich  schreiben  sollen). 
„Man  sage  mir  doch,  was  das  für  ein  Modus  sei?  Er  findet  sich  nicht  im 
„Glareano,  noch  sonst  wo.  Dennoch  ist  eine  reine  Octave  da,  die  arithmetice 
„und  harmonice  kan  dividirt  werden,  und  die  lieben  semitonia  liegen  im 
„andeiii  imd  siebenden  Grad:  welches  ja  eine  Verändenmg  ist,  die  noch 
„unter  den  6.  bekannten  alten  Modis  niemals  vorgekommen.  Darum  muss 
„gewiss  der  Satz  weg  fallen,  dass  das  Semitonium  (ich  weiss  wohl,  dass  es 
„dem  sogenannten  natural!  gilt)  nur  sechsmal  könne  verändert  werden. 
„Denn  liier  ist  es  zum  siebendenmal  aller  Welt  vor  Augen,  und  eine  Melodie 
„gar  natürlich  daraus  zu  setzen.  Hiebey  behält  auch  das  fUsohlich-angege- 
„bene  semitonium  naturale  nichts  voraus:  weil  kein  einziges  semitonium 
„unnatürlich  ist. 

„Ich  wollte  es  über  zwanzigmal  verändern,  wenns  der  Raum  zuliesse, 
„und  drey  biss  vierfach  in  einer  ordentlichen  Octava  anbringen,  dabey  auch 
„mehrentheils  so  einrichten,  dass  die  verlangte  divisio  beybehalten  würde. 
„Wenn  ich  aber  M.  H.  Hrn.  Schreiben  werde  drucken  lassen,  (wie  ich  zu 


Beil.  Hl.    8. 


335 


„meiner  juBtification  aller  derjenigen  Briefe  thun  muss ,  denen  ich  das  be- 
„schützte  Orchester  zugeeignet  habe,  damit  die  Welt  aus  dem  pro  &  contra 
„schliesse,  wer  Recht  oder  Unrecht  hat)  alsdenn  will  ich,  mit  GOttes  HUlffe, 
„in  meiner  Antwort  diese  vielfältigen  Veränderungen  mit  diesem  semitcnio 
„ hinsetzen  1,  und  sine  adjumento  artis  combinatori»  zeigen,  dass  solche 
„wenig  oder  nichts  zu  der  Eigenschafft  heutiger  Modonim  beytragen  können. 


^  Hier  muss  ich  Wort  htlten,  und  behaupten,  dass,  ausser  den  6.  Lagen  der  Se* 
mitonien,  in  den  alten  Modis  fictitiis,  alwo  sie  diese  Grade  einnehmen:  3.  7.  |  2.  6.  | 
1.  5.  I  4.  7.  I  3.  6.  I  2.  8.  I  noch  wenigstens  24.  Verinderungen  damit  zn  treffen  sind: 
die  doch  eben  so  wenig,  afs  jene,  einen  neuen  Modum  machen.  Zum  Versuch  mag  die 
folgende  Tabelle  dienen ; 


er 


jr 


ÖT 

3 


'  1.  4.  d  die  f  g  as  b  c  d. 
1.  6.  d  dis  f  g  a  b  c  d. 

1.  7.  d  dis  f  g  a  h  eis  d. 

2.  4.  c  d  dis  fis  g  a  h  c. 

2.  7.  d  e  f  g  a  h  eis  d. 

3.  4.  d  e  fls  g  as  b  c  d. 

3.  5.  d  e  fis  g  a  b  0  d. 

4.  5.  d  e  fis  gis  a  b  c  d. 

4.  6.  de  e  fis  gis  a  b  c  d. 

5.  6.  f.  g  a  b  eis  d  dis  f. 

5.  7.  f  g  a  h  eis  d  e  f. 

6.  7.  f.  g  a  h  eis  dis  e  f. 
'1.  3.  5.  d  dis  fis  g  a  b  c  d. 

1.  8.  6.  e  f  gis  a  h  eis  d  e. 
1.4.  5.  d  dis  f  gis  a  b  c  d. 
1.  4»  6.  d  dis  f  gis  a  b  c  d. 

1.  4.  7.  d  dis  f  gis  a  h  eis  d. 

2.  3.  6.  f.  gis  a  b  c  d  dis  f. 
2.  4.  6.  d  e  f  gi»  a  h  c  d. 

2.  4.  7.  f  gis  a  h  c  d  e  f. 

3.  6.  7.  f  g  a  b  c  dis  e  f. 

4.  5.  7.  c  d  e  fis  g  as  h  c. 
1.  4.  8.  6.  d  dis  f  gis  a  b  eis  d. 

^  2.  4w  5.  6.  d  e  f  gis  a  b  eis  d. 


D.  moll.  Har.  k  Arith. 
D.  moll.  H.  A. 
D.  moll.  U.  A. 
C«  m.  U. 
D.  m.  U.  A. 
Ü.  dur  Arithm. 
D.  dur.  Harm. 
D.  d.  H. 

D.  d.  H. 

F.  dur.  per  6  &  3  dio. 
F.  d.  eod.  mod. 
F.  d.  eod.  mod. 
ü.  dur  Ar.  Sc  H. 

E.  dur.  A.  Sc  U. 
D.  moli.  Harro. 
D.  m.  fl. 

D.  m.  H. 

F.  dur.  H.  &  A. 
D.  m.  H. 

F.  dur.  H. 

F.  d.  U.  &  A. 

G.  dur.  H. 
D.  m.  H. 

H.  m.  H.  &c.  3ec. 


Nun  gestehe  ich  zwar  gerne,  dass  einige  sehr  wunderliche  scal»  hierunter  be- 
findlich sind,  und  sonderlich  drey  davon  nicht  per  Quintam  vel  Quartani,  sondern  per 
Sextam  &  Tertiam  getheilet  werden  mögen.  Inzwischen  ist  Iceine  so  seltsam ,  aus  der 
ich  mir  nicht  getraute  eine  Melodie  henronubringep :  und  viele  sind  überaus  geschickt 
dazu.  Es  geschiehet  aber  nur  exercitii  gratia ,  dass  diese  Tabelle  hier  eingerfickt  wird, 
damit  man  unter  anderm  daraus  lerne,  dass  alle  diese  Veränderungen  des  Semitonii 
keinen  neuen  Modnm  machen,  sondern  die  blossen  Terxien,  mittelst  welchen  die 
12  Modi  tonici  verdoppelt  werden,  und  eine  xweyfache  speciem  bekommen. 


336  Beil.  Hl.    3, 


„Was  die  gogenannten  tonos  transpositos  anlanget,  so  ist  hoffentlich 
„Im  beschützten  Orchestre^  deswegen  satisfaction  gegeben,  und  wenn 
„mans  nur  recht  ansusehen  beliebet,  so  wird  schon  erhellen,  dass  es  nicht 
„einer,  sondeiii  wirklich  und  wah]:haftig  24  verschiedene  Tone  sind,  die  in 
„Tabella  Modonim  daselbst  linker  seits  specificirt  werden,  und  dass  die 
„temperirten  claves  dem  Dinge  ein  ganz  anders  Aussehen  geben,  welchem 
„zu  Folge  keine  eigene  species  Octav»  mit  der  andern  in  allem  tiberein 
„kommen  kan;  sondern  vielmehr  recht  wesentlich,  fiirmlich,  augenscheinlich, 
„handgreiflich  und  hörbar  differiret,  obgleich  nicht  gestritten  worden,  noch 
„wird,  dass,  crassa  Minerva  loquendo,  die  24  species,  dem  ersten  Anblick 
„nach,  auf  2.  genera  reducirt  werden  können.  Ich  habe  aber  mit  transponirten 
„Tonen  nichts  zu  thun,  und  will  den  terminum  diesenfalls  gar  nicht  erken- 
„nen;  sondern  meine  Gedanken  gehen  auf  selbststandige,  wesentliche  und 
„authenti^ue  Tone,  deren  jeder  seine  eigene  Figur,  Zahl,  Wirkung,  Eigen- 
„schafften  und  Kraffte  besonders,  und  von  allen  andern  in  specie  dennassen 
„unterschieden,  hat,  dass  es  auch  ein  EJnd  merken  kan.  Man  muss  dem  Ge- 
„hör^  in  diesem  Stttck  mehr  trauen,  als  dem  zerbrechlichen  raisonnement, 
„wiewohl  dieses  ebenfalls  auf  meiner  Seiten  stehet,  wie  an  seinem  Orte',  mit 
„mathematischen  Gründen,  deutlich  unwiederspreohlich  demonstrirt  werden 
„solL  Tale  enim  a  tali  potest  differe  quoad  minus  vel.  majus  &c.  cum  pace 
„Aristo  teils. 

.  „Dieses  habe  £w.  Hoch-£dl.  wiederum  wohlmeynend,  und  mit  aller 
„Submission  vor  Deroselben  grosse  virtü,  auch  ohne  der  geringsten  Lust 
„zum  Wiederreden,  vielmehr  ans  ungemeiner  Begierde  Dero  fernere  Ge- 
„dancken  und  ErlSntenmgen  hierüber  zu  vernehmen,  und  davon  bester- 
„massefl  zu  profitiren,  antworten  wollen  und  sollen:  der  ich  wahrhafftig 
„hierunter  nichts  anders  suche,  als  recht  hinter  die  Sache  zu  kommen,  und 
„einmahl  das  Glück  zu  haben,  dass  mich  ein  solcher  hochberühmter  Mann, 
„wie  £w.Hoch-£dl.  durch  reine  Vemunfftschlüsse,  und  unstreitige  Erfahrung, 
„der  Wahrheit  überzeugen  möge.  Wenn  dieses  geschieht,  und  ich  Unrecht 
„habe,  will  ich  gerne  alle  meine  Sätze  öffentlich  wiedemiffen,  auch  mich 
„gar  nicht  entsehen,  noch  aufs  neue  wieder  in  die  Schule  zu  gehen. 

„Indessen  thun  mir  Ew.  Hoch-Edl.  die  Liebe  sich  selbst  die  justice; 
„derMusic  aber  die  Ehre,  und  senden  mir  einige  particularia  von  ihrem 
„Lebens-Lauff  ein ,  damit  solche  in  der  zu  edirenden  Ehren -Pforte  den 
„vornehmsten  Platz  mit  bekleiden  mögen.  Wenn  Ihnen  auch  sonst  dahinge- 
„höriges  aufstossen  sollte,  bitte  gar  schön  um  communication  und  Beistand 
„zu  solchem  löblichen,  der  ganzen  musikalischen  Welt  zu  Ehren  gereichen- 

^  Auch  vorDebnlich  in  der  OryttDisteo^Probe. 

^  ?(on  magnopere  refert,  qae  alt  burmoBi»  ratio,  quam  non  approbat  sensus.  Et 
ideo  non  approbat  aeDattti  .quia  noo  eTidentor  percipit.  ERASM.  in  A4ag.  m.  p. 
435  sq. 

^Solches  ist  bereiU  in  der  Vorbereitung  der  Organislen- Probe,  eeiC  diesem 
Brieff-Wecbtel,  geacheben. 


Beil.  IH.    4.  337 

^den  Werke,  mit  der  Versicherung,  dass  ioh  eines  jeden  Verdienste,  nach 
^seiner  Art,  ohne  einige  Passion,  zu  schätzen  wissen,  auch  mich  übrigens 
q  willig  belehren  lassen  werde,  wo  ich  etwan  geirrt  haben  sollte ;  womit  end- 
nlich,  um  Entschuldigung  dieser  langen  Epistal  ersuchend,  in  aller  Ergeben- 
„heit  mich  Ew.  Hoch-Edl.  Gunst,  Gewogenheit  und  Güte  bestermassen 
„empfehle  und  stets  verharre 

Hoch-Edler,  insonders  Hochgeehrter  Hr.  Ober- Gapellmeister 

Ew.  Hoch-Edl. 

Dienstwilliger  Diener 
Mattheson. 
Hamburg  den  18.  Dec.  1717. 

P.  S.  Ich  nehme  mir  die  Freiheit  Ew.  Hoch-Edl.  ein  Exemplar  meiner 
Clavier-Arbeit  hiebey  ttberzusenden  etc :  etc : 

Inscriptio 
A  Monsieur,  Monsieur  Fux,  premier  Maitre  de  Chapelle  de  S.  M.  J.  & 
Cathol.  &c : 

a  Vienne  sur  le  Danube." 

(XV.) 

^  Einige  Wochen  nach  Abgang  dieser  Antwort,  erhielte  der  Auetor 
eine  duplicam  von  dem  Herrn  Ober-Gapellmeister,  folgenden  Innhalts : 

„Monsieur 

„Hochgeehrter  Herr  Desselben  Schreiben  vom  18.  Decemb.  verflosse- 
„nen  Jahrs,  sambt  denen  Glavir-8tükhe  ist  mir  richtig  zu  Händen  kommen, 
„ich  habe  dieselbe  dnrchsechen,  und  so  vill  ich  in  Kürze  der  Zeit  habe  ab- 
„nemmen  kOnnen,  gar  fein,  artig,  und  von  gutter  invention  befunden,  vor 
„welche  ich  schuldigen  Danckh  erstatte.  Das  dem  Aretino  und  dessen  rume 
„in  dem  beschitzten  Orchestre  an  verschiedenen  Orthen  zu  hart  geredet 
„wird,  ia  in  der  Lobrede  Menippi  in  Autorem,  gar  vor  einen  Atheisten  pas- 
„siren  muss,  weiss  niemandt  besser  als  M.  H.  und  ist  mir  umb  so  vill  weniger 
„übel  auszudeiten,  das  ich  mich  hürüber  befirembdet  habe,  als  in  diesen  Land- 
„ten  wegen  der  Beschwerlichkeit  der  Aretinischen  Sylben  sich  niemand  be- 
„klaget,  sondern  im  Gegenthaill  deren  gutte  Würkhung  täglich  zu  gehör 
„kommet:  indeme  allhir  Knaben  von  9.  und  10.  Jahren  zu  ünden,  welche 
„die  schwäriste  stückhe  all  improuiso  wekh  singen,  welches  ia  nitsein  kunte, 
„wan  die  Aretinische  erfindung  so  voller  iammer  und  Eilend  wäre:  Auch 
„bleibt  man  in  Italien,  alwo  ohne  widerredt  die  vomembsten  Singer  hervor- 
„ kommen,  noch  immer  bey  dieser  methode;  und  weillen  ii^  Hamburg  nit  die 
„gantze  musikalische  Welt  ist,  und  nur  aldorten  so  beschwärlich  ist,  die 
„singkunst  auf  solche  weiss  zu  erlernen,  so  lass  ichs  gar  gern  geschehen, 
„dass  man  alldorten  das  ut,  re,  nd,  £a,  sol,  Ia,  zu  Grabe  tragen  möge.  Wun- 
„derlieh  komt  mir  vor  das  M.  Hr.  schreibet,  grosse  Virtuosen  sollen  an  der- 
„  gleichen  baggatellien  nit  einmal  gedenkhen;  ich  halte  M.  Hr.  vor  einen 
„solchen  grossen  Virtuosen ,  und  gleichwohl  hat  er  sich  erniedrigen  wollen 

KöcAd,  J.  J.  Fux.  22 


338  Beil.  m.    i. 

„darvon  Bücher  zu  schreiben.  Ich  meines  theils,  als  der  ich  an  den  grossen 
^Nutzen  dieser  Erfindung  zn  zweiflen  niehmallen  CJrsache  gehabt  habe,  hätte 
„niehmallen  daran  gedacht.  H.  Hr.  hat  mir  die  Ehre  gegeben,  meine  Mei- 
„nung  über  das  geschützte  Orchestre  zu  vernemmen,  diese  habe  ich  ganz 
„anfrichtig,  in  allen  ernst  ohne  scherz  Überschreiben  wollen,  wan  man  dar- 
„mit  nit  zu  frieden  ist,  kan  man  bey  seiner  Mainung  verbleiben,  ich  bins  gar 
„wohl  zu  frieden.  Die  Gleichniss  meiner  Meinung  von  dennen  modis  mit 
„dennen  Stephanss  Türen  ist  zimblich  piquant.  Ich  bin  sonst  gewandt  alzeit 
„mehrer  in  Werkh  darzn  thuen  als  ich  vorgibe;  und  kostete  mir  mein  asser- 
„tum,  das  die  24.  modi  keinen  Grundt  haben,  gar  kein  Miehe  dar  vor  die 
„Augen  zu  legen,  wan  ich  mit  einem  zu  thun  hfitte,  der  kein  esclaue,  und 
„gar  zu  sehr  eingenommen  wäre  von  seiner  aignen  Mainung. 

„Wann  ein  Singer  mit  einer  Cantata  bey  einem  Clavicymbel  den 
„Accompagnanten  ersuchet,  er  möchte  ihm,  Bequemlichkeit  halber  seine 
„Cantate  e.  g.  aus  dem  C 


b  g  ^^ 


ZL 


ut,    re,    mi    etc. 
„um  einen  Ton  höher  transponiren  e.  g. 

4 


h'l -^ 


Ut,    re,    mi   etc. 

„wird  hiedurch  ein  neuer  Modus  gemacht?^ 

„Woraus  nothwendig  erfolget,  das  die  in  dem  beschizten  Orchestre 
„12.  pnetendirte  modi  nur  ein  einziger  seye,  wie  in  beyligenden  Zetl  zu 
„sehend,  dise  Prob  ist  Handtgreifflich,  indeme  in  allen  12.  Systematibus  diser 
„Octaven  die  toni  uAd  semitonia  gleich  eintreffen.  Dass  die  modi  allein  aus 
„dem  genere  Diatonico  müssen  genommen  werden,  ist  dar.  Dieses  zu  be- 
„weisen  ist  vorher  zu  wissen,  das  die  semitonia  auf  zweyerley  weiss  können 
„gemacht  werden:  essentialiter  und  per  accidenz.  Essentialiter,  wan  die 
„Kreuze  oder  b  zu  An&ngs  deren  Linien  gesetzt  werden,  und  mit  einem 
„aus  dennen  6.  modis  naturalibus  Diatonicis  eintreffen,  in  welchen  fahl  Sie 
„modi  transpositi  seind,  und  keinen  neuen  modnm  zu  machen  vermögen. 
„Per  accidenz  werden  die  semitonia  gemacht ,  wan  die  Kreuz  oder  b  in  der 

^  Auf  lothtnen  beylief^enden  Zettel  «tanden  1%  actlae  i«  Noten  deren  ertte  wv 
cdefgahc.  mit  der  Unterschriffl :  ut,  re,  mi,  fa,  nt,  re,  ml,  fa,  wobey  jederteit  das 
wertbe  ml,  fa  eehwarfte  Noten  hatte,  anf  die  Art  wie  aie  iu  der  Org^aniaten- Probe  1.  c. 
▼orgeateflet  worden.  Die  fibrigen  11.  Scalae  modorum  m^jomm  hatten  eben  die  Unter- 
fchrin,  doch  stand  über  einer  jeden  die  Masse  der  Erhöhung  oder  Brni«dri|ning,  Z.  E. 
i*isteaso  modo  d'iin  mexo  tnono  piA  alto  kc.  Und  das  siehet  alles  mit  einander  sehr 
trAstlich  aus. 


Beil.  III.    4.  339 

„Mitten  ungefehr  zu  Veränderung  der  modulation  gesetst  werden ,  als  das 
„Kreuz  vor  dem  c,  oder  das  b  vor  dem  h,  welche  keinen  Ton  zu  ändern  ver- 
„mögen,  quia  accidenz  non  mutat  rei  subatantiam.  Und  würde  gar  unge- 
„reimbt  sein,  wenn  ich  e.  g.  aus  dem  D  moll  ein  Stukh  machte,  und  setzte 
„per  accidenz  im  c  ein  Kreuz,  deswegen  einen  neuen  modum  zu  formireu ; 
„bey  solchen  Umbständen  kundte  man  niemallen  sagen:  das  Stuck  ist  auss 
„diesem  modo  gemacht.  Wan  man  aber  das  Kreuz  im  c  essentialiter  setzen, 
„und  dadurch  einen  neuen  modum  formiren  wollte,  ist  wohl  zu  erwegen,  ob 
„dieser  neue  modus  von  solcher  Wichtigkeit  seye ,  dass  man  etwas  neues 
„wider  derer  alten  Autoritet  statuiren  solte.  Die  modulation  wurde  es 
„weisen,  wie  arm  dieser  neue  modus  (D  moll  mit  dem  Yorgesetzten  Kreuz 
„ins  c)  seyn  wurdte.  Wollte  ich  in  das  F  als  seiner  tertia,  moduliren,  hätte 
„das  eis  keinen  Platz  mehr.  Wollte  ich  in  das  A ,  als  seiner  quinta ,  moduli- 
„ren,  und  etwan  eine  Cadenz  vom  e  ins  a  machen,  wurd  das  eis  einen  üblen 
„effect  machen  1.  Gesetzt,  dato,  non  concesso,  ich  liesse  dieses  systema : 
„defgahcisd,  fiir  einen  modum  gelten,  so  wäre  dieser  der  erste  und 
„der  abgesetzte  im  C  der  andere  modus.  Wo  blieben  denn  die  übrigen 
„22.  modi^?  Ans  welchem  inconvenienti  clar  zu  sehen  ist,  das  die  toni  oder 
„modi  anf  kein  Weiss  auf  der  tertia  majori  oder  minori  zu  formiren  seind, 
„wie  IeL  Hr.  vorgibt.  Ich  habe  dieses  etwas  weitleifflger  überschreiben 
„wollen,  umb  M.  Hr.  auf  bessere  Gedankhen  zu  bringen,  auss  Beysorge 
„M.  Hr.  mochte  sonsten  bey  dennen  der  Musique  recht  kündigen  eia 
„schlechten  Ruhm  darvon  tragen,  welches  mir  sehr  leydt  seyn  sollte,  indeme 
„M.  Hr.  sonsten  wegen  seiner  besonderen  Gelehrheit,  und  Eyfer  gegen  der 
„lieben  Musique  ein  besondere  estime  meritirt.  Bitte  sonsten  mich  zu  ver- 
„schonen  mit  Eintruckhung  meiner  unpolirten  zweyer  Briefen  . .  .^  meine 
„Mainnng  aber  von  der  Solmisation  und  den  modis  kan  der  ganzen  Welt 
„bekannt  seyn^.  Bei  diesen,  meine  Mamung  anbelangend,  soll  es  seine  Be- 
„wandniss  haben,  dann  ich  weder  Zeit  weder  humor,  noch  iucliuatiou  zu 
„dergleichen  strittigen  Schreib- Art  habe.  Kan  M.  Hr.  ich  sonsten  alhier  ein 

^  Wenn  dietea  Argument  achlietst ,  «o  sind  4.  von  den  6.  alten  modia  in  eben 
der,  i«  in  noch  firgerer  Verdamniss,  alt  Z.  E.  D  moll  mit  dem  h ;  E  rooll  ohne  fis ;  F  dur 
ohne  b;  G  dar  ohne  fis.  Denn  wer  bei  dem  ersten,  als  Dorio,  im  P,  als  seiner  Tertia, 
moduliren  will,  der  kann  kein  h  gebrauchen;  wer  bey  dem  andern,  als  vermejnteu 
Phrygio,  nor  im  H,  als  seiner  Quinta,  modniiren  will,  der  findet  Tor  dem  F  keinen  Platz 
mehr;  der  dritte,  seilicet  Lydias,  kan  kaum  iu  seiner  chorda  flnali,  geschweige  denn  io 
Sexta  vel  Quarta  eine  modulation,  ohne  b,  anstellen;  und  hat  es  doch  niebt.  Wie  will 
auch  der  vierte,  quasi  Mizo-Lydius  mit  seinem  f  au  rechte  kommen?  findet  das  wohl 
Raum,  wenn  ich  nur  im  D  als  Quinta,  im  H,  als  Tertia,  im  E,  als  Sexta,  moduliren  will  ? 
dann  da  muss  lauter  fis  seyn. 

^  Sie  sind  oben  f.  14  in  Lebens-GrÖsse  dargestellt. 

'  Was  hier  fehlt  wird  mit  Fleis«  ausgelassen. 

^  Wie  kunte  dieses  besser  geschehen,  als  ipsissimis  verbis  Fuxianis;  doch  mit 
Weglassnng  derjenigen  Ausdriickungen,  die  eigentlich  nicht  zur  Sache  gehören. 

2-2* 


340  Beil.  III.    5«  6. 

„angenemmen  Dienst  erweisen,  wolle  man  nur  iVey  mit  mir  befehlen,  aU 
„der  ich  bin  und  verbleibe 

Meines  Hochgeehrten  Herrn 
Dienstwilliger 
Johann  Joseph  Fux.** 
„Wienn  den  12.  Jan.  1718. 

„P.  S.  Ich  kundte  vttü  vortheilhafftiges  für  mich,  von  meinem  Auf- 
^khommen,  unterschiedlichen  Dienst-Verrichtungen  Überschreiben,  wan  es 
„nit  wider  die  modestie  wäre  leibst  meine  elogia  hervorzustreiohen :  In- 
„dessen  seye  mir  genug,  das  ich  wirdig  geschätzt  werde,  CAROLI  VL 
„erster  Capellmeister  zu  sein^. 

(XVI.) 

ft«  Wir  sehen  hieraus,  dass  allerhand  krumme  Wege  von  denen  gesucht 
werden  müssen,  die  auf  dem  geraden  Wege  fortzukommen  sich  nicht  ge- 
trauen. Diese  Abwege  sollen  wir  kennen  lernen,  so  kümmern  sie  uns  nicht. 
Die  erste  Ausflucht  in  obigem  Briefe  betriflft  den  g^ten  Menippum,  als  wenn 
der  Auetor  Orchestrae  verbunden  wäre ,  einen  pseudonymum  zu  vertheydi- 
gen.  Zweitens  will  man  nicht  verstehen,  dass  ein  anders  sey :  de  Sohmsatione 
Bcribere,  &  contra  Solmisationem  scribere.  Drittens  werden  mir  ganz  andere 
Worte  angedichtet,  und  die  expressiones  verdrehet.  Viertens  mnss  sich  die 
•Hamburgische  Musik  spotten  lassen.  Fünftens  kommen  gar  Scheltworte  auf 
den  Plan.  Sechstens  wird  tonorum  locatio  mit  den  semitoniis  unbillig  ver- 
mischt. Siebendes  entstehet  ein  unphilosophischer  circulus,  und  Achtens 
erscheinen  ganz  unzeitige  Weissagungen.  Ob  dieses  nun  gute  Gründe  sind, 
dadurch  sich  einer  zur  Solmisation  und  zu  den  alten  Modis  bewegen  lassen 
wird,  mag  die  Welt  urtheilen.  Wir  wollen  sehen,  wie  sie  in  der  Beantwortung 
gerathen  sind,  und  wie  insonderheit  das  Postscriptum  so  abgefertiget  worden, 
dass  sich  die  falsche  Modestie  hiniUhro  nur  gar  verstecken  mag. 

(XVII.) 

6*  Hoch  Edler  etc : 

Hoch  V.  vielgeehrter  Hr.  Ober-Capellmeister, 

„MenippuB,  dessen  Sie  in  ihrem  Briefe  von  12.  Jan.  erwehnen,  hat 
„nichts  weniger,  als  eine  Lob-Rede,  in  Auctorem  Orchestrae,  gemacht;  er 
„hat  nur  blos  einen  eylfertigen  Fluch,  wider  die  Aretinische  Solmisation 
„und  deren  Verfechter,  dergestalt  ausgestossen,  wie  es  ihm,  als  einem 
„experto  Ruperto,  ums  Herz  gewesen  ist.  Dass  er  aber  daneben  den  frommen 
„Guidonem  zum  Atheisten  ^  macht,  solches  rühret  aus  einem  gelehrten  Ver- 

^  Die  Aufschrifft  dea  Briefes  ist  der  vorigen  g^leicb,  nur  da««  es  heisst:  HHam- 
bourgne  an  der  Elbe. 

^  Im  in.  Orcb.  ist  dennoch  p.  787.  &  788  snttsam  erwiesen  worden,  duts  dem 
Aretin  auch  hierin  «^ar  nicht  zu  Tief,  sondern  wob!  in  wenig,  geschehen  ist. 


Beil.  III.    6.  341 

^aehen  her,  das  im  blossen  Namen  steckt:  weil  nicht  Gruido,  sondern  Petrus 
n  Arentinus,  dafür  passiret.  Grosse  Leute  können  auch  fehlen,  und  hätte  man 
^den  Innhalt  des  Carminis  vor  dem  Druck  überlegen  können,  würde  es  ohne 
t,  Zweifel  geändert  worden  seyn.  Inzwischen  darff  man  mir  anderer  Leute 
„Uibersichten,  dabei  ich  keine  Hand  gehabt,  desto  weniger  beymessen.  — 

„Um  Verzeihung,  mein  Herr  Ober-Capellmeister,  ich  habe  keine  Bücher 
^von  der  Solmisation  schreiben,  sondern  nur  ein  einziges  Capitelgen 
„wieder  die  Solmisation^  weil  ich  dazu  genöthigt  worden,  im  beschützten 
„Orchestre,  mit  einrücken  wollen;  wie  ungern,  weiss  ich  am  besten,  und 
„bezeuge  es  auch  an  mehr  als  einem  Orte. 

„So  gebrauche  ich  femer  keines  Weges  solche  expressiones ,  wie 
„M.  Hr.  mir  voriiält,  nehmlich:  dass  grosse  Virtuosen  nicht  eintnal 
„an  dergleichen  Bagatellien  gedenken  sollten;  sondern  meine 
„Gedanken  sind  in  diesen  Worten  abgefasst:  Es  ist  Sünde,  Schande 
,^und  Schade,  dass  verständige  Componisteu  ein  Wörtgen, 
„solcher  Possen  halber,  verliehren  sollen,  c'  est  ik  dire:  mitder 
„Frage,  ob  die  Tone  durch  das  abgelösete  ut,  re,  mi,  fa,  oder  durch  ein  an- 
„deres,  zulängKchers  Hülffs-Mittel,  ausgesprochen  und  benennet  werden 
„müssen?  Dabei  bleibe  ich,  und  verlange  gar  nicht  das  prtedicatum  eines 
„grossen  Virtuosen  zu  behaupten,  importunus  enim  amat  laudari;  sondern 
„verharre  gern  auf  dem  geraden  Mittel- Wege:  zumal  da  Hamburg  ja  nicht 
„die  ganze  musicalische  Welt  ist ,  wie  M.  Hr.  ziemlich  verächtlich  schreibt. 
„Ich  habe  mir  sonst  sagen  lassen,  das  gute  Welsch-Land,  ob  es  wohl  einiger 
„massen  das  vornehmste  Seminarium  musicum  mit  ist,  könne  sich  doch 
„dieses  Titels  der  ganzen  musikaiisohen  Welt  noch  lange  nicht  anmassen : 
„weil  hinter  dem  Berge  auch  Leute  wohnen ,  und  so  wohl  in  Teutschland 
„als  England  hin  und  wieder  (Franckreichs  zu  geschweigen)  ein  kleines, 
„doch  reiches  und  solides,  musikalisches  Pegn  hervorraget,  welches  tusci 
„turba  impia  vici  noch  niemals  auf  der  Ca8traten*Land- Carte  hat  finden 
„können.  Ich  erinnere  mich  hiebey  der  Worte  des  Monzambani,  alias  Puf- 

^  Dut  hiit  ein  reehtscbaffener  TeuUcber,  zumal  bcy  er^ng«n«r  provocation,  desto 
mehr  Ursache,  weil  man,  id  DurchlesttDi?  alter  Kirchen-Geschichte«  nicht  ohne  Befrem- 
^dao^,  ersehen  mass,  wie  so  manohera  ehrlichen  Mann,  dieser  Schol-Possen  halber,  su 
nahe  geschehen  ist.  Z.  E.  A.  I$d8.  Ist  xu  LGbeck  ein  Rector  gewesen,  Namens  Panera- 
tius  Cnigerius,  ehmaliger  Cantor  Martinianas  in  Braunschweig,  denselben  bat  das  Lfibe- 
kische  Ministerium,  anter  andern,  auch  deswegen  übel  tractirt,  ron  den  Kanseln  ge- 
scholten, Toro  Abendmal  verwiesen,  und  endlich  gar  vom  Dienste  gebracht,  weil  er  das 

• 

ut,  re,  mi  ke:  ins  »,  b,  e,  verSndert.  Denn  so  schreibt  der  Reeensente  Athenar.  Lubec. 
in  Actis  Erudif.  lat.  17Z2.  Oct.  p.  499  »q.  Querto,  eum  (Crugerium)  in  jus  rocabant 
(sacerdotes)  ob  novitatem  musicam.  Abrogarat  enim  Crugerius  vetus  illnd:  ut,  re  kc 
c^jusque  in  locum  cani  jusseral:  a,  b,  c.  Und  also  sieht  man,  wie  schon  vor  hundert  und 
etlichen  Dreyssig  Jahren  die  solmisirende  inqnisitores  so  gerne  A,  B,  C  Mirtjrer 
machen  mogten ,  selbige  Lehrart  aber  eben  so  wenig  haben*  verlilgen  können ,  als  die 
Jesuiten  das  Evangelium. 


342  Beil.  III.    6. 

^fendorffs,  da  er  in  seinem  Buche ,  de  Imp.  Kom.  uns  italiSnisirten 
„Teutschen  diesen  artigen,  obwohl  stichelichten,  Text  lieset.  Apnd  transal- 
npinos  all  quam  prudentiie  opinionem  conciliat,  vel  de  sumrois  montibus 
^fltaliam  conspexisse.  Wenn  ich  nun  dieses  an  seinem  Orte  gestellet  seyn 
,, lasse,  so  gehet  doch,  hier  zu  Lande,  in  unsrer  Barbarey,  die  Bede  sehr 
^starck,  dass  die  Herrn  Italiäner  mehrentheils  recht  gute  Puteanisten  seyn 
^sollen,  und  die  ehrliche  siebende  Sylbe  si,  so  wie  auch  die  Herren  Franzosen, 
^anfalle  Weise  zur  Erfflllong  der  Octava,  hinzu  setzen.  Doch  werde  mich 
„ein  wenig  weiter  erkundigen,  ehe  ich  es  umstfindlicher  bejahe. 

„Mein  Hochgeehrter  Herr  hat  sonst  in  dieser  Oorrespondenz  mit  einem 
„zu  thun  gehabt,  der  nichts  weniger,  als  ein  Esclave,  weder  seiner  eigenen 
„noch  andrer  ungegrilndeten ,  Meynungist;  der  so  frey  gebohren,  so  frey 
„lebet,  und  einer  solchen  freyen  Nation  dienet,  dass  bey  ihm  Sciaverey  und 
„Böhmische  Dorffer,  im  gleichen  Grad,  unbekannte,  fremde  Dinge  sind.  Er 
„hat  auch  neulich  noch  ein  Buch  gelesen ,  das  heisst :  la  libertö  de  penser ; 
„und  ob  er  gleich  mit  dessen  Auetori  nicht  in  allen  Stücken  einig  ist,  so 
„liebt  er  doch  den  Titel  der  Freyheit;  deprecirt  aber  mit  aller  Macht  den- 
„ jenigen  garstigen  Namen,  so  M.  Hr.  ihm  beylegen  will:  der,  ob  er  zwar 
„nichts  minder  als  piqnant  ist,  doch,  Tentsch  zu  sagen,  etwas  grob  klinget. 

„Sie  haben  mir  die  Ehre  gethan ,  mein  werther  Herr  Ober-CapeUmei- 
„ster,  und  ihre  Meynung  wegen  des  beschützten  Orchesters  übergeschrieben; 
„damit  bin  ich  auch  anitzo  gantz  gerne  zu  frieden,  weil  sie  mich  nunmehr 
„in  ihrem  zweiten  Briefe  versichert,  dass  es  in  allem  Ernst,  und  ohne  Scherz, 
„gemeynet  sey.  Ich  will  demnach  weiter  nichts  von  der  Sache  an  diesem 
„Orte  beriihren,  sondern  meine  Gedanken  biss  auf  eine  bequemre  Gelegen- 
„heit  versparen,  da  wenigstens,  wo  nicht  die  gantze,  doch  die  halbe,  und 
„zwar  teutsche  musikalische  Welt  urtheilen  soll,  wer  eigentlich  von  uns  ein 
„wirklicher  Sclave  seiner  alten  Meinung  sey,  quis  antiquum  obtineat?  Da- 
„ selbst  1  und  als  denn  wird  auch  die  Frage  völlig  aufgelöset  werden:  Ob  ein 
„neuer  Modas  entstehe  oder  nicht,  wenn  ein  Stück  aus  dem  C  ins  D  versetzt 
„wird,  etc:  Es  ist  mir  sonst  lieb,  dass  der  Herr  Ober-Capellmeister  uns  die 
..loeationem  Semitonii,  in  allen  12.  Systematibus  (majoribus)  so  fein  und 
„artig,  auf  einen  kleinen  Zettel  vorgeschrieben  hat,  auch  den  Unterschied 
„inter  ens  &  accidens  dabey  lehren  wollen :  man  hat  es  noch  hier  zu  Lande^ 
„auf  die  Art  nicht  gesehen,  und  weil  die  piece  curieuse  ist,  werde  um  Er- 
„laubniss  bitten,  sie  mit  in  der  Druck  zu  gebend  ob  ich  gleich  dabey,  nach 
„Ew.  Hoch-Edl.  Befehl,  das  anstössige  in  den  von  M.  Hn.  selbst  sogenannten 
„beyden  unpolirten  Briefen  auszulassen  besondere  Sorge  tragen  werde,  und 
„bloss  dero  Meynung  von  der  Solmisation  und  den  Modis  (die  ja  nach  ge- 
„  gebener  eigenhändigen  permission  der  gantzen  Welt  bekandt  seyn  mag) 
„in  gehörigen  terminis  zu  entdecken  gesinnet  bin.  Wenn  ich  aber  solchem- 

'  Vid.  OrguDisCen- Probe  in  der  Vorbereitung  p.  6.^  &  seq. 

^  E8  ist  oben  schon  eine  Bescbretbung'  davon  ertbeilet,  die,  in  Ermanf^lung  der 
Noten,  einiger  mnssen  zureicbt. 


Beil.  III.    6«  343 

^nach  nur  ein  Paar  unpolirter  Briefe  von  M.  Hr.  erhalten  haben  soll,  so  ver- 
klangt mich  ungemein,  einen  einzigen  polirten  zu  sehen ;  doch  stehet  dahin, 
„ob  £w.  Hoch<£dl.  mich  damit  bewürdigen  wollen. 

„Wo  das  Semitonium  sitzet,  das  habe  durch  meines  Hochgeehrten 
„Herrn  gütige  Manuduction  nun  endlich  begriffen,  dass  es  nehmlich  in  allen 
„12.  Octaven  meines  systematis  (majoris)  gleich  eintreffe;  aber,  dassEw. 
„Hoeh-Edl.  zu  setzen  belieben,  die  Tone  thäten  solches  auch,  das  wird  wohl 
„ein  kleines,  durch  anderweitige  grosse  virtü  zu  bedeckendes,  Versehen 
„seyn.  Mandarffnur,  unbeschwert,  die  tonos  majores  a  minoribus  unter- 
„seheiden,  so  wird  sich  weisen,  wie  C  und  D  so  artig  damit  spielen.  Perraro 
„haec  alea  fallit :  Diese  Kunst  geht  fest 

„Wenn  aber  die  Modulatio,  sie  sey  reich  oder  arm,  de  Modis  eorumque 
„distinctione  den  Ausspruch  geben  soll,  was  haben  denn  die  Semitonia  fllr 
„ein  unnöthiges  Amt  bekommen  ?  Circulus  hie  vero  Musica  indignus  est. 
„Falls  mein  Hochgeehrter  Herr  dasjenige  Systema,  wo  die  Semitonia 
„im  andern  und  siebenden  Grade  liegen  (das  ich  nur  zum  Spass  gemacht) 
„für  einen  neuen  Modum  gelten  Hesse,  und  früge  denn  in  Ernst,  non  dato; 
„sed  concesso,  wo  die  übrigen  22  blieben?  so  wollte  ich  darauf  antworten  i. 
„Ich  habe  sie  schon  entworffen  und  dachte  sie  weiter  auszuarbeiten;  (i.  e. 
„mit  exemplis  zu  erläutern)  allein  Horatius  gerieth  mir  eben  in  die  Hände, 
„mit  dem  Vers  in  seiner  VIII.  Satyra: 

Responsura  tuo  nunquam.est  par  fama  labori. 
„Ob  ich  übrigens  schlechten  oder  krausen  Ruhm,  wegen  meiner  un- 
„massgeblichen  Gedancken,  bei  den  recht-  und  schlecht-kundigen  der  Music, 
„davon  tragen  werde,  als  worüber  M.  Hr.  mit  einem  angemassten  Leidwesen 
„in  antecessiun  etwas  bekümmert  zu  seyn  scheinet,  solches  ist  mir  gleich- 
„giltig :  sintemal  ich  keiner  von  denen  bin  (mit  Nazianzeno  zu  reden)  quos 
„magis  movet  gloria,  quam  amor  bouL  Genug,  wenn  mir,  wegen  des  herz- 
„lichen  Eyfers  für  die  liebe  Music,  eine  besondere  Achtung  gehöret  und 
„gebühret;  ob  ich  sie  bekomme  oder  nicht,  daran  liegt  blutwenig.  Mein 
„Wahlspruch  ist  dieser: 

Un  generoso  cor  s'appaga  e  gode 
Di  meritar,  non  d'ascoltar,  la  lode. 
„Und  hiebei  mag  es  denn^in  Gottes  Namen,  mit  unserm  kleinen  Brief- 
„weehsel über  obgeregte  Materien  sein  Bewen4en  haben;  dieweil  ich  meines 
„Hochgeehrten  Herrn  Zeit ,  humeur  und  inclination  bey  Leibe  nichts  in  den 
„Weg  zu  legen  gedenke,  sondern  mir  immer  die  grosseste  Ehre  machen 
„werde,  mit  aller  Hochachtung  zu  ersterben 
Ew.  Hoch-Edl. 
meines  Hoch-  und  Vielgeehrten  Herrn  Ober-Gapellmeisters 

gehorsamer  Diener 
Hamb.  den  12.  Febr.  1718.  Matthesou. 

^  Es  ist  solches  oben  sur  Genüge  geschehen,  und  iiUes  mathematisch  erwiesen 
worden;  mehr  die  Ohnmacht  des  Semitonii,  als  sonst  etwas,  ans  Licht  lu  stellen.  ' 


344  Beil.  Hl.    6. 

„P.  S.  Ich  bitte  M.  H.  hieinit  nochmals  auf  das  nachdrücklichste  und 
„inständigste,  nicht  eben  mir,  sondern  vielmehr  der  hin  und  wieder  unterge- 
,, drückten  Music,  die  unverweigerliche  Ehre  zu  erweisen,  und  sowohl  von 
„andern  dasigen  Orten,  als  insonderheit  von  £w.  Hoch-Edl.  Aufkommen, 
„Dignitaten,  Einkommen,  Rang,  etc.  solche  facta  &  acta  mitzutheilen,  die 
„gar  mit  keiner  Modestie  streiten,  und  veritatem,  absque  elogio,  enthalten, 
„auch  hierauf  (nehmiich  auf  diesen  einzigen  Punkt  nur)  eine  kurze  doch 
„gewierige,  hochgeneigte  und  baldige  Antwort  zu  ertheilen;  sintemal  ob  es 
„gleich  Ew.  Hoch-Edl.  Person  gnug  ist,  dass  sie  würdig  geschätzt  werden, 
„des  unüberwindlichsten  Romischen  Kaysers  CAROLI  VI. 
„erster  und  vornehmster  Capellmeister  zu  seyn;  so  ist  doch  solches  der  ge- 
nlehrten und  curieusen  Weit  damit  noch  gar  nicht  genug,  und  sind  Ew. 
„Hoch-EdL  als  die  gleichsam  an  der  Spitze  musikalischer  Republick  stehen, 
„ex  officio  &  vocatione  verbunden,  durch  den  Beytrag  der  Erzehlung  ihrer 
„rühmlichen  Verrichtungen,  besonderer  Ehren-Steilen  etc:  dem  Ansehen, 
„dem  leyderl  an  vielen  Orten  schrecklich-gefallenen  Ansehen  unsers  aller- 
„liebsten  und  alleredelsien  Studii  kräfftigst  mit  aufzuhelffen : 

plerumque  modestus 

Occupat  obscuri  speciem :  taciturnus  acerbi. 

„Wird  mir  diese  Bitte  (als  welcher  wegen  ich,  die  Wahrheit  zu  sagen, 
„eigentlich  noch  diesesmalil  mit  meinem  Schreiben  beschwerlich  fallen  muss; 
„da  es  sonst  wohl  nachgeblieben  wäre)  wird  mir,  sage  ich,  dieses  allerbil- 
„ligste  Begehren  zum  viertenmal  abgeschlagen:  so  will  ich  vor  der  Welt 
„entschuldiget  seyn ,  wenn  sie  etwan  sinistre  von  dergleichen  misgünstigen 
„Weigerungen  urtheilen  sollte. 

„Ist  es  denn  so  was  seltenes ,  seinen  eigenen  Lebens-Lanff  selbst  zu 
„beschreiben?  Hat  es  nicht  der  fundator  Monarchie  RomansB  selbst  derge- 
„stalt  gethan,  dass  es  biss  auf  diese  Stunde  nützlich  und  löblich  ist?  Ich 
„weiss  zwar  wohl,  was  Cicero  Lib.  V.  ad  Famil.  Epist.  12.  davon  hält.  Allein 
„man  kan  ihm  eine  Menge  gelehrter  Leute,  und  unter  andern,  neuem,  in- 
„ Sonderheit  Cardanum,  Thuanum  &c.  entgegen  setzen,  die  es  mit  gutem 
„Glück  gethan  haben.  Bussy  ^  gehört  hier  oben  an ;  seine  Gredanken  sind 
„recht  edelmüthig,  und  verdienen  billig  Platz:  Je  parlerai  (sagt  er  pag.  2. 
„seiner  Memoires)  moi-mSme  de  moi ,  &  je  ne  ferai  pas  comme  ceux ,  qui 
„pour  avoir  pretexte  de  faire  leur  panegyrique  de  leur  histoire,  reerivent 
„sous  des  noms  emprnntez:  je  ne  serai  ni  assez  vain,  ni  assez  ridicule,  pour 
„me  louer  sans  raison;  mais  aussi  n'anrai-je  pas  une  assez  sötte  honte,  pour 
„ne  pas  dire  de  moi  des  choses  avantageuses  quand  ce  seront  des  veritez. 
„d.  i.  Ich  werde  selber  von  mir  reden,  und  es  denen  nicht 
„gleichthun,  die  ihren  Leb ens -Lauf f  unter  entlehnten  Namen 
„abfassen,   damit  sie   nur   einen   Vorwand   bekommen,   sich 

^  Dieser  Zusatz  von  Bussy,  und  die  zweite  Stelle  des  Taciti ,  befandeo  sich  nicht 
im  Original;  ich  habe  sie  aber,  um  das  unnöthige  Bedeeken  desto  besser  zu  heben, 
hier  mit  eingerückt. 


Beil.  III.    7.  345 

„eine  Lob-Rede  zu  halteiif  Ich  heg^e  keine  solche  lächerliche 
„Einbildung,  dass  ich  mich  selber,  ohne  Ursache,  rtthmen 
„sollte;  aber  es  wohnet  mir  auch  keine  solche  alberne 
„8chaam  bey,  dass  ich  etwas  vortheilhafftes  von  mir  zu 
„melden  Bedenken  tragen  sollte,  wenn  es  die  lautere  Wahr- 
„heit  ist. 

„  Jonsius  recensirt  die  alten  berühmten  Leute ,  die  sich  selber  ihr  cur- 
„riculum  vitse  gestellt  haben,  Lib.  III.  de  Sciiptor.  Uistor.  Philosoph,  cap.  2. 
„§.  222.  Vom  Rutilio  und  Scauro  sagt  Tacitus,  in  yita  Agric.  cap.  I.  no.  3. 
„dass  ihre  Beschreibungen,  die  sie  sich  mit  eigner  Hand  verfertiget,  nee 
„citra  fidem,  nee  obtrectationi,  gewesen  sind:  das  ist,  sie  haben  weder  un-. 
„glaubliche  Prahlereyen,  noch  verkleinerliche  Dinge  vorgebracht;  man  hat 
„ihre  £rzehlungen  aufrichtig  und  so  befunden,  dass  nichts  dawider  zu  sagen 
„gewesen.  Es  redet  Tacitus  I.  c.  von  der  damaligen  löblichen  Grewohnheit 
„berühmter  Männer,  dass  die  meisten  von  ihnen  ihr  eigenes  Leben  selbst 
„beschrieben  haben ;  nicht  aus  Hoffart,  sondern  aus  fester  Zuversicht  ihres 
„g^tes  Wandels.  Plerique  suam  ipsi  vitam  narrare  liduciam  potius  morum, 
„quam  arrogantiam,  arbitrati  sunt.  Zudem  hat  es  hier  ja  noch  eine  ganz 
„andere  Bewandniss,  und  ist  solchen  Falls  das  beste  Mittel,  dass,  ob  gleich 
„ein  jeder  seinen  Lebens-Lauff  selbst  entwirfft,  weil  er  solchen  am  besten 
„kennet;  dennoch  sothane  Beschreibungen,  Wohlstands  halber,  einem  drit- 
„ten  Mann,  zur  Bearbeitung  und  Herausgabe,  überlassen  werden.  Wüste  ich 
„M.  Hr.  Verichtungen  und  Thaten  so  wohl,  als  er  selbst,  oder  könnte  die- 
„  selbe  aus  Büchern  erlernen,  (vielleicht  erfahre  ich  doch  noch  etwas)  ich 
„wollte  gewiss  nicht  viel  gute  Worte  darum  verlieren;  doch  werden  auch 
„diese  die  letzten  sein.  Adio ! 

9*  Johann  Mattheson's  Anschuldigung  des  kais.  Hofcompositors 
Francesco  Conti. 

Obwohl  diese  Angelegenheit  seit  ihrem  Entstehen  (1739)  viel  mehr 
als  ein  Jahrhundert  hinter  sich  hat ,  so  rumort  sie  noch  heutigen  Tages  in 
musikgeschichtlichen  Werken,  so  in  der  zweiten  Auflage  (1861)  des  vielver- 
breiteten Werkes  F.  J.  Fötis,  Biographie  universelle  des  musi- 
ciens  wie  in  dem  verdienstvollen  Handbuche  der  Musikgeschichte  von 
Arey  von  Dommer  (1868).  Beide  nehmen  von  der  Ehrenrettung  Fran- 
cesco Conti's  durch  Simon  Molitor  in  der  AUg.  Mus.  Zeitg.  1838 
pag.  153  ff.  keine  Notiz,  und  da  von  Anschuldigungen,  aueh  wenn  sie  durch 
und  durch  lügenhaft  sind,  immer  etwas  hängen  bleibt,  so  soll  hier  der  ganze 
Sachverhalt  in  allen  belastenden  und  entlastenden  Stücken  kurz  aufgenom- 
men und  was  aus  amtlichen  Urkunden  in  neuester  Zeit  hinzugekommen  ist, 
zusammengestellt  werden. 

Nicht  leicht  ist  ein  niedertrachtigeres  Gewebe  von  Lügen  mit  ganz 
erfundenem  Detail,  welche  für  viele  als  der  Ausspruch  einer  Autorität,  wofür 
Mattheson  galt,  als  wahr  angenommen  werden  konnten,  im  günstigsten 
Falle  mit  seltenem  Leichtsinne ,  im  schlimmeren  als  ein  Ausfluss  raffinierter 


346  Beil.  III.    8. 

Bosheit  in  die  Welt  geschickt  worden  ids  in  diesem  berüchtigten  Handel. 
Mattheson  gibt  in  seinem  vollkommenen  Kapellmeister  au ,  einen  Brief  aus 
Regensburg  vom  9.  October  1730  erhalten  zu  haben,  welcher  die  Scandal- 
geschichte F.  Conti's  wegen  thätlicher  Beleidigung  eines  Priesters  und  der 
darauf  erfolgten  Kirchenstrafe,  des  vierjährigen  Kerkers  auf  dem  Spielberge^ 
und  der  ewigen  Verweisung  aus  den  österreichischen  Staaten  mit  minutiöser 
Genauigkeit  enthalten  haben  soll.  War  Mattheson  damit  mystificiert  worden, 
was  nOthigte  ihn  denn,  in  einem  Werke,  wie  der  vollkommene  Kapellmeister 
war,  eine  solche  Scandalgeschichte  aufzunehmen?  Allerdings,  der  schreib- 
wttthige  Mattheson  findet  überall  und  zu  allem  PUtz,  und  einer  solchen 
Verlockung  konnte  ein  solcher  Freund  des  Scandals  nicht  widerstehen.  Seit 
1730,  wo  diese  Begebenheit  sich  zugetragen  haben  sollte,  bis  zur  Heraus- 
gabe des  „Kapellmeisters^  im  Jahre  1739,  also  durch  volle  neun  Jahre 
hfttte  der  Mann,  der  wie  er  sagt,  „voll  Hochachtung  für  dieses  ungemeinen 
Virtuosen  (F.  Conti)  Verdienste  als  Tonmeister*^  überfliesst,  Zeit  genug 
gehabt,  von  der  Wahrheit  jenes  infamierenden  Briefes  sich  zu  überzeugen, 
allein  das  „herzliche  Mitleiden  (! !)  so  er  über  Conti's  Unglück  und  grosse 
Sittenschwachheit  empfindet"  musste  den  elenden  Tartüffe  bestimmen ,  der 
Welt,  die  nichts  davon  zu  wissen  begehrte,  alle  diese  ehrenrührigen  An- 
schuldigungen aufzutischen;  im  entgegengesetzten  Falle  wäre  freilich  die 
Welt  um  die  schon  fertigen  schalen  lateinischen  Verse  gekommen,  die 
„man"  auf  Conti  gemacht  hat.  —  Auch  von  der  1754  in  Marpurgs  krit. 
Beitr.  I.  219  ff.  erschienenen  Richtigstellung  der  Thatverhältnisso  hätte  der 
alte  hartgekochte  Sünder  Kenntniss  nehmen  können  und  sollen,  allein 
das  war  für  einen  Menschen  mit  Mattheson 's  eherner  Stime  eine  lächerliche 
Zumuthung. 

Dem  Leser,  welcher  die  nachfolgenden  Actenstücke  durchzugehen 
Anstand  nimmt,  sei  gleich  hier  erwähnt,  dass  Francesco  Conti  sich  keines 
Vergehens  schuldig  gemacht,  dessen  Sohn,  Ignazio  Conti,  aber  in  der 
Hitze  eines  Wortwechsels  einen  Priester  thätlich  beleidigt  habe,  worüber 
er  zum  Kirchenbann  verurtheilt,  durch  Abbitte  auch  hievon  nach  einem 
Monat  der  Untersuchung  Absolution  erhielt.  Alles  übrige  wegen  Stehens 
an  der  Kirchthüre,  Festungsstrafe  und  Landesverweisung  ist  vollständig 
Erdichtung. 

8.  Joh.  Mattheson,  vollk.  Kapellmeister,  p.  49,  schreibt: 
„§.46.  Conti,  der  grosse,  aber  auch  unglückselige  Tonkünstler, 
ehemals  kais.  Vice-Kapellmeister  (!)  ein  in  seiner  Wissenschaft  vortrefflicher 
Mann,  von  dessen  Fatalitäten  ich  bei  dieser  Gelegenheit  einige  glaubwürdige 

Nachricht  zu  geben  nicht  umhin  kann,  war 

§.  47.  Die  Hochachtung,  so  ich  für  dieses  ungemeinen  Virtuosen  Ver- 
dienste als  Tonmeister  trage,  und  die  ein  jeder,  der  solche  Verdienste  recht 
einsiehet,  mit  mir  hegen  wird,  sammt  dem  herzlichen  Mitleiden,  so  ich  über 
sein  Unglück  und  grosse  Sittenschwachheit  empfinde,  werden  mich  ent- 
schuldigen, dass  ich  hier  einschalte  den  folgenden 


Beil.  III.    9.  347 

§.  48.  Auszug  eines  Briefes  aus  Regensburg  vom  9.  Öct.  1730:  „Am 
10.  8ept  ist  zu  Wien  der  kais.  Compositore  di  Musica  Francesco  Conti 
vermöge  des,  von  dasigem  Consistorio  über  ihn  erkannten  Kirchenbannes^ 
vor  die  Thtir  der  Cathedralkirche  zu  St.  Stephan  gestellet  worden.  Es  hat- 
ten zwar  Ihro  kais.  Maj.  aus  angebomen  höchsten  Milde  das  dreimalige 
Stehen  auf  eines  gesetzt;  nachdem  sich  aber  der  Mann  das  erste  Mal  im  Gre- 
sichte  vieler  hundert  Personen,  sehr  übel  aufgeftihret,  als  ist  derselbe  den 
17.  Sept.  zum  andern  Male,  vor  obgedachte  Kirchthüre  in  einem  langen 
härenen  Rock,  so  man  ein  Busskleid  nennet,  zwischen  zwölf  Rumorknech- 
ten ,  die  einen  Kreis  iim  ihn  geschlossen ,  mit  einer  brennenden  schwarzen 
Kerze  in  der  Hand,  eine  Stunde  lang  gestellet  worden,  desgleichen  auch  am 
24.  dito  geschehen  soll.  Seine  Speise  ist  Wasser  und  Brot,  so  lange  er  unter 
der  geistlichen  Obrigkeit  stehet;  nach  üebergebung  aber  an  die  weltliche 
soll  derselbe  dem  von  ihm  geschlagenen  Geistlichen  1000  Gulden 
Schmerzengeld  und  noch  alle  Unkosten  bezahlen,  sodann  vier  Jahre  auf  dem 
Spielberge  sitzen  und  nachgehends  auf  ewig  aus  den  östr.  Landen  verwie- 
sen werden ;  die  weil  er  als  er  zum  ersten  Male  vor  der  Kirche  nthüre  gestan- 
den eine  so  grobe  und  ärgerliche  Unverschämtheit  gebraucht.  Vorgemeld- 
ter  Hofcompositeur  ist  darum  zu  solcher  Strafe  verurtheilt  worden,  dass  er 
an  einen  weltlich.  Geistlichen  gewaltthätig  Hand  geleget  und  selbigen  mit 
vielen  Schlägen  übel  tractieret  hat.  Es  ist  folgendes  Epigramma  auf  ihn  ge- 
macht worden. 

Non  ea  Musa  bona  est,  nee  Musica  composuisti 
Quam  Conti,  tactus  nam  fuit  ille  gravis: 

Et  Bassus  nimium  crassus,  neque  consona  clavis: 
Perpetuo  nigras  hinc  geris  ergo  Notas.'' 
^0  weit  Ehren  Mattheson's  Anschuldigung. 

••  Joh.  Joach.  Quantz  in  Marpurg  krit.  Beitr.  (1754)  I.  219  f. 
sagt  gelegentlich  der  Schilderung  der  Oper  Costanza  e  Fortezza  von  Fux: 

„Ich  bediene  mich  dieser  Gelegenheit,  diesen  braven  Mann  (Fran- 
cesco Conti)  gegen  die  sogenannte  glaubwürdige  Nachricht  aus  Regens- 
burg vom  10.  Oct.  1730,  mit  welcher  Hr.  Legationsrath  Mattheson  hinter- 
gangen worden ,  und  die  S.  40  des  vollkommenen  Kapellmeisters  einge- 
schaltet ist  zu  retten.  Es  war  nicht  dieser  Conti,  sondern  sein  Sohn, 
der  den  Geistlichen  geschlagen  hatte,  und  deswegen  die  dort  beschriebene 
Kirchenbusse  thun  musste.  Die  Übrigen  Umstände  sind  wahr.  Weil  dieser 
Sohn  damals  unter  den  sogenannten  kais.  Hofscholaren  war  und  sich  auf 
die  Composition  legte,  so  hat  es  leicht  geschelien  können,  das3  man  ihn  mit 
dem  Vater  verwechselt  hat.  Ausser  glaubwürdigen  Zeugen,  die  damals  in 
Wien  anwesend  gewesen  sind  und  beide  gekannt  haben ,  ist  auch  dieses  ein 
sicherer  Beweis,  dass  es  der  Vater  nicht  gewesen  sein  könne,  weil  er  im 
Cameval  1732  die  auf  dem  kais.  Theater  aufgeführte  Oper  Issipile  in  Musik 
gebracht,  welches  man  mit  dem  in  Wien  gedruckten  Buche  dieser  Oper 
allzeit  beweisen  kann.  Dem  Sohne  ist  die  Landesverweisung  erlassen  wor- 


348  Beil.  III.-   10.11. 

den.  Er  ist  nach  der  Grefangenschaft  wieder  nach  Wien  gegangen ,  kommt 
aber  dem  Vater  in  musikalischen  Verdiensten  in  geringstem  nicht  bei.  Man 
nennt  ihn  insgemein  Contini.*' 

flO*  Simon  Molitor,  Ehrenrettung  des  weiland  kais.  Hofcompo- 
siteurs  in  Wien  Francesco  Conti  gegen  eine  in  Mattheson's  Voll- 
kommenen Kapellmeister  überlieferte  ehrenrührige  Anecdote.  [A.  Mus.  Ztg. 
1838.  p.  153  ff.] 

„Ignazio  Conti,  kais.  sogen.  Hofscholar  —  Sohn  des  kai8..Hofcom- 
positeurs  Francesco  Conti  —  zur  Zeit  des  Vorfalles  31  Jahre  alt,  gerieth 
zu  Anfang  des  Monats  August  1730  mit  einem  Geistlichen  aus  Sicilien, 
Namens  Steffano  Bertoni,  in  einen  Worstreit,  in  dem  er  sich  so  weit  verga&s, 
den  letztern  thätlich  zu  mishandeln.  Dieser  forderte  ihn  vor  das  geistliche 
Gericht,  welches  nach  gepflogener  Verhandlung  über  den  Ignazio  dem 
kanon.  Rechte  gemäss,  den  Kirchenbann  aussprach ,  von  welchem  derselbe 
jedoch  schon  am  18.  Sept.  auf  seine  demüthige  Bitte  die  Absolution  er- 
langte. Ignazio  Conti  war  übrigens  gegen  geleistete  Bürgschaft  während 
der  Untersuchung  auf  freiem  Fusse,  und  es  kommt  herv^or,  dass  gegen  den- 
selben das  brachium  seculare  nicht  aufgerufen  worden  war.  ^ 

Alles  übrige  von  Mattheson  angeführte  ist  reine  Erfindung. 

11.  Ignazio  Conti  erscheint  in  den  Hofschematismen  ununter- 
brochen von  1721  bis'l760,  namentlich  auch  in  den  Jahren  1731,  1732,  1733, 
1734  als  kais.  Hofscholar.  Wäre  er  wegen  eines  schweren  Vergehens  zu 
mehrjähriger  Geföngnissstrafe  vemrtheilt  und  gefangen  gehalten  worden, 
so  würde  er  in  den  Hofschematismen  sicher  nicht  als  Hofschoiar  fortgefiihrt 
worden  sein.  Man  hatte  daher  auch  von  Seite  des  Hofes  diesem  unbeson- 
nenen Streiche  des  heissblUtigen  Italieners  keine  besondere  Bedeutung  bei- 
gelegt, da  überdies  schon  vom  Jahre  1733  durch  mehrere  aufeinanderfol- 
gende Jahre  Serenaden  und  Oratorien  seiner  Composition  aufgefiihrt  wur- 
den, und  Fux  denselben  im  Jahre  1739  (Beil.  VI.  257)  zum  Titular-Hofcompo- 
sitor  vorgeschlagen  hatte.  —  Auch  auf  den  noch  lebenden  Vater  muss  dieses 
Ereigniss  keinen  nachhaltigen  Eindruck  gemacht  haben,  denn  in  dessen  Te- 
stament vom  2.  Juli  1732  wird  sein  Sohn  Ignaz  ohne  Bemerkung  mit  den 
Worten  zum  Universalerben  eingesetzt :  „8®  Istituisco,  facio  e  nomino  e  vo- 
glio,  che  sia  mio  erede  universale  vero  e  legitimo  il  d**  mio  carissimo 
figlio  Ignazio 'Conti.**  —  Am  Schlüsse  heisst  es  amtlich:  „Gegenwärtiges 
Testament  ist  im  Beisein  des  eingesetzten  Universalerben  Ignaz  Conti 
und  des  Julii  Consojno  eröffnet  worden."  Wien  19.  Juli  1732  (L.  Ger.  Arch. 

in  Wien  Test.  ^ 

Alle  diese  Behelfe  zusammengenommen,  sollte  man  meinen,  können 
genügen,  die  grundlose  Beschuldigung  des  Francesco  Conti  durch  Joh.  Mat- 
theson filr  alle  Zeiten  darzuthun.  —  Allein  man  hat  Belege  zu  dem  Worte 
des  Dichters:  L'homme  est  de  feu  pour  le  mensonge,  il  est  de  glace  pour 
la  v6rit6. 


Beilage  IV. 

Zum  Gradus  ad  Paroassum  —  DedicationeD. 

!•  Der  vollständige  Titel  dieses  berühmten  Werkes  lautet: 

Gradus  adParnassum,  sive  Manuductio  ad  Compositionem  Musicae 
Regulärem  Methodo  novl,  ac  certa,  nondum  antö  tarn  exacto  ordine  in  lucem 
edita:  Elaborata  a  Joanne  JosephoFux,  Sacrae  Caesareae,  ac  Regiae 
Catholicae  Majestatis  Caroli  VI.  Romanorum  Imperatoris  Supremo  Cbori 
praefecto.  Viennae  Austriae,  Typis  Joannis  Petri  Van  Ghelen,  Sac.  Caes. 
Regiaeque  Catholicae  Majestatis  Aulae-Typhographi,  1725. 

Es  ist  in  Folio,  die  Notenbeispiele  mit  beweglichen  'lypen  gedruckt, 
enthält  280  paginierte  und  6  nic)it-paginierte  Seiten.  Einigen  Exemplaren 
ist  ein  Titelkupfer  beigegeben,  den  Musenberg  vorstellend  mit  Stufen,  auf 
deren  oberster  ein  Jüngling,  mit  einem  Buche  im  Arme,  von  Apollo  mit 
einem  Lorberkranze  gekrönt  wird,  während  die  Musen  sich  in  verschiedenen 
Entfernungen  gruppieren. 

Das  Buch  eröffnet  mit  folgender  Dedicationan  den  Kaiser  Karl  VI. 
gerichtet. 

Augustissimo,  Invictissimo  ac  Potentissimo  Principi  Carolo  VI.,  Ro- 
manorum Imperatori. 

Auguste  Caesar  * 

Si  flumina  ad  Oceanum ,  unde  originem  trahunt ,  cursum  suum  reflec- 
tunt :  si  terra  rore  matutino  madefacta  eundem  humorem ,  tanquam  in  grati 
animi  tesseram,  ad  aethera  denuo  mittit ;  quo  alias  Opusculum  hoc  se  vertat, 
nisi  ad  Te  Auguste  Caesar?  Tuum  enim  est  jure  Dominii ;  quia  partus 
clientis.  Tuum